oberherrlichen Rechte des Thales scheinen an den Walliserdynasten Anton von Thurn zu Gestelen gelangt zu sein; denn als er 1400 die
Landschaft Frutigen verkaufte, war darin auch das Thal Engstligen begriffen. 1433 erbauen 56 Landsleute von Adelboden daselbst
eine Kirche, worauf 1439 die Gemeinde zur besondern Pfarrei erhoben wurde. Die noch erhaltene Kirche
mit ihrem stumpfen Turm weist an der Aussenseite mittelalterliche Fresken auf und trägt auch im Innern ein altertümliches
Gepräge.
Die Reformation wurde nur mit Widerstreben angenommen. 1564/65 starb mehr als die Hälfte der Bevölkerung an der Pest. Ebenso
heftig wütete diese Krankheit vom September 1669 bis zum Februar 1670, während welcher Zeit in Adelboden 550 Personen
starben. Ueber die Vergangenheit Adelbodens findet sich reiches Material in der handschriftlichen Chronik des Statthalters
Abraham Allenbach (1632-1705). Die Gemeinde gehörte bis in die neueste Zeit zu den entlegensten des Kantons.
Den Verkehr mit der Aussenwelt vermittelte das überaus beschwerliche Strässchen längs der rechten
Thalseite. Um 1870 ward die erste Fremdenpension eröffnet, welche namentlich von norddeutschen Gästen besucht wurde. 1884 erstellte
man unter grösseren Opfern die neue Strasse. Von da an entwickelte sich Adelboden rasch zu einer Fremdenstation ersten Ranges
mit zahlreichen Gasthöfen. Vielbesuchte Wintersportstation, Skirennen- und Exkursionszentrum für die
Besteigung des Wildstrubels, des Lohners und der hinteren Niesenkette.
Gelegenheit zu leicht ausführbaren Bergtouren. Zahlreiche Passübergänge nach den benachbarten Thälern: Hahnenmoospass
(1954 m) nach der Lenk 2½ Stunden, Engstligengrat (2619 m) nach der Gemmi 6 Stunden, Bundergrat (2530 m) nach Kandersteg 5 Stunden,
Otterngrat (2282 m) nach Grimmialp 5 Stunden. Ausserdem viele durch Weganlagen leicht zu erreichende Ausflugsziele.
Höhenstationen auf der Engstligenalp und dem Hahnenmoos. Vergl. Stettler. Das Frutigland.Bern
1887. - Stettler. Des FrutiglandesGeschichte.Bern
1901. - Illustr. Führer durch Adelboden; herausgegeben vom Verkehrsverein.
3290 m ungefähr. Gipfel, der im Siegfriedatlas weder benannt,
noch kotiert ist, ein wenig s. vom höchsten Punkte des Hohgleifen (3280 m), am obersten Ende des Ijollithales.
Man besteigt
ihn in 7 Stunden von Goppenstein über Schönbühl, oder von Kippel.
Die Aussicht von dieser Spitze gilt unter den Kennern als
eine der prächtigsten in diesem Teile der Alpen, das Jungfraumassiv inbegriffen.
(Kt. Graubünden
und Tessin).
Diese oft auch Rheinwaldgebirge genannte Gruppe erfüllt den westl. Teil des Kant. Graubünden
westl. der Splügenlinie
(Reichenau-Splügenpass-Comersee) und reicht von da bis an die Lukmanierlinie (Disentis-Lukmanier-Olivone-Biasca-Bellinzona).
Die N.-Grenze wird durch das Vorderrheinthal von Reichenau bis Disentis, die S.-Grenze durch den Joriopass (Bellinzona, bezw.
Giubiasco-Gravedona am obern Comersee) gebildet. Die Gruppe gehört also fast ganz dem Kant. Graubünden
an; Tessin
und Italien haben nur sehr
geringen Anteil daran. Da die Splügenlinie meist auch als Grenze zwischen W.- und O.-Alpen angenommen wird, so fällt die
Adulagruppe den W.-Alpen, das übrige Graubünden
den O.-Alpen zu. Am Splügen verknüpfen sie sich mit der Albula-,
am Lukmanier mit der Gotthardgruppe.
Die Gliederung der Adulagruppe ist eigenartig und von der sonst in den Alpen vorherrschenden abweichend. In den Walliser-,
Berner-, Glarner- und östl. Bündneralpen (Albula-, Silvretta-, Bernina- und Ofenpassgruppe) herrschen überall die Längsrichtung
und fiederförmige Gliederung, in der Adulagruppe dagegen die Quer- oder NS.-Richtung und die strahlenförmige
Gliederung. Dort finden wir überall eine grosse Haupt- oder Stammkette, die im ganzen von WSW. nach ONO. oder
mehr
von SW. nach NO. streicht und auch die Hauptwasserscheide der betr. Gegenden bildet, und von der nach beiden Seiten zahlreiche
Seitenketten mehr oder weniger rechtwinklig abzweigen. Hier in der Adulagruppe fehlt eine deutlich ausgebildete Stammkette.
Statt dessen finden wir einen Zentralknoten, der im Rheinwaldhorn sein Haupt findet und von dem die Verzweigungen,
meist mehrfach verkrümmt und verästelt, nach allen Richtungen ausstrahlen, doch so, dass in ihnen die Meridionalrichtung
vorherrscht.
Eine Hauptwasserscheide zwischen Rhein- und Pogebiet ist zwar auch hier vorhanden. Diese folgt aber nicht der Hauptrichtung
der Alpen von WSW. nach ONO., sondern bildet eine gebrochene Linie, die sich aus mehreren Längs- und
Querkämmen zusammensetzt;
1) Längskamm vom Lukmanier nach O. zum Diesrutpass (Uebergang von La Greinahochthal nach dem Lugnez);
2) Querkamm von da nach S. bis zum Vogeljoch (südl. des Rheinwaldhorns);
3) Längskamm nach O. bis zum Surettahorn (östl. des Splügen) und 4) wieder Querkamm nach S. zum Piz Stella
als Uebergangsglied zu dem grossen Längskamm der Albulakette. Diese wunderlich gewundene Wasserscheide ist offenbar nicht
durch die Gebirgsfaltung vorgezeichnet, sondern durch die namentlich von S. her mächtig eingreifende Erosion herausmodelliert.
Finden wir doch auch jetzt noch im Gebiet zwischen Bernina- und der Monte Rosagruppe weit stärkere Niederschläge als auf
der N.-Seite der Alpen und dementsprechend auf diesem ganzen Raum auffallend weit nach N. ausgreifende Thäler: das San Giacomothal,
die Mesolcina, die Tessinthäler und das Tosathal.
Den Zentral- und Kulminationspunkt der Adulagruppe bildet die schöne Eispyramide des Rheinwaldhorns (3406 m), die mit dem
ähnlich gestalteten Güferhorn (3393 m), dem Schneedom des Vogelberges u. and. Trabanten in prachtvollem
Zirkus das weite Becken des Rheinwaldfirns umschliesst. Die Eiszunge des letztern hängt als Paradiesgletscher weit hinab in
die finstere Schlucht der «Hölle», den hintersten, engsten Teil der nach unten sich allmählich erweiternden Zapportschlucht
und Ursprung des wild hervorbrechenden Hinterrheins.
Südl. über der Zapportschlucht lagert sich auf weiter Terrasse der Zapportgletscber, angelehnt an die
Zackenmauer, die sich vom Vogelberg über den Poncione della Frecione (3199 m), das Zapporthorn (3149 m) und das Marscholhorn
(2950 m) nach O. zieht und dann gegen den Bernhardinpass (2063 m) abbricht. Die ebenfalls zum «Ursprung» sich senkende Zunge
des Zapportgletschers umschliesst mit dem Paradiesgletscher die nach SW. ansteigenden Fels- und Rasenterrassen der Paradiesköpfe,
ein
Tummelplatz der Gemsen, im Hochsommer kurze Zeit auch als Schafweide benutzt, deren oberste Zacke, das Paradieshörnli
(2963 m), ein treffliches Schaugerüst für den herrlichen Gletscherzirkus bildet.
Wie vom Vogelberg zieht auch vom Güferhorn eine Kette nach O., der das Hochberghorn (3003 m), das Lorenzhorn
(3047 m), und das Kirchalphorn (3039 m) als Hauptgipfel entragen. Die steile S.-Seite dieses Kamms birgt nur kleinere Gletscher
(am Hochberg- und Kirchalphorn), während die sanfter geneigten und breiten Terrassen der N.-Seite von beträchtlichen Gletschern
eingenommen sind: Güfer-, Kanal- und Fanellagletscher nebst einigen kleinern. Die weitere Fortsetzung
dieser Kette nach O. endet mit der zwar kleinen, aber vielgestaltigen Gruppe der Splügner Kalkberge (Weisshorn 2992 m, Alperschellihorn 3045 m,
Pizzas d’Annarosa 3002 m, Steilenhorn, Teurihorn etc.), die als abgerissene Klippe oder Scholle auf einer breiten Unterlage
von Bündnerschiefer sitzen und mit ihren oft recht abenteuerlichen Türmen und Zacken und zerrissenen
Wänden ein für diese Gegend ganz fremdartiges Aussehen haben.
Das Zwischenglied zwischen diesem Klippengebiet und den kristallinen Massen der Adula bildet die kleine, ganz auf Bündnerschiefer
aufgebaute Gruppe des Bärenhorns (2932 m), von jenen getrennt durch den Safierberg (2490 m) und den Valserberg
(2507 m), zwei Pässen, die das Rheinwaldthal mit den nördl. Nachbarthälern (Safien und Vals) verbinden. Gewaltiger, imponierender
als diese N.-Wand des Rheinwaldthales ist die S.-Wand mit den Gruppen des Tambohorns (3275 m) und der Surettahörner (3025 und 3039 m).
Das Tambohorn insbes. ist einer der mächtigsten und schönsten Berge des westl. Graubünden,
ein Aussichtspunkt ersten
Rangs. Es ist flankiert von den kecken Spitzen des Guggernüll (2887 m), Einshorn (2941 m), Pizzo Uccello (2716 m), Pizzo della Lumbreda
(2977 m), Pizzo di Curciusa (2872 m), Pizzo dei Piani (3158 m), Pizzo Terre (3099 m) etc., die in weitem Bogen
das Curciusa- oder Areuethal umschliessen. Im Curciusa-, Tambo- und Surettagletscher hat diese Kette ziemlich beträchtliche
Eismassen aufzuweisen. Abgesehen vom Tambohorn selber ist sie aber wenig bekannt, obwohl zwei wichtige und vielbegangene Pässe,
der Splügen (2117 m) und der San Bernardino (2063 m), sie überschreiten und das Rheinwaldthal mit Italien und
dem Tessin
verbinden. Daneben ist auch die Bocca di Curciusa zu nennen, die von Nufenen durch das Curciusathal nach dem Dorf San Bernardino
auf der S.-Seite des gleichnamigen Passes führt und den letztern umgeht.
Die bisher genannten Ketten zu beiden Seiten des
mehr
Rheinwaldthals sind die einzigen grösseren Längsketten, das von ihnen eingeschlossene Thal das einzige grössere Längsthal
der ganzen Adulagruppe.
Die nördl. Rheinwaldkette biegt bei den Splügner Kalkbergen nach N. um und zeigt im Gelbhorn (3035 m), Bruschghorn (3054 m)
und Piz Beverin (3000 m) noch Hochgebirgscharakter, in dem durch den Glaspass (Thusis-Safien) abgeschnittenen
Heinzenberg dagegen die sanfteren Formen der Voralpen. In Verbindung mit dem bündnerisch-tessinischen Grenzkamm vom Rheinwaldhorn
bis zum Lukmanier umschliesst dieser fast rechtswinklig umgebogene Gebirgszug das Bündner Oberland oder das Gebiet des Vorderrheins,
das von Auszweigungen der genannten Hauptketten erfüllt wird.
Jener Grenzkamm streicht zunächst genau nordwärts. Ihm entragen Grauhorn (3260 m), Piz Jut (3128 und 3108 m),
Piz Cassimoi (3126 m), Piz Casinell (3101 m), Plattenberg (3041 m), Vernokhörner (3042 und 3020 m), Piz Terri (3151 m) u. a.,
von welchen namentlich der letztere mit einem kleinen Stab von Trabanten mächtig aus seiner Umgebung herausragt. Auch die
Vergletscherung ist bis hieher eine sehr beträchtliche. Ausser vielen kleinern Eisfeldern sind namentlich
der Lenta- und der Scaradragletscher zu nennen.
Ersterer fällt in prächtigen Stufen vom Rheinwaldhorn genau nach N. Seiner schönen, flachauslaufenden Zunge entspringt
der Valser Rhein. Die Lentalücke (2954 m) verbindet sein Becken mit demjenigen des Rheinwaldfirns. Viel Aehnlichkeit
mit ihm hat der Scaradragletscher, der vom Piz Cassimoi sich nordwestl. ins tessinische Val Scaradra senkt, ein Seitenthal
des Val Blenio. Der nur dann und wann von Touristen benutzte Passo di Sorreda (2770 m) verbindet es mit dem bündnerischen
Lentathal. Noch höher ist der weiter südl. gelegene Gletscherpass des Bocca di Fornei (2879 m), der das
Val Carasina, ebenfalls ein Seitenthal des Val Blenio, wiederum mit dem Lentathal verbindet.
Nördl. von der ungemein wilden und zerrissenen Schiefermasse des Piz Terri nimmt das Gebirge einen sanftern Charakter an;
die Gletscher bleiben zurück, breite, schöne Alpweiden von mässiger Steilheit steigen oft bis auf
die Kämme, und über diese ragen die zahmer gewordenen Gipfel nicht mehr hoch und schroff empor. Doch bleiben die Höhen
bis ans N.-Ende der Kette noch ziemlich beträchtlich: Piz Tgietschen (2858 m), Piz Cavel (2944 m), Piz Grein (2894 m), Piz Val Gronda
(2822 m), Piz Nadels (2793 m), Piz Miezdi (2742 m) etc. Der Kamm kann an beliebigen Stellen überschritten
werden. Die wichtigste Uebergangsstelle ist jedoch der Diesrutpass (2424 m), der das Lugnez mit dem Somvixthal und dem La Greinapass
verbindet.
Von dieser N.-Kette zweigen zwei kurze Aeste nach NO. ab: 1) Der des Piz Mundaun, ein breiter, zahmer Schieferrücken
zwischen Lugnez und Vorderrheinthal, mit sanften Wiesenhängen auf beiden Seiten, deren untere Stufen die zahlreichen, wenn
auch kleinen Dörfer des Lugnez und von Obersaxen tragen. Der Piz Mundaun (2112
m) selber ist ein vielbesuchter Aussichtspunkt,
von dem aus man fast das ganze Vorderrheinthal und Lugnez, die Tödikette und die Adulagruppe in einem
prächtigen Rundgemälde überblickt.
2) Die Kette des Piz Aul zwischen Vrin- und Valserthal, den obern Verzweigungen des Lugnez, ein hohes, wildzerrissenes, teilweise
vergletschertes Gebirgsstück mit mächtigen Gipfelbauten: Scharbodenhorn (3124 m), Frunthorn (3024 m), Piz Aul (3124 m), Piz Regina
(2528 m) etc., unter welchen der Piz Aul durch Höhe und Wildheit ein würdiges Seitenstück zum Piz Terri
bildet. Rechts vom Valserrhein folgen die Auszweigungen der nördl. Rheinwaldkette. Zunächst zwei kürzere, aber hochragende:
die des Lentahorns und des Fanellahorns, zwei prächtige Pyramiden, die zu den schönsten Gestalten der Rheinwaldgruppe gehören.
Ans Lentahorn (3237 m) schliessen sich das Schwarzhorn (3115 m) und das Furketlihorn (3043 m), alle drei
den weiten, schönen Güfergletscher überragend, der, über den Gebirgskamm gespannt, mehrere Zungen sowohl westwärts ins
Lentathal, als ostwärts ins Kanalthal sendet. Den Abschluss dieser vom Güferhorn auszweigenden Kette bildet die kecke Felsnadel
des Zervreilerhorns (2899 m). Schon etwas länger ist die an das St. Lorenzhorn angeschlossene Kette des
Fanellahorns (3122 m), dem das Guraletschhorn (2913 m) und das Ampervreilerhorn folgen.
Der Fanellagletscher gehört zu den grössten Gletschern der Adulagruppe. Ihm enteilt der Peilerbach, ein Zufluss des Valserrheins.
Dieser letztere enthält also die Schmelzwasser von nicht weniger als vier der grössten Gletscher der
Adulagruppe: vom Lenta-, Güfer-, Kanal- und Fanellagletscher und ist dementsprechend eines der kräftigsten Bergwasser Graubündens,
nicht nur länger, sondern auch weit wasserreicher und stärker als der Bach von Vrin, der nur seiner Richtung wegen als Quellarm
des Glenner gelten kann.
Endlich folgen die zwei längern Auszweigungen der nördlichen Rheinwaldkette:
1) Die des Piz Grisch und 2) die schon behandelte des Piz Beverin. Sie schliessen zusammen das Safienthal ein. Jene schliesst
sich an das Bärenhorn an und besteht wie dieses ganz aus Bündnerschiefer. Ihre Hauptgipfel sind das Weissensteinhorn oder
Piz Tomül (2949 m), der Piz Grisch (2862-2846 m) und das Sanina- oder Rieinergebirge: Günerhorn (2842 m),
Piz Sanina (2836 m), Piz Fess (2874 m), Piz Riein (2752 m). Namentlich diese letztere Partie ist ein ungemein wildes und zerrissenes
Gebirge, bes. auf seiner W.-Seite, wo das Rieinertobel vielarmig in den Gebirgskörper einschneidet und alles in Schutt und
Trümmer aufgelöst erscheint. Zahmer ist der im Mittel etwa 2500 m hohe Rücken vom Günerhorn bis zum
Piz Grisch, an dem die Alpweiden bis auf den Scheitel reichen. Doch ist auch hier die W.-Seite durch das Pitascher- und das
Duvinertobel tief gefurcht. Von Touristen wird das ganze Gebiet wenig besucht. Wer ins Bündner Oberland
geht, wendet sich lohnenderen Zielen zu, die ja reichlich vorhanden sind.
mehr
Mehr nur ein Anhängsel an die Adulagruppe ist das Medelser Gebirge, das man nach Lage und Beschaffenheit ebenso gut, nach
dem geologischen Bau besser der Gotthardgruppe zuteilen kann. Es erfüllt den Raum zwischen den Thälern Medels und Somvix
und zwischen den Pässen des Lukmanier und der Greina. Der wasserscheidende Kamm zieht sich mit einigen
Unregelmässigkeiten SW.-NO. Zunächst dem Lukmanier erhebt sich die trotzige, eisgepanzerte Pyramide des Scopi (3200 m) als
Herrscher eines kleinen Gebietes, das durch den Passo Cristallina (2404 m) vom Hauptteil der Medelsergruppe getrennt wird.
Dieser Pass, einer der landschaftlich schönsten des Bündner Oberlandes, zweigt beim Weiler Perdatsch von
der Lukmanierstrasse ab und führt von da auf kürzestem Weg hinüber nach Campo hinten im Val Blenio. Er ist von Touristen,
die tief ins Innere des Gebirges eindringen wollen, dem Lukmanier weit vorzuziehen. Ihn schmückt südl. hart unter der Passhöhe
der prächtige Laco Retico (2378 m). Der Hauptteil der Medelsergruppe ist stark vergletschert, besonders
auf der N.-Seite. Da senkt sich der über eine weite Terrasse ausgebreitete Medelsergletscher nordwestwärts in mehreren,
durch scharfe Felsrippen getrennten Zungen ins Gebiet von Medels, der Lavazgletscher und einige kleinere ins Gebiet von Somvix.
Unbedeutender sind Firn und Eis auf der S.-Seite. Die Hauptgipfel sind, von W. nach O. gezählt: Piz Cristallina
(3129 m), Piz Ufiern (3153 m), Cima Camadra (3175 m), Piz Medel (3203 m);
Piz Gaglianera (3122 m), Piz Vial (3166 m) und Pleunca da Sterls
(2989 m).
Diesem Hauptkamm sind nach N. vorgelagert die kleine Gruppe des Piz Senteri (2952 m), der Piz Muraun
(2899 m) und die Garvera (2371 m), von welchen namentlich die letztere einen herrlichen Blick auf das obere Rheinthal gewährt
und sowohl aus dem Val Medel als aus dem Val Somvix leicht über schöne Alpweiden zu erreichen ist. Einen guten Einblick in den
Hauptteil der Medelsergruppe, insbes. in deren weite Eisreviere, gewährt der Marsch über die Fuorcla de Lavaz
(2509 m) vom hintern Val Somvix oder vom Tenigerbad nach Curaglia im Medelserthal.
Ein kleineres, aber dennoch beträchtliches Gegenstück zum Oberländergebirge bildet das Misoxergebirge, jenes im N., dieses
im S. an den Kern der Adulagruppe sich anschliessend. Die Misoxer Berge bilden drei südwärts verlaufende
Ketten, die das Misox- und das Calancathal einschliessen. Wir können sie als westliche, mittlere und östliche Misoxerkette
unterscheiden. Obwohl die absolute Höhe nur in wenigen Gipfeln 3000 m erreicht oder um etwas übersteigt und die Firn- und
Eisbedeckung gering ist, machen sie doch bei der tiefen Lage der Thäler (Tessin,
Moesa und Mera) den Eindruck hoher,
meist rauher und wilder Gebirge.
Die untern, vielfach durchschluchteten Abhänge sind bis zur Waldgrenze bei etwa 1900-1950 m durchweg sehr steil und unwegsam
und öfters von Felsbändern durchzogen. Darüber folgen nicht gerade sehr ausgedehnte Alpweiden auf Terrassen und
in flachen Mulden, die meist nur auf weitausholenden, steinigen Zickzackwegen zu erreichen sind,
endlich die wildgerissenen,
verwitterten Gräte und Gipfel in vielfach hin und hergewundenen Linien, die weite, hochwandige Bergnischen umschliessen.
Die vielen weit hinziehenden Wände machen mit den zugehörigen Schutthalden aus einiger Entfernung und bei der hellen Beleuchtung
des Südens oft fast mehr den Eindruck eines Kalk- als eines Gneisgebirges. Und dieser Eindruck wird
noch verstärkt durch die Quellenarmut weiter Strecken in den höhern Lagen, was umsomehr auffallen muss, als diese Gebirge
zu den regenreichsten der Alpen gehören. Tiefer unten sind allerdings Quellen und Bäche überreichlich vorhanden; da sprudelt
und rauscht und stürzt es in zahllosen Wasserfällen an allen Ecken und Enden und in allen Formen und Farben durch den Tannenwald
hinunter: ein für Zeichner und Maler unerschöpfliches Gebiet.
Die westlichste der drei Ketten verknüpft sich am Poncione delle Frecione (3199 m) mit dem Kern der Adulagruppe und verläuft
in genau südl. Richtung längs der bündnerisch-tessinischen Grenze. Sie bildet mit der Kette des Piz Terri die längste
rein meridionale Kette im Gebiet der Schweizer Alpen in einer Länge von etwa 60 km vom Vorderrhein bei Truns bis zum Ausgang
des Misox. Die Höhe dieses ganzen langen Gebirgszuges ist durchweg eine sehr beträchtliche, doch steht
die südl. Hälfte darin und mehr noch die Vergletscherung erheblich hinter der nördl. zurück. 3000 m werden da nur von
den zwei nördlichsten Gipfeln überschritten: vom Fil di Rosso (3163 m) und von der Cima dei Cogni (3068 m). Von da nach Süden
hält sich die Gipfelhöhe fast bis ans Ende sehr gleichmässig auf über 2800 bis über 2900 m: Fil di Revio
(2838 m), Pizzo di Pianasso (2834 m), Pizzo di Remia (2915 m), Pizzo delle Streghè (2909 m), Pizzo di Termine (2867 m), Torrone d’Orza
(2948 m). Dann erst sinkt die Höhe rascher: Pizzo di Claro (2719 m) und Pizzo di Molinera (2287 m), zwei
prächtige Aussichtspunkte, von welchen man ausser dem Gebirge auch grosse Teile des Tessinthales, von oberhalb Biasca bis
unterhalb Bellinzona, überblickt.
Die Kette kann an verschiedenen Stellen überschritten werden. Doch kommt nur dem Passo di Giumella (2120 m) einige
Bedeutung zu und auch diesem nur für einen eng begrenzten Lokalverkehr. Er führt auf rauhen Pfaden von Rossa (1100 m) im
mittlern Val Calanca hinüber ins Val Pontirone und durch dieses nach Malvaglia, bezw. Biasca. Seitenzweige hat diese Kette nur
auf der W.-Seite. Deren längste schliessen das Val Pontirone ein. Der südl. endigt mit dem durch den
gewaltigen Bergsturz vom Jahr 1512 bekannten Pizzo Magno.
Die mittlere Misoxerkette geht vom Zapporthorn (3149 m) aus und trennt das Calancathal vom eigentl. Misox. In ihrem nördl.
Teil verläuft sie unter verschiedenen Windungen im ganzen SSO., dann ebenfalls in gerader Linie genau S.
Die Höhe ist erheblich geringer als in der westl. Kette und die Vergletscherung auf die Ansatzstelle beim Zapporthorn bis
zum Pizzo di Muccia (2963 m) beschränkt. Die Gipfel bilden oft, auch wenn sie als Pizzo oder Cima bezeichnet werden, längere,
mehrzackige
mehr
und nach W. oder O. vorspringende Gräte, meist von recht wildem, ruinenartigem Aussehen. Die bedeutendsten sind: Pizzo Rotondo
(2829 m), Cima di Bedoletta (2633 und 2627 m), Cima di Tresculmine (2633 m), Cima di Gangella (2764 m), Fil di Ciaro (2780 m
etc.), Fil di Dragiva (2770 m), Fil di Calvarese (2383 m), Fil di Nomnone (2634 m) und Pizzo di Groven (2693
und 1695 m). Dann senkt sich der Kamm rascher auf 2000 m und endet am Ausgang des Calancathals. Unter den Pässen ist der
wichtigste und bequemste der Passetti (2075 m), dessen Scheitel durch einen kleinen See geschmückt ist.
Er verbindet das Dorf San Bernardino mit dem obersten Teil des Calancathals und überragt das erstere nur um 450 m. Sowohl
für den Lokal- als für den Touristenverkehr kommt er von allen Uebergängen dieser Kette fast allein in Betracht. Ein Parallelpass
dazu ist der nördlicher gelegene und höhere Passo Tre Uomini (2653 m). Südlicher sind erwähnenswert
der Passo di Tresculmine (2153 m) von Mesocco-Cremeo aus und der Passo di Buffalora (2265 m) von Soazza aus hinüber nach dem
Calancathal. Sie sind aber wegen ihrer weit grösseren relativen Höhe (1400 und 1600 m) viel beschwerlicher als der Passetti.
Die östl. Misoxerkette reicht vom Passo di Balniscio (2358 m) im N. bis zum Passo di San Jorio (1956 m)
im S. und verknüpft sich dort mit der Gruppe des Tambohorns, hier mit den Lugarner Voralpen. Sie verläuft auf der bündnerisch-italienischen
Grenze und scheidet die zwei grossen Verkehrslinien des Bernhardins und Splügens. Obwohl diese Kette
nur im Piz Corbet und in der benachbarten Cima di Pian Guarnei, die 3000 m um ein Geringes übersteigt und auch nur wenige Höhen
von 2900 und 2800 m aufweist, erscheint sie doch von den tiefen Thälern aus (von Soazza an abwärts 600-200 und von Chiavenna
an 300-200 m) sehr hoch, steil und rauh, so dass auch die Uebergänge sehr spärlich und wenig leicht
sind.
Auch die kleinen Seitenzweige sind, abgesehen vom südlichen Teil, hoch, steil und wildzerrissen und schliessen nur kurze,
rauhe, in der Entwicklung zurückgebliebene Alpthäler ein, die alle mit engen, spaltenförmigen Schluchten in die
Hauptthäler ausmünden. Als Hauptgipfel mögen genannt werden: Cima di Barma (2861 m), Piz Montagna (2746 m), Cima di Vercönca
(2869 m), Cima die Pian Guarnei (3014 m), Piz Corbet (3025 m), Pizzo Pombi (2971 m), Pizzo del Torto (ca. 2900 m), Pizzo Campanile
(2653 m), Pizzo della Forcola (2590 m), Pizzo di Padion (2633 m), Pizzo di Settagiolo (2567 m), Pizzo di Cresem
(2578 m), Pizzo Campanile und della Paglia (2554 und 2595 m), Gardinello dello Stagno (2379 m) und Cima di Cugn (2237 m) als südlichster
Punkt Graubündens, ferner in den westl. Verzweigungen der mächtige Felsbau des Sasso di Castello (2525
m). Die besten, gangbarsten Pässe, doch natürlich (wie überall im Gebiet der Misoxerberge) nur mit rauhen Gebirgspfaden,
sind der Passo di Balniscio (2358 m) von San Giacomo unterhalb San Bernardino nach Isola, dem ersten Dorf südl. des Splügen,
der Passo della Forcola (2217 m) von Soazza nach Gordona bei Chiavenna, die Bocchetta die Cama (2097 m)
ebenfalls nach Gordona und der Passo di San Jorio (1956 m), der nach Gravedona am Comersee führt und zu dem man schweizerischerseits
gewöhnlich von Giubiasco bei Bellinzona aufsteigt, aber ebenso gut auch von Arbedo und von Roveredo aus aufsteigen kann.
Endlich ist noch eines zwar nicht sehr ausgedehnten, aber in Aufbau und mächtigen Felsformationen doch
imponierenden Gebirgsstückes zu gedenken, das vom Zentralstock der Adulagruppe sich in den Kanton Tessin
erstreckt. Es füllt den Raum
aus zwischen dem Val Malvaglia und dem Val Luzzone und bildet mit seiner westl. Abdachung die linke Flanke
des Bleniothals von Campo bis Malvaglia. Der Hauptteil desselben geht vom Rheinwaldhorn aus und teilt sich am Uomo di Sasso in
zwei Aeste: den nach NW. streichenden zackigen Grat der Colma (mit der Cima di Pinaderio 2488 m) und den nach SW. vorspringenden
und wieder sich teilenden mächtigen Stock des Simano (2842 m), neben vielen andern Gipfeln und Zacken
(2788, 2676, 2583 m etc.). Ein kleinerer Ast mit dem Torrone di Nava (2884 m) streicht vom Piz Cassimoi nach NW., von der Colma
getrennt durch das Val Carasina.
Etwas abgesondert erhebt sich mit schroffen Mauern
der Sosto (2221 m) bei Campo, der aber von O. leicht
über Rasenhänge zu ersteigen ist und einen prachtvollen Blick über das Bleniolhal und gegen den Lukmanier gewährt. Auch
zwei grössere Gletscher gehören diesem Tessinergebiet an: der Brescianagletscher auf der W.-Seite des Rheinwaldhorns, das
auch von dieser Seite bestiegen werden kann, und der schöne Scaradragletscher, dessen mächtige Zunge
zum Piz Cassimoi, Piz Casinell, Piz Sorda und Torrone di Nava hinauf führt.
Touristisch ist das ganze Adulagebirge gut erschlossen, am besten sein zentraler und höchster Teil, alle die Gipfel um den
Rheinwald-, Zapport-, Lenta-, Güfer-, Kanal- und Fanellagletscher, am wenigsten die Misoxerketten. Das Rheinwaldhorn wurde schon 1789 von
Placidus a Spescha von Zapport aus über die Lentalücke erstiegen. 1849 folgte J. J. Weilenmann, 1861 J. Coaz auf dem selben
Weg. Seither sind noch zahlreiche Anstiegsrouten aufgefunden worden, über Rheinwald-, Lenta- und Brescianagletscher, alle
mit verschiedenen Varianten: über NO.-, NW.-, W.- und SO.-Grat und über O.- und W.-Flanke.
Placidus a Spescha hat ausserdem noch viele andre Gipfel und Pässe in diesem Gebiet erstiegen, darunter das Güferhorn, den
Piz Terri, Piz Cristallina, Scopi etc. und muss überhaupt als der Begründer der Orographie und Topographie des Bündner Oberlandes
und als einer der ersten und tüchtigsten Pioniere der Alpenkunde und des Bergsteigens bezeichnet werden.
Zu den ersten und erfolgreichsten Erschliessern der Adulagruppe gehören ausser den oben genannten auch Alb. Hoffmann-Burckhardt,
L. Held, E. Calberla, L. Darmstädter, Dr. Törger und die Engländer D. W. Freshfield, J. D. Walker, M. Beacheroft, A. W.
Moore, H. B. George, F. Morshead und vor allem W. A. B. Coolidge, dessen The Adula Alps (ein Bändchen in
Conway and Colidges Climber’s Guides) noch immer der vollständigste und beste Führer für das gesamte Gebiet der Adulagruppe
ist. 1865 war das Medelsergebiet, 1872 das Rheinwaldgebirge und 1874 das Bündner Oberland offizielles Exkursionsgebiet des
Schweizer Alpenklub.
Damals entstanden die Itinerare von Theobald für das Medelsergebirge, von Rütimeyer für das Rheinwaldgebirge
und von Coaz für das Bündner Oberland, die alle drei auch jetzt noch sehr wertvoll sind. Die Jahrbücher des S. A. C. aus
der damaligen Zeit (bes. die Bände 3, 8 und 10) enthalten zahlreiche Aufsätze und Berichte, teils touristischen,
teils wissenschaftlichen Inhalts aus den drei Gebieten, die auch in spätern Bänden bis in die Gegenwart noch manche Ergänzungen
erhalten haben. Als grössere Arbeiten seien speziell noch erwähnt die von Dr. Jörger im Jahrbuch des S. A. C. 31 und 32:
Aus dem Adulagebiet und aus dem Valserthal und von Dr. Darmstädter in der Zeitschrift des Deutschen undOesterreichischen Alpenvereins 24: Aus einem vergessenen Exkursionsgebiet des Schweizer Alpenklub (dem Adulagebiet).
Durch die neuliche Entwicklung der Eisenbahnen und des Fremdenverkehrs ist das gesamte Adulagebiet sehr viel leichter zugänglich
geworden als es noch Ende des vorigen Jahrh. war. Insbesonders Ilanz, Thusis, Misox und Biasca erscheinen
als die vorgeschobensten Stationen für dieses Gebiet. Die tiefeindringenden Thäler Rheinwald, Safien, Lugnez, Vals, Somvix, Medels,
Blenio, Misox und Calanca bieten in ihren Dörfern fast überall gute Unterkunft, manchmal auch in hochgelegenen Alphütten.
Dagegen gibt es bis jetzt immer noch bloss eine einzige alpine Unterkunftshütte, die Zapporthütte (2320
m) auf einer Terrasse über dem Ursprung des Hinterrheins.
Die gründlichste geologische Bearbeitung hat das Gebiet gefunden in Albert Heims Geologie der Hochalpen zwischen Reuss und
Rhein (in den Beiträgen zur geolog. Karte der Schweiz. 25. Lieferung. Bern
1891). Einen kurzen Ueberblick gibt der Artikel Graubünden
dieses
Lexikons, ferner der geologische Teil des Artikels Schweiz, der unser Gebiet auch in das Licht der neuen Deckfaltentheorie
rückt.