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der Pferde, die infolge der Eisenbahnen zurückgegangen war, allmählich wieder zu. Die Rindviehzucht zeigt eine fortwährende Progression, die vermutlich ihren Höhepunkt erreicht haben wird, da jetzt schon bedeutende Futtermittel eingeführt werden müssen, um die vorhandenen Tiere zu ernähren. Die Schweine sind an Zahl, wohl nur vorübergehend, etwas zurückgegangen; immerhin hat Appenzell I. R. mit 676 Stück auf 1000 Ew. noch verhältnismässig den grössten Bestand an diesen Borstentieren, nicht nur von allen Kantonen, sondern sogar von allen Zählbezirken. Die Schafe nehmen, wie fast in der ganzen Schweiz und aus den selben Ursachen, konstant ab. Die Ziegen haben ihren Tiefstand überschritten (1901: 3282), was mit rationellerer Züchtung und daher rührendem besserm Absatz zusammenhängt. Besonders nach N.-Deutschland findet ein fast regelmässiger Export unserer Ziegen statt.
5. Bevœlkerung.
Die eidgen. Volkszählungen geben folgendes Bild:
Jahr | Deutsch. | Franz. | Italien. | Roman. |
---|---|---|---|---|
1880 | 12![]() |
2 | 16 | 2 |
1888 | 12![]() |
8 | 28 | 2 |
1900 | 13![]() |
7 | 69 | 8 |
Jahr | Kathol. | % | Reform. | % | Israel. | Andre | Häuser | Haushaltungen |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1850 | 11![]() |
100 | 42 | 0 | - | - | - | 2629 |
1860 | 11![]() |
99 | 115 | 1 | - | 1 | 1853 | 3159 |
1870 | 11![]() |
98 | 188 | 2 | - | 1 | 1979 | 3052 |
1880 | 12![]() |
96 | 545 | 4 | 1 | 1 | 2075 | 3143 |
1888 | 12![]() |
95 | 673 | 5 | - | 2 | 2112 | 3163 |
1900 | 12![]() |
94 | 833 | 6 | - | 1 | 2184 | 3017 |
Wie aus dieser Zusammenstellung leicht ersichtlich, geht die Bevölkerungszunahme nur langsam vor sich. Es ist dies keineswegs eine Folge geringer Fruchtbarkeit oder starker Sterblichkeit, da im Gegenteil Jahr für Jahr ein Ueberschuss der Geburten über die Sterbefälle von durchschnittlich mehr als einem Prozent (1896 bis 1906 = 1544 Personen) konstatiert werden kann. In der Tat hat Appenzell I. R. durch die inländische Wanderung prozentual (ausser Schaffhausen) am meisten von seiner Wohnbevölkerung verloren, nämlich 12,1% der im Lande Geborenen, wozu noch die ins Ausland Wandernden zu rechnen wären, die eine verhältnismässig nicht geringe Zahl ausmachen. Dass diese Abwanderung nicht von heute ist und auch nicht im letzten Jahrzehnt eingesetzt hat, können wir leicht daraus schliessen, dass die Anzahl der überhaupt in andern Kantonen lebenden Bürger (also inklusive die auswärts Gebornen) 32,5%, also beinahe einen Drittel der Bürgerschaft ausmacht, in welcher Beziehung wir nur von Thurgau und Schaffhausen übertroffen werden. Die im Ausland Lebenden würden ohne Zweifel den Drittel überschreiten lassen. Die Gesamtzahl der in der Schweiz wohnenden Bürger Innerrodens (also samt den zu Hause gebliebenen) beträgt 17458, demnach 3959 mehr als die Totalbevölkerung des Kantons.
Der Abgang wird bei weitem nicht durch Zuwanderung gedeckt, indem Ausländer und Schweizerbürger andrer Kantone zusammen nur 12,7% der Bevölkerung ausmachen. Schweizerbürger anderer Kantone sind zwar bei uns prozentual nicht am wenigsten zahlreich, indem wir erst die 5. Stelle einnehmen, wohl aber ist die absolute Zahl die kleinste, und in Bezug auf Ausländer haben wir in beider Hinsicht die geringste Zahl. Das nämliche Bild zeigt sich beim Sprachenverhältnis, wo Innerroden sowohl absolut als relativ am wenigsten Leute mit andrer als deutscher Sprache aufweist. Allerdings mag die nächste Volkszählung vielleicht ein andres Resultat zu Tage fördern; italienisch Sprechende kommen immer mehr nicht bloss als vorübergehend Arbeit suchende Maurer, Erdarbeiter etc. hieher, sondern sie lassen sich mehr und mehr mit ihren Familien als Handwerker, Wirte oder Krämer nieder.
Bekanntlich gehörte unser Gebiet ursprünglich zu Rätien und kam dann unter die Herrschaft der Alemannen. Die beiden Typen scheinen jetzt noch unterscheidbar zu sein, wenn auch wohl keiner mehr in voller Reinheit vorhanden ist. Ziemlich deutlich heben sich Brachy- und Dolichozephalen voneinander ab, dagegen verteilen sich neben der braunen Haarfarbe, die hellblonde und schwarze, nebst entsprechender Iris, keineswegs sichtlich auf die eine oder andre Kopfform. Leider lässt uns die Statistik hierüber, wie noch über manchen andern Punkt, im Stiche. Doch überwiegen jedenfalls die Brachyzephalen, die zugleich einen kurzen, gedrungenen Wuchs haben, so dass der Appenzeller zu den kleinern Leuten der Schweiz und die Appenzellerin zu den zierlichem Gestalten gerechnet werden kann.
Die Dolichozephalen mit hohem, schlankem Wuchs sind nicht so zahlreich, um den allgemeinen Eindruck zu ändern, obwohl selbstverständlich auch Uebergangsformen aller Art Vorkommen. Man darf ferner sagen, dass der Appenzeller wenig zur Fettleibigkeit neigt, wie auch die Breitschultrigkeit (des Berners z. B.) ganz selten gefunden wird.
6. Charakter und Sitten.
Der Appenzell-Innerroder zeichnet sich durchwegs weniger durch Freude an intensiver Arbeit, als durch Sparsamkeit und natürliche Anlagen für den kleinen Handel aus; er ist witzig, schmiegsam und ohne grosse Bedürfnisse. Seine engere Heimat liebt und schätzt er über alles; was ausser ihren Marken liegt, heisst «fremd», und «frönt», wie er sagt, hat immer einen Beigeschmack von Verachtung. In gleicher Weise ist er der Kirche zugetan, wie die zahlreiche Teilnahme an Gottesdienst, Andachten, Prozessionen, Wallfahrten und Missionen zeigt.
Appenzell Inner Roden

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Seite 47.928.Dass gleichwohl die gemischten Ehen zunehmen (von 1870 bis 1900 von 1 auf 4%) erklärt sich hinreichend aus der an protestantische Gebiete anstossenden Lage und aus der (wenn auch langsam) wachsenden Verschiebung der Bevölkerung. Der Innerroder ist sonst für Neuerungen nicht sehr eingenommen. «Nüz Nüs» d. h. «Nichts Neues» hat schon öfter an Landsgemeinden und eidg. Abstimmungen eine nicht unwichtige Rolle gespielt. Trotzdem verschwinden manche alte Bräuche im Strom der Zeit. ¶
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So beschränkte sich früher die Hochzeitsreise auf einen Tag, wenn im Lande selbst die Kopulation stattfand; wurde sie nach Einsiedeln oder Rorschach verlegt, so begnügte man sich mit der Reise dahin. Dafür hatte man am Abend der Heimkehr in einem Gasthof ein Nachtessen, zu dem Freunde und Verwandte geladen wurden und das ein «sitzendes» oder «tanzendes» sein konnte, d. h. bei welchem man sich nur am Tische unterhielt oder wo der Tanz das Hauptvergnügen bildete. Während des Essens hielt Einer, der hiefür eigens bestellt und frei gehalten war, eine rührende Hochzeitsrede.
Zum Schlusse ging die Wirtin herum und veranstaltete eine Sammlung für die Neuvermählten, die dadurch über die Kosten des Essens hinaus noch einen Beitrag an ihre ersten Anschaffungen erhielten. Der Wirt wurde erst am Sonntag darauf, dem «Eierischmalz», bezahlt, an dem ihn die Neuverheirateten wieder in vollem Staate besuchten. Er musste diesen nun gratis ein Nachtessen offerieren, das wohl ursprünglich aus in Butter (Schmalz) gekochten Eiern bestand. Bei einem «tanzenden» Mahl begleitete am Schlusse die ganze Gesellschaft samt der aus Geigen und Hackbrett bestehenden Musik das Hochzeitspaar bis zum Haus oder vors Dorf, wo es im Freien die 3 letzten Tänze aufführte. Heute kommt dieser Brauch nur selten vor.
Bei Todesfällen wird fortwährend bei der Leiche gebetet. Verwandte und Befreundete stellen sich regelmässig ein, und für die Nacht wird ein besonderer «Vorbeter» angestellt, der auch bei der Beerdigung und den Gedächtnisfeiern den Teilnehmenden am Grabe zu danken hat. Früher wurde der Leichnam auf einem Brette aufgebahrt, das dann schwarz bemalt, mit dem Namen oder den Initalien des Verstorbenen versehen, als Rêbrett aussen am Hause befestigt wurde. Jetzt sind bald die letzten dieser Bretter verschwunden. Dagegen wird die Sitte, dass alle Männer, die das letzte Geleite geben, einen langen, schwarzen Mantel tragen, sich wohl noch eine Zeit lang erhalten.
Dieser Mantel ist indes nicht nur Trauer-, sondern auch Festkleidung. An der Landsgemeinde z. B. erscheinen Standeskommission und Kantonsgericht damit, ebenso an Prozessionen (z. B. Fronleichnamsfest) der Kirchenrat, an der Prozession nach dem Stoss die Vertreter der Behörden u. s. w. Bei Taufen, zu denen der Mantel auch getragen wird, ist es üblich, dass nach vollendeten Zeremonien die Paten mit Kind und Pflegerin in ein Wirtshaus gehen, um «das Kind zu vertrinken».
Für die Kosten hat der Pate aufzukommen. Zum Teil unserm Kanton eigentümlich sind die «Stubeten, Leiten und Spinnen». Der Innerroder (die Innerroderin nicht weniger) ist nämlich ein grosser Freund des Tanzes. Auf jeder grossem Alpe ist deshalb jeden Sommer eine Stubete, zu der Verwandte und Bekannte der Sennen vom Thale aufsteigen, um ein Tanzfestchen zu feiern. Früher wurde sie immer an einem Sonntag abgehalten; seit aber das Tanzen für Einheimische und Fremde an allen Sonntagen verboten ist, wird am Montag getanzt.
Auch bei «Leiten und Spinnen» ist der Tanz die Hauptsache. Als «Leite» bezeichnet man die Herschaffung eines Quantums Holz, zu der sich im Winter eine Anzahl junger Burschen mit ihren Handschlitten, selten mit Pferden, dem Besitzer an einem Tage zur Verfügung stellen. Zur «Spinne» werden die an der Aufrichtung einer Baute Beschäftigten eingeladen. Dem allgemeinen Tanz gewidmet sind dann noch die «Kilbi» (Kirchweih),
an den grössern Orten mit Markt verbunden, und die sog. «Reestage», nämlich Fastnachtdienstag, Landsgemeindemontag und Gesellenschiessen (in der Regel am ersten Mittwoch im Oktober). Der Landsgemeindemontag führt noch den Namen Narrengemeinde, weil ehemals an diesem Tag die Landsgemeindeverhandlungen in fröhlichem oder auch bitterm Spott nachgeahmt wurden. Es scheint, dass die letzte derartige Veranstaltung 1872 in Oberegg stattfand.
7. Beschæftigung.
Nach der Betriebszählung von 1905 beschäftigen sich in Appenzell I. R.:
mit | Betriebe | Personen männlich | weiblich | Total |
---|---|---|---|---|
a) Gewinnung der Naturerzeugnisse | 1501 | 2439 | 279 | 2718 |
b) Veredlung der Natur- und der Arbeitserzeugnisse | 2747 | 1252 | 3185 | 4437 |
c) Handel | 387 | 267 | 453 | 720 |
d) Verkehr | 50 | 104 | 11 | 115 |
e) Oeffentl. Verwaltg., Rechtspflege, Gesundheitspflege, Künste | 29 | 23 | 17 | 40 |
Total | 4714 | 4085 | 3945 | 8030 |
Von den Betrieben sind nur 15 dem Fabrikgesetz unterstellt. Nach der Volkszählung von 1900 hingegen:
beschäftigen sich mit Personen | männlich | weiblich | Total | leben von Total | % |
---|---|---|---|---|---|
a) Gewinnung der Naturerzeugnisse | 2420 | 36 | 2456 | 5898 | 43.7 |
b) Veredlung der Natur- und der Arbeitserzeugnisse | 1330 | 2231 | 3561 | 5695 | 42.2 |
c) Handel | 245 | 160 | 405 | 845 | 6.3 |
d) Verkehr | 83 | 5 | 88 | 181 | 1.3 |
e) Oeffentl. Verwaltg., Rechtspflege, Wissenschaft, Kunst | 95 | 126 | 221 | 426 | 3.1 |
f) Persönliche Dienste und nicht bestimmbarer Beruf | 31 | 1 | 32 | 50 | 0.4 |
Total | 4204 | 2559 | 6763 | 13![]() |
97.0 |
g) Ohne Verhältnis zu einem Beruf | 193 | 211 | 404 | 404 | 3.0 |
Total | 4397 | 2770 | 7167 | 13![]() |
100% |
Abgesehen von den Veränderungen, die in den 5 Jahren eingetreten sind, stimmen die beiden Aufnahmen auch deshalb nicht, weil bei der Betriebszählung solche, die in 2 Betrieben tätig sind, auch doppelt gerechnet, dagegen Geistliche, Lehrer etc., weil nicht in einem «Betriebe» stehend, weggelassen wurden, während die Volkszählung jeden unter seine Hauptbeschäftigung rubrizierte. Doch geht aus beiden Statistiken hervor, dass die Grosszahl der männlichen Bevölkerung sich mit Gewinnung der Naturerzeugnisse, d. h. vorzugsweise mit Landwirtschaft und Viehzucht beschäftigt, das weibliche Geschlecht hingegen mit Veredlung der Natur- und Arbeitserzeugnisse, d. h. mit Handstickerei, Ausschneiden, Seidenweberei und ähnlichen Arbeiten.
8. Soziales.
An der Spitze der mit der Sorge für das Gesundheitswesen tätigen Körperschaften steht der Sanitätsrat, dessen Präsidium jeweilen einem Mitglied der Standeskommission zugeteilt wird. In jedem Bezirk besteht eine Ortsgesundheitskommission. Als private Vereinigungen sind zu nennen: ein Samariterverein, je eine Abstinentenliga für Erwachsene und Kinder, der Mütterverein, der sich unter anderm die Unterstützung armer ¶