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Ausbildungsformen Fazies der im Molasseland als graugrüne Mergel und Sandsteine entwickelten oberen Süsswassermolasse sind.
Seiner Lagerung gemäss zeigt der westl. Teil des Aargauer Tafeljuras eine nahe Beziehung zum Dinkelberg und Schwarzwald; diese sind gewissermassen seine nördl., aber bedeutend höher ansteigende und entsprechend stärker, im Schwarzwald meist bis auf das Grundgebirge hinab erodierte Fortsetzung. Der östl. Tafeljura geht nordostwärts in den schwäbischen Jura, ost- und südostwärts in den östl. Teil des Molasselandes über.
Der Tafeljura wird von mehreren, meist SW.-NO. verlaufenden Verwerfungen durchzogen. Die wichtigste streicht von Wallbach über Zeiningen und Wintersingen bis ins südliche Baselland. Das Gebiet zwischen den Verwerfungen Leibstadt-Käsiberg einerseits und Beznau-Frick anderseits ist eine Grabenversenkung. Kleinere Grabenversenkungen finden sich in den Gebirgstafeln südl. Wallbach. Eine Verwerfung mit gesunkenem O.-Flügel durchzieht das Gebiet quer zur obigen Regel NW.-SO. von Degerfelden über Rheinfelden zum Brand bei Magden.
2) Der Kettenjura
ist noch komplizierter gebaut als der Tafeljura, Aeltere Formationen als der Salzton treten darin nicht zu Tage, wohl aber die Mehrzahl der übrigen. Die wichtigsten tektonischen Verhältnisse lassen sich durch folgende Sätze andeuten. Vom westl. Jura her ziehen sich zwischen dem S.-Rand des Tafeljuras und der Aare mehrere Gebirgsfalten (Gewölbe, Antiklinalen), dazwischen Mulden, zunächst ostnordostwärts, von der Geissfluh an im Ganzen ostwärts. Die Gewölbe sind von S. nach N. zunehmend einseitig gebaut, der S.-Schenkel mächtiger und weniger steil als der N.-Schenkel und mehr oder weniger über diesen hinüber geschoben.
Auch der N.-Rand des Kettenjuras als Ganzes erscheint beträchtlich über den zu ein oder zwei Falten aufgestülpten S.-Rand des Tafeljuras hinübergeschoben. Alle Gewölbescheitel sind in von S. nach N. zunehmendem Betrage, in den nördlichsten und westlichsten Falten am beträchtlichsten, also dort bis auf den Muschelkalk, ja bis auf den Salzton hinab erodiert. Gleichwohl gehören die Berge des nördl. Kettenjuras zu den höchsten Erhebungen des Gebietes, die Schichten gleichen Alters steigen hier am höchsten an, weil sie nachweislich in breiter Zone über dem S.-Rand des Tafeljuras liegen. Von S. nach N. sind folgende Ketten zu nennen: l) Die Born-Engelbergkette beginnt schon bei Kappel, südl. des O.-Endes der Weissensteinkette.
2) Der Scheitel eines flachen Gewölbes zwischen Schönenwerd und Aarau ist durch Erosion grösstenteils zerstört.
3) Die Gugenkette entsteht östl. des unteren Hauenstein aus der Vereinigung der Farisbergkette mit der Passwangkette.
4) Die Leutschenbergkette vereinigt sich am alten Wolf mit der Sodacker-Stellikopf-Benken-Kette, dann an der Staffelegg mit der Bärnhalden und der Strichenkette zur Gislifluhkette (mit einer merkwürdigen Flexur am S.-Abhang) und diese mit der Kalmeggkette bei Wildegg zur Kestenbergkette.
5) Die Dreierberg-Bözeneggkette geht ostwärts in die Habsburgkette über, deren östl. Aequivalent die Lägernkette ist. Die Gewölbe des Klapfen, des Risshubels bei Oberdorf, der Kohlhalde die Pfaffenhalde mit Urgiz und die Ueberschiebungen des Zeiher Homberges und des Linnerberges gehören dem Südrand des Tafeljuras an. Im allgemeinen sinken die Ketten gegen O. und zwar an ihrem Ende jeweilen verhältnismässig rasch und schiessen unter das Molasseland ein. Die südlichsten Ketten erstrecken sich am wenigsten ostwärts; demgemäss endigt die mit ihrem östl. Teil, dem Engelberg, noch südl. der Aare gelegene Born-Engelbergkette bei Däniken, die Gugenkette bei Erlisbach und die Gislifluh-Kestenbergkette bei Brunegg, so dass schliesslich der Jura östl. der Reuss nur noch aus einer langgezogenen Falte, der Lägernkette besteht, die bei Regensberg endet.
Der Kettenjura zeichnet sich durch seine steilen Flühe und scharfen Kämme aus, die im nordwestl. Teil hauptsächlich von Hauptmuschelkalk (Wisenberg, Leutschenberg, Densbürenstricken, Dreierberg, Habsburg) im mittleren Teil von Hauptrogenstein (Gugen, Geisstluh, Wasserfluh, Egg, Achenberg, Gisifluh) im südlichsten und östl. Teil von den Kalksteinen des oberen Malmes (Engelberg, Kestenberg, Lägern) gebildet werden.
Die Thäler des Kettenjuras sind teils tektonische Mulden (Schinznacherthal) teils durch Erosion zwischen harten Bänken in weichen Mergeln erzeugte langgezogene Comben teils kurze durch Erosion erzeugte Querthäler und zwar Klusen (Aarethal von Aarburg bis Olten, Reussthal von Mülligen bis Gebensdorf und Limmatthal bei Baden) oder Halbklusen (bei Erlisbach, Benken, Staffelegg), durch welche von W. nach O. zunehmend gangbare Verkehrswege den Kettenjura kreuzen. Ganz eigentümlich ist das Aarethal von Wildegg bis Vilnachern, das einem Einsinken aller Ketten, also einer die Ketten dieser Strecke kreuzenden Quermulde seine Entstehung verdankt.
3) Das Molasseland
umfasst das ganze Gebiet südl. und östl. des Kettenjuras und östl. des Tafeljuras, in dem nur die drei Stufen der Molasseformation zu Tage treten. Es dringt auch in die Mulden zwischen der Born-Engelbergkette und die nördl. davon gelegene Gugenkette zwischen die Gislifluh-Kestenbergkette und die Kalmegg-Habsburgkette und bildet den südl. Teil des östl. Tafeljuras. Es kann überhaupt als die vom Tafeljura durch die Aufstauung des Kettenjuras getrennte Fortsetzung desselben bezeichnet werden, in der alle ältern Formationen unter dem Niveau der Thalsohle liegen und an dessen Aufbau (der allgemeinen Regel gemäss, dass die jüngeren Gesteinsschichten südwärts zunehmend vor der Erosion geschützt geblieben sind) nur das mittlere und das jüngste Tertiär in den früher genannten drei Stufen, sowie das Diluvium beteiligt sind.
Die Schichten der Molasse sind, wo sie auf solchen des Juras liegen, gleich geneigt wie diese, fallen also am S.-Fuss des Kettenjuras 10-40 Grad nach S. Die Steilheit des Fallens nimmt südwärts rasch ab, so dass die Schichten im südl. Aargau fast horizontal, resp. 1-2 Grad südwärts geneigt erscheinen. Der südwestliche Teil zeigt einzelne schwache, im ganzen WO. streichende Antiklinalen; ein Ausläufer derselben scheint durch das sanfte Ansteigen der tertiären Nagelfluh im oberen Ruederthal angedeutet. Die Grenzfläche zwischen den drei Stufen ist im westl. Teil des Molasselandes deutlich nach SO. geneigt, derart, dass die obere Meeresmolasse bei Moosleerau ca. 640 m, am Abhang westl. Villmergen 460 m, am Boll östl. Villmergen 440 m ü. M., im mittleren und oberen Seethal unter der Thalsohle liegt. Das Molasseland ist durch mehrere nordwärts gegen das breite Aarethal sich öffnende Seitenthäler tief in entsprechend viele
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von S. nach N. verlaufende Höhenzüge zerschnitten. Deren Höhe nimmt im allgemeinen nach S. (und zwar am Schiltwald und Stierenberg auffallend) rasch zu, aber in der Grenzzone der grössten Ausdehnung der Gletscher während der letzten Vergletscherung rasch ab, so z. B. am S.-Abhang des Schildwaldes, des Stierenberges, des Reinacher Homberges und des Lindenberges.
Ausserhalb der Endmoränen der letzten Vergletscherung sind die Höhenzüge der Molasse von den Hauptthälern aus durch tiefe Seitenthälchen in quere Bergrücken und diese zum Teil wieder durch quere Seitenthälchen zweiter und dritter Ordnung in quere Rücken zerschnitten. Auf zwei verschiedenen Höhenlagen der Molassehügel (in der Umgebung von Brugg 600 und 470 m) liegen zu löcheriger Nagelfluh verkittete Schotter, die als Reste von Ablagerungen aus den Zwischenperioden des entsprechend tief vorgeschrittenen Beginnes der Erosion des Molasselandes nach seiner wohl gleichzeitig mit den Alpen und dem Jura erfolgten Hebung anzusehen sind (älterer und jüngerer Deckenschotter).
Die Haupt-Erosion der Thäler hat erst nach der Ablagerung dieser Deckenschotter stattgefunden. Deren Sohle liegt heute mehrere Dekameter (an der Limmat oberhalb Baden mindestens 26 m) unter dem heutigen Flussniveau. Bei diesem Anlass ist das Gebiet des Juras und des Molasselandes direkt oberhalb der Vereinigung der Aare, Reuss und Limmat (also südl. der Habsburg und des Gebenstorfer Hornes) am weitesten und tiefsten erodiert worden, weil an dieser Abzugstelle der wichtigsten Gewässer der Schweiz naturgemäss die mächtigsten Kräfte zusammen wirkten. In Folge dieser Erosion ist von den Gebirgsmassen, die früher im Gebiet über dem Niveau der Thalsohlen lagen, kaum ein Vierteil als Rest übrig geblieben. Da, wo die Aare durch weiche Gesteine sich durch unteren Malm (zwischen Aarburg und Olten, zwischen Schönenwerd und Aarau, Wildegg bis Villnachern, von Stilli abwärts), oder durch Molasse fliesst (von Murgenthal bis Aarburg, Olten bis Schönenwerd, Aarau bis Wildegg) wurde ein bis 5 km weites Thal ausgewaschen; zwischen den harten Kalkbänken bei Aarburg, Olten, Schönenwerd, Aarau, Wildegg und Stilli konnte nur ein schmales Thal durchsägt werden.
In die derart erzeugten Thäler sind später die Hochterassenschotter, in den verschiedenen Thälern ungleich hoch, eingelagert und daraus später wieder grösstenteils bis auf schmale Umsäumungen des unteren Teiles der Abhänge erodiert worden. Ueber das so erzeugte Relief sind noch weit nordwärts über den Aargau hinaus die Moränen und Schotter der grössten Vergletscherung ausgebreitet und zwar sowohl in den Tiefen als an den Abhängen und auf den höchsten Höhen im Molasseland (auf dem Schiltwald 70 m, dem Stierenberg 50 m, dem Hasenberg und Lindenberg über 100 m mächtig).
Gletscherschliffe auf Fels da und dort im Jura und südl. und nördl. desselben deuten die Richtung an, in der sich die Gletscher bewegten. Nur an wenigen Stellen liegt darauf ein gelber sandiger Lehm («Löss» genannt) mit kleinen Schneckenschalen, der durch Wind aus den während des Rückzuges der Gletscher freiliegenden Schottern zusammengeweht wurde. Erst in späterer Zeit sind in den aus der Molasse und Hochterrasse ausgewaschenen Thalgründen die Kieslager der Niederterrasse von aus den Alpen herfliessenden Gewässern abgesetzt worden.
Zur Zeit der grössten Ausdehnung der letzten Vergletscherung reichten die Gletscher nur noch bis zu der Linie Dagmersellen-Würenlos, in allen Thälern des Molasselandes wurden mächtige Moränenwälle abgelagert, so bei Wauwil, Uffikon, Staffelbach, Zezwil, Seon, Othmarsingen, Mellingen, Killwangen, Würenlos, Steinmaur und Stadel. Ausserdem finden sich in jedem Thal hintereinander noch zwei quere Moränenwälle als Zeichen zweier Stadien des Stillstandes der Gletscher während ihres Rückzuges. Diesen Querwällen verdanken die Seen des Molasselandes ihre Entstehung oder doch einen wesentlichen Anteil an ihrer Aufstauung.
Nach dem Rückzug der Gletscher hinter die Randseen der Alpen haben die Flüsse ihre frühere Erosionstätigkeit neuerdings ausüben und wenigstens in den Hauptthälern der Aare, Reuss, Limmat und des Rheins terrassenförmig modellierte Thalsohlen auswaschen können, die bis 35 m unter das Niveau der Aufschüttungshöhe der Niederterrasse ausgetieft sind. Damit ist jedoch die Tiefe der früheren Thalerosionen bei weitem noch nicht erreicht. In den Seitenthälern hat die Auswaschung der Niederterrasse erst im untersten Teil begonnen. Diese erneute Erosion hat stellenweise nicht da am stärksten
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gewirkt, wo früher schon die Thalsohle am meisten vertieft gewesen war; die heutigen Flüsse kreuzen vielfach ihre früheren Bahnen. Auf manchen Strecken haben sich die Flüsse in der letzten Erosionsperiode, statt in den jüngst abgelagerten Kies der Thalmitte, auf einer der beiden Thalseiten in den anstehenden Fels der seitlichen Bergabhänge eingenagt und fliessen in diesen schwer erodierbaren Gesteinen in engen Schluchten und rascherem Lauf, weil je die unteren Thalabschnitte in loserem Kies bereits mehr ausgetieft sind. So fliesst die Aare statt wie früher südl. jetzt nördlich von Brugg in einem Bett von Kalkstein der Malmformation, oberhalb der Beznau, statt wie früher östl. jetzt westl. des Nietenbuckes in Mergel des unteren Dogger und Lias, die Limmat statt wie früher nördl. jetzt südl. des Seminars Wettingen, in Molasse-Sandstein und Mergel, bei Baden in Keuper-Mergel und Gips, zwischen Oberwil und Niederwil in Molasse, der Rhein bei Kaiserstuhl in oberem Malmkalk nördlicher, oberhalb Koblenz in Muschelkalk, bedeutend südlicher als früher, bei Laufenburg statt wie früher südl. jetzt nördl. des Städtchens in Gneiss, bei Säckingen in Gneis und Buntsandstein nördlicher, bei Mumpf in Buntsandstein südlicher, von Schwörstadt bis Beuggen in Muschelkalk nördlicher, von Rheinfelden bis Kaiseraugst in Muschelkalk und Buntsandstein südlicher als früher, der Aabach von der Siegesmühle abwärts östlicher als früher, in Sandstein.
Diese Flussstrecken in felsigem Bett sind die sog. Laufen, deren starkes Gefälle an mehreren der erwähnten Strecken durch Erstellung von zum Teil bedeutenden Wasserwerken nutzbar gemacht wird. Wenigstens einseitig auf Fels an der einen Thalseite statt in der Mitte der Thalsohle fliesst die Aare von oberhalb Kirchberg bis Wildegg, dann von Wildegg bis Schinznach Bad, oberhalb des Aarhofes bei Villnachern, bei Lauffohr und in der Felsenau; die Reuss bei Birmenstorf und in der Schambelen, die Limmat nördl. Turgi, der Rhein bei Schwaderloch und Hauenstein.
In Folge der feinen Verteilung der aus verschiedenen Gesteinsarten entstandenen Mischung und der Lockerheit und gleichzeitigen Bündigkeit des Moränenmateriales, des Lösses und der verwitterten Schotter zeichnen sich die davon bedeckten Gebiete des Aargaus durch grosse Fruchtbarkeit aus. In solchen Gegenden rühmt der Landwirt die Tiefgründigkeit und Fruchtbarkeit seines Bodens mit den Worten: «Unter meinem Acker liegt noch ein Acker». Diesen Böden sind etwa noch die Mergel des untern Dogger und Lias an Fruchtbarkeit zu vergleichen. Aus dem früher Gesagten erhellt, dass die meisten Thäler des Aargaus durch Erosion entstanden und dass die Berge nur Reste früher meist grösserer Gebirgsmassen sind.
Die Sohlen der durch fliessendes Wasser erodierten Thäler ausserhalb des Gebietes der letzten Vergletscherung werden aufwärts schmaler; die Thäler innerhalb der Grenzen der Vergletscherung dagegen sind südwärts gleich breit oder breiter und unterscheiden sich von ersteren auch dadurch, dass ihre Seitenabhänge nicht von Querthälchen durchzogen, höchstens von rezenten Bachschluchten gefurcht sind, an denen der geringe Betrag der seit der letzten Vergletscherung stattgehabten Erosion erkannt werden kann.
Bedeutende Bergrutsche finden sich sowohl im Jura als im Molasseland da, wo mächtige durchlässige Gesteine (Muschelkalk, Rogenstein, Malmkalk oder Sandstein und Schotter) auf weichen Mergeln liegen, die durch das hinabsickernde Wasser schlüpfrig werden. Viele Erdschlipfe haben sich im Jura in den Mergeln des Lias des untern Dogger und unteren Malmes ereignet. Unterhalb allen Felswänden sind zum Teil mächtige Trümmerhalden entstanden, die zur Beschotterung der Strassen ausgebeutet werden.
Die Veränderungen, welche durch den Menschen am Relief des Landes bewirkt wurden, sind im Ganzen unbedeutend: Es sind teils Aufschüttungen von Eisenbahn- und Strassendämmen und von Abraum der Städte (von letzteren ist derjenige von Vindonissa mit 7000 m3 am N.-Abhang der Terrasse von Königsfelden am bedeutendsten). Anderseits sind durch Anlagen von Strassen und Eisenbahnen zahlreiche Einschnitte in das Terrain nötig geworden. Zahlreiche Kies- und Sandgruben sind besonders in der Niederterrasse und Hochterasse eröffnet. An mehreren hundert Stellen werden ausgezeichnete Sandsteine, Kalksandsteine, Gyps, Lehm und Zementmergel der verschiedenen Gebirgsformationen ausgebeutet.
Früher wurden auch die Eisenrogensteine des Oxfordien (Frickthal, Erlisbach) und das Bohnerz des Eozäns (z. B. am Hungerberg bei Aarau) zur Eisengewinnung verwertet. Steinsalz wird bei Rheinfelden und Möhlin (früher auch bei Augst) gewonnen. Das Salzlager bei Koblenz harrt noch auf Verwertung. Die Ausbeutung alluvialer Torflager (z. B. im Bünzermoos) ist bedeutend zurückgegangen. Tuff und Tropfstein finden sich an wenigen Stellen in der Nähe starker kalkhaltiger Quellen (Lindmühle, Wöschnau).
Geringe Spuren von Steinkohlen, namentlich des Lias und der Süsswassermolasse, zum Teil auch blosse grundlose Vermutungen haben wiederholt zu vergeblichen Nachgrabungen Veranlassung gegeben. Viele grosse erratische Blöcke, bes. Granit, sind zu Bau- und Grenzsteinen, Brunntrögen, Trottoir-Randsteine zersprengt worden. Andere wurden vertraglich konserviert. Die Mergel des Lias und des unteren Dogger wurden früher ausgiebiger als jetzt zum Düngen der Wiesen ausgebeutet.
Für die mangelnden mineralischen Schätze bieten die Wasserkräfte der Flösse reichen Ersatz. Nach den Messungen von Ingenieur Olivier Zschokke ergiessen im Minimum
m3 per Sek. | |
---|---|
Aare beim Eintritt in den Aargau | 78.84 |
Murg | 1.3 |
Rothkanal | 0.54 |
Pfaffnern | 0.08 |
Wigger | 1.0 |
Aarauer Stadtbach | 0.66 |
Sengelbach | 0.70 |
Suhr mit Wina | 0.25 |
Quellbäche im Rohrschachen | 1.35 |
Aa | 0.665 |
Bünz | 0.135 |
Reuss bei ihrer Mündung | 28.10 |
Limmat bei ihrer Mündung | 18.0 |
Surb | 0.46 |
Rhein bei Koblenz | 71.19 |
Bäche des Frickthales zusammen | 0.40 |
Sonstige Zuflüsse oberhalb Basel | 7.61 |
Rhein bei Augst | 210.32 |
Zur Zeit des höchsten Hochwassers im Sept. 1852
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erreichte der Wasserspiegel der Aare bei Aarau den Stand von 0,32 m unter dem Nullpunkt des Pegels an der Brücke bei Aarau, dem eine Wassermenge von 1475 m3 per Sekunde entsprechen mochte. Damals flutete die Aare über den ganzen Schachen vom Hasenberg bis zum Hungerberg. Seit der Ableitung der Aare in den Bielersee können dessen Hochwasser im Maximum nur noch den Betrag von 800 m3 erreichen. Das Einzugsgebiet der Aare und des Rheins umfasst an ihrer Vereinigung bei Koblenz zusammen 33000 km2.
Grosse Wasserwerke konnten nicht nur in Kanälen bei den oben erwähnten «Laufen», sondern auch durch Erstellung von Kanälen, die grössere Windungen der Flüsse abschneiden (Bremgarten an der Reuss) oder durch Anbringen von Stauwehren (z. B. bei Aarau, Rupperswil, Wildegg, Holderbank, Windisch, Turgi) erstellt werden.
Bis Ende 1908 lieferten im Kanton Aargau 566 Wasserwerke 36772 Pferdekräfte, wofür vom Staat jährlich 206000 Fr. Konzessionsgebühren bezogen wurden. Grosse Wasserwerke waren bei Augst-Wilen und bei Laufenburg im Bau begriffen, die zusammen 50000 PS. liefern sollen, sodass der Staat nachher 510000 Fr. jährliche Konzessionsgebühr beziehen kann. Noch sind aber nicht alle Wasserkräfte ausgenützt. Bei mittlerer Winterwassermenge sollen im Ganzen netto 206000 PS. ausnützbar sein.
Der Aargau ist sehr reich an Trinkwasser. Die Erhebungen behufs Erstellung einer Quellenkarte des Kantons weisen nach, dass über 3000 noch ungefasste Quellen rund 200000 Minutenliter und über 5500 gefasste Quellen im Minimum über 70000 Minutenliter Trinkwasser liefern. Dazu gibt es noch über 4000 Sodbrunnen und eine Menge von Wasserlöchern, Aufstössen, Feuerweihern u. s. w.
Im Allgemeinen liefert der Jura wenige, aber starke Quellen mit veränderlichem Erguss, die da hervortreten, wo durchlässige wasserführende Schichten den Thalweg schneiden. Demgemäss sind die menschlichen Ansiedelungen hier konzentriert und die Berge wenig besiedelt. Das Molasseland dagegen liefert zahlreiche aber schwächere und konstantere Quellen entsprechend dem Umstand, dass die wasserführenden Schichten meist fast horizontal liegen und in verschiedenem Niveau der Bergabhänge ausstreichen.
Daher sind die menschlichen Ansiedelungen im Molasseland über das ganze Gebiet zerstreut. Sodbrunnen können teils in den Thalsohlen in der Nähe der Flüsse oder in Folge der Grundwasserströme in den Schottern, teils fast überall in den Sandsteinen des Molasselandes erstellt werden. Da das Grundwasser in einigen Thalsohlen sehr mächtig ist und vor Verunreinigung geschützt in grossen Tiefen gefasst werden kann und da man jetzt Maschinen hat, um es mit elektrischer Kraft oder durch verschiedene andere Motoren in jede gewünschte Höhe zu pumpen, sind in neuerer Zeit in mehreren grossen Ortschaften Wasserversorgungen durch Pumpen von Grundwasser erstellt worden.
Besondere Erwähnungen verdienen die warmen und schwefelhaltigen Heilquellen von Baden (48° C.) und Schinznach (32° C.), die jodhaltige Quelle von Wildegg und der Glaubersalz- und Bittersalzhaltige Keupergips von Birmenstorf (früher auch Mülligen), durch dessen Auslaugung Bitterwasser gewonnen wird.
Von den drei Seen des Aargaus liegen nur die beiden kleinsten, der Egelsee auf der O.-Seite und das Seelein bei Giren auf der W.-Seite des Hasenberges, ausschliesslich auf seinem Gebiete. Beide verdanken ihre Entstehung der Aufstauung durch an den Berg gelagerte Seitenmoränenwälle. Der obere Teil des Hallwilersees liegt im Gebiet des Kantons Luzern. Er hat ohne den oberen Aabach ein Einzugsgebiet von rund 70 km2 (dazu das Einzugsgebiet des Baldeggersees von 80 km2), eine Oberfläche von 10,5 km2, einen Inhalt von rund 0,7 km3 und eine Maximaltiefe von 47 m. Er verdankt seine Entstehung dem Zusammenwirken verschiedener Faktoren. In erster Linie ist das Thal durch Flusserosion ausgewaschen worden.
Dadurch wurde einem Arme des Reussgletschers der Weg gewiesen, auf dem er zur Zeit der zweitletzten Vergletscherung ins untere Aarethal, während der letzten Vergletscherung bis Seon und in einem anderen Stadium bis Seengen vordrang, wobei er dort mächtige Endmoränen absetzte, durch welche der See gestaut wurde. In einem spätem Stadium reichte der Gletscher nur noch bis Ermensee; während dieses Stadiums wurden dort Endmoränen und ausserhalb derselben ein ausgedehntes Schotterfeld abgelagert, wodurch das Thalbecken in die beiden Becken des Hallwilersees und des Baldeggersees geschieden wurde.
Während seines Vordringens hat der Gletscher das Seebecken erweitert und wahrscheinlich auch in der Tiefe ausgefurcht. Der Umstand, dass der vielarmige Vierwaldstättersee und der Zugersee als in Folge Einsenkung des Alpenvorlandes ertrunkene Thäler mit entsprechenden Seitenthälern angesehen werden müssen, führt zu der Vermutung, dass von dieser Einsenkung auch das Becken resp. die Umgebung des Hallwiler- und Baldeggersees betroffen worden sei. Seit der Ablagerung der Schotter zwischen dem Hallwiler- und Baldeggersee scheint jedoch wieder eine schwache Hebung dieses Gebietes resp. eine Senkung des Seespiegels von ca. 4,5 m eingetreten zu sein. Der Spiegel des Sees wurde wahrscheinlich vor einigen hundert Jahren durch die Erstellung einer Wuhrschwelle behufs Gewinnung einer Wasserkraft und Bewässerung eines Schlossgrabens beim Schloss
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Hallwil um ca. 1,6 m gestaut. In das so erzeugte Ueberschwemmungsgebiet am oberen und unteren Ende des Sees sind wenig Torf erzeugende Sumpfpflanzen, eine ebene schwammige Fläche bildend, hinausgewachsen. Eine unterseeische Strandzone, die entweder mit Binsen bewachsen oder mit groben Geschieben belegt ist, erstreckt sich fast überall ringsum 10-50 m breit bis zu einer Tiefe von ca. 1,6 m in den See hinaus. Erst ausserhalb fällt das Ufer an scharfer, da und dort scheinbar überhängender Kante steil ab. Ein Teil des Seebeckens ist seit seiner Bildung durch die Anschwemmungen seitlicher Bäche verlandet. Am bedeutendsten sind die Schuttkegel des Aabaches und seiner Seitenbäche, des Altwisbaches, des Tröletenbaches und Eggholzerbaches am oberen, bezw. südostl. Ende des Sees. Aber auch die Ablagerungen des Beinwiler- und Birrwilerbaches auf der W.-Seite, des Tiefenbaches, des Schongauerbaches und des Tennwilerbaches auf der O.-Seite und einiger anderer kleiner Bächlein ringsum bilden deutliche kleine Schuttkegel.
Aus den obigen Darlegungen geht hervor, dass der Aargau die grosse Mannigfaltigkeit seiner Bodengestalt verschiedenen Kräften verdankt, die auf seinem Gebiet in folgender Reihenfolge gewirkt haben.
1) Die Erstarrung und darauffolgende Aufstauung und Abrasion des Gneises, der die Unterlage des ganzen Landes bildet. - 2) Die Ablagerung des Sedimentgesteine der Trias-, Jura-, Eozän- und Miozän-Formationen. - 3) Die darauffolgende Trockenlegung und Aufstauchung dieser Sedimente. - 4) Deren Erosion hauptsächlich durch den Regen und die Flüsse, jedenfalls aber auch durch die schürfende Wirkung der Gletscher. - 5) Der Einfluss der verschiedenen Perioden und Zwischenzeiten der Vergletscherung des Landes, wobei auf die vorher gestalteten Unebenheiten Moränen und in die Thäler Schotter abgelagert wurden.
Bei dieser Modellierung des Landes sind als Reste der ursprünglichen grösseren Gesteinsmassen die Berge und Hügel übrig geblieben, von denen manche durch die Schönheit und Ausdehnung der Fernsichten, die man darauf geniesst, ausgezeichnet sind. Als solche Aussichtspunkte sind zu nennen:
a) im Gneisgebiet der Schlossberg von Laufenburg. - b) im Tafeljura in der Richtung von W. nach O.: westl. der Aare: Der Sonnenberg und Herrschaftsberg bei Zeiningen, die Katzenfluh bei Mumpf, der Kaisterberg und der Heuberg bei Laufenburg, die Wandfluh bei Leibstadt, der Thiersteinberg zwischen Wegenstetten und Wittnau, der Frickberg, Schimberg und Kreisacker östl. Frick, der Laubberg und der Wessenberg bei Hottwil, der Bötzberg, das O.- und W.-Ende des Geissberges bei Villigen und der Bruggerberg. Oestl. der Aare der Achenberg bei Zurzach, die Spornegg bei Baldingen, die Schneisinger Höhe, die Rhifluh bei Siggenthal und das vielbesuchte Gebensdorferhorn bei Turgi. - c) im Kettenjura westl. der Aare: Die Burgfluh westl. und der Densbürer Strichen östl. Oberhof, die Geissfluh und Egg bei Erlisbach, die Wasserfluh, der Asper-Strichen (Stockmatthöhe), der Königstein und der Bibersteiner Homberg bei Küttigen, der Zeiher Homberg nordwestl. Schinznach und vor allen ausgezeichnet die Gislifluh bei Biberstein. Oestl. der Aare: Säli und Engelberg, die Habsburg, der Kestenberg, die Höhe des Lindhofes, die Baldegg und der Martinsberg bei Baden und wegen ihrer freien Lage ganz besonders die Lägern. Auch kleinere Anhöhen, wie z. B. der Hungerberg und das Oberholz bei Aarau bieten bei geringer Mühe des Ersteigens prächtige Aussichten. - d) im Molasseland sind als Aussichtspunkte viel besucht: die Höhe bei Brittnau, der Heitere Platz bei Zofingen, Gschneit (Hochwacht) und Hoheliebe westl. Kulm, der Herdenberg und die Bampf südöstl.
Gränichen, die «Hohen Felsen» und die Wandfluh östl. Kulm. Der Reinacher Homberg ist wegen seiner prachtvollen Rund- und Fernsicht der «Rigi des Aargaus» genannt worden. Der Staufberg, der Lenzburger Schlossberg und der Eichberg bei Seengen zeichnen sich schon bei geringer Höhe durch herrliche Aussicht aus. Im östl. und südl. aargauischen Molasseland sind das Maiengrün bei Hägglingen, der Kreuzliberg (mit dem Teufelskeller) und der Rüssler bei Raden, der Rohrdorferberg, der Heitersberg und der Herrenberg bei Bremgarten und auf dem Lindenberg namentlich Horben durch ihre Aussichten wohlbekannt.
Die Schönheit des Landschaftsbildes im Aargau wird durch die zahlreichen, meist wohleingedämmten Flüsse,
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die Bäche und Seen noch wesentlich erhöht. In dieser Beziehung ist namentlich das Gebiet, wo die grössten Flüsse der Schweiz, Aare, Reuss, Limmat und Rhein sich vereinigen, ausgezeichnet. Im Rheinthal bot bis in die jüngste Zeit der herrliche Laufen bei Laufenburg (der leider in Folge der Erstellung des dortigen Wasserwerkes verschwinden wird) ein prächtiges Naturschauspiel. Ausserdem strudelt der Rhein auch im Laufen oberhalb Koblenz, bei Schwaderloch, im Gewild und Höllenhacken bei Rheinfelden über zerfressene Felsen in seinem Bett.
Interessante Stellen im Laufe der Flüsse zeigt die Aare bei ihrem engen, rasch sich biegenden Laufe bei Aarburg mit Strudellöchern und den sog. Hägeler-Quellen am rechten Ufer und im engen Laufen bei Brugg; die Reuss ist durch ihre mannigfachen Windungen ausgezeichnet, von denen namentlich die unterhalb Mülligen ein schönes Bild gewährt. Eine stille Romantik weisen die Umgebungen des Egelsees auf. Uebrigens gibt es im Aargau auch in Bezug auf seine Fruchtbarkeit sozusagen keine Stelle ohne landschaftliche Schönheit. In Anbetracht der Mannigfaltigkeit seiner Schönheit verdient er mit Recht den Namen: «der schöne Aargau". .
[Dr. F. Mühlberg.]
3. Klima.
Aus der beigegebenen Tabelle, der die Beobachtungsperiode 1864-1900 zu Grunde liegt, ist ersichtlich, dass sowohl Wärme wie Niederschläge ziemlich gleichmässige und günstige klimatische Verhältnisse schaffen.
Stationen. | Höhe | Barom. | Temperatur °C. | Niederschläge | Gewitter | Hagel | ||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
. | . | mm | Jan. | Juli | Jahr | mm | im Mittel pro Jahr | |
Aarau | 407 | 727.4 | -1,5 | 17.6 | 8.2 | 1056 | 18 | 0.6 |
Baden | 385 | 728.7 | -1,4 | 17.5 | 8.2 | 1049 | 16 | 0.5 |
Böttstein | 360 | 730.6 | -1,3 | 17.8 | 8.3 | 1035 | 12 | 0.4 |
Muri | 483 | 720.0 | -1,8 | 18.0 | 8.2 | 1049 | 13 | 0.6 |
Rheinfelden | 280 | 737.7 | -0,9 | 18.5 | 8.8 | 924 | - | - |
Eine auffallendere Abweichung zeigt Rheinfelden mit seiner durchschnittlich niedrigen Wintertemperatur, der namhaft hohem Sommer- u. Jahreswärme, sowie den erheblich geringeren Niederschlägen. Die Station kann als Typus der aargauischen Rheingegend (unteres Frickthal) gelten, deren geringe Höhenlage in Verbindung mit der Schutzwirkung des südl. Schwarzwaldes hier ähnliche Verhältnisse geschaffen haben, wie in der oberrheinischen Tiefebene (Basel-Mainz).
Jedes Jahr lässt sich auch in den Thalschaften des Frickthales der frühere Einzug des Frühlings beobachten, als dies im S. der Jurakette der Fall ist. Mit Ausnahme des nordöstl. Kantonsteiles, wo sie etwas geringer sind, halten sich die Niederschlagsmengen im Jura und im Mittelland ungefähr auf der selben Höhe (1000-1100 mm), wie denn auch die breitrückigen Molasseberge des südl. Aargaus mit den Kammhöhen des Aargauer Juras so ziemlich übereinstimmen. Einen relativ regenarmen Winkel (unter 90 cm) verzeichnet die Billwiller’sche Regenkarte im Querthal der Aare, etwa zwischen den Mündungen von Aa und Limmat, weil das Gebiet im Regenschatten der hier durchbrochenen Juraketten liegt. - Auffallend sind die häufigen Gewitter im oberen Aarethal, deren Zahl in manchen Jahren auf 40 und mehr steigt, während in dessen unterem Teil, wohl infolge der soeben erwähnten orographischen Verhältnisse, elektrische Entladungen nicht eben häufig sind (s. Böttstein). Bei allen Stationen steht die Zahl der jährlichen Hagelschläge im Mittel glücklicherweise unter 1.
Zur Illustration des monatl. Witterungsganges folgt zum Schluss die Zusammenstellung der Monatsmittel, unter Zugrundlegung der eingangs erwähnten Beobachtungsperiode, für die Station Aarau:
. | Jan. | Febr. | März | April | Mai | Juni | Juli | Aug. | Sept. | Okt. | Nov. | Dez. | Jahr |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Temperatur | -1,5 | 0.5 | 3.6 | 8.5 | 12.4 | 16 | 17.6 | 16.5 | 13.5 | 8.0 | 3.6 | -0,5 | 8.2 °C. |
Bewölkung | 76 | 65 | 61 | 57 | 55 | 54 | 50 | 50 | 53 | 69 | 78 | 80 | 62% |
Niederschläge | 53 | 63 | 71 | 79 | 95 | 118 | 114 | 114 | 96 | 96 | 77 | 80 | 1056 mm |
Die tiefste Temperatur von -26° wurde beobachtet am die höchste von 33° am
[Dr. S. Schwere.]
4. Die Flora
des Aargaus schliesst sich den andern Kantonen des Mittellandes an. Der Jura, der den nördl. Teil des Kantons besetzt, hat allerdings eine eigene Flora, die aber mit seiner Längenausdehnung etwas wechselt. Nach W. nimmt sie vom Aargau aus sowohl in Bezug auf die Anzahl der Arten als auf die Menge der Individuen zu und kommt deshalb im Solothurner und Berner Jura mehr zur Geltung als im Aargau. In dem Teil des Kantons, der nicht dem Jura angehört, prägen die orographischen und hydrographischen Verhältnisse der Flora ihre Gestalt auf. In den sumpfigen Gegenden der Umgebung des Hallwilersees, im Bünzermoos und in andern kleinen Torfmooren macht sich eine charakteristische Sumpfflora geltend. In den ausgedehnten Waldungen kommt die Waldflora zur Geltung. Die Flora der Thalsohle ist meistens durch die Kultur bedingt; nur an wenigen Stellen kann sich hier ein frei lebendes Pflanzenbild entwickeln.
Wenn man auf einem felsigen Jurarücken den obersten Kamm begeht, trifft man auf der Felskante, wo die Sonne freien Zutritt hat, Pflanzenkolonien an, die sich auf der ganzen Länge des Jurazuges wiederholen. Da breitet die liebliche rote Steinnelke (Dianthus caesius) ihre Teppiche aus, umrahmt vom Berggamander (Teucrium montanum) in Begleitung des edlen Gamander
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(Teucrium chamaedrys), vom Bergtäschelkraut (Thlaspi montanum), vom dunkelroten, grossblumigen Storchschnabel (Geranium sanguineum), der stachligen Rose (Rosa spinosissima) und der kleinen Kugelblume (Globularia cordifolia). In der Nähe oder an ähnlichen Stellen wachsen aus Felsenritzen die hübschen, kleinen, kugligen Polster der gelben Hungerblümchen (Draba aizoides), sowie das ziemlich seltene Habichtskraut (Hieracium humile), die blaue Seslerie, ein schönes Gras (Sesleria coerulea).
Der Traubensteinbrech (Saxifraga aizoon) überzieht mit seinen derben graugrünen Blattrosetten krustenartig den Fels. Der stengellose Enzian (Gentiana acaulis) und das Fluhblümchen (Primula auricula), früher an den gleichen Orten ziemlich häufige Pflanzen, sind der Sammellust und der Gartenliebhaberei zum Opfer gefallen; zwei hübsche Sträuchlein aber, die Felsenmispel (Aronia rotundifolia) und die Zwergmispel (Cotoneaster vulgaris) findet man noch auf den Felsenkämmen, ebenso das langblättrige Hasenohr (Bupleurum longifolium). An den sonnigen Halden des Jura blühen in den Frühlingsmonaten die Trollblume (Trollius europaeus), das Sonnenröschen (Helianthemum vulgare), die buchsblättrige Kreuzblume (Polygala chamaebuxus), zwei Leimkräuter (Silene inflata und S. nutans), das Frühlingsfingerkraut (Potentilla verna), der Bergaster (Aster amellus), die Sternliebe (Bellidiastrum Michelii), das Rindsauge (Buphthalmum salicifolium), die pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia), die Schwalbenwurz (Vincetoxicum officinale); im Sommer und Herbst treten wieder andere Pflanzen auf, so einige Enziane (Gentiana germanica, G. ciliata, G. cruciata), auch da und dort noch der gelbe Enzian (Gentiana lutea), der an vielen Orten verschwunden ist, da seine Wurzel zum Brennen des als Hausmittel sehr beliebten «Enzelenwassers» gebraucht wird, und die weisse Niesswurz (Veratrum album), der Haarstrang (Peucedanum Cervaria); mit der darauf schmarotzenden Sommerwurz (Orobanche cervariae), sowie eine Anzahl Orchideen, so Orchis ustulata und O. Morio, die Hundswurz (Anacamptis pyramidalis), die wohlriechende Gymnadenie (Gymnadenia odoratissima) und mehrere Insektenständer, beim Volke «Bergmännchen» geheissen, wie Ophrys muscifera, O. aranifera, O. fuciflora, O. apifera und viele andere Pflanzen mehr. An felsigen sonnigen Stellen im Walde wohnt das Felsenlöffelkraut (Kernera saxatilis), breitet die Alpengänsekresse (Arabis alpina) im Frühling ihre weissen Teppiche aus, und an den Felsen der Festung Aarburg blüht in verborgenen Felswinkeln eine seltene Art dieser Gattung mit hellvioletten Blüten (Arabis arenosa).
Eine nach S. gerichtete Felswand dieser Festung ist auch mit dem wilden Lack (Cheiranthus Cheiri) besetzt, dem während der Blütezeit wohlriechende Düfte entströmen. Moosige Felsen im Walde sind von der Moosmiere (Möhringia muscosa) überzogen, deren weisse Blütensterne gar schön und scharf aus der grünen Moosunterlage hervorleuchten. In lichten Waldstellen stösst man im dichten Pflanzenwuchs des dem Lichte neu erschlossenen Waldbodens Kolonien vom Waldtragant (Astragalus glycyphyllus) in Verbindung mit der Waldwicke und der Strauchwicke (Vicia silvatica und V. dumetorum), sowie der Waldplatterbse (Lathyrus silvaticus). An feuchten Stellen im lichten Walde haben sich andere Pflanzengesellschaften zusammengefunden; da sieht man die Blüten der kleinen Glockenblume (Campanula pusilla), daneben stehen Drüsengriffel (Adenostyles albifrons und A. alpina), deren grosse Blätter dichte Bestände bilden; der feuchten Moosunterlage entspriessen einige kleine Farnkräuter (Asplenium viride, A. montanum u. a.). An andern Stellen im lichten Wald findet man im Frühling in Menge blühende Zahnwurzeln (Dentaria digitata und D. pinnata).
Der lichte Wald selbst ist meistens sog. Stockausschlagwald, der in forstlicher Beziehung und in Hinsicht auf Ertragsfähigkeit weit hinter dem nach neuen Erfahrungen bewirtschafteten Hochwald zurücksteht, in botanischer Beziehung aber viel mannigfaltiger ist und eher den ursprünglichen Wald darstellt. Da wachsen neben der Buche und den gewöhnlichen Nadelhölzern noch wild die Linde (Tilia parvifolia), der Ahorn (Acer pseudoplatanus), verschiedene Ebereschen, (wie Sorbus Aria, S. torminalis, S. hybrida, S. latifolia u. a.), dann die Esche (Fraxinus excelsior), die Eibe (Taxus baccata), auch der wilde Apfel- und Birnbaum (Pirus Malus und P. communis).
Gegen den Rand des Waldes oder am obern Saum gegen den Bergrücken hin gedeihen eine Anzahl dem Jura eigene Sträucher, wie der lorbeerblättrige Kellerhals (Daphne Laureola), der Reckholder (Juniperus communis), die Weichselkirsche (Prunus Mahaleb), die dunkelrote alpine Rose (Rosa alpina), der Alpenwegdorn (Rhamnus alpina), die Alpen-Johannisbeere (Ribes alpinum). An ähnlichen Stellen wachsen Felsen-Himbeere (Rubus saxatilis), die wollköpfige Kratzdistel (Cirsium eriophorum) und einige Kronwicken (Coronilla varia, C. Emerus, C. montana) u. a. Eine ganz eigenartige Flora hat die Lägern bei Baden. Von Pflanzen, die anderwärts im Jura nicht gefunden werden, beherbergt dieser Jurakamm eine Lilie (Lilium croceum), einen Lattich (Lactuca perennis), einen Lauch (Allium montanum), dazu einige Orchideen und noch andere seltene Jurapflanzen, die anderwärts nur selten angetroffen werden.
Die Juraflora ist hiemit noch lange nicht erschöpft, sondern nur durch eine Auswahl wichtigerer und auffallender Arten charakterisiert, ohne dass spezielle Standorte angegeben worden sind.
Die Wasser- und Sumpfpflanzen bilden in der aargauischen Flora eine sehr interessante Abteilung. Die eigenartige Sumpfflora geht leider infolge der überall durchgeführten Trockenlegung von versumpften Stellen
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beständig zurück. Am Hallwilersee ist diese Flora am Ausfluss längs des Aabaches noch in einem ziemlich grossen Gebiete enthalten; wenn dieser See aber, wie von verschiedenen Seiten befürwortet wird, tiefer gelegt werden sollte, ist ein grosser Teil der aargauischen Sumpfflora dem Untergang geweiht. Seltene und merkwürdige Typen dieser Gegend sind: Drei Sonnentauarten (Drosera rotundifolia, D. anglica, D. intermedia), das Sumpfläusekraut (Pedicularis palustris), zwei Wasserschlaucharten ( Utricularia vulgaris und U. minor), das Sumpfknabenkraut (Orchis palustris), die Blütenschraube (Spiranthes aestivalis), die Zwiebelorche (Sturmia Loeselii), sowie viele Seggen und Binsenarten; unter letzteren die seltene Simse (Juncus diffusus).
Dem grossen Bünzermoos, das ebenfalls entwässert werden soll, sind viele bekannte Sumpfpflanzen eigen, die nur in Torfmooren vorkommen. Von den gewöhnlichen Arten bilden viele, z. T. seltene Seggen, Binsen und Rohre grössere Bestände, namentlich stellt Phragmites communis oft eigentlichen Rohrwald vor, in dem nur wenige andere Arten in kleinen Horsten enthalten sind, darunter der mäusegraue Rohrkolben (Typha Shuttleworthii). Dann wachsen im Bünzermoos, wie auch in andern Torfmooren, folgende Sumpfpflanzen: Zwei Hahnenfussarten (Ranunculus Lingua und R. flammula), das Sumpfveilcnen (Viola palustris), die Sumpfparnassie (Parnassia palustris), das Sumpfsiebenfingerkraut (Comarum palustre), die Sumpfbeere (Oxycoccos palustris), das Poleiblatt (Andromeda polifolia), der Sumpfenzian (Gentiana asclepiadea), das Schmeerkraut (Pinguicula vulgaris), zwei Igelkolben (Sparganium ramosum und Sp. simplex), die Sumpfwurz (Epipactis palustris), der Sonnentau (Drosera rotundifolia), der Sumpfschildfarn (Aspidium Thelypteris) und alle die gewöhnlichen Sumpfpflanzen. In diesem Moose befindet sich auch der einzige Standort herwärts der Alpen des im ganzen seltenen Traubenfarns (Osmunda regalis).
Längs der Reuss finden sich oberhalb Bremgarten noch viele versumpfte Stellen, wo die sibirische Schwertlilie (Iris sibirica) in Menge wächst und in Tümpeln auch der Froschbiss (Hydrocharis Morsus ranae) seine runden Blätter auf der Wasserfläche ausbreitet.
In den Altwässern der Aare unterhalb Aarau findet man die seltene untergetauchte Wasserfeder (Hottonia palustris), die quirlig-traubige, rötliche Blütenstände über die Wasserfläche erhebt. Im Hallwilersee ist für den Kanton Aargau der Hauptbestand der beiden Seerosen (Nymphaea alba und Nuphar luteum) enthalten. Beiden ist im Seethal seitens von Vereinen, welche namentlich die weisse Seerose als Wahrzeichen auf Feste mitnehmen, von Schulen und Liebhabern so viel Aufmerksamkeit geschenkt worden, dass man die aargauische Naturschutzkommission um Abhilfe von Uebelständen anrief, welche den Bestand dieser schönen Wasserblumen gefährden könnten. Beide Seerosenarten kommen auch anderwärts im Aargau in Weihern und Tümpeln vor, wo sie in den meisten Fällen von Pflanzenfreunden eingepflanzt worden sind, so in mehreren Weihern im Bezirk Zofingen.
In allen kleinern stehenden oder langsam fliessenden Gewässern wuchert im Sommer der Wasserhahnenfuss (Ranunculus aquatilis), der da, wo er sich ungestört entwickeln kann, oft eine verhältnismässig grosse Wasserfläche besetzt hält und sie mit seinen kleinen, blendend weissen Blüten, die einzig über die Oberfläche hervorragen, dicht überstreut. Auch das Tausendblatt (Myriophyllum spicatum und M. verticillatum) macht sich an solchen Stellen bemerkbar. In der Suhr, deren altes Bett viele versumpfte Stellen bildet, die viele der schon genannten Sumpf- und Wasserpflanzen beherbergen, entwickelt sich das merkwürdige Hornblatt (Ceratophyllum demersum) zu einer eigentümlichen Form, indem die Pflanze, die aus dem Sempachersee stets wieder hergeschwemmt wird, in dem ziemlich rasch fliessenden Wasser langgezogene Rasen und Wedel bildet, statt (wie in stehenden Gewässern) grosse untergetauchte Wolken.
Der Wasserstern (Callitriche vernalis), sonst ebenfalls eine untergetauchte Wasserpflanze vieler Tümpel, bildet im Boowald und im Unterwald Zofingens in feuchten Waldungen oft förmliche Rasen an Stellen, die hie und da nach Regenwetter mit einer dünnen Wasserschicht bedeckt sind, meistens aber trocken liegen. An den gleichen Stellen treten auch Sumpfknötericharten in grosser Menge auf.
Hie und da findet man im Bezirk Zofingen in den Jaucheansammlungen um den Mist eines Bauernhauses die höckerige Wasserlinse (Lemna gibba) und in kleinen Waldweiherchen der Gemeinde Vordemwald die Stielwasserlinse (Lemna trisulca). Auch der Kalmus (Acorus Calamus) findet sich im Bezirk Zofingen in vielen kleinen Weiherchen bei Bauernhäusern, ebenso in einem Bache bei Zofingen der Teichfaden (Zanichellia palustris). In einem kleinen Torfmoor bei Rohrbach fanden wir in den 1880er Jahren den seltenen Bärlapp (Lycopodium inundatum). Auch bei Behandlung der Sumpfflora wurden
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lange nicht alle Arten berücksichtigt. Diese Flora ist mehr gefährdet und im Rückgang begriffen, als die andern Abteilungen unsrer Flora, weil die Sümpfe entwässert und zu Kulturland gemacht werden. Es wäre eine verdienstliche Aufgabe der in allen Kantonen neu entstandenen Naturschutzkommissionen, grössere Stellen, die noch Kolonien der selteneren Sumpfpflanzen beherbergen, in Schutz zu nehmen.
Die grossen Wälder des aargauischen Molassehügellandes beherbergen wieder eine eigene Flora im lichten Walde, an abgeholzten Stellen und am Rand des Waldes. Die forstwirtschaftlich sorgfältig besorgten Waldungen bestehen aus Rottannen, Weisstannen, Lärchen, Kiefern, Buchen und Eichen; auch Birken und Erlen sind eingestreut. Sie werden durch natürliche Verjüngung erzogen, wodurch den kleinen Waldpflanzen eher eine Existenz geboten wird, als das bei der alten Methode mit Kahlschlagbetrieb der Fall war. Im ersten Frühling erfreuen uns im Wald die Windröschen (Anemone nemorosa), deren weisse, oft rötlich angelaufene Blüten meist grosse Flächen überdecken; seltener ist das gelbe Windröschen (Anemone ranunculoides) und das Leberblümchen (Anemone hepatica), welche beiden mehr im östl. Teile des Kantons vorkommen.
Auch der Sauerklee (Oxalis acetosella) bedeckt oft grosse Stellen des Waldbodens mit seinen saftiggrünen Blättern und den zartweissen Blüten. An andern etwas feuchten Stellen wachsen grosse Bestände des Springkrautes (Impatiens noli tangere), und in den letzten Jahrzehnten hat das früher in unserer Gegenden fehlende, sehr seltene kleine Springkraut (Impatiens parviflora) seinen Einzug gehalten. Gar vielerlei Pflanzen, Kräuter und Unkräuter beherbergt der Wald noch an günstigen Stellen, während im dichten geschlossenen Waldbestand fast keine kleinern Pflanzen zu finden sind.
Auf Stellen, wo das Holz noch nicht lange geschlagen wurde, erscheint, alles überwuchernd, ein Feld von Waldweidenröschen (Epilobium spicatum), das durch die vielen Blütenähren von Weitem rot aufleuchtet, im Herbst aber in Menge die mit weisser Wolle versehenen Samen ausschickt. Im lichten Wald blühen im Frühling die Frühlingswalderbse und die knollige Walderbse (Lathyrus vernus und L. montanus), der Bergklee (Trifolium montanum), das Hexenkraut (Circaea Lutetiana), die weissblühende Rapunzel (Phytheuma spicatum), mehrere Wintergrünarten (Pirola secunda, P. media, P. minor, P. rotundifolia), das blattlose und farblose Ohnblatt (Monotropa hypopitys), der Hain-Ampfer (Rumex nemorosus); dann von Orchideen die schöne rote Cephalanthera rubra, die Sumpfwurz (Epipactis latifolia und E. atrorubens), das Zweiblatt (Listera ovata), die auf Wurzeln und moderndem Laub schmarotzende Nestwurz (Neottia nidus avis). Am Wegbord im Wald nicken auf langen, schlanken Stengeln die roten Blüten des Hasenlattichs (Prenanthes purpurea), das Waldhabichtskraut (Hieracium murorum), die grossblumigen Glockenblumen (Campanula persicifolia und C. Trachelium).
Auf einem verborgenen Waldweg im Zofinger Bannwald kommt das sehr seltene wollblättrige Habichtskraut (Hieracium lycopifolium) vor. Grosse Komplexe im Walde werden bedeckt von der Heidelbeerstaude (Vaccinium myrtillus) und vom Haidekraut (Calluna vulgaris), das im Herbst seine lieblichen roten Blütensträusse entwickelt. Auch die beiden Seggen (Carex brizoides und C. silvatica) nehmen grosse Flächen ein; erstere wird im Grossen gesammelt und dient als «Lische» zum Füllen von Matratzen. Auch die Erdbeeren (Fragaria vesca) und die Himbeeren und Brombeeren (Rubus Idaeus, R. caesius und R. fruticosus) werden gesammelt und bieten während der Fruchtreife armen Leuten nicht unbedeutenden Erwerb.
Auf feuchten, wenig begangenen Waldwegen und deren Umgebung trifft man nicht häufig die weissen Blütenkolben und später die grossen Blätter der weissen Pestilenzwurz (Petasites albus), den ziemlich seltenen Bergehrenpreis (Veronica montana) und die noch selteneren zwei Hexenkräuter (Circaea intermedia und C. alpina). Letztere Pflanze ist im Zofinger Bannwald, wo sie auf einer alten Grundmoräne wächst, als Relikt aus der Gletscherzeit zu betrachten.
Noch sind zu erwähnen der am Abhang von Schluchten und an andern geeigneten Stellen Horste bildende Adlerfarn (Pteris aquilina) und einige weitere Farne, welche den Rand der die Waldschluchten durchfliessenden Bächlein zieren (Anthyrium Filix femina, Aspidium montanum, A. spinulosum, A. Filix mas u. a.). Die erratischen Blöcke, die nicht selten in diesen Schluchten liegen, sind oft verziert mit kleinen Farnkräutern, wie Asplenium Ruta muraria, A. Trichomanes, Phegopteris Dryopteris. Auf faulenden Baumstrünken wächst das Engelsüss (Polypodium vulgare) und in den kleinen Sümpfen, die vom Waldbächlein gebildet werden, der Fluss-Schachtelhalm (Equisetum Telmateja), und der Winterschachtelhalm (Equisetum hiemale), daneben das grossblumige Weidenröschen (Epilobium hirsutum) und etwa auch der Aronsstab (Arum maculatum).
Wo Waldwiesen oder an den Wald stossende unbebaute Plätze existieren, kommen eine Anzahl Orchideen vor, das männliche Knabenkraut (Orchis mascula), das seltene purpurne Knabenkraut (Orchis purpurea), das Helmknabenkraut (Orchis militaris), das gefleckte Knabenkraut (Orchis maculata), der langspornige Nacht-Drüsenständel (Gymnadenia conopsea), das zweiblättrige Breitkölbchen und das Bergbreitkölbchen (Platanthera bifolia und P. montana). Auf dem «Heiternplatz» bei Zofingen kam bis 1900 der Herbstdrehling (Spiranthes autumnalis) vor.
Der Waldsaum wird gebildet von vielerlei Straucharten, vom Pfaffenhütchen (Evonymus europaeus), Liguster (Ligustrum vulgare), Weissdorn (Mespilus oxyacantha), von der Hagrose (Rosa arvensis), der Traubenkirsche (Prunus padus) und vor allem vom Haselstrauch (Corylus Avellana). Im Mai entwickelt an diesen Orten der Bocksbart (Spiraea Aruncus) seine mächtigen Blütenbüschel, ebenso in einigen Gegenden der immergrüne Besenstrauch (Sarothamnus scoparius). Im Bezirk Zofingen haben die Jäger durch massenhaftes Aussäen von Samen letztern Strauch eingebürgert, der im Winter den Hasen zur Nahrung dienen soll. Weiter im Innern des Waldes wächst unter dem Schutze der alten Buchen die ebenfalls immergrüne Stechpalme (Ilex aquifolium).
Ein floristisches Unikum besitzt der Aargau in dem Alpenrosenhorst bei Schneisingen, bestehend aus
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Rhododendron ferrugineum. Es ist dies eine Kolonie von Alpenrosen mitten im Wald. Um sie zu schützen und zu erhalten, ist sie vor Jahren von der aargauischen Naturforschenden Gesellschaft angekauft und eingefriedigt worden. Die Kolonie bedeckt etwa eine Bodenfläche von 20 m2 und stellt wahrscheinlich ein Relikt aus der Glazialzeit vor.
Zum Schluss kommt noch die Flora der aargauischen Thäler zur Sprache. Die angebauten Wiesen enthalten neben den Hauptpflanzen, einer grossen Anzahl Gräser, auch noch je nach der Jahreszeit ihre Charakterpflanzen, die ihnen eine weithin erkennbare Färbung geben. Da öffnet im Frühling zuerst der Löwenzahn (Taraxacum officinale) seine Blüten, und die ganze Pflanzendecke erscheint tief dottergelb. Später ist Blauviolett oder Lila die vorherrschende Farbe, herrührend vom Wiesenschaumkraut (Cardamine pratensis) und noch später übernimmt die Kuckuckslichtnelke (Lychnis flos cuculi) die Färbung; die Wiesen erscheinen dann rot. Dann sieht man rot und weiss blühende Kleefelder, und so könnte man den Turnus noch weiter führen bis zum Herbst, wo die Wucherblume (Chrysanthemum Leucanthemum) mit ihren grossen weissen Strahlenblumen mit gelber Mittelscheibe die Führung hat.
Auch das Getreide hat seine Charakterpflanzen. Während des Wachstums bringt die Klatschrose (Papaver Rhoeas) mit ihren grell dunkelroten Blüten Farbe in die Felder, in geringerem Masse die violettrot blühende Kornrade (Agrostemma Githago) und die azurblaue Flockenblume (Centaurea Cyanus). Leider beteiligen sich auch minder schöne und lästigere Unkräuter an den Getreidefeldern, so die gelbe Gänsedistel (Sonchus arvensis) und die rötliche Felddistel (Cirsium arvense).
Auch einige hochwachsende Gräser wohnen im Getreide, so die Getreidetrespe (Bromus secalinus), die Sammettrespe (Bromus velutinus) und der Windhalm (Agrostis Spica venti). Nach der Ernte erscheinen in den Stoppelfeldern ganz andere Pflanzen, wie z. B. der Bauernsenf (Iberis amara), die Haftdolde (Caucalis daucoides), der Breitsame (Orlaya grandiflora) und der weidenblättrige Lattich (Lactuca saligna). Bei Boswil hat sich auch der seltene Mäuseschwanz (Myosurus minimus) eingestellt.
Neben den kultivierten Feldern gibt es aber doch noch Stellen im Gelände, wo sich eine freie Flora entwickeln kann. Dazu gehören die Ufer der kleinen Flüsse, welche die Thäler durchfliessen und diesen meistens auch den Namen geben. Da sieht man Bestände von Sträuchern, namentlich Weiden-Hornstrauch (Cornus sanguinea) u. a., sowie auch einzelne Bäume, wie Erlen, Eschen und Eichen, welche in dichtem Bestände das Ufergebüsch bilden. Darin wachsen wieder einige Charakterpflanzen.
An der Wigger z. B. blühen die Wiesenraute (Thalictrum aquilegifolium), der Pastinak (Pastinaca sativa), das Seifenkraut (Saponaria officinalis). Auch die beiden Waldnelken siedeln sich gerne am Flussborde an, die weissblühende Melandrium vespertinum und die dunkelrotblühende Melandrium diurnum. Auf den grossen Ruinen der Uferbauten haben sich der Mauerpfeffer (Sedum acre), das Hungerblümchen (Erophila verna) und oft auch der dreifingerige Steinbruch (Saxifraga tridactylites) eingefunden. Im Wiggerthal kommt die Ufernelkenwurz (Geum rivale) mit ihren schönen rötlich-gelben, nickenden Blütenköpfchen nicht vor, wohl aber im benachbarten Uerkenthal, wo sie mit der dunkelrot leuchtenden Tags-Lichtnelke (dem schon erwähnten Melandrium diurnum) weithin sichtbare rote Uferstellen bildet.
Eine Pflanze, die im Bezirk Zofingen nicht vorkommt, im östl. Kantonsteile aber stellenweise häufig ist, z. B. an Waldrändern, Eisenbahndämmen und ähnlichen Orten ist der geflügelte Ginster (Genista sagittalis); auch den deutschen Ginster (Genista germanica) findet man nur im östl. Teil des Kantons, z. B. im Bezirk Baden. Ueberall, wo sich zwischen den durch die Kultur besetzten Stellen noch unbenützte Plätze und Plätzchen finden, drängt sich die frei wachsende Flora hervor.
Solche Stellen sind z. B. ein mit der grasförmigen Sternmiere (Stellana graminea) übersponnenes Wegbord;
eine mit dem rosmarinblättrigen Weidenröschen (Epilobium rosmarinifolium) rot oder mit der Nachtkerze (Oenothera biennis) gelb geschmückte, verlassene Kiesgrube;
ein mit einem Bestande von Kandelabern der Königskerze (Verbascum nigrum, V. Thapus, V. Lychnitis) oder mit Färberwaid (Isatis tinctoria) versehenes Eisenbahnbord;
ein Schutthaufen, auf dem sich einige Stöcke der an die Kaktuspflanzen des Südens erinnernden Eselsdistel (Onopordon Acanthium), oder ein Gebüsch von grossen Kletten (Lappa officinalis), die unsere Kleider unliebsam zusammenkleben, angesiedelt haben.
Ueberall erobert sich die Natur noch ein Plätzchen, wo sie ihre Pflanzen anbringen kann, und auch der Botaniker noch einige Freude erlebt.
5. Die Fauna
des Aargau ist im Allgemeinen die gleiche, wie die des ganzen schweizerischen Mittellandes mit Inbegriff des Juras und weist nur wenige besondere Eigentümlichkeiten auf. In Bezug auf grössere Wirbeltiere ist sie arm zu nennen. Die jagdlichen Verhältnisse der Schweiz sind für die Erhaltung eines grösseren Jagdwildstandes, wenn ihn die örtlichen Verhältnisse erlauben würden, nicht günstig; sie sind im Aargau immerhin etwas günstiger, weil hier die Jagd revierweise verpachtet wird, wobei ein Wildstand noch eher aufkommen kann, als bei dem in den meisten Kantonen üblichen Vergeben von Jagdbewilligungen durch Patente, durch welches einer unerbittlichen Konkurrenz und einem Ausrottungskriege gegen das Jagdwild Vorschub geleistet wird. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts waren im Aargau nur ausnahmsweise grössere wilde Säugetiere anzutreffen; zur Seltenheit hörte man etwa einmal von einem verlaufenen Wildschwein (Sus scrofa) oder von einem ebensolchen Reh (Cervus capreolus).
Gegenwärtig hat sich der Rehstand etwas gehoben, indem es jahrelang verboten war, Rehgeissen zu erlegen. Auch konnte nach dem deutsch-französischen Kriege eine Vermehrung konstatiert werden durch Rehe, die vor dem Kriegslärm flohen und in unser Land einzogen. Im Frickthal hat sich dieses zierliche Tier namentlich angesiedelt und vermehrt, und die dortigen Reviere werfen deshalb einen höhern Ertrag ab als andere, wo diese Wildart nur in geringer Zahl vorhanden ist und Mühe hat, fortzukommen. Mit den zahlreichen Wildschweinen, die während des Krieges in die Schweiz verdrängt worden waren und von denen an verschieden Stellen des Aargaus ganze
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Rudel auftraten, ist man aber abgefahren. Heute existieren im Kanton wohl keine solche mehr.
Ausserdem sind die grösseren Jagdtiere von heute der Dachs (Meles taxus), der Fuchs (Canis vulpes) und der Hase (Lepus timidus). Letzterer bildet das Hauptjagdwild, für dessen Erhaltung der Jäger am meisten besorgt ist und dem zu Liebe dem Fuchs und dem Dachs mehr als nötig und oft auf unwaidmännische Art (wie durch Giftlegen) zugesetzt wird. Diese beiden Tiere verschwinden in Folge dessen in unseren Wäldern mehr und mehr. Dafür stellen sich die viel gefährlicheren verwilderten Hauskatzen (Felis domestica) ein.
Die Wildkatze (Felis catus) war Anfangs der 1880er Jahre im Rheinfelder Revier in einer ziemlichen Kolonie vertreten, und es wurden dort alljährlich Exemplare erlegt. An der schweizerischen Landesausstellung in Zürich 1883 war eine Gruppe von sechs ausgestopften Wildkatzen ausgestellt, die alle aus diesem Reviere stammten, und in Zofingen befinden sich zwei Exemplare von dort. Das eine davon, ein trächtiges Weibchen, wurde im Jahr 1883 erlegt und es ist wahrscheinlich, dass mit diesem die dortige Wildkatzenkolonie ihren Abschluss fand.
Von andern Säugetieren sind noch die Marder, Iltisse und Wiesel zu erwähnen. Der Edelmarder (Mustela martes) haust noch in den grossen Waldungen, der Hausmarder (Mustela foina), sowie der Iltis (Putorius foetidus) in der Nähe menschlicher Wohnungen. Ihnen allen wird sowohl wegen ihren Räubereien, als auch wegen ihres kostbaren Pelzwerkes scharf nachgestellt, so dass sie nicht zu den häufigen Erscheinungen gerechnet werden können. Am häufigsten wird noch der Iltis erlegt. Auch das grosse Wiesel (Putorius ermineus), ein energischer Mäusejäger, wird gefangen und erlegt, da es auch etwa in Baumgärten Vogelnester ausraubt. Das kleine Wiesel (Putorius vulgaris) ist selten und daher weniger bekannt. Wo es häufiger ist, hat es vom Volke wegen seines dünnen, langgezogenen Leibes und seiner Schlankheit den Namen «Därmli» bekommen.
Eine Gruppe der zierlichsten Waldtiere bilden das Eichhörnchen (Sciurus vulgaris), das den Beobachter mit seinem muntern Wesen und seinen Kletterkünsten erfreut, dann der Siebensschläfer (Myoxus glis), ein Nachttier, das oft auf Rechnung des Eichhörnchens sündigt, indem es in der Nacht Aepfelbäume plündert, von den Aepfeln aber nur die Kerne frisst. Die zerfressenen Aepfel, die man Morgens unter den Bäumen findet, werden meistens den Eichhörnchen aufs Kerbholz geschrieben. Das dritte Mitglied dieser Gruppe ist das niedliche Haselmäuschen (Muscardinus avellanarius), das häufig in Gefangenschaft gehalten wird, wo es aber selten lange am Leben bleibt. Der Igel (Erinaceus europaeus) ist leider beim Landvolk ein Objekt des Aberglaubens und beim fahrenden Volk eine begehrte Delikatesse; er wird aus beiden Ursachen gesucht und getötet und ist leider schon ziemlich selten geworden.
Dem Fischotter (Lutra vulgaris), der um die Mitte des 19. Jahrhunderts häufiger auftrat und an den Flüssen, namentlich an der Aare, dem Fischbestand schadete, ist so energisch der Krieg erklärt worden, dass er gegenwärtig eine Seltenheit geworden ist. In den letzten Dezennien wurden von den Gebrüder Baur in Aarburg 63 Stück gefangen.
Von den kleinen Säugetieren, den kleinen Nagern und Insektenfressern, sind die Rattmäuse und Hausmäuse, sowie die in Wald und Feld oft in grossen Mengen auftretenden Feld- und Wühlmäuse, der Maulwurf und die Spitzmäuse dem Landmann nur zu gut bekannte Erscheinungen. Von der Wühlmaus (Arviocola amphibius) und dem biedern, vom Landwirt immer noch verkannten Maulwurf (Talpa europœa) treten oft weisse Varietäten auf, ebenso isabellgelbe Maulwürfe mit orangegelben Rüsseln. Diese geben den Mausern Anlass zu Aberglauben.
Dies Volk der Kleinen, das zum grossen Teil unterirdisch lebt, kann sich noch am besten erhalten und tritt oft in solchen Mengen auf, dass man sich seiner mit Gewaltmitteln erwehren muss.
Noch sind zu erwähnen die Fledermäuse. Die häufigsten sind die Ohrenfledermaus (Plecotus anritus) und die gemeine Fledermaus (Vespertilio murinus), welche unbetretene, dunkle Räume alter Gebäude bewohnen; dann die grosse und die kleine Hufeisennase (Rhinolophus ferrum eguinum und hippacrepis), die in Gesellschaft in Höhlen im Walde und an ähnlichen Orten leben. Im Wiggerthale ist die sonst ziemlich seltene Mopsfledermaus (Synotus barbastellus) häufig.
Die Vögel stellen zur aargauischen Fauna ein viel grösseres Kontingent, sowohl in Bezug auf die Anzahl der Arten, als auch namentlich auf die Individuenzahl. Von den etwa 358-360 bis jetzt in der Schweiz beobachteten Vogelarten gehören nicht weniger als 233 der aargauischen Fauna an. Davon nisten aber nur etwa 170 Arten bei uns. (Franz Xaver Bronner gibt im Jahr 1844 178 Arten als im Kanton Aargau wild vorkommend an).
Die Singvögel und kleinern Vögel überhaupt geniessen beim Publikum grosse Sympathie, und die Sitte des Fütterns der Vögel im Winter hat zu Stadt und Land Platz gegriffen und viel zur Erhaltung und Vermehrung des fröhlichen Völkleins beigetragen.
Von der grossen Ordnung der Sperlingsvögel seien nur einige der seltenern und interressantern erwähnt. Der Zaunammer (Emberiza cirlus) ist in den letzten Jahren etwas häufiger aufgetreten, als früher. Rohrammern (Schœntcola schœniclus) bewohnen häufig die Sumpfgegenden und treten im Herbst in
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ziemlich grossen Flügen auf. Die Bergfinken (Fringilla montifringilla) erscheinen in neuerer Zeit fast alle Winter in unseren Gegenden, in strengen Wintern oft in mächtigen nach Tausenden zählenden Scharen. Der Kirschkernbeisser (Coccothraustes vulgaris) ist in unsern Wäldern in den letzten 2 Dezennien einheimisch geworden und nistet regelmässig.
Die Heidelerche (Lululla arborea) ist viel seltener geworden, als sie früher war. Der rotflüglige Mauerläufer (Tichodroma muraria) war nach alten Nachrichten noch anfangs des 19. Jahrhunderts bei uns ein in Schlössern und alten Mauern nistender Vogel. Gegenwärtig ist er nur noch ein Bewohner der Alpen, kommt aber im Winter noch oft in die Ebene hinunter. Der Berglaubvogel (Phyllopneuste Bonelli) wurde in früheren Werken als im Aargau vorkommend nicht erwähnt.
Gegenwärtig ist er in unsern Wäldern keine seltene Erscheinung. Die Rohrsänger bilden in den Schächen der Aare an verschiedenen Stellen grössere Kolonien; an heimlichen, verborgenen Stellen kann man herrliche Konzerte derselben hören, ebensolche in den dichten Buschhalden unserer Wälder von den Grasmücken und in den Gipfeln der alten Tannen am Waldsaum von den Drosseln und Meisen. Blaukelchen (Cyanecula leucocyanea) treten im Zuge in einzelnen Thälern häufig auf.
Sie ziehen über das ganze Gelände zerstreut dem Erdboden nahe und fliegen bei der Herbstjagd vor dem suchenden Hunde in Kartoffel- und Krautäckern, sowie in Stoppelfeldern auf. Der Seidenschwanz (Bombycilla garrula) kommt in langjährigen Zwischenräumen im Winter aus dem N. in unsere Gegenden. Eine solche Invasion fand im Jahre 1806 statt, wo ein milder Winter grosse Scharen in den Aargau und andre Kantone lockte. Seither geschah das wiederholt, das letztemal im Winter 1903/04. Im Jahr 1810 erhielt Prof. Schinz in Zürich einen Rosenstaar (Pastor roseus) vom Hallwilersee als grosse Seltenheit.
Die Haubenlerche (Galerita cristata) war in der ersten Hälfte des 19. Jahrh. im Aargau sehr selten. Franz Xaver Bronner schrieb 1844: «Sie soll in den Feldern von Möhlin vorkommen». Gegenwärtig erscheint sie oft in Feldern in einzelnen Gegenden, sogar in Ortschaften in kleinen Flügen und hat bei Aarau in den Anlagen des Kantonsspitals auch gebrütet. Die Blauracke (Coracias garrula) nistete früher nicht selten im Jura, und kommt jetzt noch zur Seltenheit vor. Wo sich aber dieser auffallend und schön gefärbte Vogel zeigt, wird er regelmässig weggeschossen.
In Bezug auf die Raubvögel wird seitens der Jäger dafür gesorgt, dass sie nicht überhand nehmen. Vielleicht wird ihnen nur allzu sehr zugesetzt, denn für den Naturfreund ist es ein schönes, leider immer selteneres Schauspiel, einen oder einige dieser majestätischen Flieger über der Gegend kreisen oder den Bussard ohne Flügelschlag aus einem Gehölz in breiten Kreisen in die Höhe sich schrauben zu sehen. Dass die Bussarde und Nachtraubvögel, die besten Mäusevertilger, ebenso der Vernichtung preisgegeben sind, wie die den Singvögeln gefährlichen Räuber, ist nicht zu entschuldigen.
Eine Kolonie von Schleiereulen (Strix flammea), die seit Menschengedenken in den alten Mauern und Türmen der Festung Aarburg hauste, ist durch Gift vernichtet worden, das in neuerer Zeit vielfach gelegt wird, um Raubtiere zu töten, wobei auch eine Menge anderer Tiere heimtückischer Weise getötet werden. Im Jura nistete der stolze Fischadler (Pandion haliaetus) noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. nahe des Zusammenflusses von Aare, Reuss und Limmat mit dem Rhein und wurde alle Jahre gesehen.
Jetzt beobachtet man ihn dort nur noch sehr ausnahmsweise, und wenn sich irgendwo ein Paar ansiedeln will, ist seines Bleibens nicht. Meistens sieht man die erlegten Vögel in der Werkstätte irgend eines Präparators. Ebenso sind der Kolkrabe (Corvus corax) und der Uhu (Bubo maximus) im aargauischen Jura zu den vergangenen Dingen zu rechnen. Eine sehr seltene Erscheinung in unserem Kanton ist der Seeadler (Haliäetus albicilla). In den letzten Jahren wurden zwei dieser grossen Adler ganz nahe der Aargauer Grenze in der Nähe des Klosters Fahr erlegt, einer am bei Engstringen und einer Ende Oktober 1908 nicht weit von dieser Stelle. Zu erwähnen ist noch, dass im Jahre 1805 bei Wohlen ein Steinadler (Aquila fulva) erlegt worden ist.
Auerwild und Haselhuhn (Tetrao urogallus und Tetrao
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bonasia), beide Hühnerarten sonst im Aargau nur im Jura heimisch, sind im letzten Jahrzehnt auch in den grossen Waldungen zwischen dem Winenthal und Suhrenthal heimisch geworden. Zeiten vermehrten Vogellebens bilden die Zugzeiten im Frühling und im Herbst und dann der Winter, wo unser Land eine Menge Wintergäste aus dem N. beherbergt. Im Frühling, wenn der Schnee schmilzt, erscheinen mit den Rotschwänzchen, Drosseln und einer Menge anderer Zugvögel auch die Schnepfen (Scolopax rusticola).
Etwas später begrüsst der Landmann mit Freuden die Ankunft der Schwalben. Die Stare singen und deklamieren bei den Nistkästen. Hie und da fliegt majestätisch eine Schar Wildgänse (Anser segetum) über das Gelände nordwärts. Im Herbst macht sich der Vogelzug noch bemerkbarer als im Frühlinge, denn nun sind auch die im Sommer erzeugten Jungen dabei. Es treten grosse Züge von Vögeln auf, Finkenzüge und Meisenzüge, die oft nach tausenden zählen, und eine Menge anderer Arten ziehen dem sonnigen S. entgegen.
Im Kanton Aargau ist das Aarethal ein Teil der grossen Zugstrasse, welche die Schweiz von NO. nach SW. durchsetzt, sich gegen W. zwischen dem Jura und den Alpen immer mehr verengernd bis zum Ausgangstor bei Genf. In dieser Richtung herscht im Frühling sowohl als im Herbst Massenverkehr von Zugvögeln. Aber auch die nach S. abzweigenden Nebenthäler der Aare bilden kleinere Zugstrassen, in denen Vogelzüge sich jeweilen direkt nach S. bewegen. Auf dem Vierwaldstättersee und im urnerischen Reussthal konzentrieren sich dann diese Züge, um über den Gotthard ihre Reise fortzusetzen. In diesen Thälern sieht man während den Zugzeiten regelmässig Züge von Saatkrähen (Corvus frugilegus), Dohlen (Lycos monedula), Möven (Larus ridibundus), Kibitzen (Vanellus cristatus) etc.
Im Winter, gewöhnlich schon im November, erscheinen grosse Vogelzüge aus dem N., die auf unseren Seen überwintern, um etwa im März wieder nach den nordischen Gegenden zu ziehen, wo sie dann brüten. Im Aargau kommt einzig der Hallwiler See in dieser Sache in Betracht. So gut, wie auf den andern kleinern und grössern Schweizerseen, halten sich auch am Hallwilersee im Winter Steissfüsse, Seetaucher, Säger, Wasserhühner, sowie oft unzählige Enten auf; in strengen Wintern auch grosse Seltenheiten, wie Singschwäne, Kormorane u. a. Im Jahr 1799 wurde auf diesem See ein Weibchen einer Eiderente (Somateria mollissima) und im Jahr 1812 ein Kormoran (Carbo cormoranus) erlegt.
Beide Vogelarten sind seither auf andern Seen mehrmals erlegt worden. Aus der Ordnung der Entenvögel sind in der Schweiz schon 34 Arten als Wintergäste beobachtet worden, von denen etwa 18 als der aargauischen Fauna angehörend betrachtet werden können. Wenn in harten Wintern die Seen zufrieren, ziehen sich diese Wintergäste auf die grossen Flüsse zurück, die offen bleiben. Dann tritt oft für sie Notlage ein, indem sie hier von den Nachstellungen berechtigter und unberechtigter Jäger nicht sicher sind. Tag und Nacht hört man längs der Aare und anderer Flüsse das Geknatter derjenigen, welche der Jagdlust fröhnen.
Von Reptilien und Amphibien beherbergt der Kanton die meisten in der Schweiz vorkommenden Arten. Ueberall am Waldsaum, an trockenen Abhängen und in Hecken raschelt die Zauneidechse (Lacerta agilis), und an Felsen und Mauern huscht die kleine Mauereidechse (Lacerta muralis) dahin. Die Blindschleiche (Anguis fragilis) durchkriecht Moos und dichtes Gestrüpp nach Insekten. An einigen Stellen, wo alte Gletschermoränen und durch solche gebildete Sumpflandschaften existieren, findet sich auch als Relikt aus der Gletscherzeit, die lebendig gebärende Eidechse (Lacerta vivipara). Wo sich Eidechsen und Blindschleichen finden, stellt sich auch ihr Hauptfeind, die glatte Natter (Coronella laevis) ein.
Ueberall findet sich als häufigste Schlange die Ringelnatter (Tropidonotus natrix), die sich sowohl an trockenen Stellen (z. B. im Wald) aufhält, als in einer grossem Varietät am Wasser, wo sie über 1,5 m lang wird. In der Nähe grösserer Gewässer sind schon oft Wasserschildkröten (Emys lutaria) gefangen worden, wahrscheinlich entronnene Exemplare. Es ist jedoch nachgewiesen, dass diese Schildkröte in der Schweiz endemisch oder doch vollständig eingebürgert vorkommt.
Dem Jura eigen ist die giftige Juraviper (Vipera aspis), die aber im aargauischen Jura weniger vorkommt als im westl. Teil des Juragebirges. Im Frühling hört man bei Weiern und an andern Gewässern Konzerte von Lurchen. Vom Rand her ruft im Mai während der Laichzeit der Laubfroch (Hyla arborea), im Wasser quackt der grüne Wasserfrosch (Rana esculenta), murrt während der Paarungszeit im März schon der Taufrosch (Rana fusca) und singt die gemeine Kröte (Bufo vulgaris). Es existieren von diesen Lurchen im Frühling lange nicht mehr so viele Laichkolonien wie in früheren Zeiten, etwa Mitte des 19. Jahrh. Wo der Menschenverkehr in ihrer Nähe zu stark wird, verschwinden sie nach und nach. Es wird ihnen von Alt und Jung allzu grosse Aufmerksamkeit geschenkt, und beim Geburtsakt, wo oft viele Individuen zu einem Klumpen vereinigt sind, werden