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man in Zürich zufrieden sein. Die Stadt steht im Vergleich mit andern, grössern Städten vorteilhaft da. Im Sommer wird mit Sprengwagen, à 5 und 7,5 m Sprengweite, zum Teil an den elektrischen Trambetrieb angeschlossen, für Niederhaltung des Staubes gesorgt; auf den Trottoirs mit Handwagen. Der früher benützte Fahrschlauch wurde, weil teuer und verkehrsstörend, grossenteils aufgegeben. Reinigung mit Kehrwalzen. Rasche Schneeabfuhr (Ausleeren in die Limmat) ab den Hauptstrassen im Winter, wobei Arbeitslose willkommene Beschäftigung finden. Es existiert eine städtische Kehrichtverbrennungsanstalt (Kehrichtabfuhr 1907: 58390 m3 gleich 21293 t, davon verbrannt 20231 t) und Kadaververbrennungseinrichtung (System Podewils). Die Fäkalien werden in Kübeln abgeholt; 1907: 7848 m3 in 10441 Kübeln mit 218502 Auswechslungen;
Kübelwäscherei im Hardhüsligut.
Bedürfnisanstalten bestehen in der Stadt total 64 (Oelpissoirs, System Beetz). Ueber die Wohnungsverhältnisse ist im Abschnitt «Bevölkerung» berichtet worden.
Lebensmittel und Lebensmittelkontrolle. Ueber den Fleischkonsum gibt die amtliche Fleischschau sichere Auskunft. Es bestanden bisher drei öffentliche und 35 private Schlachthäuser und eine zentrale Fleischhalle für den Verkauf, neben zahlreichen privaten Verkaufslokalen. Ein grosser städtischer Schlachthof wird im Jahre 1909 vollendet. Kostenaufwand rund 6 Mill. Franken. Im Jahre 1907 wurden geschlachtet 3338 Zuchtochsen, 6820 Ochsen, 1675 Kühe, 2611 Rinder, 23519 Kälber, 29640 Schweine, 5547 Schafe, 228 Ziegen, 307 Pferde und 98 Kaninchen, mit einem Gesamtgewicht von 7687787 kg. Dazu ist zu rechnen eine Fleischeinfuhr (einschliesslich Geflügel und Fische) von 3954903 kg, macht zusammen 11642690 kg; entsprechend einem täglichen Fleischkonsum von 173 gr per Kopf der Bevölkerung (1906 169 gr). Die Fleischpreise betrugen per ½ kg: Zuchtstierfleisch 85-90 cts. (1906: 80-85 cts.), Ochsen- und Rindfleisch 75-95 (80-95), Kuhfleisch 55-75 (65-75), Kalbfleisch 100-125 (110-120), Schweinefleisch 90-115 (110-115), Schaffleisch 80-100 (70-90), Pferdefleisch 40 (40) cts. Von den geschlachteten Stücken stammten über drei Viertel aus der Schweiz, und nur kaum ein Viertel ist ausländisches Vieh.
An Milch wurden 1907 täglich 119700 Liter eingeführt, zum Verkaufspreis von 23 Cts. Durchschnittlich fielen im Laufe des Jahres 5,4 Kontrollen auf einen Verkäufer. Ueber die Frage der Milchversorgung schweben Unterhandlungen der Stadt mit dem auf genossenschaftlicher Grundlage aufgebauten Lebensmittelverein. Bis jetzt bestanden namentlich zwei grosse Molkereien auf privater Basis.
Ein originelles Erbstück aus früherer Zeit ist der Markt mit Gemüsen, Früchten und andern Lebensmitteln, der jahraus, jahrein wöchentlich zweimal, je Dienstags und Freitags, auf offener Strasse abgehalten wird. Bis 11 Uhr vormittags sind an diesen Tagen die Trottoirs gewisser zentral gelegener Strassenzüge mit Marktständen und lustig kramendem Publikum belagert: Bahnhofstrasse, Petersstrasse, Münzplatz, Uraniastrasse, Sihlhofstrasse, Usteristrasse, Schweizergasse, Lintheschergasse, Schützengasse, Rathausquai (unter den Bögen), Rathausbrücke, Hirschengraben, Stauffacherstrasse.
Der Landesproduktenmarkt an der Bahnhofstrasse und ihren Seitenstrassen wies 1907 regelmässig 727, im Herbst oft über 1200 Verkäufer auf. Davon sind 75% Selbstproduzenten. Je nach Art der Lebensmittel ist eine gewisse wenn auch nicht allzu streng durchgeführte Sonderung auf die verschiedenen Strassenbezirke erkennbar. Am schönsten ist jeweilen der Blumenmarkt im obersten Teil der Bahnhofstrasse. Im Herbst, Mitte September bis Mitte November, ist für Obst und Kartoffeln ein Engros-Markt an der Uraniastrasse und am Hirschengraben eingerichtet. Es wurden im Jahre 1907 aufgeführt: 3000 q Aepfel à 16 bis 48 Fr., wenig Birnen (30-40 frs. per q), 120 q Zwetschgen à 11-13 frs. und 316 q Kartoffeln à 7-8 frs. Das Obst stammte namentlich aus den Bezirken Zürich, Bülach, Dielsdorf, Horgen und Uster und aus den Kantonen Aargau und Zug, Zwetschgen auch aus dem Elsass, Kartoffeln vom Rafzerfeld und aus dem Kanton Schaffhausen. Um Weihnachten beleben sich der Hirschengraben und manche andere Plätze der Stadt mit einem lustigen Christbaummarkt. 1907 wurden rund 1700 Tännchen zum Verkauf gebracht.
Zürich besass Ende 1907 sage 1061 Wirtschaften (darunter 85 Gasthöfe) und etwa 1000 Kleinverkaufsstellen für geistige Getränke. Nach dem zu Recht bestehenden Wirtschaftsgesetz sind ihrer 174 zu viel, im Verhältnis zur (fortgeschriebenen) Einwohnerzahl der Stadt. Während im ganzen Kanton je eine Wirtschaft auf 131 Ew. besteht, gibt es deren in gewissen Quartieren der Stadt Zürich in bedenklichem Ueberfluss. So trifft es im Niederdorf auf 74 Häuser 29 Wirtschaften, an der Zeughausstrasse 10 auf 23 Häuser, an der Seebahnstrasse 11 auf 45, Konradstrasse 11 auf 46, Zwinglistrasse 10 auf 34, Langstrasse 28 auf 91 Häuser.
Einen heilsamen Einfluss üben die 28 Temperenz- und Kaffeewirtschaften, die sich einer stets steigenden Frequenz erfreuen. In den 9 alkoholfreien Lokalen des Frauenvereins für Mässigkeit und Volkswohl verkehren täglich 7000-8000 Gäste; 260 weibliche Angestellte finden hier Beschäftigung und Wohnung. Die Betriebe des Vereins begannen vor 12 Jahren, aus bescheidenen Anfängen sich stetig erweiternd; heute haben sie jährlich über eine Million fr. Aktiven und Passiven.
Trotz oder vielleicht wegen der minimen Détailgewinne ruht alles auf solider, auf Selbsterhaltung berechneter Basis. Rasche Amortisation konnte Platz greifen, und die drei grossen auf je ca. ½ Million bewerteten Volkshäuser «Zürichberg», «zum blauen Seidenhof» und «zum Olivenbaum», sowie das neu erweiterte Restaurant «zu Karl dem Grossen» sind stolze Früchte zielbewusster Frauenarbeit. Das Treiben in diesen Volkshäusern gehört mit zum Originellsten und Ehrenhaftesten, was Zürich bieten kann.
Scharen strömen da zu und ab, in denen sogar die zürcherischen Standesununterschiede sich verwischen zu wollen scheinen. Die Familien, die ihre Sommerausflüge auf eine pompöse zweispännige Küchlifahrt ins Nidelbad oder auf die nahe Waid zu konzentrieren pflegten, fallen heute nicht mehr auf, wo der freie, frohe Sinn für die Natur in Schule und Haus, bei, Knaben und Mädchen energisch geweckt wird, trotz Unkenrufen nach Einschränkung der naturwissenschaftlichen Bildung.
Trinkwasser. Der erste Röhrenbrunnen wurde im Jahre 1430 im Rennweg errichtet. Um die Mitte des 19. Jahrh. flossen der Stadt in 7 Brunnenwerken aus 110 (plus 7 im Stadtbezirk selber gelegenen) meist in Holz gefassten Quellen stündlich 36000 Maass (à 1½ Liter) Wasser zu; das zugehörige Röhrennetz hatte eine Länge von 90000 Fuss. Daneben bestanden viele Sodbrunnen, teils von sehr zweifelhafter Güte. Dazu kamen Pumpwerke in ¶
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der Limmat, in der Schipfe und am Schanzengraben (G. Meyer von Knonau, Der Kanton Zürich, 1844). Vom Jahr 1860 an wurden sodann systematische Untersuchungen für eine rationelle Wasserversorgung betrieben und auf einem 1867 von Bürkli abgefassten, wahrhaft klassischen Bericht hin grundsätzlich beschlossen, es sei die Neufassung bestehender Quellen und die Anlage eines neuen Pumpwerkes von 30 PS aus der Limmat für Brauchwasser am oberen Mühlesteg von der Stadt zu übernehmen.
Mit den Arbeiten wurde 1868 begonnen: Anlage zweier Reservoirs beim Polytechnikum und am Schmelzberg ob der Sternwarte;
Filter im Limmatbett unterhalb der Bauschanze und von da Zementleitung ins Pumpwerk.
Man hatte mit einem täglichen Verbrauch von 135-190 Liter per Kopf der Bevölkerung gerechnet. Schon im Jahr 1872 war zu wenig Brauchwasser vorhanden. Man musste provisorisch ein neues Pumpwerk am Platzspitz errichten, welches (1870 fertig erstellt) mit dem alten zusammen 15000 m3 täglich zu heben vermochte. Aber auch das war bald zu wenig. Man beschloss 1875 die Erbauung eines definitiven Wasserwerkes im Letten. Die Limmat wurde beim Drahtschmidli durch ein Nadelwehr gestaut und durch einen Kanal eine Wasserkraft von 900 PS gewonnen, mit welcher eine maximale Wasserhebung von 51000 m3 im Tag erzielt wurde.
Das Werk war 1879 vollendet, und anfänglich konnte noch Kraft direkt mit Drahtseilen abgegeben werden. Für das Brauchwasser, das bislang in einer besondern Parzelle des Reservoirs beim Polytechnikum gehalten war, entstand ein besonderes Reservoir ob Langensteinen (Oberstrass) - der Dammabschluss desselben steht heute noch - und oberhalb des Schlösslis am Zürichberg wurde in 145 m über dem Seespiegel ein drittes Trinkwasserreservoir für die Hochdruckzone errichtet.
Da brach im Jahr 1884 eine böse Typhusepidemie über Zürich herein. Allgemein vermutete man die Ursache ihrer raschen Ausbreitung in einer Infektion der Wasserversorgung. In der Tat war die Zementleitung in der Limmat stark beschädigt, und an einer Stelle fast verstopft. Das führte zur Einsetzung einer «erweiterten Wasserkommission», der Dr. K. Zehnder und Dr. H. v. Wyss als Mediziner, Prof. Cramer als Bakteriolog, Prof. Lunge als Chemiker und Prof. Heim als Geolog angehörten.
Gründliche Studien über die gesamte Wasserbeschaffungsfrage führten zu dem Resultat, das Seewasser sei als Haupttrinkwasser (neben zahlreichen bereits bestehenden Quellfassungen) beizubehalten, die Fassungsstelle des Seewassers jedoch 200 m weit oberhalb der Quaibrücke in den See hinaus zu verlegen, dort das Wasser in 12 m Tiefe zu fassen und mit einer eisernen Röhrenleitung durch Schanzengraben-Sihl zu einer Filteranlage am Sihlquai und von da zum Letten-Pumpwerk zu führen.
Chemisch und bakteriell erwies sich das Wasser des Sees günstig: Alkalinität in französischen Härtegraden 12,5;
organische Substanz 18,2-23,5 mgr im Liter, freies Ammoniak und Salpetersäure Spuren, albuminoides Ammoniak 0,035-0,05 mgr per Liter, Pilzkeime per cm3 200 im rohen, 20 im filtrierten Wasser.
Mit den Arbeiten wurde noch 1885 begonnen, die neue Filteranlage 1886 dem Betrieb übergeben, und man erlebte die Genugtuung, dass seit der Einführung der neuen grossartigen Filtrieranlage (Sandkiesfilter in 10 Kammern) die Typhuserkrankungszahl von 62,88 im Mittel pro 10000 Einwohner auf 8,27, die Sterblichkeit von 6,67 auf 0,8 zurückgegangen ist, womit die Minimalziffern für grössere Städte mit vorteilhaften hygienischen Verhältnissen übereinstimmen.
Auch das Wasser der alten Quellleitungen wird jetzt filtriert, da viele inkonstante Moränenquellen dabei sind, und mancher verdächtige Sodbrunnen wurde vom Gesundheitsamt als Trinkwasser unbrauchbar erklärt. So ist durch energische Massnahmen der früher endemische Typhus aus Zürich verschwunden und die Gefahr einer neuen Epidemie beseitigt. Kontinuierliche bakterielle und chemische Untersuchung des Trinkwassers ist übrigens heute noch eine der Hauptaufgaben des Stadtchemikers. Die chemische Analyse ergab beispielsweise für 1903 als Jahresmittel:
Vor der Filtration: mgr pro l | Nach der Filtration mgr pro l | |
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Organische Stoffe | 24.0 | 12.6 |
Freies Ammoniak | 0.011 | 0.0 |
Albuminoides Ammoniak | 0.065 | 0.005 |
Pilzkeime | 1605 pro cm3 | 14 pro cm3 |
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