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Die mittlere jährliche Regenmenge von 1881-1900 betrug 1152 mm. Die mittlere Zahl der Regentage von 1881 bis 1900 belief sich auf 158,8. Die mittlere Zahl heiterer Tage im gleichen Zeitraum war 60,6.
Die Bevölkerung
Altdorfs, wie übrigens die des Kantons Uri im allgemeinen, hat während des 19. Jahrhundert nicht in dem Masse zugenommen wie die anderer Schweizerstädte. Der Grund liegt in der wenig günstigen geographischen Lage des Kantons vor dem Aufschwung des Touristenverkehrs und dem Bau der Gotthardbahn. Die Zählungsergebnisse zeigen uns in der Tat, dass die Bevölkerung von 1800-1850 nur um 212 Seelen zugenommen hat, während die Vermehrung von 1850-1900 auf 1005 Personen anstieg.
Man darf dabei nicht ausser Acht lassen, dass das Eindringen der Franzosen im Anfang des 19. Jahrhunderts (Feuersbrünste, Niedermetzelung von Frauen und Kindern) die Bevölkerung buchstäblich dezimiert hatte. Im Jahre 1799 zählte Altdorf 1900 Einwohner, 1811 nur noch 1623, 1834: 1650, im Jahre 1850: 2112, im Jahre 1860: 2426, im Jahre 1870: 2665, im Jahre 1880 infolge des Baues der Gotthardbahn und darum auch nur vorübergehend: 2906, im Jahre 1880: 2542, im Jahre 1900: 3117 Ew. in 665 Haushaltungen und 351 Häusern (zu denen noch etwa 250 landwirtschaftliche Gebäude kommen).
Von den 3117 Ew. sind 1430 männlichen und 1687 weiblichen Geschlechts; 1066 sind Ortsbürger, 1185 Bürger anderer Gemeinden des Kantons, 704 Schweizerbürger aus andern Kantonen, 162 Ausländer. Ledig sind 2043, verheiratet 848, verwitwet 221, geschieden 5; Katholiken 2987, Reformierte 129, Juden 1. In Bezug auf die Sprache sind 3063 deutscher, 7 französischer, 40 italienischer, 5 romanischer, 2 anderer Zunge. Die Vergrösserung des Wohlstandes, die man zu einem grossen Teil der wachsenden Frequenz der Touristen und dem bedeutenden Verkehr durch die Gotthardbahn zu verdanken hat, ist nicht ohne Einfluss auf die Zunahme der Bevölkerung, die man gegenwärtig auf etwa 4000 Seelen schätzt.
Die Bevölkerung widmet sich vorwiegend der Landwirtschaft und Viehzucht, dem Obst- und Gartenbau. Die übrigen betätigen sich im Handel und Gewerbe, sowie in industriellen Betrieben mit Wasser- oder elektrischer Kraft. Unter den letztern sind hervorzuheben: 1 Seidenspinnerei (über 100 Arbeiter und Arbeiterinnen), eine Fabrik für elektr. Isolierungsmaterial und Gummiwaren, 2 mechanische Werkstätten, Schreinereien, Sägewerke, Drechslerei, Hammerschmiede, Fabrik für Holzgeschirre für landwirtschaftliche Zwecke, Druckereien, 3 Mühlen, Velofabrik etc. Von den 350 Arbeitern der Munitionsfabrik (auf Bürglergebiet erstellt) wohnt die Mehrzahl in der Gemeinde Altdorf.
Die Wirtschaften sind sehr zahlreich; es hat deren 30, wovon 11 Gasthöfe, so dass eine Wirtschaft auf je 105 Einwohner kommt. (Der Kanton hat im ganzen 239, also eine auf 82 Ew.; Hospenthal 11 bei 290 Ew., somit eine auf 26 Ew.). Das Elektrizitätswerk Altdorf zu Bürglen besteht seit 1895; es hat 1260 HP, wovon gegenwärtig 750 benutzt werden. Das Werk versorgt Altdorf, Flüelen, Bürglen, Schattdorf etc. mit Kraft und elektrischer Beleuchtung, bedient die Trambahn Altdorf-Flüelen, die eidg. Munitionsfabrik und die Arth-Rigibahn. Das neue, derselben Gesellschaft gehörende, im Bau begriffene Arniwerk bei Amsteg soll im Winter 5000, im Sommer 10000 HP produzieren. Jetzt heisst das Werk infolge Verschmelzung: Elektr. Werk Altdorf-Rathausen.
Die hygienischen Verhältnisse
sind sehr günstig, denn Altdorf besitzt eine ausgezeichnete Quell-Wasserversorgung, die fast in jedes Haus frisches Wasser erster Güte liefert und zahlreiche Hydranten speist. Epidemien sind seit den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts nicht mehr vorgekommen. Die Wohnungsverhältnisse sind ebenfalls im ganzen sehr günstig. Luft und Licht überall. Von Nahrungsmittelfälschung verlautet nichts. Metzgereien sowie Bierwirtschaften werden von Zeit zu Zeit inspiziert. Allerdings sind die Preise für Nahrungsmittel und Wohnung bedeutend gestiegen und kommen denen in den Städten gleich, obwohl Auswahl und Qualität in letztem grösser bezw. besser ist. In Altdorf wohnen 5 Aerzte, 3 Hebammen und mehrere gelernte Krankenwärter und -wärterinnen und wird jetzt ein Samariterdepot errichtet. Es existieren auch mehrere Krankenunterstützungsvereine.
Erziehungswesen.
Die Primarschulen umfassen für jedes Geschlecht 6 Klassen. Der Unterricht wird von 6 Lehrern, 6 Lehrerinnen, 3 Hilfslehrern (für Turnen, Zeichnen, Gesang) und 2 Hilfslehrerinnen (Franziskanerinnen, die wie die 6 Lehrerinnen unentgeltlich wirken) erteilt. Die Zahl der Schüler beträgt 577 (284 Knaben, 293 Mädchen). Der Schulfond steht auf Fr. 18399, resp. Fr. 20527. Im Winter wird den armen Schulkindern Suppe ausgeteilt. Die Mädchensekundarschule hatte im Jahre 1908 2 Lehrerinnen (Menzingerschwestern) und 23 Zöglinge. Die Gemeinde gab 1908 für die Schulen Fr. 15902 aus, wozu noch der Bundesbeitrag von Fr. 1246 kommt, also im ganzen Fr. 17168.
Die gewerbliche Fortbildungsschule, die seit 26 Jahre besteht, zählt 2 Lehrer und 107 Zöglinge (70 Schüler, 37 ¶
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Schülerinnen). Erwähnen wir noch das Kollegium Borromäum mit 11 Professoren, 3 Hilfslehrern und etwa 160 Schülern. Schöne botanische, mineralogische und ornithologische Sammlungen. Vier Bibliotheken: die des Kollegiums, die Volksbibliothek des Piusvereins, die kostbare Bibliothek des Kapuzinerklosters und die des Kapitels sind wertvolle Hülfsmittel für Lehrer und Schüler und tragen ihren Teil zur intellektuellen Entwicklung der Bevölkerung bei.
Verkehrswege.
Als Station der Gotthardbahn ist Altdorf nicht ohne Bedeutung; es nimmt unter den 48 Stationen den 14. Rang ein; im Jahre 1908 wurden von hier 53243 Personen und 4242 Tiere spediert. Nebst dem wird Altdorf seiner ganzen Länge nach von der Gotthardstrasse durchzogen, der Hauptverkehrsader des Fleckens, von der sich, am Anfange der Ortschaft, die Klausenstrasse abzweigt, die am eröffnet wurde. Die Strassenbahn Altdorf-Flüelen, im August 1906 eröffnet, verbindet Altdorf mit dem Urnersee. Sie beförderte im Jahre 1907 184369 Personen, 1908 200338. Ein Postkurs versieht den Dienst über den Klausen; im Jahre 1907 wurde er von 2826 Reisenden benützt.
Sozialleben.
Das Sozialleben ist in Altdorf allzusehr, möchte man sagen, ausgebildet. Es gibt mehr als 35 Vereine und daher auch viele gesellige Anlässe. Ausser den Ueberresten alter Zünfte und frommer Bruderschaften, sowie gemeinnütziger Gesellschaften, Schützen- und Musik- und Gesangsvereinen gibt es Vereinigungen für alle möglichen Zwecke und Interessen. Nennen wir einige: Tellspielgesellschaft für Aufführungen von Schillers Drama. Antiquarische Gesellschaft (Verein für Geschichte und Altertümer), mit einem Museum.
Faschingsgesellschaft für Umzüge und Aufführungen in der Fastnacht. Konsumverein; Arbeitervereine verschiedener Branchen und Richtungen. Turnverein; Verein der Naturfreunde; Altersvereine und curiositatis causa: der Nächstenliebeverein etc. Orchestervereine, Feldmusikgesellschaft und Gesangvereine veranstalten regelmässig im Winter ihre Konzerte. Ein Hauptvergnügen bieten die Ballanlässe und Maskentänze in der Fastnacht, woran die gesamte tanzende, sowie beobachtende Damenwelt Altdorfs grösstenteils maskiert teilnimmt.
Die «Tellspiele» werden seit dem veranstaltet; sie locken jedesmal Tausende von Zuschauern, selbst aus fernen Ländern herbei. Die Aufführungen finden in einem eigens zu diesem Zwecke erstellten Gebäude statt. 200 Mitspielende aus allen Berufsarten und Gesellschaftsklassen betätigen sich dabei und begnügen sich mit einer sehr bescheidenen Gratifikation. Denn der Hauptteil der Einnahmen von den Vorstellungen ist zum Bau eines neuen Theaters bestimmt, welches das jetzige ersetzen soll. Insgesamt sind in den Jahren 1899, 1900, 1901,1904, 1905, 1908 und 1909 66 Aufführungen veranstaltet worden.
Gemeinde-Organisation.
Der Gemeinderat besteht aus 7 Mitgliedern mit zweijähriger Amtsdauer. Der Kirchenrat zählt 5 Mitglieder, den Ortspfarrer inbegriffen, der ihm von Amtes wegen angehört. Die Schulen werden von einem 5 gliedrigen Schulrat verwaltet, und die Armenpflege und die Spitalverwaltung liegen in der Hand eines Rates von 7 Mitgliedern, von denen immer eines ein Geistlicher ist. Zu all diesen Aemtern, obschon sie unentgeltlich besorgte Ehrenämter sind, besteht Amtszwang, d. h. Ablehnende werden bis 500 Fr. gebüsst und können doch wieder in Vorschlag kommen.
Die oberste Gewalt liegt bei der Gemeindeversammlung, die vom Gemeinderat 8 Tage vor ihrem Zusammentritt mit Bezeichnung der Traktanden ausgekündet werden muss. Diese Versammlung stellt das Gemeindebudget auf, erlässt Verordnungen und Reglemente, bewilligt Anleihen und Steuern, prüft und genehmigt die Rechnungen, setzt die Gehalte etc. der Angestellten fest, erteilt das Bürgerrecht, ernennt die Mitglieder der oben angeführten Aemter, den Betreibungsbeamten, den Vermittler, wählt die Geistlichen, die Lehrer und eventuell Lehrerinnen der Primar- und Sekundarschulen, den Gemeindeschreiber und Weibel, den Kirchenvogt und allfällig andere Beamte. Altdorf ist eine der 3 ältesten Pfarreien des Kantons; sie wird von einem Pfarrer, einem Pfarrhelfer und drei Kaplänen besorgt. Das Kantonsspital hat seinen eigenen Pfarrer. Im Kapuzinerkloster sind gegenwärtig 8 Patres und 3 Brüder.
Finanzielles.
Laut den Rechnungen des Jahres 1906-07 betrugen die Einnahmen Fr. 61597, die Ausgaben Fr. 54645. Das steuerbare Vermögen war dazumal auf Fr. 12064000 geschätzt, das steuerbare Einkommen auf Fr. 469000. Die Steuern gaben eine Bruttoeinnahme von Fr. 23510. Die Gemeindesteuer beträgt 3‰ vom Vermögen und 1,5% vom Einkommen, wobei die ersten 1000 Fr. steuerfrei sind. Die Personalsteuer macht 3 Fr. aus. Die Armensteuer beträgt ⅓, die Schulsteuer ⅔ der Gemeindesteuer. Eine Progression kennt die Gemeinde nicht. Den Schulden von 214000 Fr. standen 62443 Fr. Aktiven gegenüber, so dass die Nettoschuldenlast 151556 Fr. beträgt. Der Vermögensbestand verschiedener Fonds etc. betrug:
Fr. Ct. | |
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Fondum für Verbesserung der Allmend | 1375.10 |
Kasse der Feuerwehr-Unfallversicherung | 2220.35 |
Muheim’sche Stiftung zur Unterstützung armer Handwerkslehrlinge | 4788.85 |
Muheim’sche Stiftung Weihnachtsfonds | 12450.- |
Muheim’sche Stiftung Exkursionsfonds f. Schül. | 2000.- |
Anton Muheim’sche Stiftung f. Armenunterst. | 8066.02 |
Karl Muheim’sche Stiftung f. Armenunterst. | 20007.52 |
Stiftung des Gemeinde- u. Fremdenspitals | 122968.- |
Stiftung der Armenpflege, Vermögen | 175195.27 |
Stiftungsvermögen der Pfarrkirche | 278328.45 |
Stiftungsvermögen der unt. hl. Kreuzkapelle | 25935.01 |
Stiftungsvermögen der Schule | 20527.14 |
dem ein Anleihen v. 20000 Fr. gegenübersteht.
Schuldbestand der Wasserversorgung Fr. 58385,28.
Seit dem ist die Ersparniskasse des Kt. Uri auch Agentur der schweiz. Nationalbank für Altdorf. Geschäftsumsatz 1908 (Soll und Haben) Fr. 74333528.74. Reingewinn Fr. 86750. Der Zinsfuss für Einlagen bis auf Fr. 2000 ist auf 4% festgesetzt; für höhere Beträge werden 3½-3% ausgerichtet. Eine Anlage- und Leihkasse nach System Raffeisen leistet den Bauern gute Dienste, indem sie diese vor den Händen der Wucherer bewahrt.
[Prof. G. AbEgg.]
Historische Notizen.
Der Name Altdorf setzt nicht notwendig ein Neudorf voraus. Das Thal Uri war ursprünglich, wenn auch spärlich, von Rhäto-Romanen bewohnt; nach und nach drangen die Alemannen, nicht als Eroberer, sondern als Kolonisten, in diese Thäler ein und gründeten Dörfer, wie z. B. Seedorf, Schattdorf; die schon bestehende Ortschaft aber wurde Altdorf genannt. Im Jahre 853 vergabte Ludwig der Deutsche das Land Uri samt den Patronatsrechten über die hier schon bestehenden Pfarreien ¶