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Zusammenfassung.
Die Unterscheidung der Gesamtbevölkerung der Schweiz
nach den Berufsklassen bei den Zählungen von 1870 und 1900 ergibt
folgende Ziffern:
Industrie, Verkehr und Handel haben sich auf Kosten der Landwirtschaft entwickelt, welch letztere nur noch ein Drittel der Gesamtbevölkerung umfasst.
Für alle weitern Fragen und Einzelheiten verweisen wir Interessenten auf die Originalquellen der eidg. Statistik.
[Emmanuel Kühne.]
GEISTIGE KULTUR.
Schulwesen.
A. Geschichtliche Einleitung.
Volksschulen bestanden vor der Reformation meist nur in den Städten und fanden auf dem Land bis zu Ende
des 18. Jahrhunderts bloss in wenigen Kantonen (Zürich,
Basel
etc.) Eingang.
Eigene Schulhäuser waren selten; in den Landgemeinden wirkten in der
Regel Wanderlehrer. Ein Zürcher Gesetz von 1719 organisierte oder reorganisierte vielmehr den Primarschulunterricht. Ein
allgemeiner Fortschritt mit
Bezug auf das Volksschulwesen lässt sich aber erst zur Zeit der Helvetischen
Republik feststellen. Kräftig nahmen sich der Förderung des Schulwesens an die unter den Auspizien von Heinrich Pestalozzi
(1746-1827) im Jahre 1808 gegründete und bis 1812 tätige «Schweiz
erische Gesellschaft
für Erziehung», sowie die 1810 durch den Zürcher Stadtarzt Joh. Kaspar
Hirzel gestiftete «Schweiz
erische Gemeinnützige
Gesellschaft».
Weder die Mediationsakte noch der Bundesvertrag von 1815 berücksichtigten das Unterrichtswesen, das ausschliesslich der
Kompetenz der Kantone überlassen blieb. Das gleiche gilt von den Verfassungsprojekten von 1832 und 1833. Die Verfassung
von 1848 enthielt in ihrem Artikel 28 bloss folgende Bestimmung: «Der
Bund ist befugt, eine Universität und eine
polytechnische Schule zu errichten». Artikel 27 der Bundesverfassung von 1874 überlässt zwar das Schulwesen der
Souveränität der Kantone, stellt aber das Prinzip der obligatorischen und unentgeltlichen Volksschule auf. Ein vom Schweiz
ervolk
am angenommene Art. 27bis bestätigt den Grundsatz der Unterstützung der Primarschule durch den
Bund.
B. Organisation des Unterrichtswesens in der Schweiz.
Die folgenden Ausführungen über den heutigen
Stand des Unterrichtswesens fussen in der Hauptsache auf dem neuesten Band
des von Dr. Albert
Huber bearbeiteten und herausgegebenen Jahrbuches des Unterrichtswesens in der Schweiz
(21. Jahrgang, Zürich
1909),
das die Zahlen für das Jahr 1907 bringt.
1. Kleinkinderschulen (Kindergärten, Écoles enfantines) für Kinder im vorschulpflichtigen
Alter bestehen in allen Kantonen
der Schweiz
und werden im wesentlichen nach Fröbelschen Grundsätzen geleitet. In den Kantonen Waadt,
Neuenburg
und Genf
haben diese
Schulen
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den Zweck, die Kinder auf den Besuch der Primarschule vorzubereiten, weshalb sie einen integrierenden Bestandteil des Primarschulunterrichtes
bilden und von staatswegen eingerichtet werden. Auch Basel Stadt
hat die Errichtung von staatlichen Kindergärten übernommen, immerhin
unter Gewährleistung der privaten Institute. In der übrigen Schweiz
ist die Errichtung von Kindergärten der Initiative
von Gemeinden, Korporationen und Privaten überlassen, wobei noch zu bemerken ist, dass die «Asili
infantili» im Tessin
mit jährlichen Staatsbeiträgen unterstützt und von einer kantonalen Inspektorin überwacht werden.
Es bestehen im ganzen 946 Schulen mit 1232 Lehrerinnen und 42506 Schülern (21002 Knaben und 21504 Mädchen).
2. Primarschulen. Die obligatorische Schulpflicht beginnt je nach den Kantonen entweder mit dem zurückgelegten 6. oder
dem zurückgelegten 7. Altersjahr und dauert verschieden lang. In der deutschen Schweiz
umfasst die Primarschule in der Regel
eine sechs- bis acht-, eventuell neunjährige Alltagsschulpflicht, der oft noch 1-3 Jahre Repetier-, Ergänzungs-, Wiederholungs-
oder Uebungsschule folgen. Zur Fortbildung der Lehrer werden seit 1903 allgemeine Ferienkurse an den
Universitäten, sowie ferner noch zahlreiche Spezialkurse (für Lehrer der Knabenhandarbeit, für Lehrer an gewerblichen
Unterrichtsanstalten, für Turnlehrer und für Mädchenturnlehrer, für Zeichnungslehrer etc.) veranstaltet. Dem Unterricht
in den weiblichen und den Knabenhandarbeiten, sowie der Schulhygiene und der Fürsorge für Schwachsinnige und Schwachbegabte
schenkt man grosse Aufmerksamkeit. Es bestehen im ganzen 3388 Schulgemeinden mit 13065 Schulabteilungen, 7270 Lehrern und 4444 Lehrerinnen,
sowie 526243 Schülern (262363 Knaben und 263880 Mädchen).
3. Sekundarschulen. Der Begriff «Sekundarschule» ist ein recht schwankender. Abgesehen von Basel Stadt, wo die Sekundarschule obligatorisch ist und schon an die 4. Klasse der Primarschule anschliesst, besitzen alle Kantone eine fakultative Schulart (Sekundarschule in Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden, Glarus, Zug und Thurgau; Regional- und Sekundarschule in Freiburg; Bezirksschule in Solothurn; Bezirks- und Sekundarschule in Basel Land; Bezirks- und Fortbildungsschule im Aargau; Fortbildungsklasse, untere Real- und untere Töchterschule in Basel Stadt; Realschule in Schaffhausen, beiden Appenzell und St. Gallen; Real- und Fortbildungsschule in Graubünden; Scuola maggiore im Tessin; École secondaire, Collège communal und École supérieure de jeunes filles in der Waadt; Fortbildungsschule und École moyenne im Wallis; École secondaire et industrielle in Neuenburg; École secondaire rurale, École professionnelle, École secondaire et supérieure de jeunes filles in Genf), die direkt an die oberste Klasse der Primarschule anschliesst oder deren erste Klassen mit den obersten Klassen der Primarschule parallel gehen. Sie soll die allgemeine Bildung weiter führen und daneben auch zum Eintritt in die Lehrerseminarien und Kantonsschulen vorbereiten. Es bestehen im ganzen 619 Schulen mit 1590 Schulabteilungen, 1511 Lehrern und 229 Lehrerinnen, sowie 46223 Schülern (25415 Knaben und 20808 Mädchen).
4. Die Fortbildungsschulen umfassen Organisationen der verschiedensten Art (allgemeine Fortbildungsschulen und Rekrutenvorbereitungskurse, Gewerbe- und Zeichenschulen, kaufmännische, landwirtschaftliche und hauswirtschaftliche Fortbildungsschulen und -kurse etc.) und können obligatorisch oder fakultativ sein. Man zählt 2700 allgemeine Fortbildungsschulen mit einem Total von 42169 Schülern. Die Rekrutenvorbereitungskurse zählten 9475 Teilnehmer. Ferner: 311 Gewerbe- und Zeichenschulen mit 20753 Schülern, 83 kaufmännische Fortbildungsschulen mit 10741 Schülern, 10 landwirtschaftliche mit 203 Schülern und 439 hauswirtschaftliche mit 10905 Schülerinnen.
5. Mittel
schulen. a) Oeffentliche Lehrerbildungsanstalten (Seminarien oder Écoles normales) bestehen entweder
als selbständige Organisationen oder im Anschluss an andre Schulen in 17, Privatseminarien in 8 Kantonen. Jene zählen 2057 Schüler
und Schülerinnen. - b) Auf das akademische Studium bereiten die Kantonsschulen (Collèges cantonaux) und andre Schulen gleichen
Ranges (städtische Gymnasien etc.) vor, die meist eine Gymnasial- oder Literar- und eine Industrie-
oder Realabteilung umfassen. In Zürich,
Bern,
Burgdorf, Solothurn,
Basel,
St. Gallen,
Chur und Aarau ist ihnen eine Handelsschule, an andern Orten (z. B. Winterthur) eine
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