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Referendum hin über die übrigen Beschlüsse des Grossen Stadtrates (mit Ausnahme derjenigen betr. das Budget, der Wahlen und einiger andrer Spezialfälle). Die Aktivbürger besitzen ausserdem das Recht der Initiative (2000 Unterschriften im Minimum verlangt) und das Recht, Motionen zu stellen. Der Grosse Stadtrat wird in den Kreisen gewählt; auf je 1200 Ew. wird ein Mitglied gewählt. Er hat eine Reihe von Wahlen zu vollziehen, das Budget festzustellen, die parlamentarische Kontrolle auszuüben etc. Die eigentliche vollziehende Behörde ist der aus neun Mitgliedern bestehende Stadtrat, dem für die Besorgung der Schulangelegenheiten noch die Zentralschulpflege und die Kreisschulpflegen zur Seite stehen.
20. Kirchenwesen.
Es besteht im Kant. Zürich eine privilegierte Kultusgenossenschaft, die den Namen «evangelische Landeskirche» trägt. Dieselbe ordnet innert der Schranken des Gesetzes, über deren Respektierung der Regierungsrat zu wachen hat, ihre Angelegenheiten selbständig. In finanzieller Beziehung beteiligt sich der Staat durch die Besoldung der Geistlichen sowie durch Leistung von Beiträgen an kirchliche Bauten. Als oberstes Organ der Landeskirche fungiert die Kirchensynode, der die Ausarbeitung der erforderlichen Verordnungen, die Aufsicht über die kirchliche Verwaltung etc. obliegt. Den Verkehr mit dem Regierungsrate vermittelt der aus 7 Mitgliedern bestehende Kirchenrat, dem unter Aufsicht der erstgenannten Behörde der Vollzug der Kirchengesetze zukommt. Als untere Aufsichtsbehörde fungiert die Bezirkskirchenpflege. Die Geschäfte der einzelnen Kirchgemeinden, deren es 159 gibt, werden von den Gemeindekirchenpflegen besorgt.
Neben der evangelischen Landeskirche anerkennt der Staat auch vier katholische Kirchgemeinden (Zürich, Winterthur, Dietikon und Rheinau) und trägt auch an deren finanzielle Lasten bei.
[Dr E. Grossmann.]
21. Erziehungswesen.
Zum Eintritt in die zürcherische obligatorische Volksschule, deren Jahreskurse Ende April beginnen, wird das bis zum 1. Mai vollendete 6. Altersjahr gefordert. Die Alltagsschule dauert normal 8 Jahre zu 43 Schulwochen. Im 1.-3. Schuljahr werden 20-24, im 4.-6. 30 und im 7.-8. Schuljahr 33 Unterrichtsstunden per Woche erteilt. An grössern Orten bestehen dreiklassige Sekundarschulen, die an die 6. Primarklasse anschliessen (12.-15. Altersjahr) mit 43 Schulwochen.
Fortbildungs- oder Bürgerschulen (1-3 Jahreskurse) sind fakultativ. Man hat es hier trotz vieler Anstrengung noch nicht zu einem Obligatorium gebracht. Folge davon ist die Klage über zunehmende Gleichgültigkeit der Jugend in politischen Dingen. Im Jahr 1906 bestanden im Kant. Zürich 332 Schulgemeinden mit total 1140 Primarschulabteilungen, an welchen 949 Lehrer und 191 Lehrerinnen wirken. 1097 sind gemischte Abteilungen, 21 haben nur Knaben, 22 nur Mädchen.
Schülerzahl 29321 Knaben und 30444 Mädchen, auf die Lehrerschaft verteilt durchschnittlich 52 Schüler. Sekundarschulen bestanden 100, mit 280 Abteilungen, davon 214 gemischte, 20 nur für Knaben, 16 nur für Mädchen. Es amten 279 Sekundarlehrer und eine Sekundarlehrerin. Die Zahl der Sekundarschüler beträgt 4985 Knaben und 4139 Mädchen. Total 9124. Die Sekundarschüler machen 13,3% aller Volksschüler aus, welche Prozentzahl nur in Basel Stadt und Schaffhausen übertroffen wird. In 86 allgemeine Fortbildungsschulen gehen (freiwillig) 1250 Knaben.
Von den jährlichen Ausgaben des Staates für das Volksschulwesen entfallen (1906) auf einen Primarschüler 118 Fr. (nur in Basel Stadt und Genf noch mehr), auf einen Sekundarschüler 150 Fr. (noch mehr in den Kantonen Bern, Glarus, Freiburg, Solothurn, Appenzell I. R., Waadt und Genf).
Von 100 geprüften Rekruten haben 58 höhere Schulen besucht und 39 gute Gesamtleistungen aufzuweisen (1907), Prozentsätze, die von keinem andern Schweizerkanton erreicht werden.
Als kantonale Mittelschulen bestehen: Das staatliche Lehrerseminar in Küsnacht, mit 4 Jahreskursen;
daran wirken (1906) 20 Lehrkräfte. 193 Schüler und 21 Schülerinnen. - Die Kantonsschule in Zürich, in vier Abteilungen gegliedert: Literar- und Real-Gymnasium, ¶
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Industrieschule und Handelsschule, total 83 Lehrkräfte, und 527+221+263 = 1011 Schüler (anno 1906). Das kantonale Technikum in Winterthur mit besondern Fachschulen für Bautechniker, Maschinentechniker, Elektrotechniker, Feinmechaniker, Chemiker, Kunstgewerbe, Geometer, Handel- und Eisenbahnbeamte, deren respektive Frequenz im Jahre 1907 betrug 73+203+47+1+38+13+51+78+34, total 538 Schüler. 17,1% derselben waren Ausländer. - Die landwirtschaftliche Schule Strickhof in Zürich. Das Kleinod des zürcherischen Unterrichtswesens bildet die Hochschule (Universität) Zürich. An dieser amteten im Winter-Semester 1907-1908 78 Professoren, 63 Privatdozenten und 28 Assistenten (ungerechnet diejenigen der Kliniken und ihrer Annexanstalten).
Zahl der immatrikulierten (regulären) Studierenden 1489, dazu 448 Auditoren, total 1937 Hörer. Von den regulären Studierenden waren 316 oder 21,2% Zürcher Kantonsbürger, 410 aus andern Schweizerkantonen gebürtig, im Ganzen 726 oder 48,8% Schweizer und 763 oder 51,2% Ausländer (davon 188 Deutsche und Oesterreicher, und 459 d. h. 30,8% der Gesamtzahl Russen und Russinnen). Von den weiblichen Studierenden waren 49 Schweizerinnen und 335 Ausländerinnen. Angesichts der hohen Ausländerzahl wurden im Jahr 1906 die Aufnahmsbedingungen für die Universität verschärft, die Gebühren für die Ausländer erhöht und den Studierenden schweizerischer Nationalität ein Vorzugsrecht für Platzbelegung in der medizinischen und naturwissenschaftlichen Fakultät eingeräumt.
Nach den Fakultäten verteilte sich die Frequenz im Winter-Semester 1908-1909 wie folgt:
Zürcher | Schweizer andrer Kantone | Ausländer | Gesamtsumme | ||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
Männl. | Weibl. | Männl. | Weibl. | Männl. | Weibl. | ||
Theologen | 14 | - | 8 | - | 1 | 1 | 24 |
Juristen | 83 | 2 | 93 | - | 89 | 9 | 276 |
Mediziner | 44 | 10 | 131 | 6 | 90 | 213 | 494 |
Zahnärzte | 4 | - | 13 | - | 1 | 2 | 20 |
Veterinäre | 5 | - | 28 | - | 6 | - | 39 |
Philosophen I. Sektion | 74 | 10 | 82 | 7 | 49 | 36 | 258 |
Philosophen II. Sektion | 54 | 5 | 63 | 2 | 188 | 51 | 363 |
: | 278 | 27 | 418 | 15 | 424 | 312 | 1474 |
Die Ausgaben des Staates für das gesamte Unterrichtswesen betrugen 1867: Fr. 757513;
1877: 1555592;
1887: 1845666;
1896: 2910495;
1906: 3933394, was auf den Kopf der jeweiligen Bevölkerung Fr. 2,90;
5,70;
6,40;
8,68;
10,41 oder 23,0;
30,7;
25,7;
21,9;
22,2 Prozent der Gesamtausgaben ausmacht.
In den gleichen Jahren beliefen sich die Nettokosten eines Studierenden der Universität auf Fr. 428;
392;
421;
501;
453. Vom Bund erhielt der Kanton Zürich 1907 für das Unterrichtswesen eine Subvention von Fr. 258621.
Der Unterricht an der Volksschule ist unentgeltlich. Der Staat unterstützt ferner gemäss Verordnung für das Volksschulwesen vom auch die Fürsorge für Nahrung und Kleidung armer Schulkinder, Ferienkolonien, Erholungshäuser und Jugendhorte und gibt Beiträge an die Versorgung von bedürftigen Kindern und Erziehungsanstalten für Anormale. Seit 1889 gibt es Spezialklassen für schwachbegabte Schulkinder. Der Staat sorgt auch für Weiterbildung der Lehrerschaft durch Veranstaltung von Ferienkursen, so 1906 für Lehrer an Volks- und Mittelschulen (102 Teilnehmer), Zeichnungslehrer an gewerblichen Fortbildungsschulen (8 Teilnehmer). Freiwilligen Fortbildungsschulen werden Staatsbeiträge verabfolgt.
In den letzten Jahren wurden Arbeitslehrerinnenkurse von 5/4 jähriger Dauer abgehalten. Besondre Aufmerksamkeit wird (seit 1884) auch dem Knabenhandarbeitsunterricht geschenkt. Die Erwerbung der Patente für Volksschullehrer (Primar- und Sekundarlehrer) ist neuerdings, unter gewissen Bedingungen, auch Abiturienten der Kantonsschule und der höheren Stadtschulen von Winterthur ermöglicht. Nach dem Ausbau der Volksschule nach oben (7. und 8. Klasse) sind auch die Lehrpläne und Reglemente der höhern Unterrichtsanstalten in den letzten Jahren neu revidiert worden; frische Entwicklungsluft weht in das zürcherische Schulwesen, das eine Zeit lang auf wohlverdienten früheren Lorbeeren auszuruhen schien.
Einen mächtigen Schritt vorwärts bedeutet der Beschluss des Kantonsrates vom zum Bau eines neuen Universitätsgebäudes (die Hochschule war bis jetzt im S.-Flügel des eidg. Polytechnikums und im Kollegiengebäude zum Rechberg untergebracht), unter Ablösung und Bereinigung alter Vertragspflichten mit Bund und Stadt. Eine denkwürdige Volksabstimmung hat den Kantonsratsbeschluss am mit gewaltiger Mehrheit gutgeheissen trotz des Gesamtkostenvoranschlages von 6 Mill. Fr. (wogegen nahezu 4 Mill. sichere Einnahmen stehen).
Einer originellen und segensreichen Institution des Schulwesens muss noch besonders gedacht werden: der zürcherischen Schulsynode. In Anlehnung an Zwinglis Synode der Geistlichkeit wurde sie auf Anregung von Bürgermeister Konrad Melchior Hirzel von Zürich im Jahr 1831 als gesetzlich organisierte Versammlung der gesamten Lehrerschaft des Kantons eingesetzt und tagte 1834 zum erstenmal. Seither hat sie verschiedene Wandlungen durchgemacht. Sie tagt ordentlicherweise jährlich einmal und ist eine Standesvertretung aller Stufen der Lehrerschaft von der Primarschule bis zur Hochschule, konstituiert sich selbst und wählt seit 1849 zwei Mitglieder des (ebenfalls 1831 organisierten) Erziehungsrates. Tätigkeit: Behandlung methodischer und pädagogischer Fragen, Anregungen und Gutachtem in Sachen der Schulgesetzgebung und Lehrerbildung (Begutachtungsrecht für Lehrmittel durch die Schulkapitel).
Ausser der Synode besteht zu ähnlichen Zwecken ein kantonaler Lehrerverein und eine kantonale Sekundarlehrerkonferenz.
Einen mächtigen Anteil an der Entwicklung des zürcherischen Schulwesens hat die Stadt Zürich, welche dafür im Jahr 1907 allein Fr. 3178220 netto ausgegeben. Es bestanden 1907 in der Stadt 50 Kindergärten (davon 25 im dritten Stadtkreis), die von 1888 Kindern besucht wurden. 1906 existierten im ganzen Kanton 65 öffentliche und 68 private Kleinkinderschulen mit 2704 bezw. 3771 Kindern und 67 bezw. 87 Lehrerinnen. Von Zeit zu Zeit, gewöhnlich alle 2 Jahre, werden zur Ausbildung von Kindergärtnerinnen besondere Kurse abgehalten, welche der höhern Töchterschule angegliedert sind.
Die Stadt führte bei Beginn des Schuljahres 1908-1909 folgende Volksschulabteilungen:
Abteilungen | Schüler | Schüler per Lehrstelle (durchschnittlich) | |
---|---|---|---|
Primarklassen I-VI | 360 | 18537 | 51 |
Primarklassen VII-VIII | 45 | 1233 | 27 |
Spezialklassen | 18 | 391 | 22 |
Sekundarklassen | 107 | 3903 | 36 |
Die meisten Primarschul- und alle Sekundarschulabteilungen sind einklassig, und die Klassenbestände wurden in den letzten Jahren allmählig herabgesetzt. Sie sind aber heute noch zu hoch. Eine Neuorganisation mit stärkerer Ausnutzung der Schullokale und Lehrkräfte scheint trotzdem vorgesehen werden zu müssen.
Als höhere städtische Schulen bestehen in der Stadt. Zürich: die höhere Töchterschule mit Lehrerinnenseminar, Gymnasium, Fortbildungsklassen und Handelsabteilung, frequentiert von 144+88+164+239, total 635 Schülerinnen, wozu noch 12 Kandidatinnen des Haushaltungslehramtes und 71 Volksschüler der ¶