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Stimmen auf sich vereinigte, griffen die Luzerner Freisinnigen zur Gewalt und suchten in zwei Freischarenzügen, für die sie namentlich aus dem Aargau Zuzug erhalten hatten, die luzernische Regierung zu stürzen und Beide misslangen. Angesichts dieser Ereignisse hatten sich die katholischen Kantone zum Sonderbund zusammengetan, dessen Aufhebung zwar sofort an der Tagsatzung verlangt, aber nicht beschlossen wurde. Erst im Sommer 1847 gab es eine Mehrheit für Auflösung des Sonderbundes und Ausweisung der Jesuiten. Beides musste dann durch Waffengewalt erzwungen werden (Sonderbundskrieg). Die bedeutenden Männer des Aargaus aus dieser Zeit sind: Reg.-Rat. Franz Waller aus Zug (1803-1879), Reg.-Rat, Oberst und Bundesrat Fr. Frey-Herosé von Aarau (1801-1873), Reg.-Rat Fidel Jos. Wieland aus Rheinfelden (1797-1852), Reg. Rat und Oberst Friedr. Siegfried von Zofingen (1809-1882), Seminardirektor Augustin Keller von Sarmenstorf (1805-1883).
Die Errichtung der Bundesverfassung von 1848 machte auch neue kantonale Verfassungen nötig. Allein die tiefe Kluft, welche die Ereignisse des letzten Jahrzehnts im Kanton Aargau gerissen hatten, erschwerte die Verfassungsrevision ausserordentlich. Dreimal verwarf das Volk den Entwurf, bis der vierte 1852 die Gnade beim Volke fand; es ist dies die fünfte aargauische Verfassung. Neu war das Recht des Volkes, die Abberufung des Grossen Rates zu beschliessen, das Recht der Initiative für Gesetzesänderungen und die Einführung der Schwurgerichte.
Immer noch bestand die Parität für Regierung und Obergericht. Aus dieser Zeit stammen eine Reihe vortrefflicher Gesetze. Es wurde die aargauische Bank geschaffen, namentlich unter der Förderung durch Nat.-Rat Feer-Herzog. Aus der Verfassungsrevision von 1862/63 seien erwähnt: Wegfall der zehnjährigen Verfassungsdauer;
die Revision kann jederzeit stattfinden;
Veto gegen Gesetzesbeschlüsse und gegen Beschlüsse, deren finanzielle Bedeutung eine Million übersteigt.
Damals regte die Frage der Judenemanzipation die Gemüter auf. Bis jetzt hatten die Juden in Lengnau und Endingen keine politischen Rechte. Ein Bundesgesetz von 1856 sprach ihnen solche im Grundsatz zu und der aargauische Grosse Rat erliess 1862 ein Gesetz, das die beiden Judenkorporationen zu Ortsbürgergemeinden, die Juden zu Kantonsbürgern erhob. Dagegen erhob sich ein grosser Sturm; der Grosse Rat wurde abberufen und ein neues Judengesetz, das die politische Gleichberechtigung nicht enthielt, angenommen. Gegen dieses bundesrechtswidrige Gesetz schritten Bundesrat und Bundesversammlung ein, und nun mussten sich die Aargauer fügen.
Seit 1869 bestand die Volkswahl der Bezirksbeamten, seit 1870 das obligatorische Finanzreferendum für einmalige Ausgaben über 250000 Fr. oder periodische über 25000 Fr. Aus diesen Zeiten sind zu nennen: Reg.-Rat und späterer Bundesrat Emil Welti aus Zurzach (1825 bis 1899), Reg.-Rat und Oberst Samuel Schwarz von Mülligen (1814-1868);
auch Augustin Keller sass jetzt in der Regierung;
Nat.-Rat Karl Feer-Herzog von Aarau (1820-1880);
Jakob Frey von Gontenswil (1824-1875), Dichter.
Der Kulturkampf der 70er Jahre brachte im Aargau den Bruch zwischen staatlichen und kirchlichen Behörden, bis 1884 ein neuer Vertrag die Diözesenangelegenheit regelte und 1885 die aarg. katholische Kirche ihre Synode erhielt. In diesem Jahr 1885 wurde die letzte (sechste), jetzt noch gültige Verfassung geschaffen. Es ist daraus zu erwähnen: Erleichterung der Initiative;
Erweiterung des Referendums;
Kompetenz des Grossen Rates zum Bezug einer halben Staatssteuer;
Reduktion der Zahl der Mitglieder des Regierungsrates auf fünf;
die Parität ist abgeschafft, dagegen eine Vertretung der politischen Minderheit in der Regierung gesetzlich festgelegt;
Obligatorium der Wahlen und Abstimmungen.
Unter den Veränderungen, die seither stattgefunden haben, sollen genannt werden: 1903 Volkswahl der Regierungs- und der Ständeräte;
1905 Abschaffung der sog. Referendumsgemeinden (Gemeindeversammlungen, in denen die Bürger vor einer kantonalen Abstimmung über den Gegenstand aufgeklärt werden sollten).
1903 feierte der Kanton in Aarau ein glänzendes Fest zur Erinnerung an den 100jährigen Bestand.
Hervorragende Männer der letzten Periode: General Hans Herzog von Aarau (1819-1894), Oberst Emil Rothpletz von Aarau (1824-1897), Ständerat und Oberst Olivier Zschokke von Aarau (1826-1898), Ständerat Johann Haberstich von Entfelden (1823-1890), Oberst Aug. Rudolf von Rietheim (1834-1899), Oberst Arnold Künzli von Riken (1834-1908), Nationalrat Erwin Kurz von Aarau (1846-1901), Adolf Stäbli von Brugg, Maler (1842-1901.)
[Dr. Ernst Zschokke.]
Bibliographie.
Fr. X. Bronner. Der Kanton Aargau. 2 Bd. Sankt Gallen und Bern, 1844. - J. Müller. Der Aargau. 2 Bd. Zürich und Aarau 1870-71. - Ernst Zschokke. Die Geschichte des Aargaus, histor. Festschrift für die Centenarfeier 1903. Aarau 1903. - W. Merz. Die mittelalterlichen Burganlagen und Wehrbauten des Kantons Aargau, Aarau 1904-1906. - W. Merz und Mitarbeiter. Bilderatlas zur aarg. Geschichte, Aarau 1908. - Argovia, Jahresschrift der histor. Gesellschaft des Kantons Aargau. 41 Bde. und Taschenbücher, Aarau 1860-1909. - A. Wind, Pfarrer. Geschichte des Kantons Aargau, Baden 1903.