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Baumaterial allmählig verdrängt: die einstigen Moränenblöcke, die noch hie und da in altem Gemäuer beim Abreissen zum Vorschein kommen. Gar im 12. und 13. Jahrh. waren die Häuser «unansehnliche, meistens hölzerne Hütten, etwa zwei Stockwerke hoch, mit einer Stube, in welche sich zwei, oft drei Haushaltungen teilten, und einer Anzahl Kammern. Steinerne Häuser gehörten damals zu den grössten Seltenheiten, sodass sie in den Urkunden ausdrücklich als solche benannt werden... Nach der schrecklichen Feuersbrunst von 1313, die über die Hälfte der kleinen Stadt verzehrte, wurde die Verordnung erlassen, dass jedes wieder zu erbauende Haus wenigstens ein Stockwerk hoch gemauert sein solle...» (Meyer von Knonau: Der Kanton Zürich. 1844. Bd. I, Seiten 231 ff.) Noch geschwinder verschwand der Mensch, den diese Behausungen in Freud und Leid bargen. Zahlreiche marmorne Gedenktafeln erinnern pietätvoll an berühmte Namen, deren historischer Glanz gar oft zu der einfachen Klause des Geburts- oder Sterbehauses, oder zum Ort der einstmaligen Wirksamkeit des also Geehrten in eigentümlichem Kontraste steht: Zwinglis Amtswohnung an der Kirchgasse, Heinrich Pestalozzis Geburtshaus am Rüdenplatz, Geburtshaus Gottfried Kellers am Rindermarkt, Haus der Escher von der Linth an der Sihlstrasse u. v. a.
Neueste Literatur: Stadtplan (herausgegeben vom städt. Vermessungsamt) 9 blättrig in 1:5000. - Fremdenübersichtsplan 1:15000 (1:75000 vergriffen). - Heim und Imfeld: Gebirgspanorama vom Zürichberg. - Heim, Alb.: Gebirgsansicht vom Stadthausplatz (Bürkliplatz) und vom Hügel in der Parkanlage Enge. - Heim, Alb.: Panorama vom alkoholfreien Kurhaus auf dem Zürichberg. 1901. - Geschäftsbericht des Stadtrates für 1907 (Zürich 1908). - Festschrift zur 50jährigen Jubelfeier des Polytechnikums 1905, herausgegeben vom Zürcher Ingenieur- und Architektenverein Bd. II: Die bauliche Entwicklung Zürichs in Einzeldarstellungen (darin namentlich Fietz: Die Kantonallehranstalten; Geiser: Die Schulhausbauten der Stadt seit 1893; Lasius: Die eidg. polytechn. Schule). - Bär, E.: Das Frauenkloster St. Verena in Zürich (Progr. der höh. Töchterschule der Stadt Zürich. 1902/03). - Wehrli, Leo. Was uns in Zürich die Steine erzählen. (Die Schweiz. 1897). - Künzli, E. Die Steine der Quaianlagen (Führer durch die Quaianlagen in Zürich) 1898. - Schinz, H. Führer durch den botan. Garten der Universität Zürich, 1908.
3. Klima.
S. den Art. Zürich (Kanton).
4. Bevœlkerung.
Nach den Ergebnissen der eidg. Volkszählung vom Jahr 1900 hatte die Stadt Zürich damals 150703 Ew. Davon waren 30891 oder rund 2/10 Bürger der Stadt, 30864, also fast genau gleichviele, Bürger andrer Gemeinden des Kantons, 45187 oder 3/10 Bürger andrer Kantone, in Summa 106942 oder 7/10 Schweizerbürger und 43761 oder 3/10 Ausländer. Der Konfession nach war die Verteilung folgende: Protestanten 102794, Katholiken 43655, Israeliten 2713, andre oder unbekannte Konfessionen 1541. Nach der Muttersprache: deutsch 140803, französisch 2586, italienisch 5100, romanisch 415, andre Sprachen 1799. 47,5% der Bevölkerung war männlichen und 52,5% weiblichen Geschlechtes.
Aus früheren Zeiten gibt die Literatur folgende Einwohnerzahlen für die Stadt Zürich:
Jahr | Ew. | |
---|---|---|
1357 | 12375 | |
1374 | 11680 | |
1410 | 10570 | |
1467 | 4713 | |
1634 | 8222 | |
1671 | 9122 | |
1769 | 10579 | |
1836 | 14243 | (inkl. Ausgemeinden 27376) |
1860 | 19758 | |
1870 | 20780 | |
1880 | 21453 | |
1888 | 28225 | (inkl. Ausgemeinden 91227) |
1894 | 121057 | (1. Juli) (einschliesslich die 9 Ausgemeinden Enge, Wiedikon, Aussersihl, Unterstrass, Oberstrass, Fluntern, Hottingen, Hirslanden und Riesbach); sowie die ebenfalls mit der Stadt vereinigten Gemeinden Wollishofen und Wipkingen. |
Nach der Stadtvereinigung im Jahr 1893 erfolgte eine rapide Zunahme der Bevölkerung. Die wirtschaftliche brise der Jahre 1899/1900 brachte jedoch eine Periode der Abnahme. Seit 1902 steigt die Ziffer wieder, wenn auch nur langsamer. Die rechnungsmässige Einwohnerzahl betrug Ende 1906: 172855; Ende 1907: 177437; Ende 1908: 180224. Der wirkliche Stand dürfte um 1000 bis 2000 Seelen niedriger sein, wegen erfahrungsgemäss unvollständiger Abmeldungen, namentlich italienischer Wanderarbeiter, deren Rückwanderung in den Wintermonaten ohnehin einen Mehrwegzug zu ergeben pflegt.
Die Wohnbevölkerung nahm 1907 um 4582 Seelen, d. h. um 2,65% zu. Wenn die Vermehrung gleichmässig anhält, so dürfte die Zahl 200000 etwa im Jahr 1912 oder 1913 erreicht sein.
Von der Bevölkerungsbewegung geben folgende auf das Jahr 1907 bezügliche Zahlen einige Orientierung: Die Zahl der Geburten betrug 4921 (2357 Mädchen und 2564 Knaben), der Sterbefälle 2710 (1323 weiblichen, 1387 männlichen Geschlechtes), beides inklusive Totgeburten (99 Mädchen, 96 Knaben). Eheschliessungen 1674. Ehescheidungen 212. Einbürgerungen 1397, davon 931 unentgeltlich, 466 durch Einkauf; von diesen Eingebürgerten stammen 829 aus dem Kanton Zürich, 129 aus der übrigen Schweiz und 439 aus dem Ausland.
Die Eheschliessungszahl sank 1898-1903 beständig, und zwar von 1816 bis auf 1417, d. i. um 22%; seither steigt sie wieder etwas. Auch der Geburtenüberschuss, im Jahr 1899 noch 2702, fällt seit 1901 dauernd; 1905 betrug er nur noch 1919, trotz steigender Einwohnerzahl. Es traf an Lebendgebornen im Jahr 1901 32,84‰, im Jahr 1906 25,23‰, im Jahr 1907 23,25‰ der mittleren Jahresbevölkerung. Freilich nahm auch die Sterblichkeit ab, aber nicht in gleich hohem Masse wie die Geburtsziffer. Die gesteigerten Preisverhältnisse für die Lebenshaltung bedingen eine geringere Ehemöglichkeit. Die sozialpolitische Entwicklung drückt in verschiedener Weise namentlich den Klein- und ¶
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Mittel-Bürgerstand. Was soll man ferner dazu sagen, wenn im Jahr 1907 in einer wesentlich kommerziellen und industriellen Grossstadt von 81531 Steuerpflichtigen nur 1678 (inklusive kantonale und munizipale Beamte) ein Einkommen von 5100 Fr. und mehr, davon nur 1026 ein solches von über 6100 Fr. und nur 298 ein solches von 10100 Fr. an aufwärts versteuern, und nur 1532 Steuerpflichtige über 100000 Fr. Vermögen?
Innerhalb eines Jahres ergeben sich in der Wohnbevölkerung folgende Mutationsbeträge, welche dem normalen Jahrgang 1906 mit einer mittlern Jahresbevölkerung von 170400 entsprechen:
Innerhalb der Stadt umgezogen rund 78000 Personen (11500 Familien). Zugezogen rund 44000 Personen, weggezogen rund 40700 Personen. Gewinn 3300 Personen. Eheschliessungen in der Wohnbevölkerung 1750. Geburten etwa 4300 Personen. Sterbefälle etwa 2550 Personen. Geburtenüberschuss 1750. Jahreszunahme 5050. In den Gasthöfen abgestiegene Fremde rund 300000 Personen.
Auffällig ist die hohe Umzugsziffer. Rund 40% der Wohnbevölkerung zieht in einem Jahre einmal um! Die Hälfte dieser Zahl betrifft Familien-, nicht bloss Einzelumzüge, zumeist auf Anfang April oder Oktober, dann aber auch auf die andern Quartalanfänge. (Köln 44%, Breslau 49%; Dresden 28%, Nürnberg 36%). Dabei verwaist namentlich die Altstadt, die, wie auch in den meisten deutschen Grossstädten zur City geworden ist, unter «Verdrängung der Urbevölkerung in Sprache und Sitte». Der Kreis I hatte 1895 = 29500, Ende 1900 = 25900 und 1906 noch 20000 Einwohner, gleich wie schon im Jahre 1860! Als Zuzug wird angesehen, wer über 2 Monate bleibt; er betrug 1893 27100, und 1905 schon 40300 Personen. Diese Zahlen sind relativ hoch, obschon ihnen eine fast ebenso hohe Wegzugsziffer entgegensteht.
Das Jahr 1908 ergab bei einem Zuzug von 45403 und einem Wegzug von 44490 einen Wanderungsgewinn von nur 913 Personen (gegen 2735 im Jahre 1907) - seit 1902 war er nie so niedrig. Als Ursache wird die wirtschaftliche Depression genannt, die namentlich in verminderter Zuwanderung und Mehrwegzug der Italiener zum Ausdruck gelangt; gegenüber dem Vorjahre sank der Italienerzuzug von 8200 auf 7100. Zahl der. Eheschliessungen 1877 (Maximum seit dem Jahre 1893).
Erstmals seit 1901 stieg die Geburtenzahl, und zwar auf 4246 (Geburtenziffer auf 1000 Ew. = 23,64); die Zahl der Sterbefälle erreichte 2372 (Sterbeziffer auf 1000 Ew. = 13,21). Geburtenüberschuss 1874, macht mit dem Wanderungsgewinn eine Gesamtzunahme der Wohnbevölkerung von 2787 Seelen oder 1,57%. Am Wanderungsgewinn beteiligten sich 536, am Geburtenüberschuss 1080 Ausländer. Die Stadtbürgerliche Bevölkerung ist seit Jahren durch Ueberschuss der Sterbefälle in bedeutender Abnahme begriffen, und die Eheschliessungszahl war z. B. bei den in Zürich ansässigen Reichsdeutschen prozentual zur Ehefähigkeit stets grösser als bei den Zürchern selber. Auch an dem immer noch verbleibenden Geburtenüberschuss sind seit einigen Jahren die Ausländer überwiegend beteiligt, 1907 z. B. mit 53,4%. Wenn das so weiter geht, so kann Zürich bald ohne Zürcher existieren; lucus a non lucendo!
Interessant ist der Zuzug in die Stadt nach den verschiedenen Zuzugsgebieten und nach deren Entfernung. Von 40289 Zuzügern im Jahre 1905 waren 21711 Ausländer, und davon die Hälfte Deutsche, ein Viertel Italiener und ein Viertel aus Oesterreich, Russland, Frankreich etc. 42,5% aller Zugezogenen kamen direkt aus dem Ausland nach Zürich; von den aus den andern Schweizerorten Kommenden waren nochmals 30% Ausländer. 16% aller Zuzüger waren Angehörige, die übrigen 84% Selbsttätige. Mehr als 4/5 aller Zuzüger zieht also zu Erwerbszwecken in die Stadt. Aus je kleinerer kilometrischer Entfernung der Zuzug stattfindet, desto bedeutender ist er, und desto mehr Angehörige sind, relativ, neben Selbsttätigen mitbeteiligt. Aus einer Entfernung bis 50 Kilometer kamen im Jahre 1905 34,1% aller Zuzüger (davon ¼ aus höchstens 10 km), aus 50-100 km Entfernung zogen 19,5% zu u. s. f. - aus über 300 km noch volle 23,1%.
Mit der steten Zunahme der Bevölkerungszahl hält die Vermehrung der Wohngelegenheiten nicht Schritt. In ¶