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Strafanstatt, den Schützenstand, die Gasfabrik und das Absonderungshaus errichtete.
Strafanstatt, den Schützenstand, die Gasfabrik und das Absonderungshaus errichtete.
(Kt. Aargau). 386 m. Hauptort des Kantons Aargau und des Bezirks Aarau. 47° 23' 31" nördl. Br.; 50° 42' 45" OL. von Paris. Auf einem nordöstl. gegen die Aare abfallenden Felskopfe eines südl. Ausläufers des Jura gelegen. Aarau zählte 1908 rund 8500 Ew. Ausserdem arbeiten in den Aarauer Industrien 2500 Arbeiter, die in den benachbarten Dörfern wohnen. 1798: 2271; 1836: 4057; 1856: 4657; 1870: 5449; 1880: 5944; 1888: 6699; 1900: 7995, wovon 6012 Protestanten, 1776 Katholiken, 17 Juden, 26 Andere.
Die Stadt besass bis in den Anfang des 19. Jahrh. hinein ihr völlig mittelalterliches Gepräge mit Turm und Tor, Mauer und Graben. 1812 fielen Laurenzenturm und -tor, um die selbe Zeit das Aaretor, 1820 wurde der Hirschengraben eingedeckt, man baute Häuser an die Grabenmauer, und wo der kleine Rundturm stand, wurde ein Eingang in die Stadt gebrochen. Um 1870 wurde auch der Pulverturm zum grossen Teil abgetragen. Allein es blieben noch Stücke der Ringmauer an andern Stellen. Es blieb das Schlössli, der obere Turm, der Turm Rore, um den das städtische Rathaus herum gebaut worden ist, das Obere und das Haldentor. Auch dem Innern der Stadt blieb das altertümliche Bild: Die vorragenden bemalten Walmdächer, der durch die Hauptgassen fliessende offene Stadtbach, einige wenige grosse Brunnen, besonders der Gerechtigkeitsbrunnen. Von dem allem hat manches den Forderungen des modernen Verkehrs weichen müssen (Umbau der Rathausgasse 1905), und mancher alte Giebel ist vom Feuer zerstört worden. Ueberall sind moderne Fassaden entstanden. Indem sich so das neue zwischen das alte drängte, hat das einheitliche Bild etwas gelitten. Immer aber ist Aarau als ein sauberes Städtchen gerühmt worden, und auf diesen Ruhm darf es auch heute noch stolz sein. Jetzt erheben sich als zeitgemässer Schmuck Denkmäler auf öffentlichen Plätzen: Heinrich Zschokke, Augustin Keller, Emil Welti. Andern Männern sind an passenden Stellen ausserhalb der Stadt Denktafeln errichtet worden: Joh. Rud. Meyer, Franz Xaver Bronner, Karl Feer-Herzog.
Aaraus Bedeutung liegt in erster Linie darin, dass es Kantons- und Bezirkshauptort ist und die entsprechenden Institutionen mit den nötigen Gebäuden in seinen Mauern birgt. Da ist das Regierungsgebäude (aus dem ehemaligen Gasthof zum Löwen erweitert), dahinter das Grossratsgebäude mit der Kantonsbibliothek, welche gegen 100000 Bände (darunter eine grosse Anzahl Wiegendrucke, viele wertvolle Manuskripte, Karten, Bilder) umfasst; das neue Kantonsschulgebäude (1894-96 errichtet) und daneben das kant. Gewerbemuseum, welches eine Handwerkerschule und die ihr dienenden Sammlungen, ferner die kantonale antiquarische Sammlung mit den herrlichen Glasgemälden aus dem Kloster Muri, einem Mosaikboden aus Lunkhofen, der Gemäldeausstellung (Böcklin, Stäbli, Fröhlicher etc.) und der Münzsammlung (etwa 6000 römische Münzen, meist aus Vindonissa) enthält.
An Schulhäusern zählt Aarau: das 1896 eröffnete neue Kantonsschulgebäude in einem prächtigen Parke; das alte Kantonsschulhaus, das jetzt dem Lehrerinnenseminar und Töchterinstitut dient; das neue Bezirksschulgebäude, gegenwärtig (1910) im Bau, das grosse städtische Schulhaus. Den Unterrichtszwecken dient auch das sehr ansehnliche naturhistorische Museum im ehemaligen Kasino, namentlich ausgezeichnet durch die geologische und die ornithologische Sammlung.
Da Aarau auch eidg. Waffenplatz ist, finden wir hier zwei Kasernen, für Infanterie und Kavallerie, diese mit den nötigen Stallungen und zwei grossen Reitbahnen; ferner das grosse eidg. und das kant. Zeughaus mit reichhaltiger Waffensammlung. Als Exerzierplatz dient der unmittelbar an die Stadt stossende Schachen, der, einst sogar Artillerieschiessplatz, nun schon seit mehr als einem Jahrzehnt auch nicht mehr von der Infanterie zum Schiessen benutzt werden kann. Ausserhalb der Stadt steht der grosse Kantonsspital (nach Pavillonsystem eingerichtet.) Projektiert sind ein neues eidg. Postgebäude, Erweiterung der militärischen Anstalten, ein kant. Chemiegebäude.
Die Bezirksbehörden haben ihren Sitz im Amtshaus und im städtischen Rathaus. Dieses dient vorab der
städtischen Verwaltung. Aarau hat zwei Kirchen: 1) die protestantische (auch den Christkatholiken eingeräumt) in einfachen Formen nach dem gotischen Stil, dreischiffig ohne Querschilf, mit Lettner; der Turmaufsatz ist barock. Der vorzüglichen Akustik der Kirche entspricht eine bemerkenswert schöne Orgel, deren Rokokoverkleidung aus der Mitte des 18. Jahrh. stammt. 2) die römisch-katholische Kirche ist ein einfacher, einschiffiger, gefälliger moderner Bau (ca. 1880), der sich in seinen Formen an den romanischen Stil anlehnt.
Bedeutung hat Aarau ferner durch seine Lage an der Aare, wo von N. her mehrere Jurapässe Zusammenkommen und von S. einige Nebenthäler einmünden. Für die Stadt ist daher von besonderer Wichtigkeit die Aarebrücke, deren Existenz im 14. Jahrhundert erwiesen ist. Doch brachte sie den Aarauern schwere Sorgen, da der Strom sie unzählige Male teilweise oder ganz wegriss, zum letzten mal 1843. Seit 1850 ist die Brücke, den Fluten unerreichbar, an Ketten aufgehängt, der Fluss hat seine unabänderliche Bahn zwischen den massiven steinernen Widerlagern. War also Aarau wichtiger Strassenknotenpunkt, so gilt jetzt das selbe hinsichtlich der Eisenbahnen. Die Stadt liegt an der Hauptlinie Genf-Bern-Neuenburg-Zürich-Bodensee der Bundesbahnen; hier münden die Bahnen Arth-Goldau-Aarau, Wettingen-Aarau, Zofingen-Aarau, die elektrischen Bahnen aus dem Suhren- und aus dem Winenthal; projektiert ist eine Bahn Frick-Aarau über die Staffelegg.
Und endlich hat sich Aarau durch den Gewerbsfleiss, die Handelstätigkeit und den Kunstsinn der Bewohner eine Bedeutung verschafft, die weit über das, was die Einwohnerzahl erwarten liesse, hinausgeht. Drei Industriekanäle an der Aare mit dem an einem davon gelegenen grossen, städtischen Elektrizitätswerk und der Stadtbach, der die Mühlen und eine Anzahl Motoren treibt, liefern die Triebkraft für die Industrie. Seit 1600 hatte Aarau eine Färberei und Bleiche, etwa 1680 brachten die Hugenotten Seidenzucht und Seidenindustrie; 1703 wurde eine Wolltuchfabrik errichtet; 1722 begann man das Bohnerz des Hungerberges auszubeuten, was aber nicht mehr Gewinn abwarf als das Goldwaschen in der Aare; gegen Ende des 18. Jahrh. führte der Wohlthäter der Stadt, Joh. Rud. Meyer, die Seidenbandfabrikation ein; 1810 errichtete Joh. Herzog, der nachmalige Bürgermeister des Kantons Aargau, eine mechanische Baumwollspinnerei. Rühmlichst bekannt sind die Aarauer Messerschmiede aus dem 18. und 19. Jahrh., deren Ansehen heute noch eine einzige Firma aufrecht erhält. Alt ist auch das Hafner- und Töpfergewerbe; ebenso die Glocken- und Kanonengiesserei, die Büchsenmacherei. Aus dem Anfang des 19. Jahrh. datiert die Begründung der Reisszeugfabriken, die sich einen Weltruf erobert haben. Eine Druckerei besass Aarau seit etwa 1750; 1802 etablierte sich J. J. Christen und 1804 H. R. Sauerländer in Aarau, der seine Offizin alsbald durch H. Zschokkes Schweizerboten, dann durch die Stunden der Andacht bekannt machte. An der Aare war ein wichtiger Flösserstapelplatz. Das 19. Jahrh. hat diesen alten Industrien noch zahlreiche neue hinzugefügt; es seien erwähnt: Zementfabrikation, Ziegelfabrikation, mechanische Strohflechterei, Seidenweberei, Tuch- und Baumwollfabrikation, Färbereien für Seide, Stroh, Wolle; Maschinenwerkstätten, Eisen- und Stahlgiesserei, Bau- und Möbelindustrie, Kunstschlosserei, Fabrikation chemischer Produkte, von Firnissen, Siegellack und Tinte, lithographische Kunstanstalten, Buchbindereien, elektrische Installationsgeschäfte, Fabrikation elektrischer Apparate und Glühlampen, Schokoladefabrikation, Zuckerwarenindustrie, Brauerei, Mühlenbau, Schuhfabrikation, Handels- und Kunstgärtnerei. Aarau hat an Geldinstituten: die aargauische Bank, die aarg. Kreditanstalt und drei Ersparniskassen.
Der Kunstsinn der Bevölkerung von Aarau hat sich besonders auf dem Gebiete der Musik betätigt. Schon 1704 wurde hier ein Kollegium Musicum begründet, und, nach dem es nach etwa 40jährigem Bestande eingegangen war, 1768 wieder aufgefrischt. Später, im 19. Jahrh., gab es einen Instrumentalverein, der 1850 den Anstoss zur Gründung des Zäzilienvereins gab. Seit 1853 besteht eine Stadtmusik; bald reihten sich andere musikalische Vereinigungen an, eine Anzahl Gesangvereine, eine zweite Stadtmusik, ein Orchesterverein und a. m. Die Konzerte fanden meist in einem Saale des städtischen Rathauses statt, im Kasino oder in der Kirche. Die Lage Aaraus zwischen Bern, Basel, Zürich und Luzern ermöglichte es, die in diesen Städten auftretenden Musikkoryphäen auch für unsere Stadt zu gewinnen, was ihrem musikalischen Leben stets neuen Impuls gab.
Ein ständiges Theater hatte Aarau nie, seit mehr als einem Jahrhundert aber fanden sich Wandertruppen mit ihren dramatischen Darbietungen ein. Theaterlokal war