mehr
und nach W. oder O. vorspringende Gräte, meist von recht wildem, ruinenartigem Aussehen. Die bedeutendsten sind: Pizzo Rotondo (2829 m), Cima di Bedoletta (2633 und 2627 m), Cima di Tresculmine (2633 m), Cima di Gangella (2764 m), Fil di Ciaro (2780 m etc.), Fil di Dragiva (2770 m), Fil di Calvarese (2383 m), Fil di Nomnone (2634 m) und Pizzo di Groven (2693 und 1695 m). Dann senkt sich der Kamm rascher auf 2000 m und endet am Ausgang des Calancathals. Unter den Pässen ist der wichtigste und bequemste der Passetti (2075 m), dessen Scheitel durch einen kleinen See geschmückt ist. Er verbindet das Dorf San Bernardino mit dem obersten Teil des Calancathals und überragt das erstere nur um 450 m. Sowohl für den Lokal- als für den Touristenverkehr kommt er von allen Uebergängen dieser Kette fast allein in Betracht. Ein Parallelpass dazu ist der nördlicher gelegene und höhere Passo Tre Uomini (2653 m). Südlicher sind erwähnenswert der Passo di Tresculmine (2153 m) von Mesocco-Cremeo aus und der Passo di Buffalora (2265 m) von Soazza aus hinüber nach dem Calancathal. Sie sind aber wegen ihrer weit grösseren relativen Höhe (1400 und 1600 m) viel beschwerlicher als der Passetti.
Die östl. Misoxerkette reicht vom Passo di Balniscio (2358 m) im N. bis zum Passo di San Jorio (1956 m) im S. und verknüpft sich dort mit der Gruppe des Tambohorns, hier mit den Lugarner Voralpen. Sie verläuft auf der bündnerisch-italienischen Grenze und scheidet die zwei grossen Verkehrslinien des Bernhardins und Splügens. Obwohl diese Kette nur im Piz Corbet und in der benachbarten Cima di Pian Guarnei, die 3000 m um ein Geringes übersteigt und auch nur wenige Höhen von 2900 und 2800 m aufweist, erscheint sie doch von den tiefen Thälern aus (von Soazza an abwärts 600-200 und von Chiavenna an 300-200 m) sehr hoch, steil und rauh, so dass auch die Uebergänge sehr spärlich und wenig leicht sind.
Auch die kleinen Seitenzweige sind, abgesehen vom südlichen Teil, hoch, steil und wildzerrissen und schliessen nur kurze, rauhe, in der Entwicklung zurückgebliebene Alpthäler ein, die alle mit engen, spaltenförmigen Schluchten in die Hauptthäler ausmünden. Als Hauptgipfel mögen genannt werden: Cima di Barma (2861 m), Piz Montagna (2746 m), Cima di Vercönca (2869 m), Cima die Pian Guarnei (3014 m), Piz Corbet (3025 m), Pizzo Pombi (2971 m), Pizzo del Torto (ca. 2900 m), Pizzo Campanile (2653 m), Pizzo della Forcola (2590 m), Pizzo di Padion (2633 m), Pizzo di Settagiolo (2567 m), Pizzo di Cresem (2578 m), Pizzo Campanile und della Paglia (2554 und 2595 m), Gardinello dello Stagno (2379 m) und Cima di Cugn (2237 m) als südlichster Punkt Graubündens, ferner in den westl. Verzweigungen der mächtige Felsbau des Sasso di Castello (2525 m). Die besten, gangbarsten Pässe, doch natürlich (wie überall im Gebiet der Misoxerberge) nur mit rauhen Gebirgspfaden, sind der Passo di Balniscio (2358 m) von San Giacomo unterhalb San Bernardino nach Isola, dem ersten Dorf südl. des Splügen, der Passo della Forcola (2217 m) von Soazza nach Gordona bei Chiavenna, die Bocchetta die Cama (2097 m) ebenfalls nach Gordona und der Passo di San Jorio (1956 m), der nach Gravedona am Comersee führt und zu dem man schweizerischerseits gewöhnlich von Giubiasco bei Bellinzona aufsteigt, aber ebenso gut auch von Arbedo und von Roveredo aus aufsteigen kann.
Endlich ist noch eines zwar nicht sehr ausgedehnten, aber in Aufbau und mächtigen Felsformationen doch imponierenden Gebirgsstückes zu gedenken, das vom Zentralstock der Adulagruppe sich in den Kanton Tessin erstreckt. Es füllt den Raum aus zwischen dem Val Malvaglia und dem Val Luzzone und bildet mit seiner westl. Abdachung die linke Flanke des Bleniothals von Campo bis Malvaglia. Der Hauptteil desselben geht vom Rheinwaldhorn aus und teilt sich am Uomo di Sasso in zwei Aeste: den nach NW. streichenden zackigen Grat der Colma (mit der Cima di Pinaderio 2488 m) und den nach SW. vorspringenden und wieder sich teilenden mächtigen Stock des Simano (2842 m), neben vielen andern Gipfeln und Zacken (2788, 2676, 2583 m etc.). Ein kleinerer Ast mit dem Torrone di Nava (2884 m) streicht vom Piz Cassimoi nach NW., von der Colma getrennt durch das Val Carasina.
Etwas abgesondert erhebt sich mit schroffen Mauern der Sosto (2221 m) bei Campo, der aber von O. leicht über Rasenhänge zu ersteigen ist und einen prachtvollen Blick über das Bleniolhal und gegen den Lukmanier gewährt. Auch zwei grössere Gletscher gehören diesem Tessinergebiet an: der Brescianagletscher auf der W.-Seite des Rheinwaldhorns, das auch von dieser Seite bestiegen werden kann, und der schöne Scaradragletscher, dessen mächtige Zunge zum Piz Cassimoi, Piz Casinell, Piz Sorda und Torrone di Nava hinauf führt.
Touristisch ist das ganze Adulagebirge gut erschlossen, am besten sein zentraler und höchster Teil, alle die Gipfel um den Rheinwald-, Zapport-, Lenta-, Güfer-, Kanal- und Fanellagletscher, am wenigsten die Misoxerketten. Das Rheinwaldhorn wurde schon 1789 von Placidus a Spescha von Zapport aus über die Lentalücke erstiegen. 1849 folgte J. J. Weilenmann, 1861 J. Coaz auf dem selben Weg. Seither sind noch zahlreiche Anstiegsrouten aufgefunden worden, über Rheinwald-, Lenta- und Brescianagletscher, alle mit verschiedenen Varianten: über NO.-, NW.-, W.- und SO.-Grat und über O.- und W.-Flanke.
Placidus a Spescha hat ausserdem noch viele andre Gipfel und Pässe in diesem Gebiet erstiegen, darunter das Güferhorn, den Piz Terri, Piz Cristallina, Scopi etc. und muss überhaupt als der Begründer der Orographie und Topographie des Bündner Oberlandes und als einer der ersten und tüchtigsten Pioniere der Alpenkunde und des Bergsteigens bezeichnet werden. Zu den ersten und erfolgreichsten Erschliessern der Adulagruppe gehören ausser den oben genannten auch Alb. Hoffmann-Burckhardt, L. Held, E. Calberla, L. Darmstädter, Dr. Törger und die Engländer D. W. Freshfield, J. D. Walker, M. Beacheroft, A. W. Moore, H. B. George, F. Morshead und vor allem W. A. B. Coolidge, dessen The Adula Alps (ein Bändchen in Conway and Colidges Climber’s Guides) noch immer der vollständigste und beste Führer für das gesamte Gebiet der Adulagruppe ist. 1865 war das Medelsergebiet, 1872 das Rheinwaldgebirge und 1874 das Bündner Oberland offizielles Exkursionsgebiet des Schweizer Alpenklub.
Damals entstanden die Itinerare von Theobald für das Medelsergebirge, von Rütimeyer für das Rheinwaldgebirge und von Coaz für das Bündner Oberland, die alle drei auch jetzt noch sehr wertvoll sind. Die Jahrbücher des S. A. C. aus der damaligen Zeit (bes. die Bände 3, 8 und 10) enthalten zahlreiche Aufsätze und Berichte, teils touristischen, teils wissenschaftlichen Inhalts aus den drei Gebieten, die auch in spätern Bänden bis in die Gegenwart noch manche Ergänzungen erhalten haben. Als grössere Arbeiten seien speziell noch erwähnt die von Dr. Jörger im Jahrbuch des S. A. C. 31 und 32: Aus dem Adulagebiet und aus dem Valserthal und von Dr. Darmstädter in der Zeitschrift des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins 24: Aus einem vergessenen Exkursionsgebiet des Schweizer Alpenklub (dem Adulagebiet).
Durch die neuliche Entwicklung der Eisenbahnen und des Fremdenverkehrs ist das gesamte Adulagebiet sehr viel leichter zugänglich geworden als es noch Ende des vorigen Jahrh. war. Insbesonders Ilanz, Thusis, Misox und Biasca erscheinen als die vorgeschobensten Stationen für dieses Gebiet. Die tiefeindringenden Thäler Rheinwald, Safien, Lugnez, Vals, Somvix, Medels, Blenio, Misox und Calanca bieten in ihren Dörfern fast überall gute Unterkunft, manchmal auch in hochgelegenen Alphütten. Dagegen gibt es bis jetzt immer noch bloss eine einzige alpine Unterkunftshütte, die Zapporthütte (2320 m) auf einer Terrasse über dem Ursprung des Hinterrheins.
Die gründlichste geologische Bearbeitung hat das Gebiet gefunden in Albert Heims Geologie der Hochalpen zwischen Reuss und Rhein (in den Beiträgen zur geolog. Karte der Schweiz. 25. Lieferung. Bern 1891). Einen kurzen Ueberblick gibt der Artikel Graubünden dieses Lexikons, ferner der geologische Teil des Artikels Schweiz, der unser Gebiet auch in das Licht der neuen Deckfaltentheorie rückt.
[Dr. Ed. Imhof.]