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3 Heinrich II. geschenkt. Trotz aller Nachgrabungen ist die ursprüngliche Begräbnisstelle Karls d. Gr., die Kaiser Otto III. im J. 1000 öffnen ließ, noch unbekannt. Nach Annalen (1048) des Klosters Novalese (im Thale von Susa) wurde der Kaiser noch wohl erhalten in weißem Ornat, auf einem Sessel sitzend, mit der Krone geschmückt und das Scepter in den Händen gefunden. Das wiederum vermauerte Kaisergrab wurde von Friedrich I. (Barbarossa) bei der Kanonisation Karls d. Gr. 1165 geöffnet und die Gebeine wahrscheinlich in den noch jetzt gezeigten, reichverzierten Proserpinakasten gelegt, aus dem sie Kaiser Friedrich II. 1215 in eine kunstvolle Truhe (Karlsschrein) bringen ließ.
Hier ruhten sie auf dem Choraltar bis gegen Ende des 18. Jahrh., wo sie in die
Ungarische Kapelle gebracht wurden. (Vgl. Käntzeler,
Der die Gebeine
Karls d. Gr. enthaltende Behälter, Aachen
[* 2] 1859.) Die im
Grabe aufgefundenen Reichsinsignien wurden 1798 nach
Wien
[* 3] gebracht. (Vgl.
Bock,
[* 4] Die Kleinodien des
Heiligen
Römischen
Reichs,
Wien 1864.) Der weiße Marmorstuhl,
später mit Goldplatten belegt, diente bis 1531 bei Krönungen dem
Kaiser während der
Begrüßung der Reichsfürsten zum Sessel
und steht jetzt auf der Empore des
Achtecks (dem sog. Hochmünster).
Das Grab Ottos III. befindet sich im Chor. Außer dem Karlsschreine mit den Gebeinen Karls d. Gr. und dem Proserpinakasten befindet sich im Domschatze der Marienschrein mit den zur Zeit Karls aus dem Orient gekommenen Großen Reliquien, die alle sieben Jahre (zuletzt 1895) vom 10. bis 24. Juli von der Galerie des Glockenturms und in der Kirche gezeigt werden: ein Unterkleid der Jungfrau Maria (eine Art Byssus), die Windeln des Jesuskindes, das Lendentuch Christi, bei der Kreuzigung getragen und das Leintuch, auf dem Johannes der Täufer enthauptet wurde;
die Büste Karls d. Gr. von Gold [* 5] und Emaille (15. Jahrh.), sein Jagdhorn (orient. Elfenbeinarbeit) und viele sog. Kleine Reliquien.
Das vielfach durch Anbauten verunstaltete Münster [* 6] ist durch die Bemühungen des 1849 gegründeten Karlsvereins und reiche Beiträge der Könige Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. in seiner ursprünglichen Gestalt wiederhergestellt und verschönert worden. Das Achteck ist wieder mit den herrlichen Marmorsäulen geschmückt, die 1794 von den Franzosen geraubt und durch den Pariser Frieden wiedererworben wurden; mit Ausnahme zweier roter Porphyrsäulen, die noch heute im Louvre sind.
Die 14 Standbilder im Innern des Chors glänzen in ihrer alten got. Farbenpracht. Am Eingange zum Chor, wo früher der Altar [* 7] stand, an dem von Ludwig dem Frommen (813) bis Ferdinand I. (1531) 37 deutsche Könige und 14 Königinnen gesalbt wurden, ist ein neuer Altar geweiht worden. –
Vgl. Nolten, Archäol.
Beschreibung der
Münster- und
Krönungskirche zu Aachen
(Aachen
1818); Quir, Histor.
Beschreibung der Münsterkirche zu Aachen
(ebd. 1840);
Debey, Die Münsterkirche zu und ihre Wiederherstellung (ebd. 1851);
Mertens, Die karolingische Klosterkapelle zu (in der «Bauzeitung», 1840, V);
Schervier,
Die Münsterkirche zu und deren
Reliquien (Aachen
1853);
Floß, Geschichtliche Nachrichten über die Aachener Heiligtümer (ebd. 1855);
Bock, Der Reliquienschatz des Liebfrauen-Münsters zu Aachen
(ebd. 1860);
ders., Das Heiligtum zu Aachen
(Köln
[* 8] 1867);
ders., Karls d. Gr. Pfalzkapelle und ihre Kunstschätze (ebd. 1866–67);
Kessel, Geschichtliche Mitteilungen über
die Heiligtümer der Stiftskirche zu Aachen
(ebd. 1874).
– Andere hervorragende Kirchen sind: die St. Foilanskirche (12. Jahrh.), die spätgot. St. Paulskirche mit schönen Glasmalereien (s. Tafel: Glasmalerei [* 9] II, [* 1] Fig. 1), die got. Marienkirche (von Statz) und die roman. Redemptoristenkirche, die Michaeliskirche (1628 geweiht) mit der Pietà von Honthorst (1632), die neue Jakobskirche von Wiethase, im Übergangsstil, und die evang. Kirche. Zu erwähnen ist noch die neue Synagoge in maur. Stil (nach Wickop). Weltliche Bauten. Am Marktplatz das got. Rathaus, 1353–70 auf den Ruinen der karoling.
Kaiserpfalz (778) erbaut, mit dem alten röm. Granusturm (13. Jahrh.)
östlich und dem
Glocken- oder Marktturm westlich, beide ihres hohen Daches durch eine Feuersbrunst 1883 beraubt.
(Vgl.
Kessel, Das Rathaus zu Aachen
, 1884.) Der Krönungssaal im Obergeschoß (44 m lang, 19 m breit), in dem 35 deutsche
Könige und 11 Königinnen das Krönungsmahl hielten, im 18. Jahrh. durch Holzwände geteilt,
ist jetzt wiederhergestellt und mit 8 Fresken, Scenen aus dem Leben
Karls d. Gr., von
Alfred Rethel geschmückt;
das Kurhaus (1782) mit dem maurischen neuen Kursaal (1863–64 nach Plänen Wickops erbaut);
der Elisenbrunnen in dor. (1822–24), das Stadttheater (1824) in ion. Stil nach Plänen von Schinkel (288000 M.), das großartige Bürgerhospital Mariahilf (1848–65 erbaut);
die 1870 nach Plänen von Cremer in ital. Renaissance vollendete Technische Hochschule mit dem neuen (1879) chem. Laboratorium [* 10] (von Ewerbeck und Intze);
die Gebäude der Reichsbank und der Bergisch-Märkischen Bank;
die Strafanstalt (got. Stil, von Cremer), das roman. Postgebäude, das got. Karlshaus, die Kurie Richards von Cornwallis, das älteste Rathaus der Stadt, jetzt wiederhergestellt, das Kaiserbad und das Justizgebäude, ein got. Backsteinbau nach Dieckhoffs Entwurf (1888).
Verwaltung. Die Stadt wird verwaltet von einem Oberbürgermeister (Pelzer, seit 1884, 12000 M.), 5 Beigeordneten (4 besoldet), 30 Stadtverordneten sowie einer königl. Polizeidirektion (Polizeipräsident Graf Matuschka-Greiffenklau). Die Feuerwehr umfaßt einen Branddirektor, Brandinspektor, 5 Brandmeister und 3 Compagnien mit je 28 Mann und 6 Pferden. Es bestehen 55 Feuermeldestellen, 1631 öffentliche Gasflammen und in mehrern Privathäusern elektrische Beleuchtung. [* 11] Die große Wasserleitung [* 12] ist seit 1880 im Betrieb.
Finanzen. Der Haushaltplan für 1895/96 schließt ab in Einnahme und Ausgabe mit 5454000 M., wovon 1717059 M. durch Umlage zu decken sind. Für Unterrichtszwecke werden aufgewendet 1159940 M.
Behörden. Aachen
ist Sitz der königl. Bezirksregierung, des Landratsamtes für
den Landkreis Aachen, eines Landgerichts (Oberlandesgericht Köln) mit 16
Amtsgerichten (Aachen,
Aldenhoven,
Blankenheim,
Düren,
[* 13] Erkelenz,
Eschweiler,
[* 14] Eupen,
[* 15] Geilenkirchen, Gemünd, Heinsberg, Jülich,
Malmedy, Montjoie, St. Vith,
Stolberg,
[* 16] Wegberg) und Kammer für
Handelssachen, eines Amtsgerichts, Hauptzollamtes, einer Oberpostdirektion für den Reg.-Bez.
Aachen mit 191 Verkehrsanstalten, 1332 km oberirdischer Telegraphenlinien mit 5046 km Leitungen, einschließlich 1414 km
der Stadtfernsprechanlagen, sowie des Kommandos der 29. Infanteriebrigade und eines
Bezirkskommandos.
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4 Bildungs- und Vereinswesen. Technische Hochschule für Rheinland und Westfalen, [* 18] eröffnet hatte im Wintersemester 1892/93 222 Studierende, 51 Hospitanten, 28 Professoren, 10 Docenten und 17 Assistenten; königl. und städtisches kath. Kaiser-Karls-Gymnasium, 1805 eröffnet, königl. paritätisches Kaiser-Wilhelms-Gymnasium, höhere kath. Stiftsschule (3 Gymnasial- und 2 Vorklassen), städtisches Realgymnasium, Realschule mit Fachklassen für technische Gewerbe, Lehrerinnen-Bildungsanstalt, Vereins-Taubstummenanstalt (1838 gegründet), 2 städtische höhere Mädchenschulen, höhere Mädchenschule Burtscheid-Aachen, gewerbliche Zeichen- und Kunstgewerbeschule, gewerbliche Fortbildungs-, gewerbliche Tagesschule, Webeschule, 2 Mädchen-Mittelschulen.
Mit dem Suermondt-Museum (Barth. Suermondt, gest. 1887), einer Sammlung von Gemälden vortrefflicher Niederländer, von Waffen [* 19] und kunstgewerblichen Erzeugnissen, ist eine dauernde Gemäldeausstellung verbunden; in demselben Gebäude die Stadtbibliothek (85000 Bände), im sog. Gras-Hause (Kurie Richards von Cornwallis) das städtische Archiv. Daneben bestehen 6 öffentliche Bibliotheken, zahlreiche Kunst- und naturhistor. Privatsammlungen, das 1885 gegründete Zeitungsmuseum (s. d.), ein Stadttheater (Oper, Schauspiel) mit 1300 Plätzen und ein Saisontheater (Lustspiel und Operette).
Unter den zahlreichen Vereinen und Gesellschaften seien erwähnt der Verein für Kunde der Aachener Vorzeit, Geschichts-, Museumsverein, ärztlicher Leseverein, Aachener Architekten- und Ingenienrverein, Aachener Bezirksverein deutscher Ingenieure, Verein für die berg- und hüttenmännischen Interessen im Aachener Bezirk, Verein deutscher Nadelfabrikanten (Sitz zu Aachen), Bienen- und Seidenzucht-, Gewerbeverein für Aachen, Burtscheid und Umgegend, Bürgerkasino, Erholungsgesellschaft, Freimaurerloge. Alle 3 Jahre (zuletzt 1894) werden in Aachen die berühmten niederrhein. Musikfeste abgehalten. 1890 erschienen 15 Zeituugen und periodische Blätter.
Wohlthätigkeitsanstalten. Mariahilf-Hospital (unter Leitung der Elisabetherinnen), Luisen-Hospital (unter Leitung von Diakonissen), Vincenz-Hospital für Unheilbare, die Irrenanstalt Mariaberg der Alexianer, seit 1895 von der Provinz verwaltet, die Annunciatenanstalt für weibliche Irre, die Mariannen-Entbindungsanstalt, Augenklinik, das Armen- und Waisenhaus der Barmherzigen Schwestern, Erziehungsanstalt der Franziskaner für arme Knaben, die der Schwestern vom Kinde Jesu, 8 Kinderbewahranstalten, je 2 städtische Turn-, Schwimmanstalten u.a.
Industrie. Schon im Mittelalter war die Industrie bedeutend und wird in neuerer Zeit besonders durch die in der Umgegend erschlossenen mächtigen Steinkohlenlager (s. die Nebenkarte zur Karte: Rheinprovinz, [* 20] Westfalen u.s.w. I. Nördlicher Teil) gefördert. Bereits im 12. Jahrh. waren die Gold-, Silber-, Ciselier- und Gravierarbeiten sowie gewebte feinere Tuche berühmt; jetzt giebt es 114 Tuchfabriken (2200 Arbeiter) und Streichgarnspinnereien, 15 Kratzen-, 24 Nadel-, 15 Cigarrenfabriken, 45 Eisengießereien und Maschinenfabriken; Fabriken für Luxus- und Eisenbahnwagen, Dampfkessel, [* 21] Tuchschermesser, Handschuhe, Glasknöpfe, Farben, Soda, Cement, Leder und Treibriemen. Aachen ist Sitz der 24. Sektion der Fuhrwerks-, der 6. der Rheinisch-Westfälischen Baugewerks-, der 6. der Rheinisch-Westfälischen Textil-, der 5. der Rheinisch-Westfälischen Hütten- und Walzwerks-Berufsgenossenschaft und der 7. der Berufsgenossenschaft für Feinmechanik.
Handel. Aachen ist seit langem ein wichtiger Handelsplatz; im 14. Jahrh. hatten die Aachener in Antwerpen [* 22] und Venedig [* 23] bedeutende Lagerhäuser. Außer in den Erzeugnissen seiner Industrie hat es in Wolle, Getreide, [* 24] Wein, Leder, Rauch- und Pelzwaren, Holz, [* 25] Metallen und Steinkohlen bedeutenden Verkehr; ferner besitzt es viele größere Buch-, Kunst- und Musikalienhandlungen, eine Reichsbankstelle, Handelskammer für und Burtscheid, Gewerbekammer, Diskontogesellschaft, Bank für Handel und Gewerbe, Bergisch-Märkische Bank, 2 Vorschußvereine, Konsulate für das Königreich Belgien, [* 26] die Argentinische Republik [* 27] und die Vereinigten Staaten [* 28] von Amerika. [* 29] Unter den Versicherungsgesellschaften ist zu nennen die Aachener und Münchener Feuerversicherungsgesellschaft (1825 von Hansemann gegründet), ferner die Aachen-Leipziger Feuerversicherungsgesellschaft und die Aachen-Leipziger Versicherungs-Aktiengesellschaft.
Verkehrswesen. Der Verkehr wird vermittelt durch die Bahn Aachen-Maastricht (36,90 km, Bahnhöfe [* 30] Marschierthor und Templerbend) und die Linien Aachen-Jülich (27,54 km, Bahnhof Kölnthor), Langerwehe-Aachen-Herbesthal (36,75 km, Rheinischer Bahnhof), Aachen-Rheydt (54,08 km, Bahnhöfe Marschierthor und Templerbend) der Preuß. Staatsbahnen [* 31] und die Güterbahn Aachen-Rote Erde (6,81 km) mit Nebenbetrieb, die Linien der elektrischen Straßenbahn (1895 eröffnet) nach Haaren, Forst, [* 32] Burtscheid und Vaals; ein Postamt erster Klasse und fünf andere Postanstalten, ein Telegraphenamt, Fernsprecheinrichtung innerhalb der Stadt und mit Burtscheid, Düren, Köln, München-Gladbach und Düsseldorf; [* 33] über 100 Droschken.
Mineralquellen. Die Aachener Mineralquellen, schon zur Römerzeit benutzt, gehören zu den alkalisch-muriatischen Schwefelthermen und kommen ihren Wärmegraden nach den Thermen in den Pyrenäen, ihrem Gehalt an Salzen nach denen von Wiesbaden [* 34] und Karlsbad nahe. Sie entspringen auf dem Übergangsgebirge (Grauwackenschiefer und Kalkstein) nahe der Stadt und werden nach ihrer Lage in die obern und untern geteilt, von denen jene stärker, wärmer und schwefelhaltiger sind als diese (45–56°C.).
Von jenen sind die vorzüglichsten: die Kaiserquelle (55° C.), die, im Kaiserbad entspringend, dieses, sowie das Neubad, das Bad der [* 35] Königin von Ungarn [* 36] und den seit 1827 eingerichteten Elisenbrunnen (Trinkbrunnen) speist (seit 1865 wird ihr Wasser auch in Flaschen versandt), und die Quirinusquelle (50° C.), die in das Quirinusbad fließt. Zu den untern Quellen gehören die wasserreichste, das Rosenbad und das für Unbemittelte bestimmte Comphausbad speisende Rosenbadquelle (47° C.) und die dem Cornelius- und Karlsbad zugeleitete Corneliusquelle (45° C.). Nach der Analyse von Liebig kommen auf 10000 g Wasser der Kaiserquelle neben andern mineral. Bestandteilen Kochsalz 26,1, schwefelsaures Natron 2,8, schwefelsaures Kali 1,5, kohlensaures Natron 6,4 und außerdem freie Kohlensäure 5. Die Thermen wirken hauptsächlich auf das Pfortadersystem und die Schleimhäute und werden gegen Gicht, chronische Ausschläge und Katarrhe, Unterleibsbeschwerden, Hämorrhoiden, Leberleiden, Neuralgien, Reste von ¶