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Bonstetten u. a. beinahe schon Franzosen sind, stehen Juste Olivier, Alex. Vinet, Rodolphe Töpffer fest auf heimatlichem Boden.
In der Waadt nimmt Alexander Vinet als Vorkämpfer des Individualismus im christlichen Glauben und als bewundernswert tiefgreifender Kritiker eine führende Stellung ein. Ihm gesellen sich zu der langverkannte, feine und zarte Dichter Juste Olivier (Chansons lointaines, Chansons du soir), der fruchtbare und erfolgreiche Erzähler Urbain Olivier, der kraft- und saftvolle Eugène Rambert (Les Alpes suisses und Poésies), der tiefe und kühne Denker Charles Secrétan, der mit seinen Souvenirs d’un alpiniste berühmt gewordene Autodidakt Émile Javelle (Franzose von Geburt); ferner die Geschichtschreiber und Journalisten Charles Monnard und Louis Vulliemin, sowie endlich die Poeten Fréd. Monneron, Ernest Bussy und der auch als Literarhistoriker verdiente Henry Warnery, dessen Werke (Les origines und Le chemin d’espérance) einen ehrenvollen Rang behaupten.
In Genf, dem glänzenden Mittelpunkt eines lebhaften geistigen Lebens, fallen die Reimereien des Caveau genevois (einer Poetengruppe), die pikanten Verse von Petit-Senn, die Epen von Alb. Richard und die hochfliegende Lyrik von Henri Blanvalet und Imbert Galloix weniger ins Gewicht als die Voyages en zigzag und die Nouvelles genevoises von Rodolphe Töpffer, das seltsame Journal intime von H. F. Amiel, das vielseitige Schaffen von Marc Monnier oder das Livre de Thulé des armen Louis Duchosal.
Saftig und intim genferisch ist Ch. Du Bois-Melly mit seinem Ceux de Genève. Genfer sind ferner der Kardinal Mermillod, einer der glänzendsten Kanzelredner des 19. Jahrhunderts, der Historiker Merle d’Aubigné (Histoire de la Réformation au temps de Calvin), der Romanschriftsteller und Literarhistoriker Victor Cherbuliez, sowie der Philosoph Ernest Naville und Frau von Gasparin (Les horizons prochains), welch beide letzteren sich von der religiösen «Erweckung» stark beeinflusst zeigen.
Neuenburg glänzt eher durch seine Gelehrten als seine schöngeistigen Schriftsteller. Von Historikern seien F. de Chambrier, G. A. Matile und DuBois de Montperreux, von Naturforschern Louis Agassiz, Ed. Desor und Arnold Guyot, von Theologen Frédéric Godet und der gelehrte Félix Bovet (Voyage en Terre sainte) genannt. Die im Alter von bloss 20 Jahren gestorbene Alice de Chambrier, deren Gedichtsammlung Au delà noch grosses erhoffen liess, und die Erzähler Aug. Bachelin (Jean Louis), Louis Favre und Oscar Huguenin wären mehr als dieser blossen Erwähnung würdig.
Dem Kanton Freiburg gehören der hervorragende Pädagoge Pater Girard, der volkstümliche Geschichtschreiber Alex. Daguet, der talentvolle Erzähler Pierre Sciobéret und Étienne Eggis, als letzter schweizerischer Romantiker ein unsteter Geist und melancholischer Dichter, an. Wallis hat seinen Ch. L. de Bons, Louis Gross und den jung verstorbenen Louis de Courten, der Berner Jura endlich den Archäologen und Erzähler Quiquerez und den ebenfalls zu früh verblichenen Poeten Paul Gautier.
Das der Gegenwart angehörende literarische Schaffen zeichnet sich durch eine unerwartete Formen- und Gedankenkühnheit aus und hat uns auch mit dramatischen Werken von originaler Auffassung und Ausarbeitung beschenkt. Wir dürfen die Phalanx dieser rüstigen Arbeiter unsrer eigenen Zeit nicht vollständig mit Stillschweigen übergehen und greifen daher aus der Fülle einige der bekanntesten Namen heraus. Als Kritiker und Literarhistoriker stehen voran Phil. Godet, Paul Seippel, Gaspard Vallette und Phil. Monnier; als Erzähler und Romanschriftsteller Ed. Rod und Sam. Cornut (beide in Paris lebend), Isabelle Kaiser (die auch der Literatur der deutschen Schweiz angehört), Noëlle Roger, T. Combe, C. F. Ramuz, Alfr. Cérésole, Benj. Vallotton und J. P. Porret; als Dichter Ed. Tavan, Henri Spiess, Jules Cougnard, Jean Violette und der Berner Jurassier Ch. Neuhaus.
Kritiker, Literarhistoriker, Poet und Rechtsgelehrter zugleich ist der ebenfalls dem Berner Jura entstammende Virgile Rossel. Das Wallis vertritt Louis Courthion. Zum Schluss sei noch des geistsprühenden Liederdichters Jaques-Dalcroze (jetzt in Dresden) und der interessanten Versuche zur Schaffung eines nationalen Volkstheaters gedacht, die sich hauptsächlich in den Namen Virgile Rossel (Le Major Davel), Adolphe Ribaux (Julia Alpinula; Charles le Téméraire; La Reine Berthe; Divico), René Morax mit seinem Schauspielhaus in Mézières (La Dîme, Henriette, Aliénor), und L. Thürler (A travers le vieux Etsavayer; Alcool et petite ville; Les Transplantés; Jésus et le Centenier; Chalamala) in Estavayer und Bulle verkörpern.
[Jean Bauler.]
Rechtswissenschaft.
Die eidgenössische Verfassung von 1874, welche die teilweise Vereinheitlichung des Zivilgesetzes vorsah, hat der schweizerischen juristischen Wissenschaft einen neuen Aufschwung gegeben; diese Bewegung verstärkte sich noch, als das Volk den eidgenössischen Kompetenzen das gesamte Straf- und Zivilrecht zuschrieb (1898). Mit der Kodifikation des Obligationenrechtes sind die Namen der Professoren Fick in Zürich und Munzinger in Bern eng verbunden. Die Vorarbeiter zum Gesetz über Schuldbetreibung und Konkurs waren das Werk von Bundesrat Louis Ruchonnet. Der schweizerische Juristenverein hatte es sich zur Aufgabe gemacht, in seinen Jahresversammlungen die Wege zur Rechtsvereinheitlichung vorzubereiten; die zahlreichen Arbeiten, die dort diskutiert wurden, haben die offizielle Legislationsarbeit in vielen Spezialfragen vorgebahnt.
Was besonders die Redaktion der Projekte zum Zivil- und Strafgesetz betrifft, so beauftragte der Bundesrat, schon vor den Verfassungsrevisionen, die Professoren Huber und Stoos mit den vorbereitenden Arbeiten.
Das System des Schweizerischen Zivilrechts des ersteren ist eine bemerkenswerte Arbeit, welche die Geschichte und die Vergleichung der verschiedenen kantonalen zivilrechtlichen Verhältnisse enthält. Man weiss, dass es zur Annahme des Schweizerischen Zivilrechtes führte, das im Jahre 1912 in Kraft erwachsen wird. Die eidgenössischen Kammern arbeiten gegenwärtig an der Revision des Zivilteils des Obligationenrechtes, das das Schweizerische Zivilgesetz ergänzen wird.
Die Vereinheitlichung des Strafrechtes, das weniger Schwierigkeiten entgegenzutreten schien, scheint dennoch im Verzuge zu sein; das Vorprojekt von Professor Stoos erschien zwar schon 1893, aber die Frage über die Todesstrafe, von der man nicht weiss, wie und wann man sich einigen soll, scheint alles zu lähmen. Darum werden wahrscheinlich die Arbeiten im Zivilverfahren vorläufig fortgesetzt werden. Die Beendigung des Schweizerischen Zivilgesetzes hat eine Reihe von Veröffentlichungen hervorgerufen, die von Professoren und eidgenössischen und kantonalen Richtern stammen. Uebrigens scheint es, dass darin mehr gemeinverständliche und für den buchhändlerischen Vertrieb bestimmten, als wirklich wissenschaftliche Werke bestehen. Das erste Werk über das Schweizerische Zivilgesetz, das wirklich als wissenschaftlich bezeichnet werden kann, wird die umgearbeitete Ausgabe des Systems des Schweizerischen Zivilrechtes sein, wie es von seinem Verfasser, Professor E. Huber geplant ist.
Was die andern Gebiete der juristischen Wissenschaft anbelangt, so ist noch zu nennen der Name von Bundesrichter Morel, der sich durch seine zweite Ausgabe des Manuel de droit public fédéral von Blumer einen bedeutenden Einfluss erworben hat. Professor Karl Hilty († 1909) in Bern war einer der ersten schweizerischen Rechtsgelehrten, sowohl als Historiker (er hat sozusagen die Periode der «Helvetik» entdeckt) denn als Philosoph und Denker.
Staat und Verwaltung. (Vii.)
Departement des Innern.
Mass und Gewicht.
Das neue Bundesgesetz über Mass und Gewicht vom in Kraft erklärt auf stellt namentlich insofern einen bedeutenden Fortschritt im Mass und Gewichtswesen dar, als es ein für die Prüfung von nachstehend erwähnten Messinstrumenten ausgerüstetes Institut mit Sitz der Zentralanstalt in Bern schafft. In Artikel 15 werden dem eidg. Amt für Mass und Gewicht folgende Aufgaben zugewiesen:
1. Die Kontrolle der kantonalen Eichstätten.
2. Die Prüfung und Vergleichung von Längenmassen mit den Kopien der Urmasse und deren Stempelung. (Massstäbe, Bandmasse, Messketten, Kalibermasse, Latten für ¶
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Nivellements, Mikrometerschrauben Ausdehnungskoeffizienten etc.).
3. Die Prüfung und Stempelung von Hohlmassen. (Volumenbestimmungen fester Körper, Hohlmasse für flüssige und gasförmige Körper, gradierte Gefässe etc.).
4. Die Prüfung und Stempelung von Gewichten und Wagen. (Handelswagen, Wagen für pharmazeutische Zwecke, Araeometer, Densimeter, Alkoholometer etc.).
5. Die Prüfung und Stempelung von Thermometern, Barometern, Hygrometern, Manometern etc.
6. Die Prüfung und Stempelung von Gasmessern, Wassermessern, Wassergeschwindigkeitsmessern, Tachymetern etc.
7. Die Prüfung und Stempelung von elektrischen Massen und Messinstrumenten (Voltmetern, Ampermetern, Wattmetern, Ohmmetern, Zählern für Gleich- und Wechselstrom etc.).
8. Die Prüfung und Stempelung von Zeitmessern.
9. Die Prüfung und Stempelung von Kreisteilungen, Niveaux etc.
10. Die Prüfung und Stempelung weiterer Messinstrumente, deren Bezeichnung dem Bundesrat zusteht.
Wo nach der Natur des Gegenstandes eine Stempelung nicht tunlich ist, kann sie durch eine andere Beurkundung ersetzt werden.
In Artikel 18 wird fixiert, dass die Leitung des eidg. Amtes für Mass und Gewicht überwacht wird durch eine Fachkommission von 5 Mitgliedern, welche auf Vorschlag des Departementes des Innern vom Bundesrat auf eine Amtsdauer von 3 Jahren gewählt wird. Diese Fachkommission hat die Methoden der Prüfung festzustellen und dem Bundesrat Vorschläge über allfällige der amtlichen Eichung zu unterstellende Messinstrumente zu machen, die in Artikel 15 nicht erwähnt sind.
Zur Lösung der ausserordentlich umfangreichen Aufgaben werden dem Direktor des eidg. Amtes für Mass und Gewicht beigegeben: ein Adjunkt, Buchhalter und Korrespondent, Assistenten und Hülfspersonal in der notwendigen Zahl.
Das neue Bundesgesetz scheidet klar und scharf das Arbeitsfeld des eidg. Amtes für Mass und Gewicht von den Befugnissen und dem Tätigkeitsgebiete der kantonalen Eichstätten. Die letzteren haben nur die Eichung der gewöhnlichen in Handel und Verkehr vorkommenden Längen- und Hohlmasse, Gewichte und Wagen vorzunehmen, während dem eidg. Amt für Mass und Gewicht und seinen Zweiganstalten (Art. 16) die obligatorische Eichung, bezw. fakultative Prüfung und Beglaubigung von allen Präzisions-, Längen- und Hohlmassen, Gewichten und Wagen, sowie der elektrischen Messinstrumente, Gasmesser, Wassermesser, Araeometer, Densimeter, Alkoholometer, Thermometer, Barometer, Hygrometer, Manometer, Tachymeter, Kreisteilungen, Niveaux etc., vorbehalten bleiben.
Von ganz besondrer Bedeutung ist Art. 25, welcher lautet: «In Handel und Verkehr dürfen nur geeichte Längen- und Hohlmasse, Gewichte, Wagen, Thermoalkoholometer, Gas- und Wassermesser und elektrische Messinstrumente zur Verwendung kommen.
Für die Wassermesser und die elektrischen Messinstrumente wird der Bundesrat den Zeitpunkt bestimmen, mit dem die Eichpflicht beginnt; er wird die nötigen Verordnungen hierüber erlassen.
Der Bundesrat ist ermächtigt, die Eichpflicht auch auf weitere Messinstrumente auszudehnen. Die Regierungen der Kantone haben die Handhabung dieser Bestimmungen zu überwachen."
In den Artikeln 4 bis 14 werden die Definitionen der gesetzlichen Masseinheiten (Meter, Kilogramm, Liter, Temperatureinheit, Ohm, Ampère, Volt, Watt) gegeben. Dem Bestreben, das metrische Karat, als Messeneinheit für Edelsteine und Perlen international zu 200 mg festzusetzen, hat das neue Bundesgesetz durch Aufnahme einer entsprechenden Definition Rechnung getragen.
Wer in der Folge in schriftlich abgeschlossenen Verträgen und in amtlichen Aktenstücken Massangaben nicht nach den gesetzlichen Masseinheiten bezeichnet, wird bestraft mit einer Busse von 1 bis 100 Fr. (Art. 27 und 28).
[Dr. E. Kœnig.]
Folgendes sind die im genannten Gesetz festgelegten Masseinheiten:
A. Masseinheiten für Längen und Massen. Den Masseinheiten die in der Schweiz gesetzlichen Kurs haben, dienen der Meter und das Kilogramm als Grundlage. Die Einheit der Länge ist der Meter. Er ist bestimmt durch die Länge bei 0° des internationalen Prototyps M, welches durch die internationale Generalkonferenz für Mass und Gewicht vom Jahr 1889 als solches sanktioniert wurde und im internationalen Bureau für Mass und Gewicht in Sèvres aufbewahrt wird.
Das schweizerische Urmass des Meters ist die Kopie Nr. 2 des internationalen Prototyps, welches, wie dieses, aus einer Legierung aus 90% Platin und 10% Iridium besteht und auf dem eidg. Amt für Mass und Gewicht aufbewahrt wird. Die Länge dieses Urmasses ist festgestellt durch das Zertifikat des internationalen Bureaus für Mass und Gewicht.
Die Einheit der Masse ist das Kilogramm. Es wird dargestellt durch die Masse des internationalen Prototyps K, welches im internationalen Bureau für Mass und Gewicht in Sèvres aufbewahrt wird. Das schweizerische Urmass des Kilogramms ist die Kopie Nr. 38 des internationalen Prototyps und besteht, wie dieses, aus einem Zylinder aus 90% Platin und 10% Iridium, welcher auf dem eidg. Amt für Mass und Gewicht aufbewahrt wird. Die Masse dieses Urmasses ist festgestellt durch das Zertifikat des internationalen Bureaus für Mass und Gewicht.
Die Einheit der Hohlmasse ist der Liter. Ein Liter ist das Volumen eines Kilogramms destillierten und luftfreien Wassers bei der Temperatur des Dichtigkeitsmaximums (4°) und unter dem atmosphärischen Normaldruck. Für alle in Handel und Verkehr vorkommenden Verhältnisse, bei welchem die verlangte Genauigkeit geringer ist als 1/10000 kann angenommen werden, dass ein Liter gleich einem Kubikdezimeter ist.
B. Masseinheit für Temperatur. Die im schweizerischen Mass- und Gewichtsdienst angenommene thermometrische Skala ist die 100 teilige Skala des Wasserstoffthermometers, welche als Fixpunkte die Temperatur des schmelzenden Eises (0°) und diejenige des Dampfes des siedenden Wassers bei dem atmosphärischen Normaldruck (100°) besitzt. Der atmosphärische Normaldruck wird dargestellt durch den Druck einer Quecksilbersäule von der Dichte 13,59593, von 760 mm Höhe und unter dem Normaldruck der Schwere:
g45 (mittlere geographische Breite) 9,8067 m/sec2
C. Elektrische Masseinheiten. Das internationale Ohm ist die Einheit des Widerstandes. Es ist der Widerstand, welchen ein unveränderlicher Strom in einer Quecksilbersäule von gleichförmigem Querschnitt, von einer Länge von 106,300 cm und einer Masse von 14,4521 gr bei der Temperatur 0° findet.
Das internationale Ampere ist die Einheit der Stromstärke. Es ist der unveränderliche Strom, welcher bei seinem Durchgang durch eine wässerige Lösung von Silbernitrat die Masse von 0,00111800 gr Silber in einer Sekunde abscheidet. Die Elektrizitätsmenge, welche durch den Strom eines Ampere während einer Stunde geliefert wird, ist die Ampere-Stunde.
Das internationale Volt ist die Einheit der elektromotorischen Kraft und der Spannungsdifferenz. Es ist die unveränderliche Spannungsdifferenz, welche zwischen den Endpunkten eines von elektromotorischer Kraft freien Leiters vom Widerstand eines internationalen Ohm dauernd wirkend, einen unveränderlichen Strom gleich einem internationalen Ampere erzeugt.
Das internationale Watt ist die Einheit der Leistung (Effekt). Es ist die Leistung eines unveränderlichen Stromes von der Stärke eines internationalen Ampere unter der unveränderlichen Spannung eines internationalen Volt. Die Arbeit, welche ein internationales Watt während einer Stunde entwickelt, heisst Wattstunde.
Justiz- und Polizeidepartement.
Schweizerisches Zivilgesetzbuch.
Die Idee einer allgemeinen Kodifikation und Vereinheitlichung des Privatrechtes in der Schweiz ¶