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eigenen Fortbildungsschulen. - 3) Das Vereinshaus der Freimaurerloge «Akazia» (gegründet 1821), ein bemerkenswerter Bau. - 4) Das katholische Vereinshaus mit grossen Gebäulichkeiten. Es unterhält 4 Schwestern für Armen- und Krankenpflege, auch eine Kleinkinderschule; es beherbergt jährlich 400-500 Handwerksgesellen unentgeltlich. - 5) «Helvetia» am Bahnhof, Vereinshaus des Grütlivereins, Sammelpunkt der organisierten Arbeiterschaft. - 6) Herbergen zur Heimat und zur Traube. - 7) Mädchenheim des Frauenbundes an der Kasernenstrasse mit Stellenvermittlung. - 8) Stellenvermittlung innerhalb seiner Branche besorgt auch der kaufmännische Verein. - 9) «Helvetia» am Reitweg, Sitz der «Cooperativa italiana». - 10) Das städtische Arbeitsamt mit Arbeitsvermittlung, Naturalverpflegung, Wohnungsvermittlung und Arbeitslosen - Fürsorge. In Winterthur haben ferner ihren Sitz der Schutzaufsichtsverein für entlassene Sträflinge und die Kommission für Kinderversorgung. Letztere wurde gegründet 1889. Sie besitzt in Räterschen eine eigene Anstalt für Erziehung verwahrloster Kinder. Seit Bestehen der Anstalt wurden bis 1906 versorgt 153 Kinder.
[J. Herter.]
Geschichtlicher Ueberblick.
Die Umgebung Winterthurs war schon zur Keltenzeit bewohnt; bis in die neueste Zeit wurden da Münzen, Waffen, Geräte und Geschirre aus der Bronzeperiode entdeckt. Auch der Name Vitudurum ist keltischen Ursprunges: vitu = Wald, tur = Wasser, also der «Ort am Waldwasser». Neuere Ableitung: die Feste des Vitu. Zur Römerzeit war Oberwinterthur (Vitudurum) ein Rast- und Verpflegungsort an der Hauptstrasse, welche von Bregenz nach Windisch führte. Die römische Niederlassung war mit einem Kastell bewehrt, das von den zum erstenmal einbrechenden Alemannen zerstört und im Jahre 294 unter Kaiser Diokletian wieder aufgebaut wurde. Zahlreiche Funde geben Kunde, dass der Ort von besonderer Bedeutung war: Legionsziegel, Gräber, Steine von Handmühlen, ein Münzschatz, ein aus vielen Statuetten bestehender Depotfund auf dem nahen Lindberg u. s. w. Nach der alemannischen Ansiedelung gelangte der Ort vermöge seiner günstigen Lage neuerdings zu Bedeutung. Oberwinterthur, in den Urkunden Wintarduro (856), Ventertura (864) und Wintartura (886) genannt, war eine der ältesten Dingoder Malstätten des Landgerichtes im Thurgau.
In dieser Gegend herrschten die Grafen von Winterthur; sehr wahrscheinlich war die gewaltige megalithische Turmfeste Mörsburg, die jetzt noch im Gemeindebann Oberwinterthur liegt, ihr Wohnsitz. Nach der Petershauser Chronik waren die Grafen Liutfrid und Gebhard Söhne des Grafen Ulrich VI. von Bregenz. Liutfrid erhielt das predium Winterture (Oberwinterthur); Gebhard wurde Bischof von Konstanz und stiftete das Kloster Petershausen, das die Kirchen von Oberwinterthur und Wiesendangen erlangte. Liutfrids Enkelin Adelheit vermählte sich mit dem Grafen Hartmann von Dillingen-Kiburg († 1121). So ging ein Teil des Besitztums der Grafen von Winterthur an die Grafen von Kiburg über. Im Jahr 1155 bestätigte Kaiser Friedrich I. der Domkirche in Konstanz sämtliche Besitzungen, darunter die Höfe und Kirchen in Winterthura (Oberwinterthur) und Wiesendangen. Von 1175-1218 kommen in Urkunden Herren von Wintirtura als Konstanzer Dienstmannen vor. Wie noch jetzt in Wiesendangen oder Hegi stand also in Oberwinterthur oder dessen nächster Umgebung ein fester Turm als Wohnsitz dieses niedern Konstanzer Adelsgeschlechtes.
Die fruchtbare Thalebene an der Eulach, zwischen Lind- und Eschenberg gelegen, war echtes Eigentum der Grafen von Kiburg. Da lebten als Bauern auf Höfen, Huben und Schuppissen Hörige, vielleicht auch Freie, und bildeten eine Hofgenossenschaft. Sie entrichteten ihren Herren, den Grafen von Kiburg, Hofstatt- und Grundzinse und leisteten Frondienste. Die Grafen hatten hier die niedere, mittlere und hohe Gerichtsbarkeit. Keller besorgten den Einzug der Gefälle, ein Meier verwaltete die niedern Gerichte. Zum Schutz für die gesamte Niederlassung liess ein Kiburger Graf auf der jetzigen Hochwacht, einem gegen die Eulach steil abfallenden, südl. von Winterthur liegenden Vorsprung des Eschenberges, einen festen Turm erbauen, in dem Kiburger Dientsmannen wohnten, die Herren von Winterture. Es sind somit die Konstanzer und Kiburger Herren von Winterthur auseinander zu halten; möglich wäre es immerhin, dass sie dem gleichen Geschlecht entstammten. Daher kommt es auch, dass die Herren von Winterthur zahlreich und weit verbreitet sind. Der Ort Niederwinterthur war nach Oberwinterthur pfarrgenössig, besass aber eine eigene Kapelle mit einem Hülfs- oder Untergeistlichen. Das kleine Bethaus hatte kein Pfarrecht, wohl aber eine besondere Kirchhöre mit eigenem Begräbnisplatz. Das Bestreben des Grafen Hartmann von Kiburg ging dahin, den kleinen Ort zu heben, ihn selbständig zu machen und kirchlich von Oberwinterthur loszutrennen. Nach langen Verhandlungen wurde am 22. August 1180 die Kapelle in Niederwinterthur zu einer Pfarr- oder Leutkirche erhoben. Zum Schutzheiligen für das neue Gotteshaus wurde der h. Laurentius erkoren. Das Patronat und die Kollatur gehörten den Grafen von Kiburg; diese Rechte gingen durch Erbschaft an den Grafen Rudolf von Habsburg, von diesem an die Herzöge von Oesterreich und nach der Verpfändung Winterthurs an die Stadt Zürich über. Erst im Jahr 1482 erfolgte aber der vollständige Loskauf der. Tochterkirche: Winterthur entrichtete für die kirchliche Lostrennung der oberen und unteren Vorstadt, der Neustadt und der sechs Mühlen vor den Toren 840 Gulden.
Nach Rektor Troll, Winterthurs Geschichtsschreiber, soll der Ort schon 1180 vom Grafen Hartmann von Kiburg mit Mauern umgeben und zur Stadt erhoben worden sein. Mit Urkunden lässt sich diese Behauptung nicht erhärten. Dagegen darf man annehmen, dass der Ort das Marktrecht (jus fori) besass. Winterthur ist also nicht durch die Fundation eines geistlichen Stiftes entstanden, sondern ist eine Marktgründung. Aus dem Marktrecht entstand später das Stadtrecht. Die Strasse, welche den Hauptverkehr vermittelte und die jetzt noch den Namen Marktgasse führt, ging von W. nach O.; links und rechts derselben auf eine gewisse Distanz hin liess der Graf den Boden parzellieren und verlieh ihn gegen Zins an die sich ansiedelnden Kaufleute und Handwerker. Der Boden gehörte also dem Grafen, die Häuser aber waren Eigentum der Einwohner. Dass Winterthur
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ums Jahr 1180 noch nicht eine mit Mauern und Türmen versehene und mit Gräben umgebene Stadt war, geht aus den Mitteilungen des Chronisten Laurenzius Bosshart hervor, der schreibt: «Im Jahre 1185 war eine Ueberschwemmung im „Dorfe“ Winterthur. Anno domini 1213 verbrann das „Dorf“ Winterthur.» Die Frage, wann Winterthur zum erstenmale ein geschriebenes Stadtrecht erhielt, kann nicht bestimmt beantwortet werden. Bekanntlich erhielt Winterthur am 22. Juli 1264 vom Grafen Rudolf von Habsburg ein geschriebenes Stadtrecht. Dass aber der Ort schon früher, jedenfalls im Jahre 1230, eine Stadt war, geht aus einer Urkunde hervor, in welcher Graf Hartmann der Aeltere seiner Gemahlin Margaretha von Savoyen verschiedene Güter verschrieb; denn in derselben werden Schultheiss und Bürger (cives) von Winterthur genannt. Der erste Schultheiss hiess Heinrich von Winterthur und war ein Kiburger Dienstmann (1230-1246). Da die Grafen von Kiburg den Grund und Boden von Winterthur und Umgebung als echtes Allodium besassen, so gehörten ihnen als Grundherren Jagd, Fischerei (diese auch als Besitzer der hohen Gerichtsbarkeit), das Mühlerecht (jus molendinarum) und die Benutzung der gemeinen March (Allmend). Ferner das Baurecht, das Stangenrecht, der Hofstattzins, der Grundzins, das Marktrecht, Bestimmung und Aufsicht über Mass und Gewicht, die niedere Gerichtsbarkeit u. s. w. Nach dem Kiburger Urbar von 1260 hatte das Schultheissenamt als durchschnittlichen, jährlichen Ertrag dieser Einkünfte die Summe von 74 Pfund abzuliefern. Graf Hartmann der Aeltere von Kiburg, der Herr der Stadt Winterthur, starb am 27. November 1264. Kurz vor seinem Tod empörten sich die Winterthurer, weil der alte, schwache Mann fast alle seine Güter, darunter auch Winterthur, der Kirche oder seiner Gemahlin Margarethe von Savoyen vermacht hatte. In seiner Not trat der Graf die Stadt seinem Neffen Rudolf von Habsburg ab, welcher den Aufstand dämpfte und die Einwohner durch einen neuen Stadtrechtsbrief und die Schenkung des Eschenberger Waldes besänftigte (22. Juli 1264). In den Fehden zwischen Rudolf und den Freiherren von Regensberg um das Kiburger Erbe wurde Winterthur am 26. November 1269 verbrannt. Um dem Ort aufzuhelfen, verlieh ihm König Rudolf einen neuen Stadtrechtsbrief mit sechs neuen Gnaden (27. Februar 1275). Kurze Zeit vorher (12. Juni 1273) hatte er die Statuten des vom Grafen Ulrich von Kiburg und seinen Söhnen um das Jahr 1225 gegründeten Chorherrenstiftes auf dem Heiligenberg bestätigt und erweitert. Niederlage der Zürcher bei St. Georg am Feld bei Winterthur (13. April 1292). Das Sondersiechenhaus St. Georg am Feld stand schon im Jahre 1287. Ein Teil der Stadtbefestigung bestand damals noch aus Holzwerk. Um diesem Uebelstand abzuhelfen und weil der Ort für die Herrschaft Oesterreich eine bedeutende Schuldenlast übernommen hatte, befreite Herzog Albrecht Winterthur für sechs Jahre von jeder Steuer (2. November 1293). König geworden, erneuerte er den Bürgern alle Freiheiten und Gnaden, die sie von seinem Vater erlangt hatten (25. November 1298).
Nach der Ermordung des Königs Albrecht kam sein Sohn Herzog Leopold von Oesterreich nach Winterthur und bestätigte für sich und seine Brüder der Stadt alle Rechte und Freiheiten, die sie von seinem Grossvater Rudolf und von seinem Vater erhalten hatte, den Gehorsam und die guten Dienste der Bürger mit Lob anerkennend (9. Januar 1309). Zum Dank dafür nahmen die Winterthurer an der Blutrache teil und halfen ihm die Festen Wart und Multberg zerstören. Mehrmals war Winterthur durch Feuer teilweise oder ganz verwüstet worden: 1213, 1244, 1248, 1288, 1313. Rudolf von Trostberg, österreichischer Vogt zu Kiburg, setzte deshalb mit den Räten und der Bürgerschaft eine Ordnung fest, wie in Zukunft die Häuser gebaut werden müssten (30. Dezember 1312), und Herzog Leopold genehmigte die neue Bauordnung. König Friedrich der Schöne von Oesterreich bestätigte Winterthur alle Rechte und Freiheiten (14. April 1315); dafür übernahm der Ort schwere österreichische Schulden. Ebenso beteiligte sich die Bürgerschaft am Kampf am Morgarten. Voll Trauer um den grossen Verlust, kehrte der Herzog Leopold nach Winterthur zurück, wo ihm der Chronist Johannes von Winterthur (Vitoduran), damals ein Schulknabe, mit andern ältern Schülern vor dem Untertor entgegenlief. Es gab also damals schon eine Schule in Winterthur. Da der Herrschaft Oesterreich der Blutbann gehörte, musste sie mehrmals in das hohe Gerichtswesen Winterthurs eingreifen. Mit Gunst und Willen des österreichischen Landvogtes Eberhard von Eppenstein erweiterten Schultheiss, Rat und alle Bürger das Stadtrecht, indem sie ihm neue Bestimmungen über das Gerichtswesen hinzufügten.
Es war eine wilde, aufgeregte Zeit. Ein heftiger Zwist ergriff die Bürgerschaft, von der eine Partei auswanderte; die Aeusseren befehdeten die Innern; ein Bürger wurde totgeschlagen, in Häuser Feuer gelegt, das Schloss Wellenberg überfallen. Damit die Herrschaft Oesterreich nicht grösseren Schaden erleide, diktierte die Königin Agnes in Königsfelden die Schlichtung und Sühnung des Streites (9. August 1342). In jener Zeit hatte Zürich mit den Freiherren von Tengen und Schaffhausen eine Fehde, in die auch Winterthur gezogen wurde, so dass auf beiden Seiten manche Kriegsknechte ums Leben kamen. Bürgermeister Rudolf Brun, Räte und Bürger von Zürich beauftragten nun den Hermann von Landenberg, Hauptmann der Herzöge von Oesterreich im Thurgau und Aargau, zwischen den beiden Orten eine Richtung vorzunehmen (8. Dezember 1343). 1340 wurden die drei Türme Untertor, Obertor und Schmidtor gebaut; 1349 herrschte die Pest, worauf man am Brühl die Juden verbrannte. Winterthur musste an den Belagerungen Zürichs durch Oesterreich teilnehmen. Wegen Nachlässigkeit des Wächters verbrannte der alte Kirchturm der Stadt 1361. In der Schlacht bei Sempach erlitt Winterthur keine Verluste. Im Kampf bei Näfels verlor es 70-80 Mann und das Panner; zu seinen Ungunsten verliefen auch die Gefechte bei Gfenn und am Zürichberg gegen die Zürcher. Wie andre österreichische Städte unsres Landes musste Winterthur beitragen, die Schulden der Herrschaft zu tragen. Um den Ort bei opferfreudigem Willen zu erhalten, kam Herzog Leopold IV. mehrmals hierher; er verlegte das thurgauische Landgericht 1396 nach Winterthur, bestätigte die Rechte und Freiheiten 1397 und erteilte dem Orte 1400 das Recht, die kleinen Bussen zu behalten und zum Nutzen der Stadt und deren Befestigung zu verwenden. Bald darauf wurden abermals 25 Juden verbrannt (1401). In der Schlacht am Stoss kamen 95 Mann von Winterthur ums Leben, unter ihnen der Schultheiss Lorenz von Sal der Aeltere; der Rest wurde gefangen genommen. Da die Appenzeller und Schwyzer Elgg und Kiburg besetzten, kam Winterthur in grosse Gefahr und Not und schloss deshalb mit Zürich am 2. September 1407 ein ewiges Burgrecht. Weil der frühere Schultheiss Götz Schultheiss unter dem Schopf zu dieser Verbindung wesentlich beigetragen hatte, nahm ihn der österreichische Landvogt im Frühjahr 1408 gefangen und liess ihn bei Andelfingen in der Thur ertränken. Zur Zeit des Konzils in Konstanz nahm ein Reichsheer dem Herzog Friedrich IV. von Oesterreich die Stadt Winterthur und andre österreichische Orte weg. König Sigismund bestätigte Winterthur (14. Juni 1415) alle frühern Rechte und Freiheiten, erhob den Ort zu einer Reichsstadt und gelobte, sie nie vom Reiche zu versetzen oder zu verpfänden (27. März 1417). Um die Stadt noch mehr an sich zu ketten, verlieh er ihr alle Rechte und Nutzungen der hohen und niedern Gerichte und gab dem Schultheissen den Bann, über das Blut zu richten, und den Bürgern das Recht, alle österreichischen Pfandschaften auf Zoll, Hofstattgeld, Tavernenrecht, Markt und Gartenzinse abzulösen (25. November 1417). Als nach der ersten Aussöhnung zwischen König und Herzog die Eidgenossen das Eroberte zurückgeben sollten, weigerten sie sich dessen mit dem Vorwand, Winterthur habe mitten im Frieden einen Raubzug ins Zürcher Gebiet unternommen und dabei am Greifensee drei Dörfer verbrannt. Nach der zweiten Versöhnung kehrte Winterthur nicht unter die österreichische Herrschaft zurück, sondern blieb Reichsstadt (12. Mai 1418). Dadurch wurde sie von der Grafschaft Kiburg eximiert. Für den Ort begann eine Zeit des Aufblühens und der teilweisen Befreiung von österreichischer Schuldenlast: hiezu wurden in Bern 5150 Gulden entlehnt.