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beständig zurück. Am Hallwilersee ist diese Flora am Ausfluss längs des Aabaches noch in einem ziemlich grossen Gebiete enthalten; wenn dieser See aber, wie von verschiedenen Seiten befürwortet wird, tiefer gelegt werden sollte, ist ein grosser Teil der aargauischen Sumpfflora dem Untergang geweiht. Seltene und merkwürdige Typen dieser Gegend sind: Drei Sonnentauarten (Drosera rotundifolia, D. anglica, D. intermedia), das Sumpfläusekraut (Pedicularis palustris), zwei Wasserschlaucharten ( Utricularia vulgaris und U. minor), das Sumpfknabenkraut (Orchis palustris), die Blütenschraube (Spiranthes aestivalis), die Zwiebelorche (Sturmia Loeselii), sowie viele Seggen und Binsenarten; unter letzteren die seltene Simse (Juncus diffusus).
Dem grossen Bünzermoos, das ebenfalls entwässert werden soll, sind viele bekannte Sumpfpflanzen eigen, die nur in Torfmooren vorkommen. Von den gewöhnlichen Arten bilden viele, z. T. seltene Seggen, Binsen und Rohre grössere Bestände, namentlich stellt Phragmites communis oft eigentlichen Rohrwald vor, in dem nur wenige andere Arten in kleinen Horsten enthalten sind, darunter der mäusegraue Rohrkolben (Typha Shuttleworthii). Dann wachsen im Bünzermoos, wie auch in andern Torfmooren, folgende Sumpfpflanzen: Zwei Hahnenfussarten (Ranunculus Lingua und R. flammula), das Sumpfveilcnen (Viola palustris), die Sumpfparnassie (Parnassia palustris), das Sumpfsiebenfingerkraut (Comarum palustre), die Sumpfbeere (Oxycoccos palustris), das Poleiblatt (Andromeda polifolia), der Sumpfenzian (Gentiana asclepiadea), das Schmeerkraut (Pinguicula vulgaris), zwei Igelkolben (Sparganium ramosum und Sp. simplex), die Sumpfwurz (Epipactis palustris), der Sonnentau (Drosera rotundifolia), der Sumpfschildfarn (Aspidium Thelypteris) und alle die gewöhnlichen Sumpfpflanzen. In diesem Moose befindet sich auch der einzige Standort herwärts der Alpen des im ganzen seltenen Traubenfarns (Osmunda regalis).
Längs der Reuss finden sich oberhalb Bremgarten noch viele versumpfte Stellen, wo die sibirische Schwertlilie (Iris sibirica) in Menge wächst und in Tümpeln auch der Froschbiss (Hydrocharis Morsus ranae) seine runden Blätter auf der Wasserfläche ausbreitet.
In den Altwässern der Aare unterhalb Aarau findet man die seltene untergetauchte Wasserfeder (Hottonia palustris), die quirlig-traubige, rötliche Blütenstände über die Wasserfläche erhebt. Im Hallwilersee ist für den Kanton Aargau der Hauptbestand der beiden Seerosen (Nymphaea alba und Nuphar luteum) enthalten. Beiden ist im Seethal seitens von Vereinen, welche namentlich die weisse Seerose als Wahrzeichen auf Feste mitnehmen, von Schulen und Liebhabern so viel Aufmerksamkeit geschenkt worden, dass man die aargauische Naturschutzkommission um Abhilfe von Uebelständen anrief, welche den Bestand dieser schönen Wasserblumen gefährden könnten. Beide Seerosenarten kommen auch anderwärts im Aargau in Weihern und Tümpeln vor, wo sie in den meisten Fällen von Pflanzenfreunden eingepflanzt worden sind, so in mehreren Weihern im Bezirk Zofingen.
In allen kleinern stehenden oder langsam fliessenden Gewässern wuchert im Sommer der Wasserhahnenfuss (Ranunculus aquatilis), der da, wo er sich ungestört entwickeln kann, oft eine verhältnismässig grosse Wasserfläche besetzt hält und sie mit seinen kleinen, blendend weissen Blüten, die einzig über die Oberfläche hervorragen, dicht überstreut. Auch das Tausendblatt (Myriophyllum spicatum und M. verticillatum) macht sich an solchen Stellen bemerkbar. In der Suhr, deren altes Bett viele versumpfte Stellen bildet, die viele der schon genannten Sumpf- und Wasserpflanzen beherbergen, entwickelt sich das merkwürdige Hornblatt (Ceratophyllum demersum) zu einer eigentümlichen Form, indem die Pflanze, die aus dem Sempachersee stets wieder hergeschwemmt wird, in dem ziemlich rasch fliessenden Wasser langgezogene Rasen und Wedel bildet, statt (wie in stehenden Gewässern) grosse untergetauchte Wolken.
Der Wasserstern (Callitriche vernalis), sonst ebenfalls eine untergetauchte Wasserpflanze vieler Tümpel, bildet im Boowald und im Unterwald Zofingens in feuchten Waldungen oft förmliche Rasen an Stellen, die hie und da nach Regenwetter mit einer dünnen Wasserschicht bedeckt sind, meistens aber trocken liegen. An den gleichen Stellen treten auch Sumpfknötericharten in grosser Menge auf.
Hie und da findet man im Bezirk Zofingen in den Jaucheansammlungen um den Mist eines Bauernhauses die höckerige Wasserlinse (Lemna gibba) und in kleinen Waldweiherchen der Gemeinde Vordemwald die Stielwasserlinse (Lemna trisulca). Auch der Kalmus (Acorus Calamus) findet sich im Bezirk Zofingen in vielen kleinen Weiherchen bei Bauernhäusern, ebenso in einem Bache bei Zofingen der Teichfaden (Zanichellia palustris). In einem kleinen Torfmoor bei Rohrbach fanden wir in den 1880er Jahren den seltenen Bärlapp (Lycopodium inundatum). Auch bei Behandlung der Sumpfflora wurden
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lange nicht alle Arten berücksichtigt. Diese Flora ist mehr gefährdet und im Rückgang begriffen, als die andern Abteilungen unsrer Flora, weil die Sümpfe entwässert und zu Kulturland gemacht werden. Es wäre eine verdienstliche Aufgabe der in allen Kantonen neu entstandenen Naturschutzkommissionen, grössere Stellen, die noch Kolonien der selteneren Sumpfpflanzen beherbergen, in Schutz zu nehmen.
Die grossen Wälder des aargauischen Molassehügellandes beherbergen wieder eine eigene Flora im lichten Walde, an abgeholzten Stellen und am Rand des Waldes. Die forstwirtschaftlich sorgfältig besorgten Waldungen bestehen aus Rottannen, Weisstannen, Lärchen, Kiefern, Buchen und Eichen; auch Birken und Erlen sind eingestreut. Sie werden durch natürliche Verjüngung erzogen, wodurch den kleinen Waldpflanzen eher eine Existenz geboten wird, als das bei der alten Methode mit Kahlschlagbetrieb der Fall war. Im ersten Frühling erfreuen uns im Wald die Windröschen (Anemone nemorosa), deren weisse, oft rötlich angelaufene Blüten meist grosse Flächen überdecken; seltener ist das gelbe Windröschen (Anemone ranunculoides) und das Leberblümchen (Anemone hepatica), welche beiden mehr im östl. Teile des Kantons vorkommen.
Auch der Sauerklee (Oxalis acetosella) bedeckt oft grosse Stellen des Waldbodens mit seinen saftiggrünen Blättern und den zartweissen Blüten. An andern etwas feuchten Stellen wachsen grosse Bestände des Springkrautes (Impatiens noli tangere), und in den letzten Jahrzehnten hat das früher in unserer Gegenden fehlende, sehr seltene kleine Springkraut (Impatiens parviflora) seinen Einzug gehalten. Gar vielerlei Pflanzen, Kräuter und Unkräuter beherbergt der Wald noch an günstigen Stellen, während im dichten geschlossenen Waldbestand fast keine kleinern Pflanzen zu finden sind.
Auf Stellen, wo das Holz noch nicht lange geschlagen wurde, erscheint, alles überwuchernd, ein Feld von Waldweidenröschen (Epilobium spicatum), das durch die vielen Blütenähren von Weitem rot aufleuchtet, im Herbst aber in Menge die mit weisser Wolle versehenen Samen ausschickt. Im lichten Wald blühen im Frühling die Frühlingswalderbse und die knollige Walderbse (Lathyrus vernus und L. montanus), der Bergklee (Trifolium montanum), das Hexenkraut (Circaea Lutetiana), die weissblühende Rapunzel (Phytheuma spicatum), mehrere Wintergrünarten (Pirola secunda, P. media, P. minor, P. rotundifolia), das blattlose und farblose Ohnblatt (Monotropa hypopitys), der Hain-Ampfer (Rumex nemorosus); dann von Orchideen die schöne rote Cephalanthera rubra, die Sumpfwurz (Epipactis latifolia und E. atrorubens), das Zweiblatt (Listera ovata), die auf Wurzeln und moderndem Laub schmarotzende Nestwurz (Neottia nidus avis). Am Wegbord im Wald nicken auf langen, schlanken Stengeln die roten Blüten des Hasenlattichs (Prenanthes purpurea), das Waldhabichtskraut (Hieracium murorum), die grossblumigen Glockenblumen (Campanula persicifolia und C. Trachelium).
Auf einem verborgenen Waldweg im Zofinger Bannwald kommt das sehr seltene wollblättrige Habichtskraut (Hieracium lycopifolium) vor. Grosse Komplexe im Walde werden bedeckt von der Heidelbeerstaude (Vaccinium myrtillus) und vom Haidekraut (Calluna vulgaris), das im Herbst seine lieblichen roten Blütensträusse entwickelt. Auch die beiden Seggen (Carex brizoides und C. silvatica) nehmen grosse Flächen ein; erstere wird im Grossen gesammelt und dient als «Lische» zum Füllen von Matratzen. Auch die Erdbeeren (Fragaria vesca) und die Himbeeren und Brombeeren (Rubus Idaeus, R. caesius und R. fruticosus) werden gesammelt und bieten während der Fruchtreife armen Leuten nicht unbedeutenden Erwerb.
Auf feuchten, wenig begangenen Waldwegen und deren Umgebung trifft man nicht häufig die weissen Blütenkolben und später die grossen Blätter der weissen Pestilenzwurz (Petasites albus), den ziemlich seltenen Bergehrenpreis (Veronica montana) und die noch selteneren zwei Hexenkräuter (Circaea intermedia und C. alpina). Letztere Pflanze ist im Zofinger Bannwald, wo sie auf einer alten Grundmoräne wächst, als Relikt aus der Gletscherzeit zu betrachten.
Noch sind zu erwähnen der am Abhang von Schluchten und an andern geeigneten Stellen Horste bildende Adlerfarn (Pteris aquilina) und einige weitere Farne, welche den Rand der die Waldschluchten durchfliessenden Bächlein zieren (Anthyrium Filix femina, Aspidium montanum, A. spinulosum, A. Filix mas u. a.). Die erratischen Blöcke, die nicht selten in diesen Schluchten liegen, sind oft verziert mit kleinen Farnkräutern, wie Asplenium Ruta muraria, A. Trichomanes, Phegopteris Dryopteris. Auf faulenden Baumstrünken wächst das Engelsüss (Polypodium vulgare) und in den kleinen Sümpfen, die vom Waldbächlein gebildet werden, der Fluss-Schachtelhalm (Equisetum Telmateja), und der Winterschachtelhalm (Equisetum hiemale), daneben das grossblumige Weidenröschen (Epilobium hirsutum) und etwa auch der Aronsstab (Arum maculatum).
Wo Waldwiesen oder an den Wald stossende unbebaute Plätze existieren, kommen eine Anzahl Orchideen vor, das männliche Knabenkraut (Orchis mascula), das seltene purpurne Knabenkraut (Orchis purpurea), das Helmknabenkraut (Orchis militaris), das gefleckte Knabenkraut (Orchis maculata), der langspornige Nacht-Drüsenständel (Gymnadenia conopsea), das zweiblättrige Breitkölbchen und das Bergbreitkölbchen (Platanthera bifolia und P. montana). Auf dem «Heiternplatz» bei Zofingen kam bis 1900 der Herbstdrehling (Spiranthes autumnalis) vor.
Der Waldsaum wird gebildet von vielerlei Straucharten, vom Pfaffenhütchen (Evonymus europaeus), Liguster (Ligustrum vulgare), Weissdorn (Mespilus oxyacantha), von der Hagrose (Rosa arvensis), der Traubenkirsche (Prunus padus) und vor allem vom Haselstrauch (Corylus Avellana). Im Mai entwickelt an diesen Orten der Bocksbart (Spiraea Aruncus) seine mächtigen Blütenbüschel, ebenso in einigen Gegenden der immergrüne Besenstrauch (Sarothamnus scoparius). Im Bezirk Zofingen haben die Jäger durch massenhaftes Aussäen von Samen letztern Strauch eingebürgert, der im Winter den Hasen zur Nahrung dienen soll. Weiter im Innern des Waldes wächst unter dem Schutze der alten Buchen die ebenfalls immergrüne Stechpalme (Ilex aquifolium).
Ein floristisches Unikum besitzt der Aargau in dem Alpenrosenhorst bei Schneisingen, bestehend aus
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Rhododendron ferrugineum. Es ist dies eine Kolonie von Alpenrosen mitten im Wald. Um sie zu schützen und zu erhalten, ist sie vor Jahren von der aargauischen Naturforschenden Gesellschaft angekauft und eingefriedigt worden. Die Kolonie bedeckt etwa eine Bodenfläche von 20 m2 und stellt wahrscheinlich ein Relikt aus der Glazialzeit vor.
Zum Schluss kommt noch die Flora der aargauischen Thäler zur Sprache. Die angebauten Wiesen enthalten neben den Hauptpflanzen, einer grossen Anzahl Gräser, auch noch je nach der Jahreszeit ihre Charakterpflanzen, die ihnen eine weithin erkennbare Färbung geben. Da öffnet im Frühling zuerst der Löwenzahn (Taraxacum officinale) seine Blüten, und die ganze Pflanzendecke erscheint tief dottergelb. Später ist Blauviolett oder Lila die vorherrschende Farbe, herrührend vom Wiesenschaumkraut (Cardamine pratensis) und noch später übernimmt die Kuckuckslichtnelke (Lychnis flos cuculi) die Färbung; die Wiesen erscheinen dann rot. Dann sieht man rot und weiss blühende Kleefelder, und so könnte man den Turnus noch weiter führen bis zum Herbst, wo die Wucherblume (Chrysanthemum Leucanthemum) mit ihren grossen weissen Strahlenblumen mit gelber Mittelscheibe die Führung hat.
Auch das Getreide hat seine Charakterpflanzen. Während des Wachstums bringt die Klatschrose (Papaver Rhoeas) mit ihren grell dunkelroten Blüten Farbe in die Felder, in geringerem Masse die violettrot blühende Kornrade (Agrostemma Githago) und die azurblaue Flockenblume (Centaurea Cyanus). Leider beteiligen sich auch minder schöne und lästigere Unkräuter an den Getreidefeldern, so die gelbe Gänsedistel (Sonchus arvensis) und die rötliche Felddistel (Cirsium arvense).
Auch einige hochwachsende Gräser wohnen im Getreide, so die Getreidetrespe (Bromus secalinus), die Sammettrespe (Bromus velutinus) und der Windhalm (Agrostis Spica venti). Nach der Ernte erscheinen in den Stoppelfeldern ganz andere Pflanzen, wie z. B. der Bauernsenf (Iberis amara), die Haftdolde (Caucalis daucoides), der Breitsame (Orlaya grandiflora) und der weidenblättrige Lattich (Lactuca saligna). Bei Boswil hat sich auch der seltene Mäuseschwanz (Myosurus minimus) eingestellt.
Neben den kultivierten Feldern gibt es aber doch noch Stellen im Gelände, wo sich eine freie Flora entwickeln kann. Dazu gehören die Ufer der kleinen Flüsse, welche die Thäler durchfliessen und diesen meistens auch den Namen geben. Da sieht man Bestände von Sträuchern, namentlich Weiden-Hornstrauch (Cornus sanguinea) u. a., sowie auch einzelne Bäume, wie Erlen, Eschen und Eichen, welche in dichtem Bestände das Ufergebüsch bilden. Darin wachsen wieder einige Charakterpflanzen.
An der Wigger z. B. blühen die Wiesenraute (Thalictrum aquilegifolium), der Pastinak (Pastinaca sativa), das Seifenkraut (Saponaria officinalis). Auch die beiden Waldnelken siedeln sich gerne am Flussborde an, die weissblühende Melandrium vespertinum und die dunkelrotblühende Melandrium diurnum. Auf den grossen Ruinen der Uferbauten haben sich der Mauerpfeffer (Sedum acre), das Hungerblümchen (Erophila verna) und oft auch der dreifingerige Steinbruch (Saxifraga tridactylites) eingefunden. Im Wiggerthal kommt die Ufernelkenwurz (Geum rivale) mit ihren schönen rötlich-gelben, nickenden Blütenköpfchen nicht vor, wohl aber im benachbarten Uerkenthal, wo sie mit der dunkelrot leuchtenden Tags-Lichtnelke (dem schon erwähnten Melandrium diurnum) weithin sichtbare rote Uferstellen bildet.
Eine Pflanze, die im Bezirk Zofingen nicht vorkommt, im östl. Kantonsteile aber stellenweise häufig ist, z. B. an Waldrändern, Eisenbahndämmen und ähnlichen Orten ist der geflügelte Ginster (Genista sagittalis); auch den deutschen Ginster (Genista germanica) findet man nur im östl. Teil des Kantons, z. B. im Bezirk Baden. Ueberall, wo sich zwischen den durch die Kultur besetzten Stellen noch unbenützte Plätze und Plätzchen finden, drängt sich die frei wachsende Flora hervor.
Solche Stellen sind z. B. ein mit der grasförmigen Sternmiere (Stellana graminea) übersponnenes Wegbord;
eine mit dem rosmarinblättrigen Weidenröschen (Epilobium rosmarinifolium) rot oder mit der Nachtkerze (Oenothera biennis) gelb geschmückte, verlassene Kiesgrube;
ein mit einem Bestande von Kandelabern der Königskerze (Verbascum nigrum, V. Thapus, V. Lychnitis) oder mit Färberwaid (Isatis tinctoria) versehenes Eisenbahnbord;
ein Schutthaufen, auf dem sich einige Stöcke der an die Kaktuspflanzen des Südens erinnernden Eselsdistel (Onopordon Acanthium), oder ein Gebüsch von grossen Kletten (Lappa officinalis), die unsere Kleider unliebsam zusammenkleben, angesiedelt haben.
Ueberall erobert sich die Natur noch ein Plätzchen, wo sie ihre Pflanzen anbringen kann, und auch der Botaniker noch einige Freude erlebt.
5. Die Fauna
des Aargau ist im Allgemeinen die gleiche, wie die des ganzen schweizerischen Mittellandes mit Inbegriff des Juras und weist nur wenige besondere Eigentümlichkeiten auf. In Bezug auf grössere Wirbeltiere ist sie arm zu nennen. Die jagdlichen Verhältnisse der Schweiz sind für die Erhaltung eines grösseren Jagdwildstandes, wenn ihn die örtlichen Verhältnisse erlauben würden, nicht günstig; sie sind im Aargau immerhin etwas günstiger, weil hier die Jagd revierweise verpachtet wird, wobei ein Wildstand noch eher aufkommen kann, als bei dem in den meisten Kantonen üblichen Vergeben von Jagdbewilligungen durch Patente, durch welches einer unerbittlichen Konkurrenz und einem Ausrottungskriege gegen das Jagdwild Vorschub geleistet wird. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts waren im Aargau nur ausnahmsweise grössere wilde Säugetiere anzutreffen; zur Seltenheit hörte man etwa einmal von einem verlaufenen Wildschwein (Sus scrofa) oder von einem ebensolchen Reh (Cervus capreolus).
Gegenwärtig hat sich der Rehstand etwas gehoben, indem es jahrelang verboten war, Rehgeissen zu erlegen. Auch konnte nach dem deutsch-französischen Kriege eine Vermehrung konstatiert werden durch Rehe, die vor dem Kriegslärm flohen und in unser Land einzogen. Im Frickthal hat sich dieses zierliche Tier namentlich angesiedelt und vermehrt, und die dortigen Reviere werfen deshalb einen höhern Ertrag ab als andere, wo diese Wildart nur in geringer Zahl vorhanden ist und Mühe hat, fortzukommen. Mit den zahlreichen Wildschweinen, die während des Krieges in die Schweiz verdrängt worden waren und von denen an verschieden Stellen des Aargaus ganze
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Rudel auftraten, ist man aber abgefahren. Heute existieren im Kanton wohl keine solche mehr.
Ausserdem sind die grösseren Jagdtiere von heute der Dachs (Meles taxus), der Fuchs (Canis vulpes) und der Hase (Lepus timidus). Letzterer bildet das Hauptjagdwild, für dessen Erhaltung der Jäger am meisten besorgt ist und dem zu Liebe dem Fuchs und dem Dachs mehr als nötig und oft auf unwaidmännische Art (wie durch Giftlegen) zugesetzt wird. Diese beiden Tiere verschwinden in Folge dessen in unseren Wäldern mehr und mehr. Dafür stellen sich die viel gefährlicheren verwilderten Hauskatzen (Felis domestica) ein.
Die Wildkatze (Felis catus) war Anfangs der 1880er Jahre im Rheinfelder Revier in einer ziemlichen Kolonie vertreten, und es wurden dort alljährlich Exemplare erlegt. An der schweizerischen Landesausstellung in Zürich 1883 war eine Gruppe von sechs ausgestopften Wildkatzen ausgestellt, die alle aus diesem Reviere stammten, und in Zofingen befinden sich zwei Exemplare von dort. Das eine davon, ein trächtiges Weibchen, wurde im Jahr 1883 erlegt und es ist wahrscheinlich, dass mit diesem die dortige Wildkatzenkolonie ihren Abschluss fand.
Von andern Säugetieren sind noch die Marder, Iltisse und Wiesel zu erwähnen. Der Edelmarder (Mustela martes) haust noch in den grossen Waldungen, der Hausmarder (Mustela foina), sowie der Iltis (Putorius foetidus) in der Nähe menschlicher Wohnungen. Ihnen allen wird sowohl wegen ihren Räubereien, als auch wegen ihres kostbaren Pelzwerkes scharf nachgestellt, so dass sie nicht zu den häufigen Erscheinungen gerechnet werden können. Am häufigsten wird noch der Iltis erlegt. Auch das grosse Wiesel (Putorius ermineus), ein energischer Mäusejäger, wird gefangen und erlegt, da es auch etwa in Baumgärten Vogelnester ausraubt. Das kleine Wiesel (Putorius vulgaris) ist selten und daher weniger bekannt. Wo es häufiger ist, hat es vom Volke wegen seines dünnen, langgezogenen Leibes und seiner Schlankheit den Namen «Därmli» bekommen.
Eine Gruppe der zierlichsten Waldtiere bilden das Eichhörnchen (Sciurus vulgaris), das den Beobachter mit seinem muntern Wesen und seinen Kletterkünsten erfreut, dann der Siebensschläfer (Myoxus glis), ein Nachttier, das oft auf Rechnung des Eichhörnchens sündigt, indem es in der Nacht Aepfelbäume plündert, von den Aepfeln aber nur die Kerne frisst. Die zerfressenen Aepfel, die man Morgens unter den Bäumen findet, werden meistens den Eichhörnchen aufs Kerbholz geschrieben. Das dritte Mitglied dieser Gruppe ist das niedliche Haselmäuschen (Muscardinus avellanarius), das häufig in Gefangenschaft gehalten wird, wo es aber selten lange am Leben bleibt. Der Igel (Erinaceus europaeus) ist leider beim Landvolk ein Objekt des Aberglaubens und beim fahrenden Volk eine begehrte Delikatesse; er wird aus beiden Ursachen gesucht und getötet und ist leider schon ziemlich selten geworden.
Dem Fischotter (Lutra vulgaris), der um die Mitte des 19. Jahrhunderts häufiger auftrat und an den Flüssen, namentlich an der Aare, dem Fischbestand schadete, ist so energisch der Krieg erklärt worden, dass er gegenwärtig eine Seltenheit geworden ist. In den letzten Dezennien wurden von den Gebrüder Baur in Aarburg 63 Stück gefangen.
Von den kleinen Säugetieren, den kleinen Nagern und Insektenfressern, sind die Rattmäuse und Hausmäuse, sowie die in Wald und Feld oft in grossen Mengen auftretenden Feld- und Wühlmäuse, der Maulwurf und die Spitzmäuse dem Landmann nur zu gut bekannte Erscheinungen. Von der Wühlmaus (Arviocola amphibius) und dem biedern, vom Landwirt immer noch verkannten Maulwurf (Talpa europœa) treten oft weisse Varietäten auf, ebenso isabellgelbe Maulwürfe mit orangegelben Rüsseln. Diese geben den Mausern Anlass zu Aberglauben.
Dies Volk der Kleinen, das zum grossen Teil unterirdisch lebt, kann sich noch am besten erhalten und tritt oft in solchen Mengen auf, dass man sich seiner mit Gewaltmitteln erwehren muss.
Noch sind zu erwähnen die Fledermäuse. Die häufigsten sind die Ohrenfledermaus (Plecotus anritus) und die gemeine Fledermaus (Vespertilio murinus), welche unbetretene, dunkle Räume alter Gebäude bewohnen; dann die grosse und die kleine Hufeisennase (Rhinolophus ferrum eguinum und hippacrepis), die in Gesellschaft in Höhlen im Walde und an ähnlichen Orten leben. Im Wiggerthale ist die sonst ziemlich seltene Mopsfledermaus (Synotus barbastellus) häufig.
Die Vögel stellen zur aargauischen Fauna ein viel grösseres Kontingent, sowohl in Bezug auf die Anzahl der Arten, als auch namentlich auf die Individuenzahl. Von den etwa 358-360 bis jetzt in der Schweiz beobachteten Vogelarten gehören nicht weniger als 233 der aargauischen Fauna an. Davon nisten aber nur etwa 170 Arten bei uns. (Franz Xaver Bronner gibt im Jahr 1844 178 Arten als im Kanton Aargau wild vorkommend an).
Die Singvögel und kleinern Vögel überhaupt geniessen beim Publikum grosse Sympathie, und die Sitte des Fütterns der Vögel im Winter hat zu Stadt und Land Platz gegriffen und viel zur Erhaltung und Vermehrung des fröhlichen Völkleins beigetragen.
Von der grossen Ordnung der Sperlingsvögel seien nur einige der seltenern und interressantern erwähnt. Der Zaunammer (Emberiza cirlus) ist in den letzten Jahren etwas häufiger aufgetreten, als früher. Rohrammern (Schœntcola schœniclus) bewohnen häufig die Sumpfgegenden und treten im Herbst in
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ziemlich grossen Flügen auf. Die Bergfinken (Fringilla montifringilla) erscheinen in neuerer Zeit fast alle Winter in unseren Gegenden, in strengen Wintern oft in mächtigen nach Tausenden zählenden Scharen. Der Kirschkernbeisser (Coccothraustes vulgaris) ist in unsern Wäldern in den letzten 2 Dezennien einheimisch geworden und nistet regelmässig.
Die Heidelerche (Lululla arborea) ist viel seltener geworden, als sie früher war. Der rotflüglige Mauerläufer (Tichodroma muraria) war nach alten Nachrichten noch anfangs des 19. Jahrhunderts bei uns ein in Schlössern und alten Mauern nistender Vogel. Gegenwärtig ist er nur noch ein Bewohner der Alpen, kommt aber im Winter noch oft in die Ebene hinunter. Der Berglaubvogel (Phyllopneuste Bonelli) wurde in früheren Werken als im Aargau vorkommend nicht erwähnt.
Gegenwärtig ist er in unsern Wäldern keine seltene Erscheinung. Die Rohrsänger bilden in den Schächen der Aare an verschiedenen Stellen grössere Kolonien; an heimlichen, verborgenen Stellen kann man herrliche Konzerte derselben hören, ebensolche in den dichten Buschhalden unserer Wälder von den Grasmücken und in den Gipfeln der alten Tannen am Waldsaum von den Drosseln und Meisen. Blaukelchen (Cyanecula leucocyanea) treten im Zuge in einzelnen Thälern häufig auf.
Sie ziehen über das ganze Gelände zerstreut dem Erdboden nahe und fliegen bei der Herbstjagd vor dem suchenden Hunde in Kartoffel- und Krautäckern, sowie in Stoppelfeldern auf. Der Seidenschwanz (Bombycilla garrula) kommt in langjährigen Zwischenräumen im Winter aus dem N. in unsere Gegenden. Eine solche Invasion fand im Jahre 1806 statt, wo ein milder Winter grosse Scharen in den Aargau und andre Kantone lockte. Seither geschah das wiederholt, das letztemal im Winter 1903/04. Im Jahr 1810 erhielt Prof. Schinz in Zürich einen Rosenstaar (Pastor roseus) vom Hallwilersee als grosse Seltenheit.
Die Haubenlerche (Galerita cristata) war in der ersten Hälfte des 19. Jahrh. im Aargau sehr selten. Franz Xaver Bronner schrieb 1844: «Sie soll in den Feldern von Möhlin vorkommen». Gegenwärtig erscheint sie oft in Feldern in einzelnen Gegenden, sogar in Ortschaften in kleinen Flügen und hat bei Aarau in den Anlagen des Kantonsspitals auch gebrütet. Die Blauracke (Coracias garrula) nistete früher nicht selten im Jura, und kommt jetzt noch zur Seltenheit vor. Wo sich aber dieser auffallend und schön gefärbte Vogel zeigt, wird er regelmässig weggeschossen.
In Bezug auf die Raubvögel wird seitens der Jäger dafür gesorgt, dass sie nicht überhand nehmen. Vielleicht wird ihnen nur allzu sehr zugesetzt, denn für den Naturfreund ist es ein schönes, leider immer selteneres Schauspiel, einen oder einige dieser majestätischen Flieger über der Gegend kreisen oder den Bussard ohne Flügelschlag aus einem Gehölz in breiten Kreisen in die Höhe sich schrauben zu sehen. Dass die Bussarde und Nachtraubvögel, die besten Mäusevertilger, ebenso der Vernichtung preisgegeben sind, wie die den Singvögeln gefährlichen Räuber, ist nicht zu entschuldigen.
Eine Kolonie von Schleiereulen (Strix flammea), die seit Menschengedenken in den alten Mauern und Türmen der Festung Aarburg hauste, ist durch Gift vernichtet worden, das in neuerer Zeit vielfach gelegt wird, um Raubtiere zu töten, wobei auch eine Menge anderer Tiere heimtückischer Weise getötet werden. Im Jura nistete der stolze Fischadler (Pandion haliaetus) noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. nahe des Zusammenflusses von Aare, Reuss und Limmat mit dem Rhein und wurde alle Jahre gesehen.
Jetzt beobachtet man ihn dort nur noch sehr ausnahmsweise, und wenn sich irgendwo ein Paar ansiedeln will, ist seines Bleibens nicht. Meistens sieht man die erlegten Vögel in der Werkstätte irgend eines Präparators. Ebenso sind der Kolkrabe (Corvus corax) und der Uhu (Bubo maximus) im aargauischen Jura zu den vergangenen Dingen zu rechnen. Eine sehr seltene Erscheinung in unserem Kanton ist der Seeadler (Haliäetus albicilla). In den letzten Jahren wurden zwei dieser grossen Adler ganz nahe der Aargauer Grenze in der Nähe des Klosters Fahr erlegt, einer am bei Engstringen und einer Ende Oktober 1908 nicht weit von dieser Stelle. Zu erwähnen ist noch, dass im Jahre 1805 bei Wohlen ein Steinadler (Aquila fulva) erlegt worden ist.
Auerwild und Haselhuhn (Tetrao urogallus und Tetrao
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bonasia), beide Hühnerarten sonst im Aargau nur im Jura heimisch, sind im letzten Jahrzehnt auch in den grossen Waldungen zwischen dem Winenthal und Suhrenthal heimisch geworden. Zeiten vermehrten Vogellebens bilden die Zugzeiten im Frühling und im Herbst und dann der Winter, wo unser Land eine Menge Wintergäste aus dem N. beherbergt. Im Frühling, wenn der Schnee schmilzt, erscheinen mit den Rotschwänzchen, Drosseln und einer Menge anderer Zugvögel auch die Schnepfen (Scolopax rusticola).
Etwas später begrüsst der Landmann mit Freuden die Ankunft der Schwalben. Die Stare singen und deklamieren bei den Nistkästen. Hie und da fliegt majestätisch eine Schar Wildgänse (Anser segetum) über das Gelände nordwärts. Im Herbst macht sich der Vogelzug noch bemerkbarer als im Frühlinge, denn nun sind auch die im Sommer erzeugten Jungen dabei. Es treten grosse Züge von Vögeln auf, Finkenzüge und Meisenzüge, die oft nach tausenden zählen, und eine Menge anderer Arten ziehen dem sonnigen S. entgegen.
Im Kanton Aargau ist das Aarethal ein Teil der grossen Zugstrasse, welche die Schweiz von NO. nach SW. durchsetzt, sich gegen W. zwischen dem Jura und den Alpen immer mehr verengernd bis zum Ausgangstor bei Genf. In dieser Richtung herscht im Frühling sowohl als im Herbst Massenverkehr von Zugvögeln. Aber auch die nach S. abzweigenden Nebenthäler der Aare bilden kleinere Zugstrassen, in denen Vogelzüge sich jeweilen direkt nach S. bewegen. Auf dem Vierwaldstättersee und im urnerischen Reussthal konzentrieren sich dann diese Züge, um über den Gotthard ihre Reise fortzusetzen. In diesen Thälern sieht man während den Zugzeiten regelmässig Züge von Saatkrähen (Corvus frugilegus), Dohlen (Lycos monedula), Möven (Larus ridibundus), Kibitzen (Vanellus cristatus) etc.
Im Winter, gewöhnlich schon im November, erscheinen grosse Vogelzüge aus dem N., die auf unseren Seen überwintern, um etwa im März wieder nach den nordischen Gegenden zu ziehen, wo sie dann brüten. Im Aargau kommt einzig der Hallwiler See in dieser Sache in Betracht. So gut, wie auf den andern kleinern und grössern Schweizerseen, halten sich auch am Hallwilersee im Winter Steissfüsse, Seetaucher, Säger, Wasserhühner, sowie oft unzählige Enten auf; in strengen Wintern auch grosse Seltenheiten, wie Singschwäne, Kormorane u. a. Im Jahr 1799 wurde auf diesem See ein Weibchen einer Eiderente (Somateria mollissima) und im Jahr 1812 ein Kormoran (Carbo cormoranus) erlegt.
Beide Vogelarten sind seither auf andern Seen mehrmals erlegt worden. Aus der Ordnung der Entenvögel sind in der Schweiz schon 34 Arten als Wintergäste beobachtet worden, von denen etwa 18 als der aargauischen Fauna angehörend betrachtet werden können. Wenn in harten Wintern die Seen zufrieren, ziehen sich diese Wintergäste auf die grossen Flüsse zurück, die offen bleiben. Dann tritt oft für sie Notlage ein, indem sie hier von den Nachstellungen berechtigter und unberechtigter Jäger nicht sicher sind. Tag und Nacht hört man längs der Aare und anderer Flüsse das Geknatter derjenigen, welche der Jagdlust fröhnen.
Von Reptilien und Amphibien beherbergt der Kanton die meisten in der Schweiz vorkommenden Arten. Ueberall am Waldsaum, an trockenen Abhängen und in Hecken raschelt die Zauneidechse (Lacerta agilis), und an Felsen und Mauern huscht die kleine Mauereidechse (Lacerta muralis) dahin. Die Blindschleiche (Anguis fragilis) durchkriecht Moos und dichtes Gestrüpp nach Insekten. An einigen Stellen, wo alte Gletschermoränen und durch solche gebildete Sumpflandschaften existieren, findet sich auch als Relikt aus der Gletscherzeit, die lebendig gebärende Eidechse (Lacerta vivipara). Wo sich Eidechsen und Blindschleichen finden, stellt sich auch ihr Hauptfeind, die glatte Natter (Coronella laevis) ein.
Ueberall findet sich als häufigste Schlange die Ringelnatter (Tropidonotus natrix), die sich sowohl an trockenen Stellen (z. B. im Wald) aufhält, als in einer grossem Varietät am Wasser, wo sie über 1,5 m lang wird. In der Nähe grösserer Gewässer sind schon oft Wasserschildkröten (Emys lutaria) gefangen worden, wahrscheinlich entronnene Exemplare. Es ist jedoch nachgewiesen, dass diese Schildkröte in der Schweiz endemisch oder doch vollständig eingebürgert vorkommt.
Dem Jura eigen ist die giftige Juraviper (Vipera aspis), die aber im aargauischen Jura weniger vorkommt als im westl. Teil des Juragebirges. Im Frühling hört man bei Weiern und an andern Gewässern Konzerte von Lurchen. Vom Rand her ruft im Mai während der Laichzeit der Laubfroch (Hyla arborea), im Wasser quackt der grüne Wasserfrosch (Rana esculenta), murrt während der Paarungszeit im März schon der Taufrosch (Rana fusca) und singt die gemeine Kröte (Bufo vulgaris). Es existieren von diesen Lurchen im Frühling lange nicht mehr so viele Laichkolonien wie in früheren Zeiten, etwa Mitte des 19. Jahrh. Wo der Menschenverkehr in ihrer Nähe zu stark wird, verschwinden sie nach und nach. Es wird ihnen von Alt und Jung allzu grosse Aufmerksamkeit geschenkt, und beim Geburtsakt, wo oft viele Individuen zu einem Klumpen vereinigt sind, werden
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manche umgebracht, weil man dies für einen Kampf auf Leben und Tod ansieht und auswehren will. Gar manche im Frühling stark besetzte Laichkolonie ist verschwunden, weil aus Unverstand jeweilen auf solche Art eine Anzahl umgebracht wurden, bis keine mehr übrig blieben. Da sich in einer Kolonie die Individuen aus einem weiten Umkreis zusammengefunden haben, so wird durch Dezimierung einer solchen der Bestand einer grösseren Gegend gefährdet. In trüben Gewässern und Jauchegruben bei Bauernhäusern «unkt» der «Güllenmügger» (Bombinator bombinus) und aus lockern Mauern hört man da und dort einen ähnlichen, aber mehr glöckleinartigen Ton von der Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans),
die man oft hört, selten aber sieht. «Güggemürli» heisst sie im Volksmunde und wird oft mit der vorigen Art verwechselt. Im Frickthal soll sie häufig vorkommen. Ihren Aufenthalt teilt die Kreuzkröte (Bufo calamita), die aber selten vorkommt, so bei Aarburg.
In Quellen, Waldweiern und andern Wasseransammlungen halten sich drei Molcharten auf, der Kammmolch (Triton cristatus), der häufige Alpenmolch (Triton alpestris) und der seltenere kleine Fadenmolch (Triton helveticus). Alle drei Arten führen beim Volke den Namen «Wassergmöhl», im Gegensatz zum gemeinen «Gmöhl», dem Erdsalamander (Salamandra maculosa), der für seltener gilt, als er wirklich ist. Er hält das ganze Gebiet besetzt. Am Born bei Aarburg, allerdings noch auf Solothurner Boden, bildet er in einer Schutthalde eine grosse Kolonie. Von einer Quelle, die sich aus dieser Halde ergiesst, werden alle Frühlinge eine grosse Menge Larven ans Tageslicht befördert.
Der künstlichen Fischzucht wird im Aargau sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet. In den Rhein werden alljährlich künstlich gezüchtete junge Salmen (Salmo Salar) eingesetzt, damit der Salmenfang, der für den Staat eine ziemliche Einnahmequelle bildet, nicht zurückgehe. In den kleinen Flüssen und Bächen ist jeder Fischenzenpächter verpflichtet, unter amtlicher Aufsicht jährlich eine bestimmte Anzahl junger Forellen (Salmo fario) auszusetzen. Das gleiche geschieht am Hallwilersee mit den Hallwilerballen (Coregonus annectus). Im Frühling ist dort das «Ballenschöpfen» eine Fischereiart, an der sich die ganze Bevölkerung beteiligt. Damit durch dieses «Schöpfen», das während der Laichzeit stattfindet, der Bestand an dieser Coregonenart erhalten bleibe, werden alljährlich künstlich gezüchtete junge Hallwilerballen eingesetzt.
In den Nebenflüssen der Aare finden sich folgende Fische: Die Bachforelle (Salmo fario) und deren unzertrennlicher Gefährte, die Groppe (Cottus gobio), sowie der Alet (Squalius cephalus);
dann und wann der Hecht (Esox lucius), das Neunauge (Petromyzon Planeri) und die kleine Bartgrundel (Cobitis barbatula).
Zeitweise steigt aus der Aare die Aesche (Tymallus vulgaris) und die Nase (Chondrostoma nasus) in diese Flüsschen und Bäche empor, hie und da auch ein Aal (Anguilla vulgaris). Ferner ziehen Schwärme kleiner Fischchen durch die Bäche, die sonst mehr Bewohner der Seen sind, so die Elritze (Phoxinus lævis), die Laube (Alburnus lucidus) und der Schneider (Alburnus bipunctatus). Der echte Gründling oder Gressling (Gobio fluviatilis) findet sich nur in den grossen Flüssen. Die Aare, Reuss und Limmat, sowie der Rhein beherbergen alle die genannten Fische, dazu noch die Barbe (Barbus vulgaris) und den Barsch (Perca fluviatilis), auch etwa eine Trüsche (Lota vulgaris). In der Aare wurde im Juli 1908 im Rechen des Ruppoldinger Elektrizitätswerkes auch ein Wels (Silurus glanis) von etwa 70 cm Länge und 3,75 kg. Gewicht gefangen.
Im Rhein erscheint ausser diesen Fischen hie und da ein Flussneunauge (Petromyzon fluviatilis) und im Mai zieht der Maifisch (Clupea Alosa) bis nach Basel herauf. In der Gegend von Basel kommt auch der kleine stahlblau glänzende Bitterling (Rodeus amarus) vor. Ein grosser Teil dieser Fischarten lebt auch im Hallwilersee und überdies die Seeforelle (Salmo lacustris), die Trüsche (Lota vulgaris), der Karpfen (Cyprinus carpio), die Plötze (Leuciscus rutilus) und in grosser Menge die Rotfeder (Scardinius erythrophthalmus); ferner die Schleihe (Tinca vulgaris) und der Hasel (Squalius leuciscus).
Noch ist zu erwähnen, dass in einem Feuerweiher bei Zofingen (dem Haldenweier) seit 1886 der Goldfisch (Carassius auratus) eingebürgert ist, der sich dort in unglaublicher Menge vermehrt hat.
Des beschränkten Raumes halber muss hier davon abgesehen werden, auf die übrige Tierwelt einzutreten. Die Gastropoden und Lamellibranchen, sowie die Arthropoden bieten zwar auch im Aargau viel Interessantes. Man denke nur an die Menge von Insekten, welche in Berg und Thal, das Land und das Wasser in Myriaden beleben, an die glänzenden Käfer und die bunten Schmetterlinge, welche das Auge entzücken. Wo sollte man da anfangen, wo aufhören?
Sogar aus dem Kreise der Coelenteraten kommt eine
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Art im Aargau vor; es ist der Süsswasserschwamm (Spongilla fluviatilis), der dem Meerschwamm, den wir als Badeschwamm benutzen, sehr nahe verwandt ist. Dieser findet sich in den Feuerweihern um Zofingen, oft in grosser Menge unter den ausgefressenen Bördern und Erlenstöcken Grotten bildend, die wie mit grünem Tropfstein besetzt erscheinen. Oft verschwindet dieser Schwamm auf viele Jahre fast ganz, bis auf wenige Ueberreste, die ganz im Verborgenen und kleinen Kolonien leben, um dann plötzlich wieder in grossen Mengen aufzutreten.
[Dr. Fischer-Sigwart.]
6. Landwirtschaft und Viehzucht.
Von dem Areal des Kantons mit 1404,1 km2 werden von der Landwirtschaft ausgenutzt zum Weinbau 21,39 km2; für die übrige landwirtschaftliche Bodenbenutzung verbleiben 873,42 km2, d. h. 62,1%. Welche Richtung die Landwirtschaft im Aargau genommen hat, mögen folgende Zahlen zeigen: Während im Jahr 1781 das Verhältnis von Wiesenland zum Ackerland etwa 1:4,225 ausmachte, war es 1888 in denselben Gemeinden 1:1,165. Leider stehen uns keine Zahlen aus jüngern Zeiten zur Verfügung;
wir müssen heute noch auf 1888 abstellen.
Die Verteilung von Grund und Boden war in diesem Jahr in den einzelnen Bezirken und im Gesamt-Kanton, wie beigedruckte Tabelle zeigt.
Bezirke | Ackerland ha | Wiesland ha | Rebland ha | Streuland ha | Wald ha | Total ha |
---|---|---|---|---|---|---|
Aarau | 2439.5 | 2375.2 | 193.2 | 137.0 | 4117.3 | 9262.2 |
% | 26.3 | 25.6 | 2.8 | 1.4 | 43.9 | 100.0 |
Baden | 4398.7 | 4714.4 | 525.0 | 111.5 | 4436.1 | 14185.7 |
% | 31.0 | 33.2 | 3.7 | 0.7 | 31.4 | 100.0 |
Bremgarten | 4739.3 | 5976.8 | 131.1 | 159.2 | 3039.5 | 14044.9 |
% | 33.7 | 42.5 | 0.9 | 1.1 | 21.8 | 100.0 |
Brugg | 3263.0 | 3964.0 | 802.2 | 63.7 | 4398.1 | 12491.0 |
% | 26.1 | 31.7 | 6.4 | 0.5 | 35.3 | 100.0 |
Kulm | 3176.5 | 2892.5 | 15.3 | 7.0 | 2355.6 | 8446.9 |
% | 37.6 | 34.2 | 0.1 | - | 28.1 | 100.0 |
Laufenburg | 3415.4 | 5141.9 | 451.6 | 31.4 | 3817.2 | 12857.5 |
% | 26.5 | 39.9 | 3.5 | 0.2 | 29.9 | 100.0 |
Lenzburg | 2887.7 | 2722.2 | 211.1 | 92.1 | 2999.7 | 8913.2 |
% | 32.3 | 30.5 | 2.3 | 1.3 | 33.6 | 100.0 |
Muri | 5205.3 | 6766.1 | 8.5 | 818.4 | 2112.4 | 14910.7 |
% | 34.9 | 45.3 | - | 5.4 | 14.4 | 100.0 |
Rheinfelden | 2843.8 | 3210.4 | 186.8 | 42.0 | 3493.6 | 9776.6 |
% | 29.8 | 32.8 | 1.9 | 0.4 | 35.1 | 100.0 |
Zofingen | 4459.6 | 3146.3 | - | 15.0 | 5293.0 | 12913.9 |
% | 34.5 | 24.3 | - | - | 41.2 | 100.0 |
Zurzach | 3596.6 | 3417.8 | 252.9 | 69.7 | 4005.8 | 11342.8 |
% | 31.7 | 30.1 | 2.2 | 0.6 | 35.4 | 100.0 |
Total | 40425.4 | 44328.0 | 2776.7 | 1547.0 | 40068.3 | 129145.4 |
% | 31.3 | 34.3 | 2.1 | 1.1 | 31.2 | 100.0 |
Die Wiese dominiert; die Landwirtschaft hat die Schwenkung vom Ackerbau zur Graswirtschaft auch im Aargau mitgemacht. Ueber die Art des Anbaues, sowie über die Verteilung von Grund und Boden auf die verschiedenen Feldfrüchte stehen uns keine Erhebungen zur Verfügung, als diejenigen von 1888 und auch diese beruhen nur auf Schätzung. Die Zählungen haben sich nur erneuert auf dem Gebiet des Weinbaus.
Der Weinbau wird besonders in den Flussniederungen der Aare, Reuss, Limmat und am Rhein betrieben; dann bieten die sich in diese Hauptthäler öffnenden Nebenthäler dem Weinbau ebenfalls Stätten, die sich mit ihren Produkten sehen lassen dürfen. 154 Aargauer Gemeinden pflegen die Rebe auf einem Areal von 2128,67 ha, das einen Kapitalwert von etwa 11140000 Fr. repräsentiert und mit einem Ertrag von 80900 hl der aargauischen Volkswirtschaft einen Wert von Fr. 2300000 zuführt.
Der Wein im Schenkenbergerthal, hinter der Gyselafluh, ist unter dem Namen Kasteier, Schinznacher, Weltheimer, Oberflachser und Thalheimer bekannt. Ferner ist der Villiger aus den Reben des Dorfes Villigen am Fusse des Geissberges zu erwähnen, dann der Wein der Schlosshalde von Lenzburg und der Brestenberger, der an den Höhen des Hallwilersees wächst, sowie die guten Tropfen, die um Baden herum an der Limmat gedeihen, der Goldwändler und der Wettinger.
Neben diesen feinem Sorten werden noch im untern Aarethal und im Frickthal gute Landweine produziert. Wie sich der Weinbau auf die verschiedenen Gegenden verteilt, geht aus der nachfolgenden Tabelle hervor:
Bezirk | Ha. | Rot hl. | Weiss hl. | Gemischt hl. | Total hl. |
---|---|---|---|---|---|
Aarau | 94.74 | 35 | 56 | 1628 | 1719 |
Baden | 608.59 | 4296 | 1896 | 5041 | 11233 |
Bremgarten | 68.31 | 90 | 295 | 1475 | 1860 |
Brugg | 664.57 | 1111 | 5101 | 15752 | 21964 |
Kulm | 6.78 | - | 50 | 229 | 279 |
Laufenburg | 273.29 | 75 | 2219 | 3789 | 6083 |
Lenzburg | 97.66 | 710 | 1698 | 1031 | 3439 |
Rheinfelden | 99.27 | 280 | 1500 | 658 | 2438 |
Zurzach | 225.46 | 1594 | 2373 | 3427 | 7294 |
Der Obstbau hat gerade im Aargau grosse Bedeutung erlangt. Im Jahr 1906 stellte sich die Ernte auf:
q | Wert Fr. | |
---|---|---|
Aepfel | 116812 | 2103556 |
Birnen | 63770 | 701470 |
Kirschen | 4902 | 147060 |
Die beiden Konservenfabriken von Lenzburg und Seon verarbeiten einen grossen Teil dieses Ertrages zu Konserven, die nicht nur in der Schweiz, sondern auch im Ausland vorteilhaft bekannt sind. Der Einfluss dieser beiden Fabriken auf den Anbau und die Behandlung des Obstes und auch der Gemüse ist nicht zu unterschätzen. Mit dem Obstanbau in engem Zusammenhänge steht die Herstellung der Obstweine. Im Jahr 1906 wurden 110144 hl Most hergestellt, die mit einem Durchschnittswert von Fr. 15,3 per hl einen Wert von Fr. 1688685 darstellen.
Die Viehhaltung ist mit folgenden Zahlen zu illustrieren:
1896 | 1906 | 1908 | |
---|---|---|---|
Pferde | 3803 | 5302 | 5517 |
Maultiere und Esel | 11 | 15 | 13 |
Rindvieh | 82034 | 94454 | 86826 |
Schweine | 28038 | 24923 | 31747 |
Ziegen | 15217 | 13708 | 11545 |
Schafe | 998 | 758 | 334 |
Für die Fortbildung der Landwirte sorgt die landwirtschaftliche Winterschule in Brugg. Im Jahre 1907 wurden darin 144 Schüler unterrichtet. Die Auslagen, die dem Staat daraus erwachsen, betrugen im letzten Berichtjahr 1907 rund Fr. 55000. Inbegriffen sind die Subventionen für Spezialkurse und Wandervorträge.
Die Landwirtschaftliche Gesetzgebung besteht im Flurgesetz vom 24. Wintermonat 1875, nebst der Vollziehungsverordnung vom und aus dem Ergänzungsgesetz vom Dazu kommen noch eine Menge Dekrete und Verordnungen.
Unsere aargauische Landwirtschaft steht im Zeichen des Kleinbesitzes und der Zerstückelung des Grundbesitzes. Das sind zwei Momente, besonders das letztere, die einer rationellen Bebauung des Bodens und einer annehmbaren Rendite im Wege stehen. Hier hat sich nun unser Flurgesetz durch die Erlaubnis und die Regulierung der Güterzusammenlegung schon viele Verdienste um die Hebung der Landwirtschaft erworben. Die Subventionen, die der Staat der Landwirtschaft zufliessen lässt, machten 1907 inkl. Bundesbeitrag Fr. 446248 aus. Davon entfallen auf viehzüchterische Zwecke
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Fr. 160690, auf das landwirtschaftliche Bildungswesen Fr. 58864 und für allgemeine landwirtschaftliche Zwecke (wie Hagelversicherung, Melliorationen, Massnahmen gegen Schädlinge etc.) Fr. 226693.
7. Forstwesen.
Der Wald bedeckt eine Gesamtfläche von 44699 ha oder 35% des produktiven Areals und 31,75% des Gesamtareals. Die Verteilung auf den Besitzstand gibt folgendes Bild:
ha | |
---|---|
Staatswaldung | 3051 |
Gemeindewaldungen | 33713 |
Privatwaldungen | 7935 |
Total | 44699 |
Das Areal wird von 7 Staatsbeamten und 246 Gemeindeförstern verwaltet. Die Pflege der Forsten und ihre Bewirtschaftung ist eine sehr gute. Das zeigt sich in den grossen Nachforstungen und in den Ertragsziffern. Im Jahr 1906 wurden 1385299 Nadelholzsetzlinge und 326250 Laubholzsetzlinge zu Aufforstungen verwendet; dazu kommt noch der Verbrauch von 4910 kg Samen. Die Gesamtnutzung aus den Staatswaldungen gab 18443,67 m3 Holz zuzüglich 341,5 Ster Stockholz, die dem Staat eine Einnahme von 337754 Fr. brachten (1907), was abzüglich der Verwaltungsgebühren und verschiedener Servitute einen Reinertrag von 234327 Fr. oder Fr. 76,52 per ha abwirft.
Die Gemeindewaldungen spielen eine grosse Rolle in der Haushaltung der Gemeinden. Der Ertrag war im Jahr 1907: 198116 m3 (1906: 204639 m3) im Wert von Fr. 3287671 (1906 3424799). Die Forstgesetzgebung lehnt sich an die Bundesgesetze an.
8. Jagd.
Der Aargau hat das Reviersystem nach dem Grundsatz, dass das Jagdrecht prinzipiell dem Grundeigentum zusteht. Jede Einwohnergemeinde verpachtet ihr Areal und erhält den vollen Betrag der Jagdpacht mit der gesetzlichen Bestimmung, der Ertrag soll vorab zu landwirtschaftlichen Zwecken verwendet werden. Vor dem neuen Gesetz, das am in Kraft trat, waren die Reviere noch bezirksweise verpachtet worden. Das hat seinen Einfluss auch auf den Ertrag geltend gemacht, indem dieser aus Konkurrenzgründen gewaltig gestiegen ist. Die aargauischen Gemeinden lösen heute aus ihren Revierpachten Fr. 98140, und der Staat erhält mit seinen 15%, Fr. 14721.
Dank dem Reviersystem ist der Wildreichtum im Aargau gross. Allerdings sind die Reviere sehr verschieden in dieser Hinsicht, offene und an Patentkantone angrenzende Reviere weisen nicht gerade reichen Wildstand auf. Tritt aber die Wildhege mit einem weidgerechten Abschuss verbunden auf den Plan, so lassen sich auch in diesen Gebieten ansehnliche Wildstände heranziehen. Das Wild gehört der Niederjagd an. An Nutzwild finden wir am häufigsten Hase und Reh, nebst Enten und Fasanen.
Die Schnepfe kann im Frühjahr zur Zeit des Schnepfenstriches und auf dem Herbstzug geschossen werden. Unter dem Raubzeug sind gerade in den Jurapartien Fuchs und Dachs zu nennen; zu diesen gesellen sich an unsern Flüssen die Fischotter und im übrigen das kleine Haarraubzeug (Marder, Iltis, Wiesel) und wildernde Katzen und Hunde. Unter den gefiederten Räubern finden wir alle mitteleuropäischen Vögel, die Falken, Habichte, Bussarde und die Krähen. Hochwild existiert nur in einigen Landesgegenden. Es ist vertreten durch das Auerwild, das nicht abgeschossen werden darf, weil es unter eidg. Vogelschutz steht.
Jagdzeiten sind, für Flugjagd 1. Sept, bis 28. Februar; für Hasen, Rehe etc. 1. Oktober bis 30. Dezember; für Rehbock 1. Mai bis 31. Dez.; für Schnepfen 8. März bis 8. April und Herbstjagd.
Der aargauische Jagdschutzverein arbeitet rastlos an der Verbesserung der Jagdverhältnisse und an der Förderung der weidgerechten Jägerei.
9. Fischerei.
Die Fischerei ist durch das Bundesgesetz vom sowie die Vollziehungsverordnung des Kantons Aargau vom und einige weitere Beschlüsse geregelt. Der Staat als Besitzer der öffentlichen Gewässer verpachtet diese zur Ausübung der Fischerei, sofern nicht einzelne Korporationen und Personen erwiesenermassen das Recht dazu besitzen. Zu diesem Zweck hat der Staat sein Gebiet in eine entsprechende Anzahl von Revieren einzuteilen. Die Pachtdauer ist auf 8 Jahre bemessen.
Der Staat vereinnahmte aus den Staatsfischenzen 1907 Fr. 16973. Für das Gedeihen unsrer Fischerei sorgen 23 Brutanstalten, die im Jahr 1907 zusammen 9168950 Eier einsetzten und 8095140 Fischchen ausbrüteten. Der Bundesbeitrag an diese Fischzuchtanstalten betrug 3915 Fr. In der aargauischen Fischerei war der Lachsfang von jeher von Bedeutung. Das Resultat dieser Fischerei ergibt sich aus folgenden Zahlen: Im Rhein und in der Aare wurden 1907 796 Stück Lachse und Salm gefangen mit einem Gesamtgewicht von 5778,5 kg (ausserhalb der Schonzeit). Im Gesamten betrug der Fang aber zuzüglich der Fische zur künstlichen Fischzucht (in der Schonzeit gefangen) 1290 Stück mit 9086,5 km Gewicht. Oberhalb des Stauwehrs der Beznau werden keine Lachse mehr gefangen.
[Prof. A. Hirt.]
10. Bevœlkerung.
Die Rassenverhältnisse sind schwer zu ergründen. Der brünette Typus kann von mehr als einer Art Urbevölkerung, aber auch von Römern und Romanen herstammen, der helle und die Grossschlachtigkeit von Kelten und Germanen. Nur äusserste Oberflächlichkeit konnte sich für die deutsche Schweiz und so auch für den Aargau mit dem Dogma durchgängig alemannischer Herkunft der Bevölkerung abfinden lassen. Die bereits aus hellem und dunklem Typus gemischte keltoromanische Mischrasse ist von den blonden Alemannen auch bei uns (nach zuverlässigen Analogien) nur hinsichtlich der Gutsbesitzer und der wohlhabenden Städter ausgemerzt worden. Im gesamten schweizerischen Mittelland geriet sie in die Knechtschaft der Sieger, mit denen sie nach und nach verschmolz.
Wenn zahlreiche Ortsnamen deutsch sind, so beweist das nicht dagegen, denn sie kommen von den neuen Herren des Landes. Seine Besitzergreifung durch diese geschah übrigens wohl allmählich, wie etwa bei den Longobarden in Italien, den Dorern im Peloponnes, den Juden in Palästina. Namentlich muss es im Jura und in den südl. Kantonsteilen so gewesen sein, wo man auffällig romanischen Typen begegnet, deren Zahl im benachbarten Solothurn und Luzern zunimmt. Der Rückgang der fränkisch-alemannischen Nasalierung, die sich auf aargauischem Gebiet nur in den nördl. Grenzstrichen einigermassen erhalten hat, kann auf die burgundische Herrschaft (900-1000), die bis an die Reuss einigermassen romanisierend gewirkt haben wird, oder auf rätoromanischen Einfluss zurückgehen. Umgekehrt wird die österreichische Herrschaft im Frickthal, in der Grafschaft Baden aber die ausgesprochen alemannische Nachbarschaft im nördl. Teile des Kantons Zürich die Alemannisierung begünstigt haben, so wie etwa heutzutage
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die reichsdeutsche Zuwanderung über Basel und Zürich wirkt. Einsprengungen hunnischer Elemente (um 450), sowie fränkischer (nach 500), ungarischer (nach 900), slavischer Typen (durch den Sklavenkauf der weltlichen und geistlichen Herrschaften) sind möglich, ja wahrscheinlich. Vom 17. Jahrh. an gibt es auch jüdische Zuwanderung. Wichtige Aufschlüsse über die Rassenverhältnisse vermöchten zu geben:
1) Ortsnamen, wie einerseits diejenigen auf -ingen, -hofen, (-ikon), -wil, -wiler, -heim, -büren (deutsch), andrerseits die nach der Beschaffenheit der Orte gebildeten (z. B. auf -au, -berg, -acker), die oft einfach Uebersetzungen keltoromanischer Namen sind. - 2) die Betonung von zusammengesetzten Orts- und Personennamen, z. B. Joggi neben Kobi (Jakob), Wildégg neben Wildegg. - 3) Trachten, Häuserstil, Sagen und Gebräuche etc. -
4) Dialekteigentümlichkeiten, wie tue, tuet neben due, tued, offene oder geschlossene e und a. Uebrigens haben in diesen Dingen auch konfessionelle und herrschaftliche Verhältnisse eingewirkt, wie etwa die Bevorzugung dieser oder jener Personennamen (z. B. Fridolin im Frickthal) oder die Aussprache des l unter bernischem Einfluss bezeugt. Das Studium solcher Geschichtsquellen ist übrigens neu oder hat nicht einmal begonnen. So können diesfalls auch nicht Ergebnisse vorgeführt, sondern nur Wege angedeutet werden.
Die Freizügigkeit infolge der Bundesverfassung von 1848 befördert bei uns wie anderswo, z. B. in Süddeutschland, die Zunahme des dunklen Typus, zunächst in Gestalt eines aschblonden oder braunhaarigen Mischtypus. Vorher, bei der Abgeschlossenheit der Gemeinden, scheinen diese bisweilen fast ganz blonde Bewohnerschaft gehabt zu haben, während das Umgekehrte kaum vorgekommen sein dürfte.
[Dr. J. Winteler.]
Die Verteilung der Bevölkerung auf die Konfessionen ergibt sich aus der historischen Entwicklung des Kantons. Es leben (1900)
1) im ehemals Bernischen Kantonsteil (reform.)
Bezirk | Reformiert | Kathol. | Israel. |
---|---|---|---|
Aarau | 20957 | 2334 | 26 |
Brugg | 15743 | 1242 | 40 |
Kulm | 19153 | 658 | 18 |
Lenzburg | 17358 | 881 | 20 |
Zofingen | 27585 | 1062 | 28 |
Total | 100796 | 6177 | 132 |
2) in den ehemaligen Gemeinen Herrschaften (kathol.)
Bezirk | Reformiert | Kathol. | Israel. | |
---|---|---|---|---|
Baden | Grafschaft Baden, seit 1712 nur unter Zürich Bern u. Glarus | 7113 | 20602 | 328 |
Zurzach | Grafschaft Baden, seit 1712 nur unter Zürich Bern u. Glarus | 2128 | 10344 | 389 |
Bremgarten | (unteres Freiamt), seit 1712 nur unter Zürich Bern u. Glarus | 1089 | 17556 | 76 |
Muri | (oberes Freiamt), bis 1798 auch unter den kathol. Orten | 280 | 13124 | 6 |
Total | . | 10610 | 61626 | 799 |
3) im ehemals Österreich. Frickthal (katholisch)
Bezirk | Reform. | Kathol. | Israel. |
---|---|---|---|
Laufenburg | 699 | 12692 | 17 |
Rheinfelden | 2071 | 10544 | 42 |
Total | 2770 | 23236 | 59 |
Kanton Aargau (Total) | 114176 | 91039 | 990 |
Die Verteilung der aus einem Berufe ernährten Bevölkerung (1900: 196312) auf die Berufsarten erhellt aus folgender Uebersicht:
Gewinnung der Naturerzeugnisse | 80827 |
(davon Landwirtschaft und Viehzucht 78694) | . |
Veredlung der Natur- und der Arbeitserzeugnisse | 88005 |
Handel | 11603 |
Verkehr | 7274 |
Allgem. Verwaltung, Wissenschaft, Künste | 8098 |
Wir fügen hier die Berufsstatistik nach der Zählung von 1888 bei, aus welcher, im Vergleich mit der von 1900, der Wandel im Verhältnis von Landwirtschaft und Industrie ersichtlich wird.
Berufsstatistik 1888. | Personen |
---|---|
Es kommen hiefür in Betracht | 179636 |
Gewinnung der Naturerzeugnisse | 85009 |
(davon Landwirtschaft 82926) | . |
Veredlung der Natur- und Arbeitserzeugnisse | 71484 |
Handel | 9522 |
Verkehr | 5509 |
Allgem. Verwaltung, Kunst, Wissenschaft | 7109 |
Bevölkerungsbewegung.
Die Anzahl der Bewohner betrug:
Jahr | Ew. |
---|---|
1803 | 130516 |
1836 | 182755 |
1850 | 199852 |
1860 | 194208 |
1870 | 198873 |
1880 | 198645 |
1888 | 193580 |
1900 | 206659 |
Zu beachten ist, dass die Bevölkerung 1850 eine Zahl aufwies, die nachher zweimal nicht unwesentlich sank und erst gegen Ende des Jahrhunderts wieder erreicht und überschritten wurde.
Die Bevölkerung verteilt sich nach der Herkunft folgendermassen:
Bürger der Wohngemeinde | Bürger and. Gemeinden | Bürger and. Kantone | Ausländer |
---|---|---|---|
119796 | 52829 | 23830 | 10043 |
Rechnet man zu den beiden ersten Kategorien die 79040 Aargauer in andern Kantonen, so ergeben sich 251665 in der Schweiz wohnende Bürger des Kantons Aargau.
Verteilung nach der Muttersprache: Deutsch 203071, franz. 819, ital. 2415, romanisch 43, andere Sprachen 150.
Volkscharakter.
Sprache, Tracht, Sitten und Gebräuche sind in ihrer Mannigfaltigkeit und Vielgestaltigkeit das getreue Zeugnis des Mangels einer einheitlichen geschichtlichen Entwicklung. Viele alte Gebräuche haben vor dem rasch lebenden Zuge der Gegenwart weichen müssen; manche sind geblieben als ein Gruss aus früherer Zeit. Wir nennen den Umzug der Schützen in Lenzburg, den Bachfischet in Aarau, das Weihnachts- und Neujahrssingen der Sebastiansbruderschaft in Rheinfelden.
Alt ist auch mancherorts die Einrichtung der Jugendfeste in den Städten: in Brugg der Rutenzug, in Aarau der Maienzug, in Lenzburg und Zofingen die Solennität. Nach der Gründung des Kantons hat die schöne Sitte überall Anklang gefunden; heute feiert man fast in jeder Ortschaft des Kantons ein Jugendfest. Dem Aargauer muss das Zeugnis gegeben werden, dass er ein ruhiger, fast nüchterner, fleissiger Arbeiter ist, der seinen Heimatkanton liebt, vor allem aber ein guter Schweizer sein will.
[Dr. E. Zschokke.]
Auswanderung.
Mit einer Bevölkerungsziffer, die von 1900 mit 206498 auf 213582 Einwohner im Jahre 1907 stieg, hat der Kanton Aargau eine kleine Auswanderungsziffer aufzuweisen. Es wanderten aus:
Jahr | Aargau | Schweiz | % der Gesamt-Auswanderung |
---|---|---|---|
1900 | 140 | 3816 | 3.68 |
1901 | 159 | 3921 | 4.06 |
1902 | 211 | 4707 | 4.49 |
1903 | 206 | 5817 | 3.54 |
1904 | 196 | 4818 | 4.075 |
1905 | 154 | 5049 | 3.05 |
1906 | 195 | 5296 | 3.69 |
1907 | 248 | ? | ? |
Die Beteiligung der Aargaus an der Auswanderung in überseeische Gebiete an der schweizerischen Gesamtziffer ist also klein, sie schwankt zwischen 3,05 und 4,5%. Von der Gesamtbevölkerung macht das im Jahr 1907 nur 0,1235% aus. Im Jahr 1906 zogen nach den Vereinigten Staaten 181, nach dem übrigen Teile des nordamerikanischen Kontinents 3, nach Zentralamerika 1, nach Argentinien 8 und nach Asien 2 Personen. Im Jahre 1907 zeigte sich auch wieder die Union als dominierendes Auswanderungsziel, indem 224 Personen dorthin auswanderten, 13 Personen zogen nach Südamerika, 2 nach Zentralamerika und je eine nach Afrika und Australien. Von diesen letzten Ausgewanderten waren Aargauer 149, Bürger anderer Kantone 51 und Ausländer 48. Der Grund
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dieser kleinen Auswanderungsziffern ist in der Bodenständigkeit der Bevölkerung zu suchen, die gerade den sonst beweglichen industriellen Arbeitern eine grössere Stabilität verleiht. Sie liefert ein sprechendes Beispiel für die befriedigenden wirtschaftlichen Verhältnisse im Aargau.
[Prof. A. Hirt.]
11. Handel und Industrie.
Nach der Berufszählung des Jahres 1905 haben sich im Kanton Aargau beschäftigt mit:
Betriebe | Personen | |
---|---|---|
1) Bergbau und sonstiger Ausbeutung der Erdrinde | 176 | 1318 |
2) Veredlung der Natur- und Arbeitserzeugnisse | 14599 | 47632 |
3) Handel | 4324 | 8378 |
4) Verkehr | 829 | 3765 |
Welches in den Gruppen 1) und 2) das Verhältnis zwischen industriellen Betrieben und den Betrieben des Gewerbes (im engem Sinne) ist, lässt sich nicht genau ermitteln. Einen Anhaltspunkt bildet die Fabrikstatistik von 1901, die für den Aargau 454 unter dem Fabrikgesetz stehende industrielle Etablissemente mit 20000 Arbeitern festgestellt hat. Die Zahlen der Etablissemente und Arbeiter würden sich für 1905 aber höher stellen. Eine Ausscheidung des in Gruppe 3) vereinigten Gross- und Detailhandels lässt sich nicht vornehmen, sondern nur allgemein sagen, dass letzterer in dieser Gruppe bedeutend überwiegt. Einen eigentlichen Grosshandel besitzt der Aargau wohl nur für Vieh, Gespinste, Tabak, Kolonialwaren, Wein. Im übrigen ist er mit der industriellen Tätigkeit verknüpft. Eine besondere Stellung nimmt das Bankwesen ein.
Die Entstehung des aargauischen Bankwesens fällt in die Mitte des 19. Jahrh. 1854 ist unter der Führung von Feer-Herzog das grösste Institut, die Aargauische Kreditanstalt gegründet worden. Ihr gingen zum Teil wenige Jahre voraus oder folgten später die Aargauische Kreditanstalt in Aarau, die Bank in Zofingen, die Bank in Baden, die Spar- und Leihkasse Zofingen, die Hypothekar- und Leihkasse Lenzburg, die Bank in Menziken und die Spar- und Leihkasse in Brugg. Neben diesen Instituten, von denen sich einzelne erst im Laufe der Zeit zu eigentlichen Banken entwickelten, besteht im Kanton noch eine ganze Anzahl von Sparkassen. Die älteste wurde im Jahre 1812 in Aarau gegründet. 1903 haben 36 Kreditinstitute bestanden. Von diesen waren 17 Aktiengesellschaften mit einem eigenen Kapital von 22 Mill. und Reserven 3,4 Mill. Fr., 19 Genossenschaften mit einem eigenen Kapital von 2,5 Mill. und 4,3 Mill. Reserven.
Die Anfänge der aarg. Textilindustrie reichen ins 18. Jahrh. zurück, in dem sich im Winen-, See- und Wiggerthal auf der Grundlage der bäuerlichen Leinwandweberei die Baumwollhandweberei entwickelte, die für die Verleger und Kaufleute in Aarau, Lenzburg und Zofingen arbeitete. In ihrem Gefolge entwickelte sich später in Lenzburg und Wildegg der Zeugdruck. 1810 gründete Johann Herzog von Effingen in Aarau die erste mechanische Baumwollspinnerei, der später bald andre in Windisch, Turgi, Baden und Wettingen folgten. 1857 waren in 24 Baumwollspinnereien und Zwirnereien in den Bezirken Aarau, Baden, Brugg, Bremgarten, Kulm, Lenzburg, Zofingen 2800 Arbeiter beschäftigt; 1905 waren in der Baumwollspinnerei und -Zwirnerei noch rund 2000 Arbeiter tätig in den Bezirken Baden, Bremgarten, Lenzburg, Zofingen.
Für die Baumwollspinnerei trat in den 30er und 40er Jahren des 19. Jahrh. eine bedeutende Wendung ein durch den Uebergang zur mechanischen Weberei. An dieser Wandlung war vorerst nur die Weissweberei in den Bezirken Aarau, Kulm, Lenzburg und Zofingen beteiligt. Die Buntweberei, die besonders in den Bezirken Zofingen, Lenzburg und Kulm zu starker Entwicklung gelangt war, blieb länger beim Handstuhl. In der Weissweberei, die in den Bezirken Zofingen, Kulm, Lenzburg, Aarau, Brugg und Baden vertreten ist, sind 1905 in 9 grösseren Etablissementen rund 700-800 Arbeiter tätig gewesen.
Die Buntweberei im Bezirk Zofingen und im Bezirk Kulm beschäftigte 1905 in 7 Etablissementen etwa 600 bis 700 Arbeiter. Der Zeugdruck, der in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts eine lebhafte Entwicklung erfahren hatte, ist in den 40er Jahren ganz eingegangen, um zu Anfang des 20. Jahrhunderts erst in Aarau und dann in Lenzburg in zwei Betrieben wieder neu aufzuleben. Im Gefolge der Baumwollindustrie entwickelten sich Färberei, Bleicherei und Appretur, die 1905 rund 500-600 Arbeiter in 17 Betrieben hauptsächlich in den Bezirken Zofingen und Aarau beschäftigt haben.
Die Seidenbandweberei, die schon im 18. Jahrhundert sich im Aargau heimisch gemacht hat, ist heute, soweit sie fabrikmässig betrieben wird, zur Hauptsache auf Aarau beschränkt und beschäftigt etwa 300 Arbeiter. Dazu kommen aber noch die hausindustriellen Betriebe (rund 500), die namentlich im Frickthal stark vertreten sind. Diese arbeiten für Aarau, zur Hauptsache aber für Basel und Säckingen. Die Seidenstoffweberei in Bremgarten, Brugg und Küttigen mag an die 500-600 Personen neben etwa 200 Hausarbeitern beschäftigen.
Ein grosses Etablissement in Spreitenbach befasst sich mit der Herstellung von Kunstseide. Die Woll- und Halbwollspinnerei wird in Zofingen (2 Betriebe) und neuerdings in Rheinfelden (1 Betrieb) betrieben. Die Leinenindustrie ist durch ein grosses Etablissement in Niederlenz vertreten. Gesundheitskrepp wird in Zofingen und Rothrist fabriziert. Die Stickerei hat ihren Hauptsitz in Zurzach, wohin sie in den 70er Jahren verpflanzt worden ist. Einen sehr bedeutenden Aufschwung hat seit Mitte des 19. Jahrh. die Wirkerei und Strickerei erfahren.
Diese Industrie ist namentlich im Bezirk Zofingen zu Hause und in neuerer Zeit auch nach Laufenburg gekommen. In dieser Industrie sind in 12 grösseren Fabriken rund 1600 Personen tätig. Dazu kommen noch 600-1000 Hausarbeiter. Die alteingesessene Industrie des Freiamts ist die Strohindustrie. Zu Ende des 18. Jahrh. gelang es Jakob Isler, den Strohgeflechten und den geflochtenen ländlichen Strohhüten einen grösseren Markt zu schaffen. In den 20er Jahren des 19. Jahrh. kam zur eigentlichen Strohflechterei die Strohweberei, und Ende der 30er Jahre begann man neben Stroh auch Manilahanf, Seide, Baumwolle und Pferdehaar zu verarbeiten. Neben den Isler beteiligten sich auch die Bruggisser, Geissmann, Vock, Meyer an der Entwicklung dieser Industrie. In den 40er
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Jahren verpflanzte die Familie Fischer die Industrie nach Meisterschwanden und 1849 ein Vertreter des Hauses Isler auch nach Wildegg. In der Zeit der Bordüre 1845-1855 standen bis zu 15000 Handwebstühle in Arbeit. Die Baumwollbändel 1862/63 und die Baumwolllitzen der 70er Jahre brachten der Strohindustrie jeweilen neue Erfolge. Auch die 90er Jahre waren eine Zeit grossen Aufschwungs. Der Wert der aargauischen Strohprodukte mag 8-12 Mill. Fr. betragen. 1905 mögen in den Betrieben etwa 2000 Arbeiter beschäftigt worden sein. Dazu kamen damals rund 2000 Hausarbeiter, deren Zahl je nach den in Mode stehenden Artikeln noch wesentlich gesteigert wird oder auch zurückgeht. Das Verbreitungsgebiet der Industrie ist ungefähr dasselbe geblieben. Neu hinzugekommen ist Aarau. Die eigentliche Strohmetropole ist immer noch Wohlen.
Die Zementfabrikation ist 1830 nach Aarau gebracht worden, wo in der Folge bedeutende Etablissemente entstanden. Von hier aus wurde auch ein bedeutendes Etablissement in Wildegg angelegt. Für die Herstellung von Zement und hydraulischem Kalk sind z. Z. 900 Personen tätig. In der Ziegelei und Zementsteinindustrie (Aarau, Kölliken, Mellingen, Frick, Brugg) sind z. Z. 700-800 Personen beschäftigt. In neuester Zeit ist in Riburg eine Steingutfabrik entstanden. Die industrielle Ausbeutung der Salzlager am Rhein ist um die Mitte des 19. Jahrh. begonnen worden.
Die Salinen von Rheinfelden, Riburg und Kaiseraugst erzeugten 1906: 307000 q Salz aller Art (53% der gesamten schweizerischen Produktion). Die chemische Industrie hat sich im Aargau erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrh. umfassender entwickelt. In den 60er Jahren begann in Aarau und Zofingen die Lack-, Firniss und Farbenfabrikation. Zu Anfang der 70er Jahre kam in Zofingen ein Etablissement für pharmazeutische Produkte hinzu. Später entstand eine chemische Fabrik in Brugg, die auch pharmazeutische Produkte, Süssstoffe aller Art und Ammoniak herstellt. Tinte und Siegellack werden in Aarau erzeugt. In der chemischen Industrie sind etwa 400 Personen tätig.
Wohl eine der ältesten Vertreterinnen der Metallbearbeitung im Aargau ist die Glockengiesserei in Aarau. 1803 brachte der Elsässer Esser die Fabrikation von Reisszeugen und geodätischen Instrumenten nach Aarau, die von Hommel, Kern und Gysi weiter entwickelt wurde. Die Aarauer Präzisionsinstrumente geniessen einen bedeutenden Ruf. Die fabrikmässige Herstellung von Metallwaren hat in den 60er Jahren im Kanton Eingang gefunden. Heute beschäftigen die Metallwaren-, Leuchter- und Armaturenfabriken von Niederrohrdorf, Künten, Baden, Turgi, Kulm an 1500 Arbeitskräfte. In Gontenswil befasst sich seit einigen Jahren ein Etablissement mit der Erstellung von Aluminiumwaren. Zentralheizungen werden in Zofingen und Menziken erstellt. Bedeutende Werkstätten für Brückenkonstruktionen befinden sich in Brugg und Döttingen.
Grössere Eisengiessereien haben Aarau und Brugg. Beim Bau von Maschinen und Apparaten werden etwa 4000 Arbeiter beschäftigt. Das grösste Kontingent entfällt auf die Aktiengesellschaft Brown Boveri & Cie. in Baden, die elektrische Maschinen und Dampfturbinen baut. Elektrische Apparate werden in Aarau hergestellt, Textilindustriemaschinen in Baden, Holzmaschinen in Brugg. Die Holzindustrie ist durch eine Zellulosefabrik in Kaiseraugst, durch Parketterien in Baden und Aarburg und Möbelfabriken an verschiedenen Orten vertreten.
Zigarrenkistchen werden in Klingnau angefertigt. Eine ziemliche Ausdehnung hat in den letzten Jahren die Erstellung von Korbwaren und Rohrmöbeln (Murgenthal, Rothrist, Aarburg, Rheinfelden, Klingnau und Zurzach) erfahren. In Lenzburg und z. T. in den schon genannten Korbwarenfabriken werden Kinderwagen erstellt. Bürsten- und Pinselfabriken finden sich in Entfelden und Rohrdorf. Die Lederindustrie ist in Menziken durch eine Triebriemenfabrik vertreten. Die Schuhfabrikation ist zu Anfang der 50er Jahre von Karl Franz Bally nach Schönenwerd gebracht und später nach dem Aargau verpflanzt worden, wo heute verschiedene Fabriken des Hauses Bally bestehen. Weitere Schuhfabriken finden sich in Baden, Veltheim und Brittnau. Im Ganzen werden im Aargau in der Schuhindustrie etwa 1500 Arbeiter tätig sein, neben einer ziemlichen Zahl Hausarbeiter.
In der Industrie der Nahrungs- und Genussmittel sind rund 5000 Arbeiter tätig. Von diesen fallen gegen 4000 auf die Tabak- und Zigarrenindustrie, die ihren Sitz im Winen- und Seethal und in Rheinfelden hat. Die eigentlichen Zentralen sind Reinach, Menziken und Beinwil am See. In der Bierbrauerei bestehen 14 Betriebe mit einer Gesamtproduktion von 285000 Hektolitern (1906). Von dieser Produktion fällt der grösste Teil auf die beiden Brauereien Feldschlösschen und Salmenbräu in Rheinfelden.
Schokolade wird in Aarau fabriziert. In Lenzburg und Seon bestehen bedeutende Konservenfabriken. Die Müllerei ist mit 8 grösseren Handelsmühlen vertreten in Brittnau, Zofingen, Aarau, Wildegg, Schöftland, Lenzburg, Baden und Birmenstorf. Eine Papierfabrik besteht in Oftringen. Graphische Anstalten, darunter zwei bedeutende Lithographien, bestehen in Zofingen, Aarau, Brugg und Baden. Kartonnagearbeiten werden in Mellingen angefertigt, Papierwaren in Gontenswil.
Nach der Fabrikstatistik von 1901 dienten in der aargauischen Industrie als Betriebskräfte nach Abzug der Elektrizitätswerke etwa 15000 PS. Davon waren Wasserkraft 7800, Dampfkraft 4000, Elektrizität 3000, andere Motoren 500 PS.
Eine sehr bedeutende Entwicklung hat im Aargau die Gewinnung von Elektrizität zu Licht- und Kraftzwecken aus den aarg. Gewässern namentlich seit den 90er Jahren genommen. Dadurch sind die andern aargauischen Industrien nachhaltig gefördert worden. Es sei an die bedeutenden Elektrizitätswerke Olten-Aarburg, Aarau, Brugg, Beznau, Baden, Bremgarten und Rheinfelden erinnert, zu denen in einigen Jahren Augst-Wilen, Laufenburg und Rupperswil kommen werden. Aus aarg. Gewässern (dabei sind die Quoten einzelner Werke, die auf andere Kantone resp. Staaten fallen, in Abzug gebracht) wurden 1907 36000 konzedierte PS. gewonnen, heute etwa 41000 PS. Wenn die Werke Augst-Wilen, Laufenburg und Rupperswil in Betrieb sind, werden aus aargauischen Gewässern 100000-105000 PS. ausgenutzt.
12. Verkehr.
Die ersten Strassen sind im Aargau von
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den Römern gebaut worden. Eine Strasse führte durch das Aarethal nach Vindonissa, von wo über den Bötzberg eine Verbindung mit Augusta Rauracorum erstellt war. Ferner bestand von Vindonissa eine Strasse nach Tenedo (Zurzach). Durch das Limmatthal war die Strasse von Vindonissa nach Winterthur angelegt. Das Mittelalter hat so weit als möglich die römischen Strassen benutzt, selber aber keine Strassen gebaut. Dafür ist in dieser Zeit der Schiffsverkehr auf Aare, Limmat und Reuss aufgenommen worden.
Bis ins 18. Jahrh. hat sich der Personen- und Güterverkehr zur Hauptsache auf unsern Flüssen abgewickelt. Von besondrer Bedeutung ist der Aareverkehr geworden. Namentlich Bern hat Anstrengungen gemacht zur Durchführung eines regelmässigen Schiffsverkehrs, der gewöhnlich bis nach Klingnau ging. Die Zurzacher Messen verdanken ihre Bedeutung zu einem guten Teil der Möglichkeit des Gütertransportes auf diesen Flüssen. Im 18. Jahrh. beginnt dann wieder der Bau von Kunststrassen. Um die Mitte des 18. Jahrh. wird die Zürich-Bernstrasse durch den Aargau geführt.
Ungefähr zu gleicher Zeit wird die Zurzacher Strasse erstellt. Zu Ende des 18. Jahrh. wird mit dem Ausbau der Bötzbergstrasse begonnen und 1803/11 die Staffeleggstrasse angelegt. Die Hauptstrassenbauten sind dann nahezu alle in der 1. Hälfte des 19. Jahrh. gemacht worden. 1907 hatte das Landstrassennetz im Aargau eine Länge von rund 500 km; Ortsverbindungsstrassen bestanden 750 km. Mit dem Beginn der Strassenbauten ist der Schiffsverkehr zurückgetreten. In der 2. Hälfte des 19. Jahrh. ist er fast in Vergessenheit geraten.
Den ersten Bahnanschluss erhielt im Aargau Baden 1847 nach Zürich. 1858 folgte die Fortsetzung von Baden über Brugg nach der Kantonshauptstadt. Von Olten her war der Schienenstrang 1856 bis Aarau vorgedrungen und hatte die Verbindung hergestellt mit Luzern über Zofingen. 1858 wurde Aarau an Bern und an Basel durch den Hauenstein und damit an das Rheingebiet angeschlossen. 1877 kam die Konkurrenzstrecke Baden-Lenzburg-Zofingen der Nationalbahn, die über eine ganze Anzahl aargauischer Städte schweres Leid gebracht hat, in Betrieb. 1875 wurde Wohlen mit Aarau verbunden und 1881/82 erfolgte die Verbindung des Freiamts mit dem Gotthard und mit Brugg.
Die aargauischen Rheingemeinden bis Koblenz erhielten 1876 von Winterthur her Verbindung, nachdem schon 1859 Koblenz in Turgi an die Linie Aarau-Zürich angeschlossen worden war. 1875 wurde der Schienenstrang von Brugg durch den Bötzberg nach Basel geführt. 1883 und 1887 bekam das Seethal Bahnverkehr, und 1892 wurde endlich die letzte Grossbahnstrecke Stein-Koblenz dem Verkehr übergeben. Seither ruht im Aargau der Bau von Grossbahnen, die eine Länge von 280 km haben. An seine Stelle ist zu Beginn des 20. Jahrh. der Bau von elektrischen Kleinbahnen getreten, der auch für die kleinen Gemeinden den Anschluss an die grossen Linien vermitteln soll (Aarau-Schöftland, Bremgarten-Dietikon, Winenthalbahn mit total 43 km Bahnlänge).
Die Anforderungen der Neuzeit an billigen Gütertransport haben das Problem der Flusschiffahrt wieder sehr in den Vordergrund gerückt. Schon ist der Rhein bis Basel bezw. Rheinfelden der Grossschiffahrt erschlossen, und zur Zeit werden Anstrengungen gemacht, diese Schiffahrt nicht nur durch den Rhein zum Bodensee, sondern auch durch die Aare hinauf zu führen.
[Dr. O. Hedinger.]
13. Politische Organisation und Verwaltung.
Die Organisation des Staates Aargau beruht auf der jüngsten Verfassung vom die aber mehrere Partialrevisionen erfahren hat. Es gilt der Grundsatz der Trennung der Gewalten. Die Gesetzgebung wird zunächst vom Grossen Rat ausgeübt. Dieser wird in den 50 Kreisen gewählt und zwar je ein Mitglied auf 1100 Ew. oder einen Bruchteil von 550. 5000 Bürger können eine Abstimmung darüber veranlassen, ob der Grosse Rat abzuberufen und neu zu wählen sei. Seine Amtsdauer, wie die aller Behörden, ist vier Jahre.
Verfassungsänderungen und Gesetze, Beschlüsse, die eine einmalige Ausgabe von 250000 Fr., oder eine jährlich wiederkehrende von 25000 zur Folge haben, Anordnung des Bezuges von mehr als einer halben Staatssteuer, Staatsanleihen über eine Million hinaus sind dem Volksentscheid zu unterbreiten (Obligatorisches Referendum). Das Volk beteiligt sich an der Gesetzgebung auch durch die Gesetzesinitiative, die von 5000 Bürgern ausgehen kann. Der Grosse Rat wählt das Obergericht, das Kriminalgericht, die Anklagekammer und die Staatsanwälte.
Vollziehungs- und Verwaltungsbehörde ist der Regierungsrat. Er besteht aus fünf Mitgliedern und wird vom Volk gewählt wobei der Kanton einen Wahlkreis bildet (Verfassungsrevision vom Dabei ist die Minderheit zu berücksichtigen. Nur ein Mitglied darf der Bundesversammlung angehören. Die Mitglieder der Regierung betreiben keinen anderweitigen Beruf. Zu Verwaltungszwecken ist der Kanton in elf Bezirke eingeteilt. Oberster Beamter, Organ der Regierung, Polizei- und Untersuchungsbeamter, Obervormundschaftsbehörde ist hier der Bezirksamtmann, der vom Volk gewählt wird. Die Gemeinden bestehen aus Ortsbürger- und Einwohnergemeinde mit teilweise gesonderter Verwaltung, an der Spitze steht ein 3-8 gliedriger Gemeinderat, unter dem Vorsitz des Ammanns.
Die oberste richterliche Behörde ist das Obergericht vom 9 Mitgliedern; diese müssen entweder Jura studiert, oder einem Bezirksgericht mindestens vier Jahre angehört haben. Das Obergericht urteilt in letzter Instanz über bürgerliche und vormundschaftliche Streitigkeiten und zuchtpolizeiliche Fälle; in erster Instanz auf Verlangen beider Parteien in allen Fällen, wo Berufung an das Bundesgericht zulässig ist. Ihm liegt die Aufsicht über die gerichtlichen Behörden und Beamten, über Rechtsanwälte etc. ob. Aus der Zahl der Mitglieder des Obergerichts ernennt der Grosse Rat die Mitglieder der Anklagekammer und des Kriminalgerichts. Seit 50 Jahren besteht im Kanton Aargau das Schwurgericht. Die Geschwornen werden nach den gleichen Bestimmungen gewählt, die für die Wahl des Grossen Rates gelten, und aus den Gewählten werden 36 herausgelost, deren Zahl durch Streichungen, zu denen Staatsanwalt und Partei berechtigt sind, event. durch das Los auf 12 reduziert wird.
Jeder Bezirk hat ein Bezirksgericht von 5 Mitgliedern, die (mit Ausnahme des Präsidenten) Laien sein können und vom Volk gewählt werden. Das Bezirksgericht urteilt innerhalb gewisser Befugnisse ohne Appellation, sonst in erster Instanz. Jeder Kreis hat einen vom Volke gewählten Friedensrichter. Ausserdem bestehen ein Handelsgericht und Flurgerichte. Die Mitglieder des