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36 Adal, während im N. der steile Hochlandsrand so schnell aus der am Meere hingestreckten, aus sandigen oder felsigen Flächen bestehenden Sambara emporsteigt, daß man auf der Straße von Massaua [* 2] nach dem Innern, bei dem Dorfe Halai, kaum 70 km von der Küste entfernt, sich schon in 2600 m Höhe befindet. Mit Ausnahme des äußersten Südostens, der sich nach dem Indischen Ocean zu abdacht, geht die Neigung der abessin. Hochlandsplatte nach NW. und W., so daß Abessinien zum weitaus größten Teile dem Stromgebiete des Nils angehört.
Bewässerung. Die Hauptwasseradern des Landes sind Nebenflüsse des Nils, die sämtlich erst innerhalb des Sudans und Nubiens den Hauptstrom erreichen. Dem äußersten, noch unerforschten Süden A.s gehören wahrscheinlich der Oberlauf oder wenigstens einige Zuflüsse des Sobat oder Tilsi an, der unter 9° nördl. Br. in den Nil mündet. Die Hauptströme des eigentlichen Abessinien sind der Abai, in seinem Unterlaufe Bahr el-Asrak (d. i. Blauer Fluß) genannt (s. Nil), der Atbara (s. d.) und dessen Nebenfluß, der Takaseh.
Der bedeutendste Strom des nördlichen Abessinien ist der Mareb, der in der Landschaft Hamasen entspringt, die Hochlandschaft Serawe bogenförmig umfließt und als Gasch in wasserreichen Jahren den Atbara unter 17° 15' nördl. Br. erreicht. Ebenfalls in Hamasen, nahe der Marebquelle, entspringt der Anseba, der unter 16° 15' nördl. Br. in den ins Rote Meer fließenden Chor Baraka (s. d.) einmündet. Nicht zum Stromgebiet des Nils gehört auch der äußerste Südosten des Landes.
Hier entspringt an den Grenzen [* 3] von Gurage der Hawasch, der mit seinem breiten und fruchtbaren Thale eine ansehnliche Strecke die Grenze von Schoa gegen die Gallaländer bildet, in seinem Unterlaufe das Land der Adal durchströmt und sich in der Oase von Aussa in den abflußlosen Abhebaddsee ergießt. Gleichfalls in den Gebirgen von Gurage entstehen auch die Quellströme oder wenigstens Zuflüsse des durch das Somalland fließenden Schebehli (früher Webi) und des Webi Giweni, der die Südgrenze des Somallandes bezeichnet und bei dem Orte Jub oder Wumbu in den Indischen Ocean mündet, und ebenfalls der lange Zeit für den Oberlauf des Webi Giweni gehaltene Gibbe-Omo, der unter 5° nördl. Br. in den Basso Narok oder Rudolfsee einmündet.
Alle abessin. Flüsse [* 4] tragen den Charakter von Gebirgswässern mit häufigen Katarakten und starkem Gefälle. Während sie in trockner Jahreszeit wenig Wasser führen, schwellen sie nach den tropischen Regen mächtig an und brausen meist in tiefen Schluchten dahin. Eigentümlich ist auch für diese Ströme, daß die meisten größern weite Spiralen bilden, wodurch umfangreiche Landstriche halbinselartig umschlossen werden. – Das bedeutendste Süßwasserbecken A.s ist der Tanasee (s. d.) oder Dembea, 1755 m über dem Meere, 95 km lang, 65 km breit, 3680 qkm groß.
Die übrigen Seen sind klein und unbedeutend mit Ausnahme einer im Südosten des Landes, im Lande der Arussi-Galla südöstlich von Gurage, gelegenen Seengruppe, in der der Dembel oder Suai der bedeutendste ist. Überaus reich ist Abessinien an Quellen mit klarem und erfrischendem Wasser, denen die höhern Landschaften besonders ihre Fruchtbarkeit verdanken. Außerdem treten zahlreiche Thermalquellen, oft von sehr hoher Temperatur, fast immer in Gruppen, auf, wie in der Samhara, südlich von Massaua, an den Rändern des Tanasees und im südöstl. Schoa. In letzterer Gegend zeigt die Therme von Fin-Finni, wahrscheinlich eine Glaubersalzquelle, 79° C.
Klima. [* 5] Das Klima ist bei der hohen Lage A.s, obgleich es zu den Tropenländern gehört, gemäßigt und angenehm. Man unterscheidet in klimatischer Beziehung drei Regionen:
1) die Qolla bis 1800 m hoch, mit einer mittlern Jahrestemperatur von 20° C. und prächtiger tropischer Vegetation;
2) die Woina-Dega mit subtropischem Klima, zwischen 1800 und 2500 m, in der vorzugsweise fruchtbare Landstriche und die Mittelpunkte der Kultur liegen, wo der heißeste Monat noch eine mittlere Temperatur von 20° C. hat;
3) die Degas, weite, mit wenig Wald bedeckte Hochlandschaften (über 2500 m), in denen am Tage das Thermometer [* 6] gewöhnlich 8–10°C. zeigt, auf den höchsten Stellen aber nicht selten unter den Gefrierpunkt fällt. Die Regenzeit dauert in den tiefern Gegenden von April bis September, auf den Hochebenen Juli bis Oktober. In den südl. Landschaften giebt es zwei Regenzeiten, vom Juli bis September und im Februar und März. In den Degas findet man zu dieser Zeit Schnee [* 7] auf den höchsten Gipfeln und Eis [* 8] auf einigen Bächen.
Die Schneelinie erhebt sich in der Regenzeit bis 3500 m; auf allen höhern Gipfeln, wie z.B. im Simengebirge,
liegt in Schluchten der unserm Firnschnee ähnliche Schnee beständig. In der Qollaregion
, in der
Samhara und dem Adalland
mit der berüchtigten Taltaldepression herrscht dagegen den größern
Teil des Jahres hindurch eine glühende Hitze, die in
den engen Gebirgsthälern fast erstickend wird. Für die Bewohner des Hochlandes ist der Aufenthalt in der
Qollaregion
sehr gefährlich, weswegen das
Bergvolk sich nie zum dauernden Beherrscher des
Sudan aufzuwerfen vermochte.
Produkte.
Die Pflanzenwelt teilt in den niedern
Regionen von
Tigre und am
Blauen
Nil mit der umgebenden nordtropisch-afrikanischen
den ursprünglichen Charakter wie die Kulturarten. Im Reichtum an Bergpflanzen kommt kein anderes afrik.
Gebirge den
Gebirgen
A.s gleich. Dieses Hochland, die Degaregion
, nimmt die
Höhen von 2000–3000 m ein; über ihr folgt eine tropische
Hochgebirgsregion
, deren Hauptkennzeichen Baummangel und Grasarmut sind. Doch bildet ein baumartiger Wacholder
(Juniperus
procera Hochst.)
mit der
Baumheide der Mittelmeerflora
Bestände von cederartigem Wuchs.
Die großen Berggelände des
Südens in
Enarea,
Kaffa und
Gurage sind mit Waldungen bestanden, in denen sich
wildwachsender
Kaffee findet, der nach einigen seinen
Namen von der Landschaft
Kaffa hat; in Abessinien selbst wird
Kaffee nur am
Tanasee,
bei Korata, angebaut. In höhern Gegenden baut man die Gräser
[* 9] Europas, die Getreidearten und Hülsenfrüchte, den
Weinstock,
die Orange, Citrone,
Pfirsich und
Aprikose. Die kleinern
Wälder der niedern und mittlern Hochlandsregionen
bestehen zum großen
Teil aus der schönen Gibarra (Rynchopetalum) und dem wilden
Ölbaum; außerdem ist dort der
Kussobaum
(Hagenia abyssinica Willd.
oder
Brayera anthelminthica
Kth.) häufig. – Auch
die Tierwelt
A.s ist artenreich und zeigt in den niedern,
heißen
Strichen, gleich der
Pflanzenwelt, viel Gemeinsames mit der Fauna
Senegambiens. Auf den fetten
Weiden des Hochlandes
ziehen ungeheure Herden von Rindern (darunter das Sanga-Rind mit mächtigen Hörnern), Ziegen und Schafen (mit langen
Haaren,
besonders in Begemeder) frei umher. Vorzügliche
Pferde
[* 10] und
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37 Maultiere, deren Zucht besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird, findet man auf den Hochebenen von Begemeder und Lasta. Kamele
[* 12] werden nur in den Qollagebieten und der Samhara gezüchtet. In den Niederungen hausen Elefanten, Nashörner, Flußpferde, Wildschweine
und allerhand Raubtiere,
[* 13] von denen die Hyäne bis auf die Hochebene steigt. In der Samhara und der Qollaregion
finden sich Löwen,
[* 14] Schakale, Leoparden, Luchse, Wildkatzen und Füchse, im Süden auch die Zibethkatze.
Affen [* 15] sind zahlreich, besonders der schöne Guereza, der nebst einigen Nagetieren für Abessinien charakteristisch ist. Auch die Vögel [* 16] sind gut vertreten. Die Flüsse und Sumpflandschaften der Niederungen bergen Krokodile, [* 17] große Schlangen [* 18] und andere Reptilien. Heuschrecken [* 19] werden oft zur Landplage; im ganzen ist aber die Insektenwelt wie die Landweichtiere sehr arm an originellen Formen. – Die Mineralschätze des Landes sind sehr bedeutend, aber nur wenig gehoben, da ein kunstgerechter Bergbau [* 20] unbekannt ist.
Hauptprodukte sind Gold, [* 21] Eisen, [* 22] Kupfer, [* 23] Steinkohlen, Schwefel und Salz, [* 24] letzteres aber nur in der Taltalebene und um den Assalsee. Bevölkerung. [* 25] Sprachen. Volksstämme. Die Bevölkerung des Abessinischen Reichs ist in den letzten Jahrhunderten durch innere Fehden, Menschenhandel, Hungersnot und Seuchen (Cholera) bis auf etwa 3–4 Mill. Köpfe zusammengeschmolzen. Die eigentlichen Abessinier, der Kern der Bevölkerung, sind meist schwarzbraun und schön gebaut. (S. Tafel: Afrikanische Völkertypen, [* 11] Fig. 6.) Auf die ursprüngliche kuschitisch-hamitische Bevölkerung, von der noch Reste in den Agaw vorhanden sind, hat sich schon früh eine Schicht semitisch redender Einwanderer aufgelagert, die Herren des Landes und Träger [* 26] der dortigen Kultur wurden.
Semit. Sprachen haben daher auch heute noch die Oberhand im Lande (s. Amharische Sprache und Äthiopische Sprache). Dagegen sprechen die Agaw, besonders in Agaumeder und Lasta wohnend, eine zu den kuschitischen gehörende Sprache. [* 27] In ihrer Sprache diesen verwandt sind die Falascha (s. d.) im Simengebirge und in verschiedenen andern Gegenden. Alle tiefern Gegenden des Landes nehmen jetzt die Galla (s. d.) ein, die seit dem 16. Jahrh. von Südwesten aus dem Innern Afrikas in Abessinien eingedrungen sind und sich allmählich über Enarea, Damot, Godscham, Schoa, Angot, Amhara und Begemeder ausgebreitet haben. Die Abhänge des Hochlandes zwischen Massaua und Sula und weiterhin haben die Schoho oder Soho, mit eigentümlicher Sprache, inne. Sie unterscheiden sich etwas von den südlicher wohnenden 'Afar. In der Qolla leben heidn. Negerstämme, die Schangalla.
Gewerbe. Handel. Verkehrswesen. Hauptbeschäftigung der Bewohner ist ein höchst einfacher, auf Cerealien, Hülsenfrüchte und Ölfrüchte ausgedehnter Landbau, sowie Viehzucht. [* 28] Die Hausindustrie beschränkt sich auf Leder- und Pergamentbereitung, Baumwollweberei, Anfertigung von Teppichen aus Wolle und Ziegenhaar, und Verarbeitung von Eisen und Kupfer. Der Handel ist von geringerer Bedeutung. Der Verkehr mit den Nilländern wird vorzugsweise durch drei Straßen vermittelt, die ihren Ausgang in Gondar haben.
Die südlichste führt über Serke nach Roseres an den Blauen Nil, die andere durch die Grenzprovinz Kalabat zum Atbara hinunter nach Kassala und Suakin, und die dritte durch die Niederung des Takaseh über Sofi stößt mit letzterer zusammen. In neuester Zeit hat sich auch einiger Verkehr mit den europ. Kolonien am Roten Meer entwickelt, und zwar zwischen Schoa und Zeila am Golf von Aden [* 29] über Harrar und mit Obok am Golf von Tedschura über Aussa. Jedoch ist für den ausländischen Handelsverkehr die jetzt zur ital. Kolonie Erythräa (Eritrea) gehörende Hafenstadt Massaua am Roten Meere der Hauptplatz; auch ist der überseeische Handel fast ganz in ital. Händen. Als Tauschmittel dienen in den Häfen die sog. Maria-Theresienthaler, im Innern Baumwollstoffe und Salzstücke (Amulê genannt).
Geistige Kultur. Der Religion nach sind die Bewohner A.s, mit Ausnahme der Mohammedaner in Harrar, in der Samhara und dem Lande der Adal, sowie des noch heidn. Teils der Galla, Christen. Doch geht dieses Christentum nicht über Äußerlichkeiten hinaus. (S. Abessinische Kirche.) In einigen Grenzbezirken hatte der Islam im 19. Jahrh. starke Fortschritte gemacht, aber der verstorbene König Johannes hat alle Mohammedaner aus dem eigentlichen Abessinien, wo sie den Haupthandel in Händen hatten, verwiesen. Die Vornehmen und Reichen leben in Müßiggang oder Kriegsfehden und überlassen ihr Hauswesen den Weibern und Sklaven. Letztere werden mild, die Feinde aber barbarisch behandelt. Das Volk ist im allgemeinen geistig begabt und thatkräftig, aber infolge der Auflösung aller öffentlichen Sicherheit und Ordnung tief gesunken.
Geschichte. Über die Zeit bis zur Mitte des 19. Jahrh. s. Äthiopien. 1855 gelang es dem Häuptling Kâsa im westl. Amhara, Ras Ali, den Reichsregenten des Schattenkaisers zu Gondar, und die Statthalter der übrigen Provinzen unter seine Macht zu beugen, worauf er sich zum Kaiser (Negus Nagast) von Abessinien krönen ließ und den Namen Theodor II. (s. d.) annahm. Er herrschte anfangs umsichtig und maßvoll, führte viele Verbesserungen ein, suchte namentlich europ. Techniker und Handwerker nach Abessinien zu ziehen, richtete aber das Hauptaugenmerk auf Beschaffung besserer Waffen [* 30] für seine Soldaten.
Die ungeheure Soldatenschar, die er hielt (bis zu 150000 Mann), verschlang in kurzer Zeit die Kräfte der Bevölkerung; eine Provinz nach der andern erhob sich; er schlug den Aufstand zwar mit äußerster Grausamkeit nieder, aber schon 1863 waren viele seiner Länder vollständig verheert und seine Truppen zusammengeschmolzen. Durch die Vergeblichkeit seiner Bewerbungen um Bündnisse mit den europ. Großmächten gegen Ägypten [* 31] gekränkt, faßte Theodor einen Haß gegen die Europäer und ließ Cameron (s. d.) sowie den engl. Gesandten und den franz. Abgesandten Bardel samt ihren Begleitern und einigen Missionaren im Nov. 1864 in der Festung [* 32] Magdala in Fesseln legen.
Nach vergeblichen Bemühungen der engl. Regierung, die Gefangenen durch Unterhandlungen zu befreien, beschloß dieselbe im Juli 1867 den Kriegszug, der unter Napiers Führung 1868 von der Annesleybai am Roten Meere aus mit 16000 Mann gegen Abessinien unternommen wurde. Nachdem man durch den Komaylipaß ins Hochland nach Senafe eingedrungen war, standen schon 3500 Mann engl. Truppen vor Magdala, wo sich jetzt Theodor befand. Nach einem mißglückten Ausfall bahnte Theodor Versöhnungsversuche an und schickte die gefangenen Europäer ins Lager; [* 33] 13. April wurde die Festung im Sturm genommen. Theodor hatte sich schon vorher durch einen Pistolenschuß entleibt. Magdala ¶