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Sedimentschichten derart übereinandergeschoben worden sind, dass dieselbe Schichtreihe bisweilen in mehrfacher Wiederholung an der gleichen Felswand angetroffen wird. Manche Schichtfolgen sind infolge dieser tektonischen Vorgänge auf eine sehr geringe Mächtigkeit reduziert, oder vollständig ausgewalzt worden, während andere eine förmliche Anhäufung erfahren haben. Der Grundzug in der Tektonik der Aagruppe liegt darin, dass die ganze nördlich von der Linie Gadmenflühe-Titlis-Schlossberg liegende Gebirgsmasse anomal auf einer tertiären Unterlage ruht, die längs der Depression Genthal-Jochpass-Surenen zu Tage tritt.
Die Gesamtheit dieser Berge bis zum Kamme Pilatus-Schrattenfluh ist dadurch entstanden, dass die gefaltete Sedimentdecke, die einst über dem Aarmassiv lag, von ihrer Unterlage sich ablöste und sich in mehrfachen Falten über den aus Tertiärbildungen bestehenden voralpinen Rand des Mittellandes hinüberschob. Während dieses Abgleitens haben sich die Kreideschichten zum Teil von ihrer jurassischen Unterlage losgelöst. Sie häuften sich anfänglich übereinander und glitten dann weiter nach Norden, so dass sie jetzt dort besondere Ketten aufbauen, während die Jurabildungen stark zurückgeblieben sind, in der Nähe des Aarmassivs, das noch vom untern Teil der normalen Sedimenthülle überdeckt ist.
Diese Sedimentdecke bildet dort die steilen Wände der Gadmenflühe, des Titlis, des Schlossberges, des Spannort und des Geissberges. Alles was nördlich von diesem Kamme und dem ihn begleitenden Flysch liegt, ist also durch einen tektonischen Schub transportiert und ruht auf einer jüngern Unterlage. Diese Auffassung kommt in den geologischen Profilen zum Ausdruck, die diesen Artikel und denjenigen über den Kanton Unterwalden begleiten. Die jurassischen Sedimente sind ganz auf die Gebirgsstöcke des Hohenstollen, des Graustock-Hutstock und des Uri-Rotstock beschränkt.
Sie bilden dort eine förmliche Anhäufung von Falten und wirr durcheinander geschobenen Schichtfolgen, wie es das von Herrn Dr. Arbenz aufgenommene detaillierte Profil zwischen dem Jochpass und dem Storeggpass zeigt. Wir finden dort nicht weniger als sieben übereinandergeschobene Falten von Jura mit eingeschaltetem Neocom, deren einzelne Schichtreihen oft durch Auswalzung stark reduziert sind. Dieses Profil zeigt klar die Bewegung durch Ueberstürzen und Abgleiten von gefalteten Schichten.
Dass auch die Kette Brienzer Rothorn-Brünighaupt-Lauchernstock-Brisen-Bauen, die sich jenseits des Vierwaldstättersees im Frohnalpstock fortsetzt, tektonisch durch Abgleiten entstanden ist, ist augenscheinlich und wird durch die Tatsache unterstützt, dass sie mit anomalem Kontakt auf einer neuen Flyschzone ruht, die man über Grafenort-Schoneggpass und das Riemenstaldenthal verfolgen kann. Diese Kreidedecke bildet wieder mehrere Falten und stellt als Ganzes eine weite Mulde dar, indem ihre Schichten im Süden in die Synklinale Vertiefung von Sarnen-Brunnen untertauchen und hierauf im Norden wieder in dem Kamm emporsteigen, der von den Ralligstöcken über die Schrattenfluh, den Hengst und den Pilatus zum Vitznauerstock verläuft.
Gerade im Gebiet dieser Synklinale stossen wir auf mehrere Felsmassen, die einer aus Trias, Jura und Kreide bestehenden Schichtreihe angehören und stets auf dem Flysch oder Nummulitenkalk aufruhen, der den Kern jener Mulde bildet. Es sind dies die Klippen der Musenalp und des Klewen, des Buochserhorns und des Stanserhorns. Als ihre Aequivalente erscheinen in der westlichen Verlängerung derselben Synklinale die Giswilerstöcke, in der östlichen Verlängerung die Mythen.
Diese unregelmässig über eine jüngere Grundlage hinübergeschobenen Felsmassen gehören einer Sedimentdecke an, die aus einem noch weiter südwärts liegenden Gebiete, wahrscheinlich südlich von der Linie Val Bedretto-Rhonethal, stammt. Die Weite dieses Transportes, der wohl 100 km lange Weg, den diese Massen im Verein mit den jetzt darunter liegenden Ueberfaltungsdecken zurücklegen mussten, erklärt zur Genüge die Erscheinungen intensiver Dislokation, welche diese Lappen und Schuppen auszeichnen. Die Erosion, welche sie früher angreifen musste als die Schichten ihrer Unterlage, hat sie zerstückelt, woraus sich die zerstreute Lage dieser sog. Klippen erklärt, die einst einer zusammenhängenden Decke angehörten. Diese Klippendecke ist das Aequivalent der Zone der Präalpen des Stockhorngebietes jenseits des Thunersees.
Besonders auffällig sind sowohl in den Klippen als auch in den Kreidefalten, die mit ihrer Flyschdecke darunter liegen, die beträchtlichen Niveauunterschiede der Schichten, welche sie aufbauen. Die Falten und Schuppen heben und senken sich abwechselnd, einzelne Teile scheinen gleichsam in den Flysch eingesunken. Dies rührt davon her, dass die Flyschoberfläche, über welche sich die Ueberfaltungsdecken hinwegschoben, nichts weniger als eine gleichmässige Fläche war. Es gab darauf wahrscheinlich Erosionsfurchen und Unebenheiten, die durch andere Vorgänge, namentlich durch Faltung der darunter liegenden «autochthonen» Schichten verursacht waren.
Ueberdies wurde während der Ueberschiebung der Sedimentmassen der Flysch, der als Gleitfläche diente, aufgeschürft und stellenweise aufgehäuft, was zahlreiche neue Unebenheiten erzeugte. Namentlich am Kontakt mit den miozänen Nagelfluhmassen musste sich diese Wirkung sehr auffällig bemerkbar machen. Dieser Kontakt ist stets durchaus diskordant. (Siehe das Profil durch den Vitznauerstock und den Rigi). Man muss darum annehmen, die Berührungsfläche sei eine Erosionsfläche des Nagelfluhgebirges gewesen. Dieselbe Erscheinung zeigt sich überall am Nordrande der Alpen. Wir erwähnen diese Tatsache hier, weil sie im Artikel Kanton Unterwalden nicht besonders hervorgehoben wurde.
Hydrographie.
Die Aagruppe gehört dem Einzugsgebiet der Reuss an, ausgenommen die Westabdachung, die nach der Aare entwässert wird. Ihre hauptsächlichsten Abflüsse sind die Engelbergeraa und die Sarneraa. Während die erstere im krystallinen Gebiet des Aarmassivs ihren Ursprung nimmt und die Kalk- und Schieferketten der Aagruppe ihrer ganzen Breite nach durchquert, entspringt die Sarneraa auf der Grenze des Jura- und Kreidegebietes am Brünigpass. Ein Teil ihrer Zuflüsse kommt von der Nordwestseite des Thales, von den Tertiärbergen her, die sich zwischen der Pilatuskette und dem Aarethal hinziehen.
Die wichtigsten derselben sind der Lauibach, der Forstbach und die beiden Schlieren. Die beiden Melchaa entspringen an den Kalkketten des Hohstollen. Die grosse Melchaa hat ihre Quelle wahrscheinlich im Melchsee, dessen Wasser unterirdisch durch das Stäubiloch abfliesst. Sie ist künstlich in den Sarnersee abgeleitet worden, nachdem sie früher durch die Alluvialebene von Alpnach floss. In noch früherer Zeit folgte sie wohl der Depression Kerns Ennetriet-Stansstad, durch die heute der Mehlbach läuft.
Die Ablenkung ist wahrscheinlich nicht durch den Bergsturz des Kernserwaldes, sondern eher durch die Tätigkeit der Gletscher bewirkt worden. Dagegen hat dieser Bergsturz offenbar die Ablenkung mehrere kleiner Bäche verursacht, die sich einst mit dem Mehlbach vereinigten, heute aber gegen die Sarneraa sich wenden. Die Ablenkung des Mehlbaches in den Alpnachersee durch die Klus von Rotzloch war die Folge von glazialen Ablagerungen zwischen dem Rotzberg und dem Fusse des Stanserhorns. Es ist wahrscheinlich, dass auch die Engelberger Aa einst durch die Oeffnung zwischen dem Muetterschwandberg und dem Bürgenstock floss, jedoch durch die Anhäufung ihrer eigenen Ablagerungen in die Bucht von Buochs abgelenkt wurde. Wir wissen jedoch wenig genaues über die Verhältnisse, die vor der Entstehung des Vierwaldstättersees bestanden. Der Kohlthalbach und der Isenthalerbach gehen direkt in den See, der Gitschenthalerbach und der Waldnachtbach in die Reuss. Der Abschnitt Rigihochfluh-Rigikulm, der der Aagruppe beigefügt worden ist, wird durch kleine Bäche teils in den Vierwaldstättersee, teils in die Muota, teils in die Lorze und den Zugersee entwässert.
[Dr H. Schardt.]
Flora.
Siehe die Artikel Flora der Kantone Unterwalden und Uri.