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der Limmat, in der Schipfe und am Schanzengraben (G. Meyer von Knonau, Der Kanton Zürich, 1844). Vom Jahr 1860 an wurden sodann systematische Untersuchungen für eine rationelle Wasserversorgung betrieben und auf einem 1867 von Bürkli abgefassten, wahrhaft klassischen Bericht hin grundsätzlich beschlossen, es sei die Neufassung bestehender Quellen und die Anlage eines neuen Pumpwerkes von 30 PS aus der Limmat für Brauchwasser am oberen Mühlesteg von der Stadt zu übernehmen.
Mit den Arbeiten wurde 1868 begonnen: Anlage zweier Reservoirs beim Polytechnikum und am Schmelzberg ob der Sternwarte;
Filter im Limmatbett unterhalb der Bauschanze und von da Zementleitung ins Pumpwerk.
Man hatte mit einem täglichen Verbrauch von 135-190 Liter per Kopf der Bevölkerung gerechnet. Schon im Jahr 1872 war zu wenig Brauchwasser vorhanden. Man musste provisorisch ein neues Pumpwerk am Platzspitz errichten, welches (1870 fertig erstellt) mit dem alten zusammen 15000 m3 täglich zu heben vermochte. Aber auch das war bald zu wenig. Man beschloss 1875 die Erbauung eines definitiven Wasserwerkes im Letten. Die Limmat wurde beim Drahtschmidli durch ein Nadelwehr gestaut und durch einen Kanal eine Wasserkraft von 900 PS gewonnen, mit welcher eine maximale Wasserhebung von 51000 m3 im Tag erzielt wurde.
Das Werk war 1879 vollendet, und anfänglich konnte noch Kraft direkt mit Drahtseilen abgegeben werden. Für das Brauchwasser, das bislang in einer besondern Parzelle des Reservoirs beim Polytechnikum gehalten war, entstand ein besonderes Reservoir ob Langensteinen (Oberstrass) - der Dammabschluss desselben steht heute noch - und oberhalb des Schlösslis am Zürichberg wurde in 145 m über dem Seespiegel ein drittes Trinkwasserreservoir für die Hochdruckzone errichtet.
Da brach im Jahr 1884 eine böse Typhusepidemie über Zürich herein. Allgemein vermutete man die Ursache ihrer raschen Ausbreitung in einer Infektion der Wasserversorgung. In der Tat war die Zementleitung in der Limmat stark beschädigt, und an einer Stelle fast verstopft. Das führte zur Einsetzung einer «erweiterten Wasserkommission», der Dr. K. Zehnder und Dr. H. v. Wyss als Mediziner, Prof. Cramer als Bakteriolog, Prof. Lunge als Chemiker und Prof. Heim als Geolog angehörten.
Gründliche Studien über die gesamte Wasserbeschaffungsfrage führten zu dem Resultat, das Seewasser sei als Haupttrinkwasser (neben zahlreichen bereits bestehenden Quellfassungen) beizubehalten, die Fassungsstelle des Seewassers jedoch 200 m weit oberhalb der Quaibrücke in den See hinaus zu verlegen, dort das Wasser in 12 m Tiefe zu fassen und mit einer eisernen Röhrenleitung durch Schanzengraben-Sihl zu einer Filteranlage am Sihlquai und von da zum Letten-Pumpwerk zu führen.
Chemisch und bakteriell erwies sich das Wasser des Sees günstig: Alkalinität in französischen Härtegraden 12,5;
organische Substanz 18,2-23,5 mgr im Liter, freies Ammoniak und Salpetersäure Spuren, albuminoides Ammoniak 0,035-0,05 mgr per Liter, Pilzkeime per cm3 200 im rohen, 20 im filtrierten Wasser.
Mit den Arbeiten wurde noch 1885 begonnen, die neue Filteranlage 1886 dem Betrieb übergeben, und man erlebte die Genugtuung, dass seit der Einführung der neuen grossartigen Filtrieranlage (Sandkiesfilter in 10 Kammern) die Typhuserkrankungszahl von 62,88 im Mittel pro 10000 Einwohner auf 8,27, die Sterblichkeit von 6,67 auf 0,8 zurückgegangen ist, womit die Minimalziffern für grössere Städte mit vorteilhaften hygienischen Verhältnissen übereinstimmen.
Auch das Wasser der alten Quellleitungen wird jetzt filtriert, da viele inkonstante Moränenquellen dabei sind, und mancher verdächtige Sodbrunnen wurde vom Gesundheitsamt als Trinkwasser unbrauchbar erklärt. So ist durch energische Massnahmen der früher endemische Typhus aus Zürich verschwunden und die Gefahr einer neuen Epidemie beseitigt. Kontinuierliche bakterielle und chemische Untersuchung des Trinkwassers ist übrigens heute noch eine der Hauptaufgaben des Stadtchemikers. Die chemische Analyse ergab beispielsweise für 1903 als Jahresmittel:
Vor der Filtration: mgr pro l | Nach der Filtration mgr pro l | |
---|---|---|
Organische Stoffe | 24.0 | 12.6 |
Freies Ammoniak | 0.011 | 0.0 |
Albuminoides Ammoniak | 0.065 | 0.005 |
Pilzkeime | 1605 pro cm3 | 14 pro cm3 |
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So tadellos nun qualitativ diese neue grosse Trinkwasserversorgung funktionierte - infolge der rapiden Zunahme der Bevölkerung mochte sie bald quantitativ nicht mehr genügen. Wird doch 1905 der mittlere Wasserverbrauch per Kopf und Tag auf 220, der maximale gar auf 315 Liter angegeben. Zur Vermehrung der öffentlichen Brunnen in der Stadt und zur Erstellung von Brunnen in neu entstehenden Quartieren begann man im Jahr 1907 die Zuleitung eines Grossteils der gewaltig ergibigen Sihl- und Lorzequellen.
Auf blauem, klebrig-zähem Grundmoränenlehm der 1. Eiszeit treten sie in ähnlicher Weise aus der 30-40 m hohen Deckenschotternagelfluh des Sihl- und Lorzethales im Gebiet vom Sihlsprung-Menzingen aus, wie im kleinen die Hotelquelle am Utogipfel (s. Geologie im Artikel Zürich, Kanton). Ein grosses, regenreiches (1600 mm), zumeist waldiges Sammelgebiet und der prächtige natürliche Filtrierapparat der löcherigen Nagelfluhplatte bedingen einen sehr konstanten Ertrag, dessen Maxima und Minima nur im Verhältnis von 5:3 schwanken.
Die Sihlquellen wurden durch 11,5 km lange Röhrenleitung mit bis 40 cm Lichtweite, die Lorzequellen in 5,7 km langer, bis 50 cm weiter Leitung nach Sihlbrugg geführt; von da geht eine 17,7 km lange, 55 cm weite Röhrenleitung mit 2,5‰ Gefälle durchs Sihlthal zum neuen Reservoir beim Albisgütli (500 m über Meer = 91 m über dem Seespiegel gelegen). Hier wird das Wasser (in dem punkto Regenfall normalen Jahrgang 1905 waren es rund 20400 Minutenliter) auf die Speisleitungen der öffentlichen Quellwasserbrunnen und auf die Mittel- und Niederdruckleitungszone der Seewasserversorgung verteilt.
Die Anlage kostete total 3174104 fr. und liefert über die Hälfte des ganzen Wasserbedarfs der Stadt. Qualitativ ist das Wasser der Sihl-Lorze-Quellen sehr gut: im Jahre 1905 zeigte es Temperaturen von 8,6 (Januar) bis 10,9° C. (September) und eine Bakterienzahl von 0-37. Allerdings ist es mit 24-25 franz. Graden etwas hart im Vergleich zum Seewasser (13), sodass für Dampfkesselspeisung Sodazusatz nötig wird. Die Sihlthalquellen fliessen seit 4. Dezember, diejenigen des Lorzethals seit der Stadt zu. Immerhin muss bei anhaltender Bevölkerungsvermehrung in Zürich schon in den nächsten Jahren an die Erstellung einer noch grösseren Wassergewinnungsanlage, aus dem See oder aus geeigneten Grundwassergebieten, gedacht werden.
Der totale Wasserverbrauch der Stadt Zürich erreichte vom bis einen Betrag von 14700098 m3. Davon fielen 67,6% auf die Niederdruckzone, 27,3% auf die Mitteldruckzone, 4,1% auf die Hochdruckzone und 1% auf die obere Hochdruckzone. Es ergibt sich dadurch ein mittlerer Verbrauch von 237 (maximal 330) Liter pro Kopf und Tag. Aus dem gelieferten Wasser (einschliesslich für öffentliche Zwecke) wurde ein Erlös von fr. 1751000 erzielt, was nach 3% Abschreibungen über eine halbe Million Reingewinn bedeutet. Das gesamte Leitungsnetz für Brauch-, Trieb- und Trinkwasser hatte Ende 1907 eine Länge von 128 km (ohne die Quellwasserzuleitungen). Dazu käme ausserdem noch die 2,67 km lange Fassungsleitung von 900 mm Durchmesser aus dem See zu den Filteranlagen und 0,51 km vom Filter zum Pumpwerk.
Vorgängig dieser grosszügigen Trinkwasserversorgungsanlagen musste natürlich ein Kanalisationssystem vorgesehen sein, zu welchem schon Ingenieur Bürkli den Plan entworfen, und mit dessen Ausbau mit Kübelsystem (an Stelle der alten Ehgräben) bereits im Jahr 1867 begonnen wurde. Heute durchzieht es die ganze Stadt und mündet (inklusive einige Sauggebiete) unterhalb der Stadt (durch Regierungsdekret unterhalb der Trinkwasseranlage im Letten) in die Limmat.
Ueber die Krankenanstalten (kantonale, munizipale und freiwillige private), sowie über die ausgezeichnete soziale Fürsorge für arme Kranke durch die verschiedensten Hilfsinstitute vergl. weiter unten.
Epidemien. Die Cholera hat Zürich zum letztenmal im Jahr 1867 heimgesucht. Noch existiert unter den allgemeinen Fonds der stadtzürcherischen Stiftungen ein «Fond für Hilfeleistungen bei Cholera-Epidemien». Der Typhus ist nicht mehr endemisch; die letzte Epidemie von 1884 hat eine gründliche Sanierung der Trinkwasserversorgung zur Folge gehabt. Dagegen ist ständig Scharlach und Diphtherie vorhanden, wenn auch die letztgenannte Krankheit infolge der modernen Serumbehandlung weniger gefährlich auftritt als früher. Es fehlt zur Einschränkung dieser Schulhausgefahren offenbar vielen Eltern an Einsicht und den Behörden an wirksam zu handhabenden Gesetzen, trotz der bestehenden unentgeltlichen bakteriellen Untersuchungen und obligatorischer unentgeltlicher Möbel-, Kleider- und Zimmerdesinfektion im Falle von Scharlach, Diphtherie, sowie Typhus, Pocken und Kindbettfieber (fakultativ bei Tuberkulose). Im Jahr 1907 führten 462 Fälle von Scharlach und 417 von Diphtherie zur Verfügung von 1265 Schulausschlüssen.
Die Scharlachfrequenz der vorhergehenden Jahre war die folgende: 1906 = 505;
1905 = 1050;
1904 = 961;
1903 = 1174;
Diphtherie 1906 = 467;
1905 = 427;
1904 = 344;
1903 = 238. Von andern ansteckenden Krankheiten wurden im Jahr 1907 gemeldet: Pocken keine;
Genickstarre 16 Fälle;
Masern 215 (1906 = 1217; 1905 = 60; 1904 = 1234; 1903 = 21);
Typhus 46 (1906 = 47; 1905 = 59; 1904 = 83; 1903 = 41);
Wöchnerinnenfieber 23;
andere Infektionskrankheiten 120;
total 1511 Fälle.
Ueber Augen- und Ohrenuntersuchung der Schulkinder wurde im Abschnitt über das Unterrichtswesen (Kanton Zürich) Bericht erstattet. Eine unentgeltliche Schul-Zahnklinik ist neu eingerichtet worden. Zur Bekämpfung der Kopfparasiten unter der Schuljugend amtet eine besondere Gehülfin des städtischen Schularztes, von der Schuljugend spassig «Vögelitante» genannt, welche im Berichtsjahre 1907 im ganzen 503 Kinder (darunter 499 Mädchen) gleich 1,99% der Schülerzahl (25275) zur Reinigung anhalten musste. Im Jahre 1905 waren es 2,9%, im Jahre 1903 noch 11,7%.
Die Sterblichkeit ist ebenfalls im Abschnitt über das Sanitätswesen behandelt. Es erübrigt noch, die Bestattungen zu erwähnen. Sie geschehen auf Kosten der Stadt. Im Jahr 1907 wurden 1614 vollzogen, bei einer täglichen Höchstzahl von 16. Friedhöfe gibt es in Zürich im ganzen 18, und zwar für den Kreis I: Friedhof Sihlfeld (Zentralfriedhof, mit Krematorium und hervorragenden Denkmälern) und Friedhof auf der hohen Promenade (ausser Betrieb; zum Teil Leichenwachsbildung infolge lehmigen Grundmoränenbodens);
im Kreis II: Friedhöfe Enge, Manegg, Leimbach, Wollishofen;
Kreis III: Friedhof Sihlfeld Abteilung B und C, alte Friedhöfe Aussersihl und ¶