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4 Bildungs- und Vereinswesen. Technische Hochschule für Rheinland und Westfalen, [* 2] eröffnet hatte im Wintersemester 1892/93 222 Studierende, 51 Hospitanten, 28 Professoren, 10 Docenten und 17 Assistenten; königl. und städtisches kath. Kaiser-Karls-Gymnasium, 1805 eröffnet, königl. paritätisches Kaiser-Wilhelms-Gymnasium, höhere kath. Stiftsschule (3 Gymnasial- und 2 Vorklassen), städtisches Realgymnasium, Realschule mit Fachklassen für technische Gewerbe, Lehrerinnen-Bildungsanstalt, Vereins-Taubstummenanstalt (1838 gegründet), 2 städtische höhere Mädchenschulen, höhere Mädchenschule Burtscheid-Aachen, gewerbliche Zeichen- und Kunstgewerbeschule, gewerbliche Fortbildungs-, gewerbliche Tagesschule, Webeschule, 2 Mädchen-Mittelschulen.
Mit dem Suermondt-Museum (Barth. Suermondt, gest. 1887), einer Sammlung von Gemälden vortrefflicher Niederländer, von Waffen [* 3] und kunstgewerblichen Erzeugnissen, ist eine dauernde Gemäldeausstellung verbunden; in demselben Gebäude die Stadtbibliothek (85000 Bände), im sog. Gras-Hause (Kurie Richards von Cornwallis) das städtische Archiv. Daneben bestehen 6 öffentliche Bibliotheken, zahlreiche Kunst- und naturhistor. Privatsammlungen, das 1885 gegründete Zeitungsmuseum (s. d.), ein Stadttheater (Oper, Schauspiel) mit 1300 Plätzen und ein Saisontheater (Lustspiel und Operette).
Unter den zahlreichen Vereinen und Gesellschaften seien erwähnt der Verein für Kunde der Aachener Vorzeit, Geschichts-, Museumsverein, ärztlicher Leseverein, Aachener Architekten- und Ingenienrverein, Aachener Bezirksverein deutscher Ingenieure, Verein für die berg- und hüttenmännischen Interessen im Aachener Bezirk, Verein deutscher Nadelfabrikanten (Sitz zu Aachen), [* 4] Bienen- und Seidenzucht-, Gewerbeverein für Aachen, Burtscheid und Umgegend, Bürgerkasino, Erholungsgesellschaft, Freimaurerloge. Alle 3 Jahre (zuletzt 1894) werden in Aachen die berühmten niederrhein. Musikfeste abgehalten. 1890 erschienen 15 Zeituugen und periodische Blätter.
Wohlthätigkeitsanstalten. Mariahilf-Hospital (unter Leitung der Elisabetherinnen), Luisen-Hospital (unter Leitung von Diakonissen), Vincenz-Hospital für Unheilbare, die Irrenanstalt Mariaberg der Alexianer, seit 1895 von der Provinz verwaltet, die Annunciatenanstalt für weibliche Irre, die Mariannen-Entbindungsanstalt, Augenklinik, das Armen- und Waisenhaus der Barmherzigen Schwestern, Erziehungsanstalt der Franziskaner für arme Knaben, die der Schwestern vom Kinde Jesu, 8 Kinderbewahranstalten, je 2 städtische Turn-, Schwimmanstalten u.a.
Industrie. Schon im Mittelalter war die Industrie bedeutend und wird in neuerer Zeit besonders durch die in der Umgegend erschlossenen mächtigen Steinkohlenlager (s. die Nebenkarte zur Karte: Rheinprovinz, [* 5] Westfalen u.s.w. I. Nördlicher Teil) gefördert. Bereits im 12. Jahrh. waren die Gold-, Silber-, Ciselier- und Gravierarbeiten sowie gewebte feinere Tuche berühmt; jetzt giebt es 114 Tuchfabriken (2200 Arbeiter) und Streichgarnspinnereien, 15 Kratzen-, 24 Nadel-, 15 Cigarrenfabriken, 45 Eisengießereien und Maschinenfabriken; Fabriken für Luxus- und Eisenbahnwagen, Dampfkessel, [* 6] Tuchschermesser, Handschuhe, Glasknöpfe, Farben, Soda, Cement, Leder und Treibriemen. Aachen ist Sitz der 24. Sektion der Fuhrwerks-, der 6. der Rheinisch-Westfälischen Baugewerks-, der 6. der Rheinisch-Westfälischen Textil-, der 5. der Rheinisch-Westfälischen Hütten- und Walzwerks-Berufsgenossenschaft und der 7. der Berufsgenossenschaft für Feinmechanik.
Handel. Aachen ist seit langem ein wichtiger Handelsplatz; im 14. Jahrh. hatten die Aachener in Antwerpen [* 7] und Venedig [* 8] bedeutende Lagerhäuser. Außer in den Erzeugnissen seiner Industrie hat es in Wolle, Getreide, [* 9] Wein, Leder, Rauch- und Pelzwaren, Holz, [* 10] Metallen und Steinkohlen bedeutenden Verkehr; ferner besitzt es viele größere Buch-, Kunst- und Musikalienhandlungen, eine Reichsbankstelle, Handelskammer für und Burtscheid, Gewerbekammer, Diskontogesellschaft, Bank für Handel und Gewerbe, Bergisch-Märkische Bank, 2 Vorschußvereine, Konsulate für das Königreich Belgien, [* 11] die Argentinische Republik [* 12] und die Vereinigten Staaten [* 13] von Amerika. [* 14] Unter den Versicherungsgesellschaften ist zu nennen die Aachener und Münchener Feuerversicherungsgesellschaft (1825 von Hansemann gegründet), ferner die Aachen-Leipziger Feuerversicherungsgesellschaft und die Aachen-Leipziger Versicherungs-Aktiengesellschaft.
Verkehrswesen. Der Verkehr wird vermittelt durch die Bahn Aachen-Maastricht (36,90 km, Bahnhöfe [* 15] Marschierthor und Templerbend) und die Linien Aachen-Jülich (27,54 km, Bahnhof Kölnthor), Langerwehe-Aachen-Herbesthal (36,75 km, Rheinischer Bahnhof), Aachen-Rheydt (54,08 km, Bahnhöfe Marschierthor und Templerbend) der Preuß. Staatsbahnen [* 16] und die Güterbahn Aachen-Rote Erde (6,81 km) mit Nebenbetrieb, die Linien der elektrischen Straßenbahn (1895 eröffnet) nach Haaren, Forst, [* 17] Burtscheid und Vaals; ein Postamt erster Klasse und fünf andere Postanstalten, ein Telegraphenamt, Fernsprecheinrichtung innerhalb der Stadt und mit Burtscheid, Düren, [* 18] Köln, [* 19] München-Gladbach und Düsseldorf; [* 20] über 100 Droschken.
Mineralquellen. Die Aachener Mineralquellen, schon zur Römerzeit benutzt, gehören zu den alkalisch-muriatischen Schwefelthermen und kommen ihren Wärmegraden nach den Thermen in den Pyrenäen, ihrem Gehalt an Salzen nach denen von Wiesbaden [* 21] und Karlsbad nahe. Sie entspringen auf dem Übergangsgebirge (Grauwackenschiefer und Kalkstein) nahe der Stadt und werden nach ihrer Lage in die obern und untern geteilt, von denen jene stärker, wärmer und schwefelhaltiger sind als diese (45–56°C.).
Von jenen sind die vorzüglichsten: die Kaiserquelle (55° C.), die, im Kaiserbad entspringend, dieses, sowie das Neubad, das Bad der [* 22] Königin von Ungarn [* 23] und den seit 1827 eingerichteten Elisenbrunnen (Trinkbrunnen) speist (seit 1865 wird ihr Wasser auch in Flaschen versandt), und die Quirinusquelle (50° C.), die in das Quirinusbad fließt. Zu den untern Quellen gehören die wasserreichste, das Rosenbad und das für Unbemittelte bestimmte Comphausbad speisende Rosenbadquelle (47° C.) und die dem Cornelius- und Karlsbad zugeleitete Corneliusquelle (45° C.). Nach der Analyse von Liebig kommen auf 10000 g Wasser der Kaiserquelle neben andern mineral. Bestandteilen Kochsalz 26,1, schwefelsaures Natron 2,8, schwefelsaures Kali 1,5, kohlensaures Natron 6,4 und außerdem freie Kohlensäure 5. Die Thermen wirken hauptsächlich auf das Pfortadersystem und die Schleimhäute und werden gegen Gicht, chronische Ausschläge und Katarrhe, Unterleibsbeschwerden, Hämorrhoiden, Leberleiden, Neuralgien, Reste von ¶
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5 Syphilis und Merkurialismus angewandt und zwar zum Einatmen, Trinken und Baden, [* 25] zu Douche- und Dampfbädern. Die Badebassins sind 1,25–1,50 m tief in die Erde ganz nach altröm. Art gebaut, mit Marmor oder Fliesen [* 26] ausgekleidet und fassen bis 1½ cbm. Aachen hat außerdem mehrere kalte Eisenquellen, die meist äußerlich gegen allgemeine Schwäche, Unregelmäßigkeiten der Menstruation, Krämpfe u.s.w. gebraucht werden, sowie Milch- und Molkenkuranstalten. Hauptsammelplatz der Kurgäste (jährlich über 20000) sind die Säulenhallen des Elisenbrunnens mit den sie umgebenden Promenaden und Gartenanlagen, sowie das Kurhaus. In neuerer Zeit hat auch die Wintersaison großen Aufschwung genommen.
Die Quellen des benachbarten Burtscheid (s. d.) haben ähnliche Zusammensetzung, aber höhere Temperatur. –
Vgl. Monheim, Die Heilquellen von Aachen, Burtscheid, Spaa, Malmedy und Heilstein (Aachen 1829);
Liebig, Chem. [* 27] Untersuchung der Schwefelquellen A.s (ebd. 1851);
Wetzlar, [* 28] Die Heilwirkungen der Aachener Schwefelthermen (ebd. 1862);
Améry und Reumont, Aix-la-Chapelle et Borcette (8. Aufl., ebd. 1884);
Haagen und Benrath, und seine Umgebungen (3. Aufl., ebd. 1872);
Lersch, Geschichte des Bades Aachen (ebd. 1870);
ders., Aachen, seine geolog.
Verhältnisse u.s.w. (ebd. 1875);
Reumont, Die Thermen von und Burtscheid (6. Aufl., ebd. 1888);
Sträter, Die Heilwirkungen der Schwefelthermen von Aachen (ebd. 1866);
Lersch, Die Thermalkur zu Aachen (ebd. 1872);
Schuster, Die Aachener Thermen 3. Aufl., ebd. 1876);
Reumont, Winterkuren an Schwefelthermen (Wien [* 29] 1877);
Beißel, Der Aachener Sattel und die aus demselben vorbrechenden Thermalquellen (Aachen 1886);
ders., Aachen als Kurort (ebd. 1889);
Fromm, Die Litteratur über die Thermen von Aachen seit der Mitte des 16. Jahrh. (ebd. 1890).
Vergnügungsorte und Umgebung. Aus den parkartigen Umgebungen A.s, unter denen der Stadtgarten in Verbindung mit botan. Garten [* 30] besonders zu erwähnen ist, erhebt sich im Norden [* 31] der Lousberg (202 m) mit herrlicher Aussicht und dem reizenden Belvedere, nahe dabei der Salvatorberg mit der 1887 auf uraltem Fundamente errichteten roman. Salvatorkapelle; vor der Stadt das neue Frankenberger Stadtviertel mit der erneuerten Frankenburg, dem angeblichen Lieblingsaufenthalte Karls d. Gr. und seiner Gemahlin Fastrada. Im Westen der Zoologische Garten mit Anlagen. Jährlich finden auf der nahen Brander Heide Pferdewettrennen statt.
Geschichte. von den Römern wegen der heißen Quellen angelegt und Aquisgranum, wahrscheinlich nach dem bei den Thermen verehrten Apollo Granus genannt, war öfters Residenz der fränk. Könige und gelangte durch die von Karl d. Gr. verliehenen großen Freiheiten zu hohem Glanz. Als Freie Reichsstadt des westfäl. Kreises erreichte sie eine Einwohnerzahl von über 100000; sie hieß vorzugsweise «des Heiligen Römischen Reichs freie Stadt», auch «Königlicher Stuhl».
Von Ludwig dem Frommen bis auf Ferdinand I. (813–1531) wurden in Aachen 37 deutsche Kaiser und Könige gekrönt. Reichsversammlungen sind in Aachen 17, Provinzialkonzilien 11 abgehalten worden. Die Verlegung der Krönungen nach Frankfurt, [* 32] die Religionsstreitigkeiten des 16. und 17. Jahrh., eine große Feuersbrunst, die 1656 gegen 4000 Häuser einäscherte, u.a. brachten das einst so blühende Gemeinwesen in Verfall. 1793 von den Franzosen besetzt, kam Aachen dann durch die Friedensschlüsse von Campo-Formio und von Lunéville an Frankreich als Hauptstadt des Depart. Roer; 1815 fiel Aachen an Preußen. [* 33] In Aachen kamen zwei Friedensschlüsse (s. Aachener Friede) zu stande; auch wurde daselbst 1818 der Aachener Kongreß (s. d.) abgehalten. –
Vgl. Quir, Geschichte der Stadt Aachen (2 Bde., Aachen 1841);
Lörsch, Aachener Rechtsdenkmäler (Bonn [* 34] 1871);
Haagen, Geschichte A.s (2 Bde., Aachen 1873–74);
Lersch, Neuester Führer durch und Umgegend (5. Aufl., ebd. 1892);
Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins (ebd. 1879 fg.);
Benrath, und seine Umgebungen (3. Aufl., ebd. 1872);
Wagner, Beschreibung des Bergreviers Aachen (Bonn 1881);
Zimmermann, Wegweiser durch Aachen (2. Aufl., Aachen 1894);
Rhoen, Die Befestigungswerke der freien Reichsstadt Aachen (ebd. 1894);
Schjerning, und seine Umgebung (ebd. 1895).