Dasein; die moderne Fabrikindustrie nahm ihren Anfang.
Der Sturz der Mediation nach dem Einrücken der Alliierten 1813 weckte wieder die Kräfte der alten Zeit; aber gegenüber
einer extremen Reaktionspartei, die das
Alte von vor 1798 herbeiwünschte, wusste eine gemässigte Richtung die Oberhand zu
behaupten und 1814 eine Verfassung zu begründen, die zwar ein stärkeres Uebergewicht der Stadt brachte,
aber manche liberale Errungenschaft zu retten vermochte. Die Landschaft fühlte sich freilich in Manchem wieder in die Zeit
der «gnädigen
Herren und
Obern» von vor 1798 erinnert, bis 1830 die Folgen der Julirevolution auch im Kanton Zürich
dem Liberalismus zu
völligemSiege verhalfen.
Der «Ustertag» stürzte für immer die aristokratischen Einrichtungen
und rief einer Regeneration des Kantons auf repräsentativ-demokratischer Grundlage mit Gewerbs- und Handelsfreiheit, Volksrechten
und Kulturzwecken des Staates. Eine Zeit schöpferischer Reformen brach an, gekrönt durch Organisation einer obligatorischen
Volksschule, Schöpfung des Lehrerseminars in
Küsnacht, der Kantonsschule und Universität in Zürich.
Der Kanton
wurde ein Führer liberaler Politik in der Eidgenossenschaft.
Je mehr indes die Liberalen in ein radikales
Stürmen und Drängen hinein kamen, desto mehr wurden die konservativen Elemente
zu Stadt und Land verbittert. Als die letzten Vorrechte der Hauptstadt fielen (1837 und 1838), erreichte die Spannung
den höchsten Grad. In dieser Lage tat die Regierung den unbesonnenen Schritt, auf eine erledigte Professur der Theologie
an der Hochschule den radikalen Kritiker
David Friedrich
Strauss zu berufen. Da erfolgte, scheinbar bloss wegen «Religionsgefahr»,
ein von der Stadt aus veranlasster Volksaufbruch aus dem
Oberlande, («Straussenhandel», «Septemberputsch»);
die liberale Regierung wurde gestürzt und machte einer konservativen
Platz.
Unter dem Drucke dieser reaktionären Septemberregierung stand der Zürcher Freistaat bis 1845, wo nach dem Scheitern der
Freischarenzüge, im Gegensatz zu dem reaktionären Wüten
Luzerns die liberale Partei wieder die Oberhand gewann. Zürich
arbeitete
kräftig mit bei der Bundesreform von 1847-1848 und wurde hernach (da es seit 1803 stets einer der Vororte
gewesen war und jetzt den
Rang eines Hauptortes an Bern
hatte abtreten müssen) zum Sitze des eidgenössischen Polytechnikums erkoren
(1854). Begabte liberale Staatsmänner vertraten Zürich
in glänzender Weise nach innen und aussen, wie
Jonas Furrer, Alfred
Escher,
Jakob Dubs; der Liberalismus feierte eine zweite Blütezeit. Da er jedoch sich zu verknöchern begann
und gegen Volkswünsche und demokratische Forderungen sich verschloss, bildete sich eine demokratische Oppositionspartei
mit Hauptsitz in
Winterthur (J. J.
Sulzer,
Sal. Bleuler, G. Ziegler u. a.) gegen Alfred
Escher und sein «System». 1867-1869 erfolgte
der Uebergang zur reinen Demokratie mit obligatorischem Referendum, mit Initiative, Volkswahl der Regierung,
Sorge für die Arbeiter, Kantonalbank etc. Die neue demokratische Verfassung von 1869 gab den Anstoss zu einer Reihe
wichtiger politischer wirtschaftlicher und sozialer Reformen und wurde Vorbild für andre Kantone, teilweise sogar für die
Bundesverfassung von 1874.
In raschem Tempo entwickelten sich Stadt und Kanton. Jene, schon in den 30er Jahren ihrer sie beengenden
Schanzen und Befestigungen entledigt, wurde seit den 50er und 60er Jahren verschönert, erweitert und gänzlich erneuert
(Bahnhofstrasse, Quaibauten, Niederreissen des Kratzquartiers, neuer Bahnhof, Bahnhofbrücke, Quaibrücke etc.); sie wurde
Sitz wichtiger Bankinstitute und ein Eisenbahnzentrum für die ganze Nordostschweiz; durch Vereinigung
mit den 11 Ausgemeinden
(Wollishofen,
Enge,
Wiedikon,
Aussersihl, Ober- und
Unterstrass,
Fluntern,
Hottingen,
Hirslanden,
Riesbach
und
Wipkingen) gestaltete sie sich seit 1893 zur Grossstadt, und 1898 wurde sie Sitz des eidg.
Landesmuseums. Die kantonale Volksschule wurde 1899 ausgebaut, und auch die Zürcher Kirche erhielt 1895 eine Neugestaltung
im Sinne grösserer
Freiheit und Selbstregierung, sowie der Beteiligung von
Laien an der Kirchenordnung. Die unerwartet glänzende
Volksabstimmung vom April 1908 über Errichtung eines
neuen Universitätsgebäudes und Verstaatlichung der Blinden- und Taubstummenanstalt
offenbarte den idealen und opfermutigen Sinn des Volkes zu Stadt und Land. Keime frischen, neuen Lebens, die
erst noch aufgehen müssen, sind in all diesen Erscheinungen einbeschlossen.
Wichtigste, historische Literatur. Urkundenbuch der Stadt und LandschaftZürich
(bis jetzt 6 Bde). - Zürcherische Neujahrsblätter.- Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft inZürich
(bis jetzt 25 Bde). - Zürcher Taschenbuch (1858-1862 und seit 1878). -
Gerold Meyer v.
Knonau. DerKanton Zürich
(2 Bde. 2. Aufl. 1844 und 1846). - J. J. Hottinger und G. v.
Escher. Dasalte und das neueZürich.
1859. - Vögelin,
Sal. Das alteZürich.
2. Aufl. 2 Bde. Zür. 1879 und 1890. -
Arter. Sammlung Zürcherischer Altertümer. 1837. -
Vogel, J. Die altenChroniken oder Denkwürdigkeiten der Stadt und LandschaftZürich.
1845. - MemorabiliaTigurina, 1820-1840, 1840-1850, 1850-1860. - Leuthy, J. J. Geschichte desKant. Zürichvon 1794-1830. 2 Bde. 1843. - Leuthy, J. J. GeschichtedesKant. Zürichvon 1831 bis 1840.Zürich
1845. - Bluntschli, J. C. Staats- und Rechtsgeschichte derStadt und LandschaftZürich.
2 Bde. 1838 und 1839. - Bluntschli, J. C., und J. J. Hottinger. Geschichte der RepublikZürich.
3 Bde. Zürich
1847-1856. - Die StadtZürichIllustrierte Chronik. Preuss 1896. - Die bauliche Entwicklung der StadtZürich(Jubiläumsschrift des Polytechnikums. Bd.
II 1905). - K. Dändliker, Geschichteder Stadt und desKantons Zürich.
Bd. I. 1908, Bd. II. 1910.
Der Bezirk
Zürich liegt in der Hauptsache zwischen den Ausläufern des
Albis einerseits und des
Zürichberges
andrerseits. Er greift nur wenig ins Glatthal
(Œrlikon,
Schwamendingen,
Seebach) und ins
Reppischthal
(Urdorf,
Uitikon, Birmenstorf)
hinüber. Er umfasst also das untere Ende des
Zürichsees und das im Mittel 2 km breite Limmatthal. Die
Berge zu beiden
Seiten
bestehen aus horizontalen Molasseschichten, die mit Moränen unregelmässig überstreut sind. Mächtige
bogenförmige Endmoränen markieren das Seeende. Das Limmatthal ist von mächtigen Glazialschottern erfüllt.
Ausser Acker- und Gartenbau und Viehzucht ist die Industrie von grosser Bedeutung. Abgesehen von der Stadt
Zürich (siehe dies. Art.) finden wir z. B. Maschinenbau in Œrlikon, Albisrieden, Altstetten, Schlieren; eine Waggonfabrik in
Schlieren, Baumwollindustrie in Dietikon etc.
Der grosse Eisenbahnknotenpunkt Zürich
beherrscht die Verkehrslinien des Bezirks. Der natürlichen Bodenform entsprechend haben
wir die beiden Uferbahnen längs des Sees, die den Verkehr, mit Chur und mit dem Arlberg vermitteln; dann
die Linie nach Baden,
die nach der Westschweiz und nach Basel
führt. Eine Abzweigung davon ist die Linie nach Affoltern-Zug. Quer durch
den nördl. Höhenzug gehen in gemeinsamem Tunnel die Linien nach Schaffhausen,
nach Romanshorn und St. Gallen
und ins Glattthal. Sekundäre Linien
sind die Sihlthalbahn, die Limmatthal-Strassenbahn mit Abzweigung nach Weiningen, die Tramlinien Zürich-Höngg,
Zürich-Œerlikon-Seebach und die Bergbahn (mit Adhäsion) auf den Uetliberg.
Gem. und Hauptstadt des Kantons und Bezirks Zürich, grösste Stadt der Schweiz. Die geographischen Koordinaten der eidg. Sternwarte
am Zürichberg (nach freundlicher Mitteilung der Sternwarte) sind: 47° 22' 38" NBr. und 8° 33' 3,9"
OL. von Greenwich. Die magnetische Deklination betrug pro 1908: 11½° W. Die Höhe beträgt für die Sternwarte 470 m, für
den Seespiegel im Mittel 408,6 m. Die Limmat fällt im Stadtgebiet bis zur Kote 400 m (vor Höngg) auf
eine Strecke von 6 km, also durchschnittlich 1½‰. Das Stadtgebiet reicht westl.
bis an den Kamm des Uetlibergs, dessen Gipfelsignal
mit 874 m Meerhöhe auf der Stadtgrenze liegt.
Nach S. verfolgt die Grenze den Grat bis zur Baldern, steigt dann, die ehemalige Gemeinde Leimbach einschliessend, zur Sihl und
südl. vom Etlisberg vorbei zwischen Wollishofen und Mönchhof zum See ab. Am rechten Ufer zieht sie südl.
der Irrenheilanstalt Burghölzli zur Realp hinauf, kreuzt den Wehrenbach, folgt ein Stück weit dem mittleren Lauf des Elefantenbaches,
umschlingt den Loorenkopf, und von da in ziemlich regelmässigem Zug
von SO. nach NW. der Glattthalseite des
Zürichberges und erreicht über die Einsattelung des Milchbuckes den N.-Abhang des Käferberges.
Beim Hardturm berührt sie die Limmat, welche bis unterhalb der Hönggerbrücke die Gemeindegrenze bildet. Von da an sind unregelmässige
Gräben im breiten Limmatthal als Grenzlinien benutzt. Das Triemli wird südöstl. umgangen. Vom Döltschi steigt die Linie
wiederum am Uto hinan und schliesst, dessen O.-Rampe folgend, nordöstl. vom Hôtel Uetliberg vorbei, am
Gipfelsignal. So legt sich das Gebiet der mit ihren Aussengemeinden vereinigten Stadt Zürich auf der Landkarte einem Hufeisen
gleich um das unterste Seebecken und steigt mit beiden Rändern bis auf die Gipfelhöhen des Uetliberges im W.,
des Zürichberges und Käferberges im O. Der Flächeninhalt beträgt 44,17 km2.
Wer Zürich
zum erstenmal besucht, sollte an einen lauen Sommerabend zu Schiff seeabwärts der Stadt langsam sich nähern. Liebliche
Gestade mit hablichen Dörfern geben ihm links und rechts das Geleite. Reiche Landhäuser recken ihre Erker und Türmchen
aus wohlgepflegten Gärten heraus. Immer spärlicher werden die
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