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Seminarabteilung etc. angegliedert. In Zürich bestehen ferner eine Gymnasialabteilung an der Höhern Töchterschule und ein freies Gymnasium, in Bern ein freies Gymnasium, in Luzern eine theologische Lehranstalt, in Einsiedeln die Lehr- und Erziehungsanstalt des Benediktinerstiftes, in Schiers eine Privatanstalt, in Lausanne ein städtisches Gymnase des jeunes filles, in Sitten eine Rechtsschule (Cours de droit), in Saint Maurice ein Collège-Lycée, in La Chaux de Fonds ein Gymnase communal. – c) Ohne Anschluss an das akademische Studium sind eine Reihe andrer Mittelschulen, wie die höheren Töchterschulen in Zürich, Winterthur, Basel, Lausanne (École Vinet), Morges, Neuenburg und Genf, die Progymnasien in Thun, Neuenstadt, Delsberg und Disentis, das Privatgymnasium in Engelberg, das Gymnasium St. Fidelis in Stans, die höhere Stadtschule in Glarus, das Fridericianum in Davos, das Reformgymnasium in Zuoz, Proseminar und Realschule in Roveredo, die Scuola tecnica in Locarno und in Mendrisio, das Seminario teologico Diocesano in Lugano, Kollegium und Realschule in Brig. Ueber die Schülerzahl vergl. den folgenden Abschnitt «Berufsschulen».
6. Anstalten für berufliche Ausbildung werden hier nur insoweit berücksichtigt, als sie den grössern Teil ihrer Schüler während längerer Zeit voll in Anspruch nehmen. Da sie an Zahl und Bedeutung beständig wachsen, ist eine Gruppierung angezeigt. Wir unterscheiden demnach mit Alb. Huber: a) Techniken in Winterthur (gegründet 1874; 35 Lehrer und 581 Schüler), Burgdorf (gegr. 1892; 14 Lehrer und 387 Schüler), (Biel gegr. 1890; 32 Lehrer und 532 Schüler), Freiburg (École des arts et métiers; gegr. 1896 bezw. 1902; 18 Lehrer und 138 Schüler), Le Locle (23 Lehrer und 154 Schüler) und Genf (gegr. 1901; 18 Lehrer und 125 Schüler). – b) Kunstgewerbeschulen, Modellier- und Zeichnungsschulen in Zürich (städtische Kunstgewerbeschule), Winterthur, Bern, Luzern, St. Gallen (Industrie- und Gewerbemuseum), La Chaux de Fonds (École d’art appliqué à l’industrie), Neuenburg (École de dessin professionnel et de modelage) und Genf (École cant. des arts industriels, École des beaux-arts de la ville de Genève und École privée des beaux-arts). – c) Gewerbe- und Handwerkerschulen in Zürich, Bern, Glarus, Solothurn, Basel, Aarau (Gewerbemuseum), Sitten und Genf. – d) Eigentliche Berufsschulen für Metallarbeiter (Mechaniker, Uhrenmacher etc.), Textilindustrie (Seidenwebschule in Zürich, Webschulen, Stickfachschulen) und für verschiedene Berufsarten (Töpferschule in Steffisburg, Schnitzlerschulen in Brienz und Meiringen etc.) in einer grossen Anzahl von Ortschaften. –
e) Handels- und Verkehrsschulen in Zürich (Handelsabteilung an der Universität, kant. Handelsschule mit 285 Schülern, Handelsklassen der städt. höhern Töchterschule mit 222 Schülerinnen, Handelsschule des kaufmännischen Vereins, Handelsakademie Bertsch), Winterthur (am Technikum und an der Industrieschule), Bern (am städt. Gymnasium und städt. Töchter-Handelsschule), Biel (städt. Töchter-Handelsschule), Luzern, Freiburg (an der Universität, am Collège Saint Michel und höhere Töchter-Handelsschule), Solothurn (an der Kantonsschule), Basel (an der obern Realschule und Handelsabteilung der Töchterschule; Widemanns Handelsschule mit 344 Schülern), St. Gallen (städt. Handelsakademie, kant. Verkehrsschule mit 205 Schülern, Merkantilabteilung der Kantonsschule), Chur (an der Kantonsschule), Aarau (an der Kantonsschule und Privat-Handelsschule Merkur), Bellinzona (kant. Handelsschule), Lausanne (École cant.
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de Commerce, d’administration et de chemin de fer), La Chaux de Fonds (städt. École de Commerce), Le Locle (städt. École de Commerce), Neuenburg (städt. École de Commerce mit 641 Schülern) und Genf (städt. École de Commerce und Handelsabteilung der kant. Töchter-Sekundarschule). – f) Landwirtschaftliche Schulen (z. T. blosse Winterschulen) in Zürich (Strickhof) und Winterthur, Wädenswil (interkant. Obst- und Weinbauschule), Rütti im Kant. Bern (mit Molkereischule), Langenthal, Pruntrut, Sursee, Freiburg (Pérolles; mit Molkereischule), Rheineck (Custerhof), Plantahof in Graubünden, Brugg, Niederlenz im Aargau (Gartenbauschule für Frauen und Töchter), Frauenfeld, Lausanne, Moudon (École de fromagerie), Praz in der Waadt (Weinbauschule und Versuchsstation), Écône im Wallis, Cernier, Châtelaine in Genf (École cant. d’horticulture, de culture maraîchère et de viticulture mit Cours agricoles). – g) Schulen für Hauswirtschaft und speziell weibliche Berufsarten in grosser Fülle; so z. B. schweizer. Fachschule für Damenschneiderei und Lingerie in Zürich (493 Schülerinnen), Frauenarbeitsschule in Basel (1331 Schülerinnen), Frauenarbeitsschule in St. Gallen (1810 Schülerinnen).
Die Mittel- und Berufsschulen werden zusammen von 22243 Schülern besucht.
7. Hochschulunterricht. Die Schweiz zählt folgende Hochschulen: Das eidg. Polytechnikum in Zürich (1855), die Universitäten Zürich (gestiftet 1833), Bern (1834), Basel (1460), Genf (als Akademie 1559 von Calvin gestiftet, 1874 zur Universität ausgebaut), Lausanne (Akademie von 1537 bis 1890), Freiburg (1889) und Neuenburg (als Akademie gest. 1839, aufgehoben 1848, wiederhergestellt 1866; zur Universität umgewandelt 1909).
a) Eidg. Polytechnikum. Art. 22 der Bundesverfassung von 1848 bestimmte folgendes: «Der Bund ist befugt, eine Universität und eine polytechnische Schule zu errichten.» Nachdem die eidg. Universität vom Ständerat verworfen worden war, nahmen National- und Ständerat am 4. bezw. am das Postulat der Errichtung einer eidgenössischen polytechnischen Schule in Zürich an, die bereits im Jahr 1855 eröffnet wurde. Sie ist die einzige dem Bund gehörende Unterrichtsanstalt des Landes.
Mit ihrer Leitung ist der sog. Schweizerische Schulrat betraut, der zur Zeit aus 7 Mitgliedern (inkl. den ständig amtenden Präsidenten) besteht. 1863 bezog die Schule das auf einer Terrasse am Hang des Zürichberges gelegene grossartige Gebäude, das nach den Plänen des genialen Architekten Gottfried Semper errichtet ist. An die Seite dieses Prachtbaues sind eine Anzahl von Neubauten (Sternwarte, Chemiegebäude, Physikgebäude, Maschinenlaboratorium etc.) getreten, die Zeugnis davon ablegen, dass die Eidgenossenschaft und ihre Organe der Schule stetsfort eine vor keinen Opfern zurückscheuende Sorge entgegenbringen. Es bestehen am Polytechnikum folgende Abteilungen: Architektenschule (Dauer 7 Semester), Ingenieurschule (7 Sem.), Mechanisch-technische Schule (7 Sem.), Chemisch-technische Schule mit der technischen (7 Sem.) und der pharmazeutischen Sektion (4 Sem.), Forstschule (6 Sem.), Landwirtschaftliche Schule (5 Sem.), Kulturingenieurschule (5 Sem.), Schule für Fachlehrer mit der mathematisch-physikalischen (8 Sem.), und der naturwissenschaftlichen Sektion (6 Sem.), Allgemeine philosophische und staatswirtschaftliche (Freifächer-) Abteilung, Militärwissenschaftliche Abteilung.
Der Gesamtschule steht ein Direktor und jeder einzelnen Abteilung ein «Vorstand» vor. Das Studienjahr beginnt im Oktober. Das jährliche Schulgeld beträgt 150 Fr. Das Polytechnikum zählte auf Schluss des Wintersemesters 1907-1908: 1285 reguläre Studierende (wovon 7 Damen) und 1105 Zuhöhrer, zusammen also 2390 Besucher. Von den regulären Studierenden waren 782 Schweizer und 503 Ausländer. Es gehörten dem Lehrkörper an: 65 angestellte Professoren, 41 Titularprofessoren und Privatdozenten, 75 Hilfslehrer und Assistenten. Es besteht eine Witwen- und Waisenkasse der Lehrerschaft, deren Statuten vom datieren und 1906 revidiert worden sind.
Die Schule ist mit allen notwendigen Laboratorien, Instituten und Sammlungen aufs beste ausgerüstet. Besonders erwähnt möge die Bibliothek sein, die Ende 1907 einen Bestand von 67516 Bänden aufwies. Als Annexanstalten zum Polytechnikum bestehen:
1) die eidg. Materialprüfungsanstalt, die sowohl durch Aufträge wie durch wissenschaftliche Untersuchungen ziemlich stark in Anspruch genommen wird;
2) die eidg. Prüfungsanstalt für Brennstoffe (seit Anfang 1907);
3) die eidg. Zentralanstalt für das forstliche Versuchswesen (mit einem Versuchsgarten auf dem Adlisberg und verschiedenen Versuchsflächen in den Waldungen des Landes).
Die Gesamtausgaben für das Polytechnikum im Jahr 1907 betrugen Fr. 1380000. Auf das von der Schule im Jahr 1905 gefeierte Jubiläum ihres 50 jährigen Bestandes ist eine prachtvoll ausgestattete Festschrift in 2 Quartbänden erschienen, deren erster Teil von Prof. W. Oechsli verfasst ist und den Titel trägt: Geschichte der Gründung des eidg. Polytechnikums; mit einer Uebersicht seiner Entwicklung 1855-1905.
b) Hochschulen. Von den Hochschulen (Universitäten) haben Zürich je eine theologische, staatswissenschaftliche, medizinische, zahnärztliche, veterinär-medizinische und philosophische Fakultät;
Bern je eine evangelisch-theologische, katholisch-theologische, juristische,
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medizinische, veterinär-medizinische und philosophische Fakultät; Basel, Genf und Lausanne je eine theologische, juristische, medizinische und philosophische Fakultät; Freiburg und Neuenburg je eine theologische, juristische und philosophische Fakultät. Freiburg soll durch Angliederung einer medizinischen Fakultät zu einer vollständigen Universität ausgebaut werden. Die Schulen sind mit allen Hilfsmitteln zum Studium (Bibliotheken, Laboratorien, Kliniken, Sammlungen etc.; Sternwarten in Neuenburg und Genf) wohl ausgerüstet. Während die Gesamtzahl der immatrikulierten Studierenden im Jahr 1893 noch 2758 (wovon 275 Damen) betrug, zeigte der Besuch auf Schluss des Wintersemesters 1907/08 folgende Ziffern: 6905 Studierende (wovon 1353 Damen), sowie ferner 1846 Hörer, zusammen also 8751 Besucher. Für die einzelnen Anstalten stellen sich die Ziffern wie folgt:
Hochschulen | Studierende Männlich | Weiblich | Hörer | Total | Von den Studierenden sind Kantonsbürger | Andre Schweizer | Ausländer |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Zürich | 1105 | 384 | 448 | 1937 | 316 | 410 | 763 |
Bern | 1193 | 519 | 424 | 2136 | 501 | 329 | 882 |
Basel | 589 | 16 | 119 | 724 | 215 | 240 | 150 |
Genf | 1350 | - | 349 | 1699 | 111 | 99 | 1140 |
Lausanne | 656 | 385 | 280 | 1321 | 174 | 126 | 741 |
Freiburg | 554 | - | 107 | 661 | 45 | 127 | 382 |
Neuenburg | 105 | 49 | 119 | 273 | 72 | 44 | 38 |
1907-08 | 5552 | 1353 | 1846 | 8751 | 2809 | 4096 |
In Lausanne, Genf, Zürich und Bern besteht ein grosser Teil der Ausländer aus weiblichen Studierenden; an der Hochschule Freiburg werden keine Damen immatrikuliert, und Basel immatrikuliert nur solche, die die schweizerische Maturität besitzen. Man hat auch begonnen, Massregeln zur Bekämpfung der Ueberflutung unsrer Universitäten durch die Ausländer, namentlich die Russen, zu ergreifen (Rektorenkonferenzen), doch ist man bis jetzt einzig zur Aufstellung von strengeren Immatrikulationsbedingungen gelangt.
8. Privatschulwesen. Besonders stark entwickelt ist in der Schweiz auch das Privatschulwesen, über das an dieser Stelle nur einige wenige Angaben gemacht werden können. Es lassen sich unterscheiden: a) Freie evangelisch-theologische Fakultäten (je eine in Genf, Lausanne und Neuenburg). – b) Privatschulen für allgemeine Bildungszwecke (z. B. Vorbereitungsanstalten auf den Uebertritt an die Hochschulen, Stifts-, Kloster- und Ordensschulen, protestantische Schulen, Landerziehungsheime, Seminarien etc.). – c) Rettungs- (Erziehungs-) Anstalten. – d) Blinden- und Taubstummenanstalten. – e) Anstalten für Schwachsinnige. – f) Schulen in Waisen- und andern Anstalten (z. B. in der schweizer. Anstalt für Epileptische in Zürich). – g) Privatschulen für Missionszwecke (Basel mit 224 Schülern und 19 Lehrern). – h) Musikschulen (Konservatorium in Zürich I mit 540 Zöglingen und 29 Lehrkräften; Musikakademie in Zürich V; Musikschule in Winterthur; 2 Schulen in Luzern; allg. Musikschule in Basel mit 971 Zöglingen und 46 Lehrkräften; Musikschule im Imthurneum in Schaffhausen; Konservatorium in Freiburg; 2 Schulen (Konservatorien) in Genf mit zusammen 1716 Zöglingen und 101 Lehrkräften).
C. Förderung des Unterrichtswesens durch den Bund.
Dem Bund gehört nur eine einzige Unterrichtsanstalt, das eidg. Polytechnikum in Zürich, an. Daneben beteiligt er sich aber durch Subventionen etc. in weitgehendem Masse am Unterrichtswesen der Kantone. Eine grosse Aufgabe ist ihm durch den in der Volksabstimmung vom der Bundesverfassung von 1874 angegliederten Artikel 27bis zugefallen, der folgendes bestimmt: «Den Kantonen werden zur Unterstützung in der Erfüllung der ihnen auf dem Gebiet des Primarunterrichtes obliegenden Pflichten Beiträge geleistet». In Ausführung dieses Artikels, sowie des auf ihn sich gründenden Bundesgesetzes vom betr. die Unterstützung der öffentlichen Primarschule sind den Kantonen durch das eidg. Departement des
Innern pro 1906 folgende Bundesbeiträge (60 Rappen pro Kopf der Wohnbevölkerung) ausgerichtet worden:
Kanton | Fr. |
---|---|
Zürich | 258621.60 |
Bern | 353629.80 |
Luzern | 87911.40 |
Uri | 15760,- |
Schwyz | 44308,- |
Obwalden | 12208,- |
Nidwalden | 10456,- |
Glarus | 19409.40 |
Zug | 15055.80 |
Freiburg | 76770.60 |
Solothurn | 60457.20 |
Basel Stadt | 67336,- |
Basel Land | 41098.20 |
Schaffhausen | 24908.40 |
Appenzell A. R. | 33168.60 |
Appenzell I. R. | 10799.20 |
St. Gallen | 150171,- |
Graubünden | 83616,- |
Aargau | 123898.80 |
Thurgau | 67932.60 |
Tessin | 110910.40 |
Waadt | 168827.40 |
Wallis | 91550.40 |
Neuenburg | 75767.40 |
Genf | 79565.40 |
Total | 2084137.60 |
Verwendet wurden diese Summen von den Kantonen für Errichtung neuer Lehrstellen, Bau und Umbau von Schulhäusern, Errichtung von Turnhallen und Turnplätzen und Anschaffung von Turngeräten, Ausbildung von Lehrkräften, Bau von Lehrerseminarien, Aufbesserung von Lehrerbesoldungen, Aussetzung und Erhöhung von Ruhegehalten, Beschaffung von Schulmobiliar und allgemeinen Lehrmitteln, Abgabe von Schulmaterial und obligatorischen Lehrmitteln an Schulkinder, Nachhilfe bei Ernährung und Bekleidung armer Schulkinder, Erziehung schwachsinniger Kinder.
Der Bund hat den Schweizer Schulen mit der Schulwandkarte der Schweiz von H. Kümmerly «nicht nur ein wundervolles kartographisches Bild der Heimat, sondern auch ein treffliches Lehrmittel geschenkt». Dazu hat sich im Jahr 1910 noch der Atlas für schweizerische Mittelschulen gesellt, der von der Erziehungsdirektoren-Konferenz mit Bundesunterstützung herausgegeben wird und unter der Redaktion von Prof. A. Aeppli in Zürich von der Kartographia A. G. in Winterthur hergestellt wurde. Andre Lehrmittel hat der Bund bis zur Stunde weder bearbeiten lassen noch herausgegeben.
Neuerdings wird auch eine Unterstützung der kantonalen Hochschulen (Universitäten) durch den Bund angeregt und durch die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren kräftig unterstützt.
Der Bund regelt und leitet die eidg. Medizinalprüfungen. Zu diesem Zweck hat der Bundesrat am eine «Verordnung betr. den Maturitätsausweis für die Kandidaten der medizinischen Berufsarten» erlassen. Damit übt der Bund auch auf die Organisation der Mittelschulen einen massgebenden Einfluss aus.
Von der weitern Betätigung des Bundes auf dem Gebiete des Unterrichtswesens seien genannt: die Veranstaltung der eidg. Rekrutenprüfungen;
die Unterstützung der gewerblichen und industriellen Berufsbildung, der hauswirtschaftlichen und beruflichen Bildung des weiblichen Geschlechtes, des landwirtschaftlichen Unterrichtswesens und des kommerziellen Bildungswesens;
die Förderung des militärischen Turnunterrichts und des Vorunterrichts;
die Subventionierung der schweizer. permanenten Schulausstellungen in Zürich (Pestalozzianum), Bern, Luzern, Freiburg, Neuenburg und Lausanne;
die Leitung und Verwaltung des schweizer. Lehrerasyls (Berset-Müller-Stiftung) auf dem Melchenbühl bei Bern; die Unterstützung der Jugendschriftenkommission des schweiz. Lehrervereins und derjenigen des Lehrervereins der französischen Schweiz.
Nähere Angaben über die Tätigkeit der Bundesorgane auf einzelnen dieser Gebiete werden wir bei der Betrachtung der eidg. Verwaltung (Departemente) zu machen Gelegenheit haben.
D. Gesamtausgaben für das schweizer. Schulwesen.
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Die Gesamtausgaben (in runden Summen) für das schweizer. Schulwesen im Jahr 1906 lassen sich nach dem Jahrbuch des Unterrichtswesens (20. Jahrg., 1908) wie folgt zusammenfassen:
A. Ausgaben von Kantonen und Gemeinden | Staat | Gemeinden | Total in Millionen Fr. |
---|---|---|---|
1. Primarschulwesen | 16.7 | 25.7 | 42.4 |
2. Sekundarschulwesen | 2.9 | 3.9 | 6.8 |
3. Fortbildungsschulwesen | 0.6 | ) | - |
4. Berufsschulwesen | 2.6 | ) 2.0 | 5.2 |
5. Mittelschulwesen | 4.9 | 0.6 | 5.5 |
6. Hochschulwesen | 4.3 | - | 4.3 |
Total | 32.0 | 32.2 | 64.2 |
B. Ausgaben von Staat und Gemeinden für Hoch-, Mittel- und Berufsschulwesen etc. | 1.4 | ||
C. Leistungen des Bundes | |||
1. Eidg. Polytechnikum | 1.4 | ||
2. Für das gewerbl. Bildungswesen | |||
a) Männliche Berufsbildung | 1.1 | ||
b) Weibliche Berufsbildung und Hauswirtschaft | 0.3 | ||
3. Für das landwirtschaftl. Bildungswesen | 0.3 | ||
4. Für das kommerzielle Bildungswesen | 0.5 | ||
5. Subvention für die Primarschule | 2.1 | 5.7 | |
Total | 71.3 | ||
Davon ist wegen Doppelverrechnung (unter A und C) abzuziehen der Betrag der Primarschulsubvention des Bundes | -2,1 | ||
Die Gesamtausgabe von Kantonen, Gemeinden und Bund für das schweizer. Schulwesen im Jahr 1906 beträgt somit rund in Mill. Fr | 69.2 |
[H. B.]
Bibliotheken und Museen.
A. Bibliotheken.
Ueber das ungemein zersplitterte Bibliothekwesen der Schweiz fehlen spezielle Angaben neueren Datums leider immer noch. Seit der umfangreichen Statistik über Die öffentlichen Bibliotheken der Schweiz im Jahr 1868, die Ernst Heitz im Jahr 1872 veröffentlicht hat, sind ähnliche Erhebungen nicht mehr vorgenommen worden. Dagegen besitzen wir eine ausgezeichnete synthetische Studie aus der Feder von Dr. Hermann Escher dem Leiter der Zürcher Stadtbibliothek, an die alle künftigen Arbeiten anzuknüpfen haben werden und der auch wir in allen wesentlichen Punkten folgen müssen. 1 (1 Artikel Bibliothekwesen im Handwörterbuch der schweiz. Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung; herausgeg. von N. Reichesberg. Bern 1902.)
1. Geschichtliche Entwicklung. Wie in allen Gauen nordwärts der Alpen lassen sich auch in der Schweiz die Anfänge des Bibliothekwesens auf die Klöster, speziell diejenigen des ums Jahr 530 gestifteten Ordens vom h. Benedikt, zurückführen, denen die berühmten Stiftsbibliotheken von St. Gallen (gegründet unter Abt Gozbert 826-836), Einsiedeln (10. Jahrhundert) und Engelberg (1120) angehören. Den Klosterbibliotheken der ältesten Zeit reihte sich im 15. Jahrhundert die Bibliothek der 1460 gestifteten Universität Basel an, die heute als öffentliche Bibliothek der Universität eine der bedeutendsten Büchersammlungen der Schweiz ist. Mit der Erfindung der Buchdruckerkunst und dem Anbruch der Neuzeit entstanden allerorts neue Bibliotheken, deren Gründung besonders im Zeitalter von Reformation und Gegenreformation eifrig betrieben wurde. Aus dieser bis etwa ums Jahr 1750 dauernden Periode von Bibliotheksgründungen seien erwähnt:
a) Als Stadtbibliotheken diejenigen von Bern (nach 1528), St. Gallen (Vadians Vermächtnis 1551), Genf (Bibliothèque publique 1551 oder 1568), Zürich (1629), Schaffhausen (1636), Winterthur (1660), Zofingen (1693), Thun (1696).
b) Als geistliche Bibliotheken im reformierten Lager die heute mit der Universitätsbibliothek verschmolzene Kirchenbibliothek in Basel (1529), die Bibliothek der Akademie (1536; Grundstock der heutigen Kantonsbibliothek) und die Bibliothèque des étudiants (1540) in Lausanne, die heute noch bestehende Bibliothèque des pasteurs in Neuenburg (1538) und die Bibliothèque de la Compagnie des pasteurs in Genf (1560).
c) Ais geistliche Bibliotheken auf katholischer Seite diejenigen der Jesuitenkollegien in Luzern (1577) und Freiburg (1580/81), aus denen die beiden gleichnamigen Kantonsbibliotheken herausgewachsen sind, und dann die Klosterbibliotheken der Kapuziner, deren im Zeitraum 1565-1672 nicht weniger als 17 heute noch bestehende sich bildeten (Lugano 1565, Stans 1585, Luzern, Solothurn und Appenzell 1588; Zug 1595, Rapperswil 1604, Freiburg 1609, Olten 1646, Sarnen 1648, Mels 1651, Wil 1653, Schüpfheim und Arth 1655, Näfels 1671, Dornach 1672 und Schwyz ebenfalls im 17. Jahrhundert).
Eine neue Zeit, die der Aufklärung, brach etwa um die Mitte des 18. Jahrhunderts an. Sie wird in der Theologie durch den Kampf zwischen Rationalismus und Supranaturalismus und auf dem Gebiet der exakten Wissenschaften durch einen allgemeinen Aufschwung und Fortschritt gekennzeichnet. Die allgemeine Wandlung der Anschauungen mehrt das Bildungsbedürfnis und fördert die Entstehung neuer Bibliotheken auch in den kleinern Städten des Landes, sowie solcher, die speziellen Zwecken zu dienen hatten.
Wir nennen: die Predigerbibliothek in Bern (1750), die theologischen Stiftungen von Frey-Grynäus (1759) und von d’Annone (1770) in Basel, die Bibliothek der Académie de théologie in Genf und die Ministerialbibliothek in Schaffhausen (beide 1780);
die Bibliotheken der Naturforschenden und der Medizinischen Gesellschaft in Zürich (1746 und vor 1786), der Oekonomischen Gesellschaften in Bern (1760er Jahre) und Freiburg (1777);
die Bibliothèque publique in Yverdon (1761), die Bibliothèque de la ville in Morges (1767), die Bibliothèque de la ville in Neuenburg (1794) und die Stadtbibliotheken in Solothurn (1764), Biel (1765) und Burgdorf (1777);
die allgemeine Lesegesellschaft in Basel (1787), die Lesegesellschaft in Bern (1791), die Gesellschaft Musis et Amicis in Schaffhausen (1795);
die Lesegesellschaft in Wädenswil (1780er Jahre), die Jugend- und Volksbibliothek Weinfelden (1792) und die Rheinthalische Lesebibliothek in Altstätten (1796).
Eine 1793 in Zürich geplante Lesegesellschaft kam nicht zustande und fand ihre Verwirklichung erst 1836 in der Museumsgesellschaft.
Das 19. Jahrhundert beginnt sofort mit einem mächtigen und stets anhaltenden Aufschwung, indem im Zeitraum 1801-1870 nicht weniger als 1700 neue Bibliotheken entstanden. Die bedeutendsten der neuen Schöpfungen tragen nunmehr staatlichen Charakter und sollen als sog. Kantonsbibliotheken hauptsächlich den wissenschaftlichen Bedürfnissen der kantonalen Lehranstalten (Mittel- und Hochschulen) dienen: Aarau (1803), Frauenfeld (1807; bis 1835 nur Regierungsbibliothek), Chur (1823), Luzern (1832), Liestal (1833), Zürich (1835), Freiburg (1835). Die Eidgenossenschaft verbindet mit ihrer technischen Hochschule die Bibliothek des Polytechnikums in Zürich (1855). Dem nämlichen Zeitraum gehören die Bürgerbibliothek Luzern (1809) und die der Bundesverwaltung in Bern dienende eidg. Zentralbibliothek (1848) an.
An diese Anstalten schliesst sich nun die grosse Menge aller andern von 1800-1868 entstandenen Bibliotheken an, die allen möglichen Bedürfnissen zu entsprechen und den verschiedensten Leserkreisen zu dienen haben. Neben den Stadtbibliotheken, den Verwaltungs- und Behördenbibliotheken, den Spezialbibliotheken von Lehrerseminarien, Kollegien und Mittelschulen sind zu nennen: die Lesevereine und Museumsgesellschaften, die Bibliotheken wissenschaftlicher Gesellschaften (seit etwa 1830) und der Kunstgesellschaften, die Lehrerbibliotheken, ferner die zahllosen Volks- und Jugendbibliotheken, Schul-, Sonntagsschul- und Pfarrbibliotheken. In der Mitte des Jahrhunderts setzen militärische und kaufmännische Bibliotheken ein. Es folgen den Bedürfnissen des Handwerkerstandes dienende Gewerbebibliotheken. Mit der Gründung des Schweizer Alpenklub seit 1860 legen dessen Sektionen besondre kleine Bibliotheken an. Die schärfere Ausgestaltung der konfessionellen Verhältnisse ruft der
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Entstehung der Bibliotheken von evangelischen Jünglings- und katholischen Piusvereinen. Das Emporkommen neuer gesellschaftlicher Schichten findet seinen Ausdruck in den Bibliotheken der Konsumvereine, Grütlivereine und speziellen Arbeitervereine.
2. Die neueste Zeit (seit 1868) lässt in der Entwicklung unsres Bibliothekwesens namentlich vier Richtungen erkennen:
a) Bemerkenswerter Aufschwung des wissenschaftlichen Bibliothekwesens. Es entstehen drei neue kantonale Bibliotheken, nämlich die (heute mit der Stadtbibliothek verschmolzene) Hochschulbibliothek in Bern und die Kantonsbibliotheken von Obwalden und Solothurn. Die bereits vorhandenen wissenschaftlichen Anstalten dehnen sich stark aus. Als eine neue Kategorie wissenschaftlicher Bibliotheken treten uns die Handbibliotheken von Hochschulinstituten und Seminarien entgegen.
b) Den den Fortschritten in der Technik und dem Aufschwung der Gewerbe ihre Entstehung verdankenden speziellen Berufsschulen gliedern sich Gewerbebibliotheken an, die in den Industriezentren ein nicht unbeträchtliches Bücher- und Vorlagenmaterial vereinigen. So die Bibliotheken der allgemeinen Gewerbeschule in Basel, der École des Arts et Métiers in Genf, der Gewerbemuseen in Aarau, Bern, St. Gallen, Winterthur, Zürich.
c) Die Bewegung auf dem Gebiete der freien, öffentlichen Bildungsbibliotheken rief auch in der Schweiz, zunächst in den grossem Städten, neuen Gründungen speziell für die allgemeinen Bildungsinteressen. Hierher gehören u. a. die Volksbibliotheken in Basel (eine Zentrale mit einer Reihe von Quartierbibliotheken) und die aus 10 Bibliotheken zusammengewachsene Oeffentliche Bibliothek der Pestalozzi-Gesellschaft in Zürich (mit einer Zentrale und Filialen).
d) Die Pflege der einheimischen Literatur wurde einem eigens geschaffenen Bundesinstitut, der schweizerischen Landesbibliothek in Bern anvertraut. Die Vorgeschichte dieses Institutes beginnt schon mit dem Ende des 18. Jahrhunderts, indem der helvetische Minister Stapfer neben der Gründung einer schweizer. Hochschule, einer Kunstakademie, eines naturhistorischen Museums, in Verbindung mit dem Archiv auch eine Nationalbibliothek plante. Schon waren die Anfänge vorhanden, als der helvetische Einheitsstaat im Jahr 1803 zusammenbrach.
Damit war auch das Schicksal der Bibliothek besiegelt, deren Bestände bei der Liquidation im Jahr 1803 zu Spottpreisen verschleudert wurden. Doch war der Gedanke Stapfers nicht begraben, und besonders in den 40er und 50er Jahren wurden wiederholt Anstrengungen gemacht zur Gründung einer schweizerischen «Nationalbibliothek». Es bestand in Verbindung mit dem eidg. Departement des Innern schon seit 1848 eine «eidgenössische Bibliothek» später und noch heute «Zentralbibliothek» genannt. Ursprünglich nur für die Beamten der Verwaltung bestimmt, war diese Bibliothek über diesen engen Rahmen bald hinausgewachsen, und so musste der Gedanke nahe liegen, dieses Institut zu einer Nationalbibliothek auszubauen. Am richtete Dr. F. Staub, Redaktor des Idiotikons, eine Eingabe an den Bundesrat, in welcher er eine Erweiterung der «eidgenössischen Zentralbibliothek» befürwortete.
Die Denkschrift wurde unterstützt durch die Zentralkommission für Bibliographie der schweizerischen Landeskunde und durch die Literarische Gesellschaft in Bern, welche im Frühjahr 1892 mit ausführlichen Eingaben an die Bundesbehörden gelangten; später schlossen sich noch andre schweizerische Vereine und Gesellschaften an.
Diese Gesuche fanden günstige Aufnahme. Das eidg. Departement des Innern beauftragte zunächst die Zentralkommission für schweizer. Landeskunde mit einer Erhebung, welche Aufschluss geben sollte, wie sich die schweizer. Bibliothekare, Archivare, Buchdrucker, Verleger, Buchhändler, Antiquare und Redaktoren zu dem Projekt der Gründung einer derartigen Bibliothek verhalten. Die Fragebogen wurden im Dezember 1892 verschickt, und die Antworten liefen prompt ein. Am wurde das Resultat der Enquête der Oeffentlichkeit übergeben. Im ganzen war das Ergebnis derart, dass der Bundesrat der Bundesversammlung in einer Botschaft vom die Gründung einer Nationalbibliothek empfahl, und zwar sollte dieselbe als selbständiges Institut geschaffen werden.
Vorderhand bedurfte aber die ganze Frage, die einer lebhaften Besprechung in der Presse gerufen hatte, noch der Abklärung. Dies war umsomehr der Fall, als von verschiedenen Seiten der Vorschlag gemacht worden war, keine neue Bibliothek zu gründen, sondern eine der schon bestehenden schweizerischen Anstalten zur Nationalbibliothek auszubauen. Die Zentralkommission für Landeskunde besprach die Angelegenheit in ihrer Sitzung vom und stellte eine Reihe von Thesen auf.
Diese dienten mit dem Entwurf eines Bundesbeschlusses zwei Tage später einer Expertenkommission, die aus den Vorstehern der bedeutendsten schweizerischen Bibliotheken zusammengesetzt war, als Diskussionsgrundlage. Hier wurde die beanstandete Bezeichnung «Nationalbibliothek» in die bescheidenere «Landesbibliothek» umgewandelt und hauptsächlich die Aufgabe und Organisation der Anstalt eingehend beraten. Bei diesem Anlass tauchte der Vorschlag auf, dass die Landesbibliothek bei ihrer Sammeltätigkeit nur bis auf das Jahr 1848 zurückgehen und die Sammlung der ältern Drucksachen der Bürgerbibliothek Luzern, die seit 90 Jahren beinahe ausschliesslich auf diesem Gebiete arbeite, überlassen solle.
Dieser Antrag erscheint wieder im Bericht der ständerätlichen Kommission vom Dort wird der Satz aufgestellt, dass eine neu gegründete Landesbibliothek die ältere schweizerische Literatur nicht mehr mit Aussicht auf einige Vollständigkeit würde sammeln können. Man müsse daher eine Grenze ziehen, und diese sei gegeben mit dem Jahr 1848, das einen Wendepunkt in der gesamten politischen Entwicklung der Eidgenossenschaft bilde. Die Sammlung der ältern Literatur solle der Bürgerbibliothek in Luzern, einer ausschliesslichen Helvetica-Bibliothek, überlassen bleiben, die mit einer relativ bescheidenen Bundesunterstützung zu einer wirkungsvollen Ergänzung gelangen werde.
Von einem Verhältnis zu der Zentralbibliothek ist nur noch insofern die Rede, als diese ihre Helveticabestände an die Landesbibliothek abgeben und sich in Zukunft damit begnügen solle, eine reine Verwaltungsbibliothek zu sein. Trotz verschiedener Anregungen, die Landesbibliothek zu einer universellen kosmopolitischen Bibliothek auszubauen, war an dem Gedanken festgehalten worden, dass nur Helvetica gesammelt werden sollen, dass man aber diesen Begriff nicht zu eng fassen dürfe.
Die Benutzung solle nicht nur an Ort und Stelle erfolgen können, sondern der Grundsatz aufgestellt werden, dass die Bücher an jeden Interessenten, wo er auch sei, ausgeliehen und wenn nötig mit der Post verschickt werden. Nur auf diese Weise könne die Landesbibliothek ihren Zweck richtig erfüllen. Als Aufgabe der Landesbibliothek wird auch die Erstellung eines Nachweiskataloges der im Ausland und Inland zerstreuten Helveticaliteratur bezeichnet. Später hätten sich daran noch weitere bibliographische Arbeiten zu reihen.
Der Ständerat hielt sich in seinem Beschluss vom in allen Hauptpunkten an die Vorschläge seiner Kommission, und auch die Beratung im Nationalrat im Juni 1894 ergab wenig Aenderungen von Belang. Die noch schwebenden Differenzen zwischen den Räten wurden am ausgeglichen, und damit war der «Bundesbeschluss betr. Errichtung einer schweizerischen Landesbibliothek» ganz unerwartet rasch zustande gekommen. Am wurde vom Bundesrat eine Verordnung betr. «Leitung und Verwaltung der schweizerischen Landesbibliothek» erlassen, und am gleichen Tag erfolgte die Wahl einer Bibliothekkommission von fünf Mitgliedern. Am erfolgte die Installierung der Landesbibliothek in provisorischen Räumlichkeiten.
Der Umzug in einen Flügel des Neubaues für das Bundesarchiv auf dem Kirchenfeld kam im Oktober und November 1899 und am konnte die Bibliothek offiziell der öffentlichen Benutzung zugänglich gemacht werden. Seither hat sie sich viel rascher entwickelt, als vorauszusehen war. Schon die Anzahl der aus allen Teilen der Schweiz und auch aus dem Ausland einlaufenden Geschenke betrug von Anfang an das Mehrfache des ganzen Jahreszuwachses, auf den man
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gerechnet hatte; ferner zeigte es sich, dass auch die laufende literarische Produktion der Schweiz viel reicher ist, als bisher angenommen wurde. Die Bestände der Bibliothek betrugen auf Ende 1899, etwa 108000 Nummern mit rund 164000 Stücken;
auf Ende 1905 etwa 155000 Nummern mit rund 330000 Stücken;
auf Ende 1908 etwa 185000 Nummern mit rund 378000 Stücken. Um eine Vorstellung von der äussern Wirksamkeit der Bibliothek zu vermitteln, geben wir folgende Benutzungsziffern für das Jahr 1908: es wurden ausgegeben 11225 Werke mit 16369 Bänden;
in den Lesesaal gingen 2891, in die Stadt Bern 8584 und nach auswärts 4894 Bände, wovon 4832 in die Schweiz und 62 nach dem Ausland.
Die Bibliothek gibt ein monatliches Bibliographisches Bulletin der Schweiz heraus und ist gegenwärtig damit beschäftigt, ihre Kataloge zu drucken. Davon sind die beiden Bände der «Abt. A: Landeskunde, Geschichte und Geographie» 1910 im Druck erschienen. Die Bibliothek wirkt als schweizerisches «Regionalbureau» am internationalen Katalog der Londoner Royal Society mit, dem sie alljährlich die Titelzettel schweizerischer naturwissenschaftlicher Neuerscheinungen abliefert. Der Entwurf eines neuen Reglementes für die Reorganisation der Landesbibliothek liegt 1910 bei den eidg. Räten, denen in dieser Sache auch die schweizerischen Bibliothekare eine Eingabe zugestellt haben.
3. Bibliothekstatistik.
a) Verhältnisse im Jahr 1868. Ueber den Stand der schweizerischen Bibliotheken im Jahr 1868 gibt uns die grosse Heitz’sche Statistik, die sich auf 2006 (von den damals vorhandenen 2090) Anstalten bezieht, erschöpfende Auskunft. Da die betr. Ergebnisse in vielen und wesentlichen Punkten auch heute noch zutreffen dürften, müssen wir hier kurz darauf eingehen.
Zunächst ergab sich, dass die Bibliotheken recht ungleich über das Land verteilt sind. Mittelland und Jura erscheinen mit einem dichten Netz überzogen, während das Hochgebirge natürlich schwach vertreten ist. Die meisten Bibliotheken zählen die Kantone Zürich, Aargau, Waadt und Bern. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl erscheinen besonders Solothurn, Schaffhausen, Aargau und Waadt bevorzugt. Auf die einzelne Bibliothek entfallen in Solothurn 474, in Schaffhausen 516, im Tessin 5981 und in der ganzen Schweiz 1209 Einwohner. - Die Gesamtbestände betragen rund 2,5 Millionen Bände, d. h. 93,3 Bände auf je 100 Einwohner.
Eine Häufung der Bestände ergibt sich in den Städtekantonen Basel und Genf. In der französischen Schweiz sind die Bestände dichter als in der deutschen. Der durchschnittliche Bestand betrug für die einzelne Bibliothek 1250 Bände. Die grössten Bibliotheken waren die Stadtbibliothek Zürich mit 100000, die Universitätsbibliothek Basel mit 94000, die Kantonsbibliothek Luzern mit 80000, die Bibliothèque publique in Genf mit 75000, die Société de lecture in Genf mit 62000, die Kantonsbibliotheken in Aarau und Lausanne, sowie die Bibliothèque publique in Neuenburg mit je 60000 Bänden. Eigentümer der 2006 Sammlungen sind bei 50,7% Bund, Kantone oder Gemeinden, bei 26,7% Vereine und bei 22,6% Korporationen oder Anstalten. - Die Gesamteinnahmen betrugen rund Fr. 295000, die Gesamtausgaben dagegen Fr. 285000.
Hinsichtlich der Bestimmung der Bibliotheken werden populäre und wissenschaftliche Bibliotheken unterschieden. Bei jenen ergab sich zunächst die interessante Tatsache, dass in der deutschen Schweiz die Schul-, in der französischen (Waadt) dagegen die Volksbibliotheken stärker vertreten sind. Die Ausgaben für die 1734 populären Bibliotheken betrugen rund Fr. 130000; ihre Bestände beliefen sich auf 980000 Bände. Die Zahl der gelesenen Bände war 1225000, sodass also jedes Buch 1¼ Mal benutzt worden war. Die wissenschaftlichen Bibliotheken umfassten 1510000 Bände, wovon 200000 auf die 31 Klosterbibliotheken kamen. Der jährliche Gesamtaufwand betrug Fr. 150000.
Bibliotheken ganz grossen Stiles gab es nicht und gibt es auch heute nicht. Die wissenschaftlichen Mittelpunkte besitzen Anstalten mit bemerkenswerten Bücherschätzen und umfassen ausserdem noch eine grössere Anzahl kleinerer Sammlungen. Das Charakteristische liegt aber in der intensiven Verteilung der Bibliotheken über das ganze Land.
b) Neuzeitliche Verhältnisse. Seit der Heitz’schen Statistik von 1868 hat sich, wie bereits bemerkt, das wissenschaftliche Bibliothekwesen intensiv weiter entwickelt. Da und dort lässt sich eine Vermehrung der Bestände auf das Doppelte und mehr nachweisen: so zählten z. B. die im zürcherischen alphabetischen Zentralkatalog vereinigten 14 Bibliotheken im Jahr 1868 etwa 185000, im Jahr 1901 dagegen an die 480000 Bände. Die Reihenfolge der bedeutendsten Bibliotheken hinsichtlich ihrer Bestände an Druckbänden stellt sich heute etwa folgendermassen:
Universitätsbibliothek Basel 300000, Bibliothèque cantonale et universitaire Lausanne 250000, Stadt- und Hochschulbibliothek Bern 210000, Stadtbibliothek Zürich und Bibliothèque publique et universitaire Genf je 175000, Bibliothèque cantonale et universitaire Freiburg und Bibliothèque de la Ville Neuenburg je 150000, Société de Lecture in Genf 125000, Kantonsbibliothek in Chur 100000, Kantons- (Universitäts-) Bibliothek Zürich 95000, Kantonsbibliothek Luzern 90000, Stadtbibliothek (Vadiana) St. Gallen, Kantonsbibliothek Aarau und Museumsgesellschaft Zürich je 80000, schweizerische Landesbibliothek in Bern 75000, Bibliothek des eidg. Polytechnikums in Zürich 68000, Stadtbibliothek Winterthur 65000, Stiftsbibliotheken St. Gallen und Einsiedeln je 60000, allgemeine Lesegesellschaft Basel 53000, Kantonsbibliothek Solothurn und Bürgerbibliothek Luzern je 50000 Bände.
Mit dem Anwachsen der Bestände hat sich auch die Benutzung gehoben, die an einzelnen Orten bis auf das fünffache gestiegen ist.
Im Jahr 1897 bildete sich die «Vereinigung schweizerischer Bibliothekare» (Association des bibliothécaires suisses), die im Jahr 1904 ein Verzeichnis der in den schweizerischen Bibliotheken gehaltenen laufenden Zeitschriften herausgab (2. Auflage 1911) und seit 1905 die Notwendigkeit der Erstellung eines schweizerischen Gesamtkataloges betont und dessen Durchführung anstrebt.
[H. B.]
B. Museen.
1. Allgemeiner Ueberblick. Nicht weniger zahlreich als die Bibliotheken sind in der Schweiz auch die Museen jeder Art: historische, naturhistorische, Kunst-, Gewerbemuseen etc. Von Kunstmuseen sind besonders zu erwähnen: das Musée Rath, die permanente Ausstellung der Kunstgesellschaft im Athenaeum und das Musée Ariana in Genf, das Musée Arlaud im Palais de Rumine zu Lausanne (mit reicher Sammlung von Werken westschweizerischer, speziell waadtländischer Maler), das Musée des Beaux Arts in Neuenburg (mit den grossen Wandgemälden von Paul Robert und zahlreichen Werken Neuenburger Künstler), das Basler Museum (mit Gemälden von Holbein, Böcklin, Stückelberg, Sandreuter), das Museum Marcello in Freiburg und die Museen und Kunstsammlungen von Zürich (Künstlerhaus seit Frühjahr 1910), Bern, St. Gallen, Winterthur und Solothurn. Gewerbe- und Kunstgewerbemuseen in Zürich, Bern, Basel, St. Gallen, Winterthur und Aarau, Freiburg, Lausanne und Genf.
Ethnographische Museen und Sammlungen in Bern, Neuenburg, Basel, Zürich, St. Gallen, Winterthur und Aarau. Archäologische Sammlungen in Genf (Musée archéologique, Musée épigraphique und Musée Fol mit wertvoller Sammlung römischer, griechischer und etruskischer Altertümer), Zürich, Lausanne, Freiburg, Chur, Aarau, Schaffhausen. Von grosser Bedeutung sind die historischen Museen, wie solche in Zürich, Bern, Basel, Luzern, Frauenfeld, Chur, Solothurn, Altdorf, Freiburg, Neuenburg, Lausanne, Genf, Sitten, Locarno u. a. O. bestehen. Dass auch die naturhistorischen Museen (Zürich, Bern und Basel, Genf, Lausanne und Neuenburg, Winterthur, Freiburg, Aarau, St. Gallen, Glarus, Chur, Schaffhausen, Solothurn etc.) in einem so mannigfaltig gestalteten Land wie die Schweiz ein besondres allgemeines und lokales Interesse beanspruchen dürfen, braucht wohl nicht besonders hervorgehoben zu werden.
2. Schweizerisches Landesmuseum in Zürich. Im Jahr 1880 machte Prof. Sal. Vögelin († aus Zürich im Nationalrat die erste, erfolglose, Anregung zur Gründung eines schweizerischen Nationalmuseums. Dagegen entstand noch in demselben Jahr auf Veranlassung von Oberst Theodore de Saussure in Genf die «Schweizerische Gesellschaft zur Erhaltung historischer Kunstdenkmäler». 1883 bot die erste schweizer. Landesausstellung in Zürich Gelegenheit zu einer grossem
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Aus-Stellung nationaler Altertümer, deren Eindruck auf die Besucher ein so grosser war, dass Prof. Vögelin die günstige Stimmung benutzte, um abermals in den eidgen. Räten für seine Idee einzutreten. Die Folge davon war der Gesetzeserlass vom betreffend die «Beteiligung des Bundes an den Bestrebungen für Erhaltung und Erwerbung vaterländischer Altertümer» und die Erhebung des Vorstandes der eben genannten Gesellschaft zur «Eidgen. Kommission für Erhaltung schweizerischer Altertümer», welche mit dem Jahr 1887 ihre direkt auf die künftige Errichtung eines schweizerischen Museums hinzielenden Einkäufe begann.
Dies gab im Jahr 1888 Veranlassung, die Frage der Erbauung eines Nationalmuseums aufs neue anzuregen, um dessen Sitz sich bald darauf die Städte Basel, Bern, Luzern und Zürich offiziell bewarben. Unterstützt wurde die Bewegung durch ein Legat des Basler Baumeisters L. Merian, welcher der Eidgenossenschaft sein beträchtliches Vermögen samt einer ansehnlichen Altertümersammlung zum Zweck der Gründung eines Nationalmuseums vermacht hatte. Ein Bundesbeschluss vom schuf sodann das Schweizerische Landesmuseum mit dem Zwecke, «bedeutsame vaterländische Altertümer geschichtlicher und kunstgewerblicher Natur aufzunehmen und planmässig geordnet aufzubewahren.» Als Sitz des Museums wurde im Jahr 1891 Zürich bestimmt.
Das Gebäude des Landesmuseums, dessen Grundsteinlegung am stattfand, ist eine Schöpfung des Architekten G. Gull. Die Installation besorgte die Direktion. Erster Direktor des Museums war der 1892 gewählte hervorragende Kunst- und Geschichtskenner H. Angst aus Regensberg (Kt. Zürich). Die Eröffnung des Museums erfolgte am Als Grundstock der Sammlungen dienten die seit mehreren Jahrzehnten im sog. Helmhaus in Zürich aufbewahrten Erwerbungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich und die von der Eidgenossenschaft seit 1887 angekauften schweizerischen Altertümer, die bisher an verschiedenen Orten deponiert waren.
Dazu kamen sehr wertvolle Depositen der Zürcher Stadtbibliothek und der Zünfte, sowie die grosse Sammlung von Altertümern aus dem Schloss Schwandegg (geschenkt von C. Fierz-Landis). Der Inhalt der Waffenhalle wurde zum grössten Teil durch Depositen des kantonalen Zeughauses von Zürich geliefert. Eine Anzahl der hervorragendsten Stücke wurde durch die eidgen. Kommission der Gottfried Keller-Stiftung erworben und im Landesmuseum deponiert. Ebenso bedeutend war der Zuwachs durch die Einverleibung der grossartigen Privatsammlung des Direktors H. Angst.
Die ältesten im Landesmuseum aufbewahrten Objekte sind die Fundstücke aus der von J. Nüesch in Schaffhausen entdeckten paläolithischen Felsenhöhle vom «Schweizersbild», sowie aus der Höhle von Thaingen (Schaffhausen). Die jüngere Steinzeit (bis etwa 2000 vor Christus) ist durch Funde aus den schweizerischen Pfahlbauten und aus Hügelgräbern vertreten; ebenso die Bronzezeit (etwa 2000-1000 v. Chr.). Aus der sog. Eisenzeit (seit etwa 1000 v. Chr.) besitzt das Landesmuseum einen ganz besondern Reichtum von Gegenständen durch die mehrjährigen Ausgrabungen im Kanton Tessin, speziell aus den Gräberfeldern von Cerinasca-Arbedo und Giubiasco.
Die römische Epoche und das frühe Mittelalter sind noch verhältnismässig spärlich vertreten. Mit dem 13. Jahrhundert beginnt dagegen eine fast ununterbrochene Reihe von bedeutenden Altertümern, welche die Entwicklung des schweizerischen Kunstgewerbes bis zum 19. Jahrhundert veranschaulichen. Aus dem 13. Jahrhundert sind die schön verzierten Backsteine des Klosters St. Urban und der Ritterschild des Arnold von Brienz hervorzuheben, aus dem 14. eine Anzahl Grabsteine, Goldschmiedearbeiten, Elfenbeinschnitzereien und die berühmte Wappenrolle von Zürich. Ausserordentlich reich ist das 15. Jahrhundert vertreten. Es beginnt die stattliche Reihe von vollständigen alten Zimmereinrichtungen: die Ratsstube von Mellingen (1467), die gotischen Zimmer aus dem Fraumünsterkloster in Zürich (um 1500), die glänzenden Renaissancezimmer aus Chiavenna
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und dem Seidenhof in Zürich u. a. m. Zu den besondern Spezialitäten des Landesmuseums gehört die Glasmalerei, die in ungefähr 200 Meisterwerken vom 15.-17. Jahrhundert vertreten ist. Die Erzeugnisse der schweizerischen Keramik erreichen ihre Höhepunkte in den Winterthurer Hafnereien des 17. Jahrhunderts und im Porzellan von Zürich und Nyon aus dem Ende des 18. Jahrhunderts. Winterthurer Keramik und Zürcher Porzellan sind im Landesmuseum so glänzend vertreten, dass überhaupt nur hier ein gründliches Studium dieser Kunstzweige möglich ist.
Auch für die Geschichte der schweizerischen Möbel enthält das Landesmuseum reichlichere Anhaltspunkte als irgend eine andre Sammlung des Landes. Das selbe gilt von der Sammlung der Kostüme, Uniformen, Waffen und Fahnen. In der Waffenhalle sind die Waffen von Ulrich Zwingli und die Geschenke des Papstes Julius II. an die Eidgenossen (1512) besonders zu beachten. In der Schatzkammer sind, hauptsächlich zufolge wertvoller Depositen, die Werke der vorzüglichsten Goldschmiede von Zürich vereinigt, und auch die mittelalterliche Goldschmiedekunst überhaupt ist durch treffliche Werke vertreten.
Die Plastik des 15. und 16. Jahrhunderts kann vornehmlich an geschnitzten Altären und Heiligenfiguren studiert werden. Eine eigentliche Bildergalerie enthält das Landesmuseum nicht; indessen sind einige der hervorragendsten schweizerischen Maler durch wertvolle Arbeiten vertreten. So z. B. aus dem Ende des 15. Jahrhunderts der Berner «Meister mit der Nelke» (wahrscheinlich Heinrich Bichler), der Zürcher Hans Leu d. ä.; aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts der ausgezeichnete Hans Fries von Freiburg. Von Hans Holbein d. j. besitzt das Landesmuseum die berühmte bemalte Tischplatte von 1515; vom Zürcher Maler Hans Asper einige gute Bildnisse, vor allem das mächtige Porträt des Wilhelm Frölich, gen. Tugginer. Die Textilkunst bietet als besonders feine schweizerische Erzeugnisse eine Anzahl farbig gestickter Teppiche und reizvolle Stickereien auf weisser Leinwand. Das am meisten bewunderte Prachtstück der Textilkunst ist ein gewaltig grosser französischer Gobelin, der das Bündnis zwischen Ludwig XIV. und den Eidgenossen vom Jahr 1663 darstellt.
Die Entwicklung der Sammlungen war seit der Eröffnung des Museums eine so bedeutende, dass bereits das Bedürfnis einer Erweiterung des Gebäudes eingetreten ist.
Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz.
Die erste Epoche, die Kunst des vorchristlichen oder helvetisch-römischen Zeitalters umfassend, kommt hier kaum in Betracht. Die Gegenstände aus der Steinzeit, die Funde in den Höhlen von Schweizersbild und Thaingen, in den Pfahlbauten, in den Gräbern aus der Eisenzeit und den römischen Militärstationen, die in den Sammlungen des schweizerischen Landesmuseums in Zürich so reichlich vertreten sind, haben mehr historischen als künstlerischen Wert.
Die erste einheimische Kunstblüte entfaltet sich in der Zeit der altchristlichen Epoche. Im 4. Jahrhundert werden die Römer immer mehr zurückgeworfen, und in der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts siedeln sich im W. unsres Landes die Burgunder, im NO. die Alemannen dauernd an, die dann beide unter den Merowingern in ihrem mächtigen Reiche vereinigt wurden. Die Rätier bewahrten hinter ihren Gebirgsbollwerken noch am längsten die antiken Einflüsse, und gerade auf ihrem Boden sind in allerneuster Zeit so bedeutende Funde aus der karolingischen, ja sogar der merowingischen Epoche aufgedeckt worden.
Einerseits haben die Ausgrabungen im Kloster Disentis die Grundmauern der ältesten, von 663 datierenden Kirche blossgelegt, andrerseits sind im Kloster Münster Wandmalereien, die bis in das Jahr 800 hinaufreichen, entdeckt worden. Ueberreste aus der Karolingerzeit auf dem Gebiet der Burgunder fanden sich in Gent (Kirche St. Viktor, Porte du Château oder Arcade du Bourg de Four), im Kloster Saint Maurice im Wallis, in den ersten Anfängen der Klosterkirchen von Payerne und Romainmôtier im Kanton Waadt. In dem von den Alemannen besetzten östl. Gebiet unsres Landes war das Kloster St. Gallen das grosse Kulturzentrum, dessen berühmter Bauriss von 830 datiert; in Zürich haben wir die ersten Anfänge der Grossmünster- und Fraumünsterkirche.
Mit dem 11. Jahrhundert beginnt das eigentliche Mittelalter. Eine neue Schaffenslust macht sich überall geltend. Der künstlerische Stil, der seit dem Beginn des 11. bis zum 13. Jahrhundert der herrschende wurde, ist der romanische Stil. Es ist diese Bezeichnung aber nicht in dem Sinn zu deuten, als ob er der spezielle künstlerische Ausdruck des romanischen Stammes wäre, sondern dieser Name entspricht lediglich dem Wesen des Stiles selbst, der im Grund genommen nichts andres als eine Zersetzung und Umarbeitung der Antike durch die frischen germanischen Elemente versinnlicht.
Die erste Stelle nimmt wiederum der Kirchenbau ein, und die Basilika bleibt auch jetzt die herrschende Form, die aber weiter ausgebildet wird. An das Langhaus fügt sich ein bald mehr oder weniger kräftig ausladendes Querschiff, an dessen Mitte, die sogenannte Vierung, sich das quadratische Altarhaus mit der halbrunden Tribuna oder Apsis reiht. Besonders der Chor wurde sehr verschieden ausgebaut und oft durch bestimmte Ordensvorschriften oder lokale Traditionen beeinflusst. So finden wir an den romanischen Bauten der nördl. und östl. Schweiz fast überall den geraden Chorabschluss wie der Dom zu Chur, die Abteikirche zu Muri, das Grossmünster, Fraumünster und die St. Peterskirche in Zürich, die Kirchen von Oberwinterthur, Diessenhofen, Stein a. Rhein und das Allerheiligenmünster in Schaffhausen zeigen. In geradem Gegensatz dazu steht die glänzende Chorentwicklung, welche unter dem Einfluss französischer Vorbilder in den Münstern von Basel und Lausanne erscheint, an dem letztern Ort freilich in den spätern Formen des Uebergangsstiles.
Aussen werden die Kirchen reicher geschmückt, die Wände mit Blendarkaden und Lisenen gegliedert, über dem Westeingang oder der Vierung mächtige Türme errichtet, das Portal mit Säulen und Skulpturen geschmückt, welch letztere die beliebten Zickzack- und Schachbrettornamente oder wild verschlungene Tiergestalten und Halbmenschen zeigen. Im Innern werden die grossen Wandflächen, oft auch die Decken mit ganzen Folgen von Bilderzyklen bemalt. Ein typisches Beispiel ist die Decke der Kirche von Zillis (Graubünden) aus etwa 1130, zum Teil im schweizerischen Landesmuseum reproduziert. An Profanbauten kommen einzig die Burgen in Betracht, wie Chillon, Mörsburg (bei Winterthur) und der Westflügel des Schlosses von Neuenburg; an städtischen Gebäuden in Zürich das Haus zum Loch, aus dem ein Zimmer im schweizer. Landesmuseum zu neuem Leben erweckt worden ist. Im Tessin sind keine Werke von wahrhaft künstlerischer Bedeutung aus der romanischen Epoche erhalten; die Kirchen von San Nicolo in Giornico und San Vittore in Locarno gehören zu dem Wenigen erwähnenswerten.
Mit dem 13. Jahrhundert beginnt der gotische Stil. Seine Heimat ist Frankreich, von wo sich sein Einfluss, vor allem durch die Ausbreitung des Zisterzienserordens, bald über alle Länder des Kontinentes erstreckte. Die Gotik wächst organisch aus der romanischen Kunst heraus. Sie beginnt mit einer virtuosen Ausbildung der Gewölbetechnik eine Erleichterung der baulichen Massen zu erreichen. In den gotischen Gebäuden strebt alles nach Licht und Höhe, alles ist dazu angelegt, mit dem Schmuck der Wölbung bedeckt zu werden, die den ganzen Organismus beherrscht und das gotische System überhaupt bestimmte. Um den Schub der hohen Gewölbe des Mittelschiffes aufzuhalten, kam man auf die Strebebögen, die von den am Aeussern der Seitenschiffe aufsteigenden Strebepfeilern gegen das Mittelschiff hinüber gewölbt wurden.
Die Ausbildung dieser genialen Anlage wurde durch die praktische Verwertung des Spitzbogens gefördert, der bei der Dehnbarkeit seiner bald spitzern, bald stumpfern Form erlaubte, auch ein rechteckiges Gewölbejoch auf allen vier Seiten mit gleich hohen Bögen zu überspannen. So entstehen seit dem Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts die Kathedralen von Genf und Lausanne, die Kollegialkirche von Neuenburg, die Stiftskirche von Saint Ursanne (Berner Jura) und Notre Dame de Valère bei Sitten als Muster des sog. Uebergangsstiles, der sich aber bald auch der letzten romanischen Reminiszenzen entkleidete. Im Innern werden die
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Bündelpfeiler, die Triforien im Hauptschiff immer reicher ausgebildet; immer mannigfaltiger wird das Masswerk der Fenster, die im Schmuck der prächtig gemalten Scheiben erstrahlen. In der nördl. und östl. Schweiz breitet sich der neue Stil bis gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts nur langsam weiter aus, und erst mit dem 14. und 15. Jahrhundert siegt die Gotik auf der ganzen Linie. Gefördert durch das mächtig gewordene Bürgertum entstehen die Stiftskirche Saint Nicolas in Freiburg, das Berner Münster, die Neubauten in Basel nach dem Erdbeben von 1356. Im Tessin war und blieb die Gotik dem Volk fremd.
Die St. Lorenzokirche in Lugano zeigt im Innern eine gotische Anlage, erhielt aber 1517 ihre berühmte Renaissancefassade. Der einzige schmuckvolle spätgotische Profanbau ist das Schloss von Locarno. Die Steinmetzenkunst erreichte eine seltene Blüte. Die Sakramentshäuschen (Dom in Chur), die Brunnen (Fischmarktbrunnen in Basel, Weinmarktbrunnen von Konrad Lux in Luzern), die Kanzeln und Taufsteine (Basler Münster, St. Nicolas in Freiburg) sind in ein feines Netz von Masswerk und Rippen aufgelöst, die Figuren zeigen die der Gotik eigentümliche schlanke Grazie. Das bürgerliche Haus begann sich im 15. Jahrhundert ebenfalls mehr und mehr zu schmücken: die gotischen Fassaden in Freiburg entzücken jetzt noch durch ihre Zierlichkeit. Basel besitzt in seinem Rathaus und dem berühmten Spalentor beneidenswerte Zeugen der gotischen Baukunst. Die W.-Schweiz hat in den Schlossbauten von Neuenburg, Estavayer und Vufflens einzigartige Bauwerke dieser Epoche. Auch die Holzschnitzerei entwickelte sich zu grösster Feinheit; Zimmer wie die Mellinger Ratsstube (1467 von «uli hans widerker» erstellt), die 3 Gemächer aus der Fraumünsterabtei in Zürich, von 1489 und 1507 (alle im schweizer. Landesmuseum) mit ihrem kunstvollen Täferwerk atmen noch die stille, vornehme Gemütlichkeit unsrer Vorfahren. Die Glasmalerei entfaltete eine immer grössere künstlerische und technische Vollkommenheit. Zahlreiche farbenglühende Kirchen- und Kabinettscheiben finden sich in den historischen Sammlungen von Bern, Basel und des schweizer. Landesmuseums in Zürich.
Mit dem 16. Jahrhundert beginnt die italienische Renaissance auch auf der N.-Seite der Alpen in die Malerei, den Holzschnitt und Kupferstich einzudringen, während die Architektur noch lange den gotischen Traditionen treu bleibt. Basel bildete infolge seines blühenden Buchhandels eines der nordischen Kunstzentren. Hier liess sich 1509 der um 1485 in Solothurn geborne Urs Graf nieder. Er war seines Zeichens Goldschmied, betätigte sich aber frühzeitig im Holzschnitt.
Zuerst stand er unter Schongauers und Dürers Einfluss, später wandte er sich mehr Holbein zu, verleugnete aber nie sein eigenes derbes Naturell. Von 1512-1529 führte er eine grosse Zahl Handzeichnungen aus, die fast alle in der Basler Kunstsammlung sind. Sie stellen grösstenteils Szenen aus dem Reisläuferleben dar, in sicherer selbständiger technischer Durchführung. Daneben war er Kleinkünstler und gelegentlich Glasmaler. Urs Graf starb 1530. Der zweite bedeutende Meister dieser Zeit ist Niklaus Manuel (Deutsch) in Bern (etwa 1484-1530), Maler, Dichter, Krieger, Staatsmann und Reformator in einer Person. 1513-1515 malte er die Altartafel mit der Geburt der Maria und dem h. Lukas im Berner Kunstmuseum. Im Basler Kunstmuseum sind das 1517 datierte Gemälde der Bathseba im Bade in Clair-obscur, mit dem Tod eine Dirne küssend auf der Rückseite, ferner sein schönstes Oelbild, die Enthauptung Johannis des Täufers von 1520, in Komposition, Ausdruck und Technik gleich vollendet.
Seine bedeutendste monumentale Arbeit war der Totentanz, den er von 1517-1520 an die Friedhofmauer des Dominikanerklosters in Bern malte und der leider 1660 zerstört wurde, aber durch Kopien, die jetzt im Berner historischen Museum sich befinden, uns bekannt ist. – Um 1514 kam Hans Holbein der jüngere (1497 in Augsburg geb.) nach Basel; er brachte die Formvollendung der künstlerischen Sprache. Der grosse Buchhandel der Rheinstadt hatte den Künstler angezogen, für den er als Zeichner von Holzschnitten eifrig tätig war.
Daneben malte er 1514 für Hans Bär die berühmte Tischplatte, die jetzt im schweizer. Landesmuseum ist. Das Basler Museum besitzt an Bildern von seiner Hand das 1516 gemalte Doppelporträt des Bürgermeisters Meyer und seiner Gemahlin, das an Leonardos Komposition erinnernde Abendmahl, die Passion in 8 getrennten Darstellungen, den 1521 gemalten, ungemein realistischen Leichnam Christi, das 1519 datierte Bildnis seines Gönners Bonifazius Amerbach und das sprechende Porträt des Erasmus; ferner seine zwei vollendetsten Basler Oelbilder, die beiden Porträte der Dorothea Offenburg, als Venus und Lais Corinthiaca von 1526. Während seines zweiten Basler Aufenthaltes entstand wohl das Familienbild seiner Ehefrau mit den zwei Kindern. Im Solothurner Museum ist die berühmte Solothurner Madonna von 1522, die 1864 von F. A. Zetter in der Allerheiligenkirche bei Grenchen entdeckt wurde. 1521-1525 führte er die Fresken im Basler Rathaussaal aus, deren grosse Bedeutung wir noch aus den wenigen Resten und kolorierten Federzeichnungen im Basler Kunstmuseum erkennen können. 1526 ging Holbein nach England, um 1528-1531 noch einmal nach Basel zurückzukehren, in welchem Jahr er dann endgiltig nach England abreiste, wo er 1543 starb.
Mit der Mitte des 16. Jahrhunderts nimmt der handwerkliche Geist immer mehr unter den Künstlern überhand, gefördert durch die ihnen so ungünstige Reformation. In Zürich ist Hans Asper (1499-1571) tätig. Er malte eine Reihe Porträte, unter denen die bekanntesten dasjenige von Zwingli nach ältern Vorbildern und das von Zwinglis Tochter Regula Walter mit ihrem Töchterchen sind, beide auf der Stadtbibliothek Zürich, ferner das 1549 datierte Bild des Obersten Wilhelm Fröhlich im Schweiz.
Landesmuseum. Neben ihm sei Christoph Murer (1558-1614) genannt, der als Glasmaler ganz hervorragendes leistete, wie der prächtige Standesscheiben-Zyklus im Luzerner Museum zeigt; daneben war er Porträtmaler und Radierer. Von der Künstlerfamilie der Stimmer in Schaffhausen darf Tobias (1539-1583) als der tüchtigste Schweizerkünstler der Zeit neben Holbein genannt werden. Seine zwei ausgezeichneten Porträte des Jakob Schwitzer und seiner Gattin von 1564 sind im Basler Kunstmuseum; in Schaffhausen malte er die berühmte Fassade des Hauses zum Ritter. In Bern war die Künstlerfamilie der Dünz tätig als Illustratoren, Zeichner und Maler bis ins 18. Jahrhundert.
Der bedeutendste Porträtmaler im Beginn des 17. Jahrhunderts war Samuel Hofmann (etwa 1595-1648) von Zürich. Er lernte bei Rubens; seine Porträte in der Zürcher Stadtbibliothek, wie dasjenige des Prof. Thomann sind wahre Charakterstudien. Das Kunstgewerbe fand in der Holzschnitzerei, der Ofen- und Glasmalerei für die reichen Zimmerausstattungen der Patrizierhäuser, wie das Renaissancezimmer aus der Rosenburg in Stans (1564-1566) und das Prunkzimmer aus dem Seidenhof in Zürich (1592), beide im schweizer. Landesmuseum, immer noch eine dankbare Tätigkeit.
Ganz anders entwickelte sich die Renaissance im Kanton Tessin, wo das abgelegenste Dörfchen eine Kapelle, einen Altar oder ein Bild besitzt, das von dem Talent eines seiner Söhne zeugt. Zwar waren die berühmten Künstlerfamilien der Lombardi aus Carona, der Rodari aus Maroggia, der Solari aus Campione vor allem in den grossen Städten Oberitaliens und bis nach Rom tätig und kennen wir gerade die Namen der Schöpfer von Prachtwerken wie der Fassade von San Lorenzo in Lugano und des Zentralbaus von Santa Croce in Riva San Vitale bei Capolago nicht.
Ein prächtiges Beispiel einer Hausfassade bietet die Casa Burani in Ascona von Giovanni Serodino, der sich daneben als tüchtiger Maler in der Pfarrkirche von Ascona zeigt. Der grösste Meister des Tessin war Bernardino Luini (etwa 1470-1533). Er studierte bei Leonardo da Vinci, und seine süss-träumerischen Frauen und Engelsköpfe sind noch liebreizender wie die seines Meisters. 1521 malte er auf die Scheidewand zwischen Kleriker- und Laienkirche von Santa Maria degli Angeli in Lugano seine berühmte Passion. 1530 ist seine liebreizende Madonna, 1533 sein farbenprächtiges Abendmahl datiert, beide in der gleichen Kirche.
Nach der Renaissance kam das zierliche Roccoco, dessen fröhliche, krause Ornamentik in den während der Gegenreformation umgebauten Abteikirchen von Muri, Rheinau, St. Gallen und Einsiedeln sich voll entfaltet. Ihm folgte der Zopf- und Empirestil, einer kälter und
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doktrinärer wie der andre. Doch im 19. Jahrhundert begann mit der Romantik sich das Interesse und die Liebe am Alten und der Farbensinn wieder zu regen. 1883 an der schweizer. Landesausstellung von Zürich wurde man sich klar, was für einen reichen Schatz an alten Kunstgegenständen wir noch hatten. Eine Reihe hervorragender Schweizer aus allen Gauen des Landes taten sich zusammen, um diese Schätze dem Lande möglichst zu erhalten, und ruhten nicht, bis das schweizer. Landesmuseum Tat und Wahrheit war mit seiner Eröffnung am Daneben entstanden neue oder vergrösserten sich überall in der Schweiz die Museen.
Genf hatte schon sein Musée Rath, Neuenburg sein Musée des Beaux-Arts, in dessen Treppenhaus die von Paul Robert von 1886-1894 ausgeführten berühmten Gemälde sich befinden: in der Mitte das geistige Leben im Spiegel christlicher Weltanschauung, links die himmlische Gnade die Erde segnend, rechts das industrielle Leben. Lausanne besitzt das Musée Arlaud und das neue Palais de Rumine. 1898-1900 baute sich auch Solothurn sein hübsches städtisches Museum. Neben dem Interesse für das Alte blieb die neue Künstlergeneration nicht zurück.
Aus Basel stammt Arnold Böcklin (1827-1901), von wahrhaft universeller Bedeutung, von dem sich das Basler Museum einen reichen Bilderschatz zu sichern wusste, sowohl von seinen frühern Kompositionen wie die «heroische Landschaft», noch mit mattern Farbentönen (1862),
bis zu dem «Leben ein kurzer Traum» (1888) und dem «Selbstbildnis des Meisters» (1893). Ferner der Maler der Tellskapelle Ernst Stückelberg (1831-1903),
dessen «Marientag im Sabinergebirge» (1860),
die «Marionetten» (1869),
das liebreizende Bild von des Künstlers Kindern (1871) ebenfalls zu den Schätzen des Basler Museums gehören. Daneben sei noch Hans Sandreuters (1850-1901) mit seinem «Jungbrunnen» gedacht. In Zürich und Winterthur haben wir den Historienmaler Ludwig Vogel (1788-1879), die Landschafter Weckesser (1821-1899) und A. Stäbli (1842-1901), vor allem aber den berühmten Tiermaler Rudolf Koller (1828-1905), von dem das Zürcher Künstlergut eine Reihe von Bildern besitzt, darunter die bekannte Gotthardpost (1873), ferner den Bildhauer R. Kissling (geb. 1848), den Schöpfer des Alfred Escher-Denkmals in Zürich (1889), des Benedikt Fontana-Denkmals in Chur und des Tell in Altdorf (1895). Berner sind der Genremaler A. Anker (geb. 1831), der hochbegabte Maler, Bildhauer und Radierer Karl Stauffer (1857-1891), dessen Bilder von Mutter und Schwester des Künstlers im Berner Kunstmuseum sind, wo sich auch die «Lebensmüden» und «der Zornige» befinden, Werke des gegenwärtig am meisten genannten Schweizer Künstlers Ferd. Hodler (geb. 1853 in Bern). Im Solothurner Museum seien als Einheimische die farbensprühenden Bilder Frank Buchsers (1828-1890) und Kuno Amiets (geb. 1868) erwähnt. Im Neuenburger Museum finden sich die Werke der berühmten Künstlerfamilie Robert, von Léopold Robert (1794-1835) «Fischer am adriatischen Meer» und «Briganten auf der Flucht», von dem Feinmaler Aurèle Robert (1805-1871) das «Baptisterium der Markuskirche» und viele Zeichnungen, von Paul Robert (geb. 1851) «Abendlüfte», ferner die Historienbilder von Girardet (geb. 1856), die ausgezeichneten Pferdestudien von Jacot Guillarmod, die Landschaften von A. de Meuron und A. H. Berthoud. Lausanne ist die Heimat des hervorragenden Klassikers Gleyre (1807-1874) und des grossen Historien- und Landschaftmalers Burnand (geb. 1850). Im Musée Rath in Genf sind zahlreiche Landschaften von Calame (1810-1864), Diday (1802-1877), Baud-Bovy (1848-1899) und van Muyden, Vater und Sohn.
Noch sei der Wallisermaler R. Ritz (1829-1893) und in Graubünden der berühmte Alpenmaler Segantini (1858-1899) erwähnt. Im Tessin dürfen wir den tüchtigen Bildhauer Vela (1820-1891) nicht vergessen, dessen Werke im Museo Vela in Ligornetto bei Mendrisio vereinigt sind.
[Dr. Emma Reinhart.]
Musik.
Das musikalische Gefühl des Schweizervolkes hat durch die Einwirkung der Gesangvereine und Liedertafeln einen grossen Aufschwung genommen. Diese Entwicklung hat angehalten, bis in die letzten Jahre, jedoch ohne offizielle Unterstützung. Die Eidgenossenschaft scheint in der Tat der Entwickelung der Musik keine Wichtigkeit beizumessen. Die Organisation unserer Milizarmee macht die Schaffung von wirklich bedeutenden Militärmusiken unmöglich; die Musikkorps der Bataillone können infolge ihrer beschränkten Organisation im musikalischen Sinne nicht als vollwertig erachtet werden. Und doch hat man in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts ein merkbares Aufblühen der musikalischen Kunst in jeder Hinsicht feststellen können.
Die demokratische Institution der Schweiz und die Freude des Volkes an öffentlichen und patriotischen Festen mussten die Schaffung von Volksmusiken zur Folge haben. Alle unsere grossen Städte besitzen mehr oder weniger geschätzte Harmonie- oder Blechmusiken, für die von den Stadtverwaltungen oder von Privaten grössere oder kleinere Opfer geleistet werden; auch die Flecken und Dörfer sind nicht zurück geblieben, so dass man sagen kann, dass das Schweizervolk selbst bis in die Arbeiterklassen hinunter Musik treibt.
Und dennoch sind mit einigen Ausnahmen die Vereine für Instrumentalmusik der Schweiz keine wirklichen Zentren der musikalischen Kultur. Ihr Ehrgeiz beschränkt sich im allgemeinen darauf, in patriotischen und politischen Aufzügen oder an den Banketten der Volksfeste zu paradieren. Seit ungefähr vierzig Jahren besteht ein «Eidgenössischer Verein für Militär- und Volksmusik», der alle drei Jahre eidgenössische Wettkonzerte veranstaltet; doch haben diese Konzerte erst seit dem Jahre 1900 eine wirkliche Bedeutung erreicht und die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
Dagegen hat sich die Orchestermusik in der Schweiz ganz anders entwickelt; man hat bald begriffen, dass die Liebhaberorchester niemals dazu gelangen könnten, befriedigende Symphonieorchester zu geben; darum sind sie auch bald in zweite Reihe getreten. Da die grossen Städte, die ein Theater mit Opernaufführungen besitzen, ein Berufsorchester nötig haben, so entstanden in mehreren Städten Musikgesellschaften, welche die Zusammenstellung eines vollständigen Orchesters zum Zwecke haben, das sie dann den Theaterdirektoren vermieten und das, neben dieser hauptsächlichsten Aufgabe, eine Serie von Abonnementskonzerten (Symphoniekonzerten) gibt.
Genf ist die einzige Stadt, die hierin anders organisiert ist: hier bildet der Theaterdirektor das Orchester und leiht es nach gewissen Bedingungen der Gesellschaft für Abonnementskonzerte. Diese Konzerte haben im geistigen Leben unserer schweizerischen Städte eine grosse Bedeutung erlangt; die Konzerte in Zürich und Basel sind denen in den grossen Städten Deutschlands gleichwertig. Die Orchester von Bern und Lausanne werden zur Mitwirkung in symphonischen Konzerten in den benachbarten Städten Neuenburg, Solothurn, Freiburg, Montreux usw. beigezogen.
Die volkstümlichste und verbreitetste Form der Musik in der Schweiz ist der Männerchorgesang. In allen kleinen Dörfern bestehen Männerchöre; diejenigen in den grossen Städten haben an Zahl und künstlerischer Bedeutung eine Stelle eingenommen, wie sie nirgendswo übertroffen werden können. Die Männerchöre von Zürich, Basel, Bern sind auch im Auslande bekannt; wenn sie ihre Gastreisen durch die Hauptstädte Europas antreten, so sind sie sicher eines begeisterten Empfanges, und zwar nicht nur von Seite ihrer Landsleute, sondern von der ganzen Bevölkerung und den leitenden musikalischen Persönlichkeiten, die ihren aussergewöhnlichen Wert anerkennen.
Die Liedertafeln der deutschen und die «Unions chorales» der französischen Schweiz haben sich seit dem Jahre 1843 zu einem «Eidgenössischen Gesangverein» verbunden. Seit einigen Jahren haben ihre Feste eine so riesige Entwicklung angenommen, dass ihre Organisation gegenwärtig ein Unternehmen ist, vor welchem selbst die grössten Städte der Schweiz zurückschrecken. Das letzte eidgenössische Fest fand im Jahre 1905 in Zürich statt. Mehr als hundert Gesangvereine nahmen daran teil und gewisse Gesamtchöre vereinigten auf dem riesigen Podium der Festhütte über 7000 Sänger. Die Männerchöre besitzen eine eigene Literatur; es genügt, hierzu Namen zu nennen wie Gustav Weber, Zwyssig, Baumgartner, Angerer, Attenhofer, Hegar usw. Eine besondere schweizerische Musik könnte nur in dieser Richtung hin gesucht werden.
Obgleich der Männergesang so volkstümlich und so
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verbreitet ist, so geniesst er doch nicht die Gunst der bedeutenden musikalischen Grössen der Schweiz. Unsere Komponisten und Direktoren beschäftigen sich mit grösserer Begeisterung mit der Schöpfung von gemischten Chormassen, mit denen sie grosse musikalische Aufführungen mit Orchester und Soli veranstalten können. Die Orchester, von denen wir schon sprachen, sind für diese Vereine von grösster Bedeutung. So ist in jeder bedeutenden Ortschaft die Bildung von unabhängigen gemischten Chören möglich geworden, die seit dem Jahre 1870 an Stelle der sogenannten helvetischen Konzerte traten. Zu jener Zeit hatte jede Stadt der Reihe nach den Besuch von ausgewählten Berufsmusikern, die sich zu einem Orchester zusammengetan hatten und einen Chor begleiteten, der sich in dieser und jener Stadt ebenfalls aus den besten Elementen rekrutierte. In dieser Bewegung lag aber etwas künstliches und ephemeres, das nicht lange dauern konnte, gleichwohl aber einen grossen Einfluss ausübte, indem so nach und nach in jeder Stadt ein gemischter Chor entstand, der es wagen durfte, zu gewissen Zeiten allein die an den helvetischen Konzerten aufgeführten Tonstücke zu unternehmen. Seit dem Jahre 1868 haben diese Konzerte aufgehört; immerhin haben sie noch bis zum Jahre 1883 in der französischen Schweiz in jährlichen Vereinigungen der gemischten Chöre von Genf, Neuenburg und Lausanne angedauert, wobei der Reihe nach in jeder dieser Städte die grossen klassischen Werke aufgeführt wurden, an die sich diese Vereine nicht vereinzelt heranwagten.
Gegenwärtig sind die gemischten Chöre in stetem Anwachsen begriffen; gibt es doch Ortschaften von 2 bis 3000 Einwohnern, die nicht ohne Erfolg die Oratorien von Haydn und Mozart aufführen. Die Konzerte der gemischten Chöre von Basel und Zürich stehen in allererstem Rufe; aus der ganzen Schweiz und sogar aus Deutschland strömen die Zuhörer dazu zusammen; auch die Gesangvereine vom Bern, Neuenburg und Genf besitzen eine treue und zahlreiche Zuhörerschaft.
Die künstlerische Höhe, zu der die Männer- und gemischten Chöre gelangt sind, haben die Aufführung der grossen historischen Festspiele erleichtert, die in den letzten Jahren des 19. und im Anfange des 20. Jahrhunderts zu den originellsten und bemerkenswertesten künstlerischen Schöpfungen der Schweiz gezählt werden müssen. Ihren ersten Ausdruck fanden sie in der Form von einfachen Kantaten; die ersten sind wohl die von Grandson vom Jahre 1876 (wo zwei Kantaten aufgeführt wurden; eine für Männerchor von Plumhof und eine für Kinderchor von Giroud).
Wir können hier über diese Festspiele nicht in Einzelheiten eingehen, da sie eigentlich ins Gebiet des Theaters gehören; doch fand auch hier die Musik eine wichtige Stelle. Ihre grösste Entwicklung haben sie gefunden in den Festen von Sempach, Schwyz, Bern, Calven (in Chur), Neuenburg, Dornach, Basel und Lausanne. Man kennt die Bedeutung der Musik in den Winzerfesten zu Vevey. Schliesslich sichern die Versuche eines nationalen Theaters, denen wir gegenwärtig beiwohnen und deren interessanteste Form in Mézières zum Ausdruck kommt, der Vokal- und Instrumentalmusik den ihr gebührenden Platz.
In all diesen Festspielen und symphonischen Aufführungen hat es sich gezeigt, dass die Schweiz Komponisten von grossem Talente besitzt, denen aber noch die Gelegenheit fehlt, genügend bekannt und geschätzt zu werden. Im Jahre 1900 gründeten einige davon die «Vereinigung schweizerischer Musiker», die ausschliesslich aus Berufsmusikern besteht und sich zur Aufgabe gestellt hat, die Aufführung von Werken schweizerischer Komponisten zu ermöglichen, die vom dazu bestellten Komité einer solchen Ausführung würdig erachtet wurden.
Seitdem haben fast jedes Jahr solche Vereinigungen stattgefunden; die wichtigsten sind die von Zürich, Basel, Bern, Genf, Neuenburg, Luzern und schliesslich (1909) von Winterthur. Die Programme umfassen alles, was man unter guter Musik versteht, vom Lied und der Kammermusik bis zur Symphonie und den grossen Kompositionen für Chor, Soli und Orchester. Die Vereinigung schweizerischer Musiker wird von der Eidgenossenschaft unterstützt; sie hat schon verschiedene interessante musikalische Persönlichkeiten ans Licht geführt; wir verweisen hier nur auf die beiden Häupter der schweizerischen Schule, wenn wir von einer solchen sprechen dürfen, auf die Komponisten Huber in Basel und Hegar in Zürich. Durch neue Unterstützungen der Eidgenossenschaft ist es der Vereinigung ermöglicht worden, die Veröffentlichung der grossen Orchesterwerke zu unternehmen.
Die Vereinigung schweizerischer Musiker ist dazu berufen, eine immer wichtigere Rolle in der Entwicklung der musikalischen Kunst in der Schweiz zu spielen. Wir sagen, in der Schweiz, denn es ist wenig wahrscheinlich, dass wir jemals auf diesem Gebiete zu einer wahrhaft nationalen Kunst gelangen werden. Die Konzerte der Vereinigung zeigen kein eigentümliches künstlerisches Gepräge; die Komponisten von unbestreitbarem Talent, die dort aufgeführt wurden, gehen aus den Schulen der Nachbarländer hervor, besonders aus der deutschen Schule, deren Einfluss selbst für die romanische Schweiz unverkennbar ist.
Ausserdem ist die Vereinigung für jeden in der Schweiz niedergelassenen Berufsmusiker offen, selbst wenn er einer fremden Nationalität angehört; dieser Umstand schwächt noch die Aussichten auf das Aufblühen einer schweizerischen Tradition und eines wahrhaft schweizerischen Stils. Dagegen darf man sagen, dass die Aufführungen der schweizerischen Musiker die Aufmerksamkeit der reichsdeutschen Komponisten auf unser Land gelenkt haben. Die Versammlung deutscher Musiker hat im Jahre 1904 ihre Jahresversammlung in Basel abgehalten; die schweizerischen Komponisten waren dabei stark vertreten; im Jahre 1910 fand abermals eine solche Versammlung in Zürich statt.
Konservatorien und Musikschulen bestehen in Zürich, Basel, Lausanne, Genf, Winterthur usw. Die Universität Basel besitzt eine schöne Sammlung von musikwissenschaftlichen Werken, die sie allen Mitgliedern der Vereinigung zur Verfügung stellt. Was die musikalische Presse anbelangt, so erwähnen wir die Schweizerische Musikzeitung, die wöchentlich in Zürich erscheint; sie ist das offizielle Organ der Vereinigung der schweizerischen Musiker und des Eidgenössischen Gesangvereins; als Supplement ist ihr die Instrumental-Musik beigegeben, das Organ der Schweizerischen Gesellschaft für Militär- und Volksmusik. In der romanischen Schweiz erscheint und verschwindet wieder von Zeit zu Zeit eine in französischer Sprache redigierte Musikzeitung. Gegenwärtig erscheint in Lausanne die Vie musicale.
[Dr. Max E. Porret.]
Presse und Buchhandel.
A. Presse.
Seit der Ordinari Wochenzeitung in Basel, deren Existenz 1610 bezeugt ist und die die Mutter des schweizerischen Zeitungswesens zu sein scheint, sowie seit dem Mercure Suisse (1634) von Frédéric Spanheim oder demjenigen von L. Bourguet (1731) und seit dem Journal Helvétique oder den Etrennes Helvétiques des Dekanes Bridel haben sich in der Schweiz Zeitungen und Zeitschriften derart vermehrt, dass heute deren mehr als tausend erscheinen. Einige unsrer heutigen Zeitungen sehen bereits auf ein Bestehen von hundert und mehr Jahren zurück: so die Zürcher Freitagszeitung (gegründet 1683), das Journal d’Yverdon (1773), die Neue Zürcher Zeitung (1780), der Nouvelliste vaudois und die Gazette de Lausanne (1798), die Thurgauer Zeitung (1809). Ueber hundert Jahre alt ist auch die aus 1796 datierende Zeitschrift Bibliothèque Universelle (ursprünglich Bibliothèque Britannique geheissen).
Die Pressfreiheit war zwar schon durch die Verfassung der Helvetischen Republik von 1798 theoretisch proklamiert worden, praktisch aber nicht durchführbar gewesen. Verwirklicht ward sie erst anfangs der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts, nachdem sie von einigen Vorkämpfern freiheitlicher Anschauungen, besonders dem Nouvelliste Vaudois des Charles Monnard (seit 1824) und der Appenzeller Zeitung (seit 1828) kräftigst verfochten worden war. Seit der Bundesverfassung von 1848 bildet sie ein Prinzip unsres konstitutionellen Rechtes. Diese Gewährleistung der Pressfreiheit und die demokratischen Einrichtungen des Landes haben die periodische Presse zu einer Macht erhoben, die sich zeitweilig als Meister der öffentlichen Meinung fühlen darf. Besondere Pressgesetze besitzen in der Schweiz einzig die Kantone Genf
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und Waadt. Der bei Pressvergehen am häufigsten angerufene Art. 55 des schweizerischen Obligationenrechts hat schon zu lebhaften Kritiken Veranlassung gegeben.
Als Muster von gut redigierten Zeitungen galten zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der deutschen Schweiz der Schweizerische Republikaner von Paul Usteri und Konrad Escher (von der Linth) und der Schweizerbote von Heinrich Zschokke, in der welschen Schweiz die Gazette de Lausanne des Dr. Ant. Miéville, sowie die etwas jüngern Blätter Nouvelliste Vaudois von Ch. Monnard, Helvétie von Stockmar und Journal de Genève von James Fazy. Ihren guten Ruf und ihre anerkannte Ehrenhaftigkeit verdankt die schweizerische Presse einer ganzen Anzahl von führenden Organen früherer Jahre und der Jetztzeit.
Von heute erscheinenden politischen Zeitungen nennen wir: Die Neue Zürcher Zeitung, die Zürcher Post und den Winterthurer Landboten, den Berner Bund, die Basler Nachrichten und die Thurgauer Zeitung im freisinnig-demokratischen Lager;
die Zürcher Freitagszeitung, das Berner Tagblatt und die Berner Volkszeitung (des 1908 verstorbenen Ulr. Dürrenmatt) als Vertreter der liberal-konservativen Richtung;
das Luzerner Vaterland, die Neuen Zürcher Nachrichten und die St. Galler Ostschweiz als katholisch-konservative Organe;
die Sozialistenblätter Grütlianer und Volksrecht (beide in Zürich erscheinend), sowie Berner Tagwacht.
Aus der französischen Schweiz verdienen Erwähnung das Journal de Genève, die Gazette de Lausanne und die ebenfalls in Lausanne erscheinende Revue, der National Suisse von La Chaux de Fonds, die Neuenburger Suisse libérale, die Freiburger Liberté und der Genfer Peuple, aus dem Tessin der Dovere und die Gazetta Ticinese. Daran schliessen sich eine fast unübersehbare Reihe von Lokalblättern politischer, neutraler, geschäftlicher Tendenz etc., von Organen beruflicher Verbände, von Blättern rein religiöser Färbung u. s. w. an, auf welche einzutreten wir uns versagen müssen.
Auch Zeitschriften jeden Formates und für alle möglichen Wissenszweige und Unterhaltungszwecke sind in reicher Fülle vorhanden. Während die 1891 gegründete Schweizerische Rundschau nach wenigen Jahren wieder eingegangen ist, scheinen Die Schweiz in Zürich als vornehmes Familienblatt und die Berner Rundschau als kritisch-literarisches Organ festen Fuss zu fassen. Stark verbreitet ist das in Einsiedeln erscheinende katholische Familienblatt Alte und Neue Welt. Bescheiden gibt sich das von der Pestalozzigesellschaft in Zürich unterhaltene Am häuslichen Herd, das weiten Kreisen vortreffliche Unterhaltung und Belehrung bietet. Günstigem Boden haben literarische Zeitschriften und Familienblätter in der welschen Schweiz gefunden, wo die Bibliothèque Universelle, Semaine Littéraire, Patrie Suisse je mehrere tausende von Abonnenten zählen.
Im Verhältnis zur Bevölkerungsziffer stellt sich die schweizerische Presse unter allen Ländern in den zweiten Rang (nach der im ersten Rang stehenden Presse der Vereinigten Staaten von Nordamerika). Sie zählte 1856: 256;
1871: 404;
1885: 643;
1891: 812;
1902: 1005 und 1908: 1136 Organe, von denen etwa hundert täglich erscheinen.
Zwei Drittel aller Zeitungen und Zeitschriften erscheinen in deutscher, 30% in französischer und 2,8% in italienischer Sprache. Das französische Element zeigt sich auf diesem Gebiet am regsten tätig, indem die welsche Schweiz reicher an Zeitungen ist als die übrigen Landesteile. Mit Bezug auf die postalische Verbreitung der Zeitungen steht die Schweiz an der Spitze aller Staaten, insofern man nämlich die Anzahl der expedierten Exemplare (1895: 89 Millionen, 1900: 124¼ Mill., wovon 117 Mill. einheimischer Herkunft) mit der Bevölkerungsziffer vergleicht.
Schriftsteller und Journalisten haben sich 1884 zu einem Verein der Schweizer Presse zusammengetan, der in Bern ein ständiges Sekretariat unterhält und zur Zeit 428 Mitglieder zählt. Daran schliesst sich eine Reihe von kantonalen oder städtischen Verbänden (Zürich, Bern, Waadt, Genf, Wallis, Tessin, Basel) an, die neben Berufsjournalisten und Schriftstellern zum Teil auch Verleger, Drucker und Zeitungsadministratoren zu ihren Mitgliedern zählen.
Die 1895 gegründete Schweizerische Depeschen-Agentur unterhält Bureaux in Bern, Genf und Basel, die den grössten Teil der Schweizerischen Zeitungen (1908: 89) mit den neuesten Nachrichten versorgen. An den Universitäten Bern, Zürich und Genf haben in den jüngsten Jahren journalistische Vorlesungen und Seminarien das akademische Bürgerrecht erlangt.
B. Buchhandel.
Wie überall ist auch in der Schweiz der Buchhandel der aufsteigenden geistigen Kultur auf dem Fusse gefolgt. Wenn er heute auf seine Blüte stolz sein kann, so verdankt er dies u. a. dem erfreulichen Umstand, dass unsre heimischen Schriftsteller auch im Ausland bekannt werden und Wertschätzung gefunden haben. Während besonders Deutschland und Frankreich viele literarische und wissenschaftliche Werke einführen, exportiert auch die Schweiz ihrerseits eine verhältnismässig grosse Zahl von Presserzeugnissen jeder Art. Im Zeitraum 1895-1898 erreichte die Einfuhr von Büchern und Karten eine durchschnittliche jährliche Summe von 8 Millionen Fr., die Ausfuhr eine solche von 2,9 Mill. Fr. Im Jahr 1899 wurden in die Schweiz eingeführt: für 8,5 Mill. Fr. Bücher und Karten (aus Deutschland für 4,9 und aus Frankreich für 3 Mill.), für 410000 Fr. musikalische Kompositionen, sowie für 2,3 Mill. Fr. Gemälde, Zeichnungen, Lithographien und Photographien, während die Schweiz nach einer grossen Anzahl von Ländern für 3,4 Mill. Fr. Bücher und Karten (nach Deutschland für 2,1 Mill.) und für 2,5 Mill. Fr. Gemälde etc. ausgeführt hat. Diese letztere Summe übersteigt sogar diejenige der Einfuhr.
Die schweizerischen Verleger haben in der deutschen und in der welschen Schweiz je einen Verband zur Wahrung ihrer Interessen ins Leben gerufen.
Literatur.
A. Deutsche Schweiz.
Grundlegend und trefflich geschrieben ist J. Bæchtolds Geschichte der deutschen Literatur in der Schweiz (1892), die bis ans Ende des 18. Jahrhunderts reicht. Von da an fehlt eine zusammenhängende grössere Arbeit. Zu vergleichen wären etwa O. Fässlers Artikel im Sammelwerk Die Schweiz im 19. Jahrhundert (Bd 2), sowie für die neueste Zeit die Arbeit von E. Platzhoff-Lejeune in der Deutschen Rundschau (Dez. 1904). 1910 erschien eine Geschichte der Schweizer. Literatur von Virgile Rossel und H. Ernst Jenny.
Der altgermanisch-heidnischen Poesie setzt die von den Klöstern ausgehende Romanisierung und Christianisierung ein frühes Ende. Die Geistlichkeit stellt die Dichtung in ihre Dienste. Die Klöster werden zu Kulturzentren, als deren bedeutendstes in deutschen Landen zu Anfang des 10. Jahrhunderts unter Ratbert, Notker Balbulus und Tutilo sich St. Gallen entwickelt. Hier entsteht später das lateinisch geschriebene, aber germanischen Sagenstoff behandelnde Waltarilied, hier wirkt Notker der Deutsche als der hervorragendste Prosaist und Grammatiker des althochdeutschen Zeitraumes.
Im 12. Jahrhundert wird der Adel Träger der Dichtung. Vertreter der höfischen Epik sind Ulrich von Zatzikofen und Konr. Fleck. Nach neuen Forschungen ist aus schweizerischem Gebiet auch Hartmann von der Aue, der zwischen weltlichen und legendarischen Epen schwankende, feine und sprachgewandte Vorläufer der mittelhochdeutschen Klassiker. Zu den Epigonen gehören Rudolf von Ems und der in Basel ansässige Konrad von Würzburg. Bei Zürich entstand die bedeutendste deutsche Liederhandschrift, die manessische. Unter den zahlreichen Minnesängern ist Johannes Hadlaub durch Gottfr. Kellers Novelle bekannt geworden. Schweizerische Derbheit bekundet Her Steinmar.
Früher als in Deutschland wird die Herrschaft des Adels abgeschüttelt und nimmt das erstarkende Bürgertum die Poesie in die Hände. Der politischen Loslösung folgt auch eine grössere kulturelle Selbständigkeit. Die mittelhochdeutsche Schriftsprache zerfällt; jeder schreibt, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Aber in dieser Zeit der Städteentwicklung, der Freiheits- und Kriegstaten ist kein Platz für reine Poesie. Die grossen Gattungen liegen brach, die Nebengattungen werden volkstümlich, aber vergröbert. Der gleichzeitigen Unfruchtbarkeit Deutschlands vermag die Schweiz an markanten Erscheinungen entgegenzuhalten: die Fabeln Boners und den Ring des Heinrich Wittenweiler, das erste komische deutsche Epos, dem trostlosen Meistergesang dagegen unser historisches
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Volkslied, das am besten das nationale Selbtsbewusstsein spiegelt.
Die Uebergangszeit führt zur Reformation. Die Strömungen der Mystik und des Humanismus tragen dazu bei. Letzterer ist bei uns schon frühe vertreten durch Niklaus von Wyl, dessen Translationen die Prosanovelle in Deutschland einführen helfen. Als Chronisten tun sich Tschudi und Stumpf, als Autobiographen Thomas und Felix Platter hervor. Moralische Satire und Kirchenlied blühen. Im Mittelpunkt steht das Drama. Geistliches und Fasnachtspiel haben sich zum Volksschauspiel ausgewachsen, das seinen bedeutenden Einfluss in den Dienst der Reformation stellt.
Hauptvertreter sind in Basel Pamphilus Gegenbach, in Zürich Murer, Ruf und Bullinger, in Bern Niklaus Manuel, der grösste schweizerische Dramatiker. Die ganze Literatur spiegelt das Zeitalter. Glücklicherweise dringt trotz Zwinglis selbständiger Bibelübersetzung und dem Widerstand der katholischen Orte die neuhochdeutsche Schriftsprache allmählich durch. Allein nach der Niederlage der protestantischen Kantone bei Kappel 1531 verödet das geistige Leben. Die Abhängigkeit vom Ausland zeigt sich in geschmackloser und gelehrter Nachahmung.
Erst als durch den zweiten Villmergerkrieg 1712 die Protestanten wieder obenauf kommen, erfolgt ein Aufschwung und findet man den Anschluss an Deutschland wieder. Durch Haller (Die Alpen) gewinnt die deutsche Sprache poetischen Gehalt und Wucht, ja Bodmers und Breitingers kritische Schriften verschaffen Zürich einen Augenblick die führende Rolle in der deutschen Literatur. Gessners Idyllen halten den Ruhm aufrecht. Aber Lavater repräsentiert die Sturm- und Drangperiode nur schwächlich, und unter der Höhe der deutschen Klassik blieben wir vollends zurück.
Die aristokratische Gesellschaft, die die feinen Talente eines Salis, Usteri, Ulr. Hegner, Dav. Hess hervorbringt, geht mit der alten Eidgenossenschaft unter. Unter dem Druck der Verhältnisse haftet die Literatur an allen möglichen Tendenzen: pädagogischen wie in Pestalozzis Lienhart und Gertrud, moralischen in Zschokkes Erzählungen, politischen bei A. E. Fröhlich. Sie bleibt dilettantisch in den Balladen Reithards und den Epen Sal. Toblers; oder der Künstler vermag sich aus der Ungunst der Zeit nicht aufzuringen, wie Jak. Frey. Auch die urwüchsigen Bauerngeschichten Jer. Gotthelfs (Albert Bitzius) leiden bei aller Genialität der realistischen Darstellung an unkünstlerischem Beiwerk.
Erst nach der dem Sonderbundskrieg folgenden Einigung der jungen Schweiz, 1848, blühen Kultur und Dichtkunst auf. Gottfried Keller, vor allem noch Heimatkünstler, vereinigt Romantik und Realismus in genialer Weise. Vollendete Kunstwerke schafft C. F. Meyer, der Meister der historischen Novelle und Ballade. Aus innern Ursachen geht das formale Talent Heinr. Leutholds zu Grunde. Jenen beiden Klassikern folgt eine reichhaltige Verbreiterung unsrer Literatur. Im ganzen herrscht die Heimatkunst vor.
Einheimische Stoffe und schweizerische Eigenart zeigen vorzugsweise: der gedrungene A. Frey (Totentanz, Winkelried), der temperamentvolle A. Ott in seinen Dramen, E. Zahn in Novellen, Nanny v. Escher (Kleinkindleintag), C. A. Bernoulli (Sonderbündler, Zwingli), mehr äusserlich J. C. Heer in seinen beliebten Romanen. Daneben gedeiht seit Hebel eine reiche, aber meist dilettantische Dialektliteratur, vertreten durch den Zürcher Usteri, dann die Berner J. R. Wyss den Jüngern und Kuhn, die Zürcher Corrodi und Stutz, neuerdings durch den Schwyzer Meinrad Lienert in der Lyrik, den Berner v. Tavel erfolgreich in der Erzählung.
Mehr der allgemeinen Literatur gehören an der vielseitige und gewandte J. V. Widmann, der in seinem Der Heilige und die Tiere neuerdings ein poetisch und gedanklich hervorragendes Meisterwerk geschaffen, und die kühne und wuchtige Persönlichkeit C. Spittelers in seinen allegorisch-mythologischen Epen (Der olympische Frühling). Lyrik und Epik herrschen immer noch vor; zu einem historisch-nationalen Theater sind Ansätze vorhanden. Das literarische Leben ist überaus rege und vielfach von Deutschland beeinflusst, ohne aber dort starke Beachtung zu finden. Eine nationale Literatur hat die deutsche Schweiz eigentlich zu keiner Zeit besessen; sie stellt, wenn auch mit manchen Besonderheiten, einen nicht unansehnlichen Teil der deutschen Literatur vor. Realismus, Tüchtigkeit, der Hang zur Tendenz, gesunde Nüchternheit, Derbheit, Gehalt sind ihre wesentlichen Eigenschaften.
[Dr. R. Fæsi.]
B. Französische Schweiz.
Ein vollständiges Bild des literarischen Lebens und Schaffens der französischen Schweiz vermitteln zwei 1889 zum erstenmal erschienene, heute in 2. Auflage vorliegende und von der französischen Akademie preisgekrönte Werke, nämlich die Histoire littéraire de la Suisse française von Phil. Godet und die Histoire littéraire de la Suisse romande von Virgile Rossel. Daneben leistet auch die 1908 erschienene Histoire littéraire de la Suisse au 18e siècle von G. de Reynold gute Dienste.
In der französischen Schweiz herrschte bis zur Reformation auf literarischem Gebiet nahezu völlige Stille. Neben einigen Chronisten hat sich als Dichter bloss etwa Otto von Grandson einen Ehrenplatz gesichert. Die angeblich aus dem 15. Jahrhundert stammende Chronique des Chanoines de Neuchâtel, die man lange Zeit als eine mittelalterliche Musterleistung erklärte, hat sich als eine geschickte literarische Fälschung aus dem 18. Jahrhundert erwiesen.
Das 16. Jahrhundert zeichnet sich durch einen mächtigen Aufschwung aus, der den Namen der Schweiz auch auf geistigem Gebiet weithin ehrenvoll bekannt machte. Es ist dies die Zeit der theologischen Kämpfe und des aufblühenden Humanismus. In sie fallen die Abhandlungen und polemischen Schriften von Joh. Calvin (L'institution chrétienne), Pierre Viret und Theodor von Beza, die bewundernswerten Leistungen des «Fürsten der Humanisten» Henri Estienne und die grossen Anstrengungen und Erfolge der Genfer Buchdrucker.
Der durch seine Gefangenschaft im Schloss Chillon weltberühmte Francois Bonnivard ist ein unterhaltender und fruchtbarer Chronist, der es freilich mit der Wahrheit nicht immer sehr genau nimmt. Pierre de Pierrefleur, Pannerherr von Orbe, lässt in seinen Mémoires den lebensfrohen und gutmütigen Waadtländer Volkscharakter zu Worte kommen. Die Poesie vertreten der Neuenburger Blaise Hory und Agrippa d’Aubigné, der sich auch als glänzender Prosaist (Histoire universelle) betätigt.
Das 17. Jahrhundert wird durch endlose Diskussionen über dogmatische und exegetische Streitfragen gekennzeichnet. J. A. Turrettini, der Führer der neo-kalvinistischen Schule, und Ostervald unternehmen den Versuch, den religiösen Gesichtskreis zu erweitern, und Marie Huber, wie Turrettini aus Genf, verkündet die mildere, sog. «natürliche Religion». In Lausanne erscheint J. P. de Crousaz als typischer Vertreter der vermittelnden Philosophie und einer versöhnlichen und entgegenkommenden Auffassung des Christentums.
Beat Ludwig v. Muralt, ein Berner, veröffentlicht seine Lettres sur les Anglais et les Français, die ihn als scharfsinnigen und aufrichtigen Moralisten zeigen. Damit haben wir bereits das 18. Jahrhundert angeschnitten, das sich für die welsche Schweiz als kosmopolitische Zeit im besten Sinn entfalten sollte. Wir weisen nur auf Voltaire, Rousseau, Frau von Staël, Benjamin Constant, Gibbon und Frau von Charrière, die geistvolle Verfasserin der Lettres neuchâteloises und der Lettres de Lausanne, hin.
Ihnen reihen sich weitere Talente ersten Ranges ebenbürtig an. So u. a. der Naturphilosoph Ch. Bonnet; der Geologe und Physiker Hor. Bén. de Saussure, gleich ausgezeichnet als scharf beobachtender und in seinen Schlussfolgerungen vorsichtiger und nüchterner Gelehrter wie als Pionier des Alpinismus (Voyages dans les Alpes); der grosse Genfer Journalist Mallet-Dupan, der sich zum beredten Vorkämpfer der Gegenrevolution aufwirft; Étienne Dumont, Sal. Reybaz und Duroveray als getreue Mitarbeiter von Mirabeau.
Dann aber schliesst sich die Landesgrenze auf einen Schlag und versteht man sich dazu «à vivre de sa vie»: unmittelbare Folgeerscheinung der schwerlastenden napoleonischen Bevormundung, die auch den zahmsten Patrioten von seiner Gallomanie zu heilen verstanden hatte. In der Tat ist denn auch dem literarischen Schaffen des 19. Jahrhunderts in der ganzen französischen Schweiz, von Genf bis Pruntrut, der Stempel einer ausgeprägten schweizerischen Eigenart aufgedrückt. Wenn Frau von Staël, Benj. Constant, Mallet-Dupan, Sismondi, Karl Viktor v.