mehr
Klima.
Ueber die meteorologischen Verhältnisse liegen die Ergebnisse zuverlässiger Beobachtungen von Prof. Fr. Krebs seit 1864 vor. Die von ihm berechneten Mittelwerte beziehen sich auf die Station an der Trollstrasse und auf die Beobachtungsperiode 1864-1898: Mittlerer Barometerstand: 723,6 mm. Mittlere Extreme 711,9 und 732,1, Schwankung 2,02 mm. Absolute Extreme 697,2 und 745,6 Schwankung 48,3 mm. Das Maximum des Barometerstandes fällt in den Januar (724,9), ein zweites in den September (724,9), das Minimum in den April (721,1). - Die mittlere Jahrestemperatur beträgt in Celsiusgraden für Morgens 7 Uhr: 6,4°;
Mittags 1 Uhr: 11,6°;
im Durchschnitt 8,2°. Mittlere Temperatur der Monate: Januar -2,0°;
Februar 0,1°;
März 3,5°;
April 8,4°;
Mai 12,6°;
Juni 16,2°;
Juli 18,1°;
August 16,9°;
September 13,6°;
Oktober 8,0°;
November 3,6°;
Dezember -0,6°. Absolutes Temperaturminimum: -27,4°
Schwankung 61,4°. - Die relative Luftfeuchtigkeit beträgt im Mittel: Morgens 7 Uhr 84% (Minimum 79, Maximum 89);
Mittags 1 Uhr 66 (Minimum 56 im April, Maximum 77 im November und Dezember);
Abends 9 Uhr 83% (Minimum 78 im April; Maximum 88 im September und Oktober).
Jahresmittel 83%, Jahresminimum 71 (April, Maximum 84 November). Der Feuchtigkeitszustand ist bedeuenden und oft ziemlich plötzlichen Schwankungen unterworfen. Bewölkung (in Mittel): Januar 7,4;
Februar 6,5;
März 6,0;
April 5,6;
Mai 5,4;
Juni 5,3;
Juli 4,9 (Minimum);
August 5,0;
September 5,0;
Oktober 6,5;
November 7,5;
Dezember 7,9 (Maximum);
Jahresmittel 6,1. Auf das Jahr fallen 62 helle, 141 trübe und 162 mittelhelle Tage. - Niederschläge.
Mittlere Regenmenge in mm: Januar 39, Februar 52, März 71, April 75, Mai 99, Juni 113, Juli 118, August 125, September 114, Oktober 97, November 60, Dezember 75. Im Jahr: 1038. Durchschnittliche monatliche Regenmenge 1881-1898: 86,5 mm. Mittlere Zahl der Tage mit Niederschlägen: 149 (Minimum mit 9 im Januar und Februar, Maximum mit je 15 im Juni und Juli). Schneefälle an 29 Tagen, Nebel 75, Hagel 9, Gewitter 20 Tage. - Winde. (Stärkegrade 1-6; Beobachtungsperiode 1884-1899). SW.: Häufigkeit 183, Intensität total 183;
NO.: 70 und 104;
W.: 58 und 98;
O.: 44 und 57;
SO.: 17 und 18;
N.: 16 und 19;
NW.: 12 und 12. Die regenbringenden S., SW., W. und NW. wehen durchschnittlich 286mal oder 95 Tage mit der Gesamtstärke von 456. Die trockenen oder obern Winde 147mal oder 49 Tage mit einer Gesamtstärke von 198. Windstillen oder Kalmen per Jahr 663mal mit 663 Intensität.
Das ruhigste Wetter ist vom August bis Januar, besonders im Oktober. Grösste Windstärke im März (73), geringste im September und November (43).

Kulturen; Wald.
Die Gegend um Winterthur ist fruchtbar und gut bebaut. Unbebaute Stellen findet man etwa zwischen den Rebgeländen und dem darüber stehenden Wald. Diese sterilen Streifen drängen sich hie und da, namentlich bei Bergvorsprüngen, halbinselartig von oben ziemlich weit in die Rebgelände hinein. Sie sind indessen nicht kahl, sondern ausser mit magern Föhren, mit schmächtigem Grase, mit Ginster (Genista germanica und G. sagittalis), Polygala chamaebuxus, Bärentraube (Arctostaphylos uva ursii) u. s. w. bewachsen. Hier finden sich auch verschiedene Orchideen, Globularia, Geranium sanguineum, Carlina vulgaris und im Frühjahr die prächtige Anemone pulsatilla, in der Gegend Osterblume geheissen.
Bei der Grösse des städtischen Gebietes verbleibt trotz des ansehnlichen Umfanges des bebauten Geländes ein bedeutendes Areal für den landwirtschaftlichen Betrieb. In der Umgebung der Häuser nehmen die Gärten und Parkanlagen einen auffallend grossen Raum ein. Die sonnigen S.-Abhänge des Lindberges und weiter westl. des Wolfensberges, sowie die des Brühlbergs sind mit Reben bepflanzt, die sich in Privatbesitz befinden. Die Stadt besitzt innerhalb der Gemeindegrenze keine Reben, dagegen in Neftenbach an einer der besten Lagen (2,08 ha), sowie in Wiesendangen, ebenfalls in vorzüglicher Lage (2,43 ha).
Diese Reben werden in Regie durch erfahrene Rebleute bearbeitet, stellen in jeder Beziehung einen Musterbetrieb dar und liefern ein vorzügliches Produkt, das unter dem Namen «Stadtberger» sehr gesucht ist. Die Weinlese erfolgt unter genauer Kontrolle städtischer Organe. Dazu, sowie zu einem daran sich schliessenden ländlichen Mahl erscheinen eine Anzahl Mitglieder des Stadtrates und des Grossen Stadtrates, und es spielt sich dabei ein letztes Stück alten gemütlichen Brauches ab. Wie überall ist auch hier der Ackerbau stark zurückgegangen und sind die Ackerflächen zu ertragreichem Wiesland umgewandelt worden. An Wiesland besitzt die Stadt 107,5 ha. Eine Spezialität Winterthurs sind die Pünten, d. h. kleine Stücke städtischen Landes, zum Zwecke des Gemüsebaus verpachtet.
Solcher Pünten in der Grösse von rund 4 Aren per Stück gibt es gegenwärtig 620 mit einem Gesamtareal von 24,18 ha. Der Pachtzins beträgt durchschnittlich 14 Fr. per Pünt. Sie finden sich in grössern Komplexen hauptsächlich in der Nähe der Arbeiterquartiere. Die Nachfrage ist besonders seit Einführung der freien Samstag-Nachmittage eine starke geworden. Nicht nur rentiert dieses Land bedeutend mehr als das Wiesland, sondern es ist der Püntenbetrieb in volkswirtschaftlicher Beziehung von Bedeutung.
Die Stadt erlöste 1907 aus den Pünten 8643 Fr. Einen schwerwiegenden Faktor im städtischen Haushalt bilden die Waldungen. Sie nehmen ein Gesamtareal von 1175,91 ha ein, inbegriffen 23,79 ha umschlossenes Wiesland und Ried, sowie 6,12 ha unproduktives Land. Das Gesamtareal besteht aus folgenden Komplexen:
1) Eschenberg 745 ha; 2) Lindberg-Mörsburg 164 ha, teilweise im Gebiet der Gemeinde Oberwinterthur liegend;
3) Brühlberg-Schlosshof 102,75 ha, zum grössten Teil innerhalb des Gemeindebannes Wülflingen;
4) Keimberg 142 ha, im Gebiete der Gemeinden Turbenthal und Wila, erst in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts erworben und in den letzten Jahren durch bedeutende Ankäufe zweckmässig arrondiert;
Winterthur

* 2
Seite 46.686.5) Gulli- und Ritzenmoos im Eschenberg, aber nicht dem allgemeinen Wirtschaftsplan unterstellt und daher jederzeit schlagfähig behufs anderer Verwendung des Bodens. Ein kleinerer Waldkomplex findet sich oberhalb der Stadtreben in Neftenbach. Der Eschenberg wurde im Jahr 1264 der Stadt von Rudolf von Habsburg geschenkt, allerdings nicht im jetzigen Umfang. Gut angelegte und unterhaltene Strassen und Fusswege durchkreuzen diesen prächtigen Wald und verleihen ihm den Charakter eines Parkes. Er ist zum grössten Teil Nadelwald. Vorherrschend sind Rottannen und Weisstannen. Auch von Föhren sind grössere Bestände, sowie ¶
mehr

zahlreiche zerstreute Exemplare vorhanden. In reinen und gemischten Beständen kommen auch die Buche und Erle vor, während Eiche, Esche, Ahorn, Lärche, Weyhmutsföhre etc. und verschiedene fremde Koniferen in vereinzelten Exemplaren auftreten. An einzelnen Stellen des südl. Teils wuchert die Eibe fast unkrautartig. Auch im Schlosshofrevier kommt dieser seltene Baum ausserordentlich häufig vor. Die Spuren einer systematischen und rationellen Bewirtschaftung gehen bis ins 18. Jahrhundert zurück.
Der Hochwaldbetrieb besteht seit Jahrhunderten und ist auch für die Zukunft in Aussicht genommen. In der neuesten Zeit ist
der einfache Kahlschlagbetriebe ersetzt worden durch den Femelbetrieb mit allmäligen Abtrieb und natürlicher Verjüngung.
Die durchschnittliche Umtriebszeit beläuft sich auf 100 Jahre. Der Eschenberg gilt in den Kreisen der
Fachleute als ein musterhaft betriebener Forst. Innerhalb des Waldes liegen zwei vielbesuchte Pachthöfe mit Wirtschaft, Eschenberg
und Bruderhaus. Bei letzterem befindet sich der vom Verkehrsverein unterhaltene Wildpark mit einem Bestand von etwa 25 Hirschen
und Rehen. Die Leitung des gesamten Betriebes besorgt ein Forstmeister, dem 1-2 Adjunkten und 6 ständige
Förster beigegeben sind. Im Jahr 1908 betrugen die Einnahmen aus dem Waldbetrieb Fr. 265153, die Ausgaben Fr. 112
095.
Die schöne Qualität des Holzes kommt in den sehr hohen Preisen zur Veranschaulichung.
Bevölkerung.
Nach der eidg. Volkszählung von 1900 zählte die Stadt 22335 Einwohner, wovon männlich 11030, weiblich 11305; Reformierte 17562 (78,60%), Katholiken 4578 (20,50%), Israeliten 100 (0,44%), andre Konfessionen 95; Bürger 6502 (29,11%), Bürger andrer Gemeinden des Kantons 5593 (25,04%), übrige Schweizerbürger 6580 (29,45%), total Schweizer 18675 (83,61%), Ausländer 3660 (16,39%). Die Zunahme der Bevölkerung illustrieren folgende Zahlen: Einwohnerzahl 1798: 2528, 1836: 4612, 1850: 6523, 1870: 9404, 1880: 13595, 1888: 15911, 1908 (nach Angabe des städtischen Kontrollbureau): 25700. Die Zunahme der Bevölkerung ist beinahe ausschliesslich auf die gewerbliche und industrielle Entwicklung, also auf Einwanderung zurückzuführen.
Indessen illustrieren obige Zahlen nicht etwa den ganzen wirtschaftlichen Aufschwung, denn ein grosser Teil der Industriearbeiter bewohnt die Nachbargemeinden und weitere Gebiete des Bezirks, so dass auch diese Gemeinden ein ähnliches Anwachsen aufweisen. Es ist somit der Einfluss der Entwicklung unserer Industrien ein stärkerer, als er aus den die Stadt Winterthur betreffenden Bevölkerungsziffern herausschaut. Wie überall ist auch hier in letzter Zeit eine starke Einwanderung italienischer Bevölkerung (männlich und weiblich) zu verzeichnen. In der Physiognomie der Bevölkerung kommen selbstverständlich auch die eigenartigen Verhältnisse der Stadt zum Ausdruck.
Die Industrie, speziell die Maschinenbranche setzt bei ihrer Arbeiterschaft ein gewisses Mass von Intelligenz und eine ordentliche Schulbildung voraus. Die Etablissements verfügen ferner über eine grosse Zahl von Arbeitenden mit höhern Chargen und über einen ansehnlichen Stab von Ingenieuren und technisch geschulten Leuten. Zahlreich sind die Vertreter des Handelstandes. Die Zahl derer, die auf fernen Handelsplätzen ihre praktischen Kenntnisse erworben oder erweitert haben, ist sehr bedeutend.
Dementsprechend sind auf allen bedeutenden Handelsplätzen der Erde Winterthurer Kaufleute zu treffen. Verhältnismässig stark ist der Lehrstand vertreten. Wohl bemerkbar machen sich die Schüler der höhern Lehranstalten, speziell des Technikums mit ihren verhältnismässig zahlreichen fremden Elementen. Der Fremdenverkehr beschränkt sich beinahe ausschliesslich auf die Geschäftsreisenden. Tagsüber herrscht gewöhnlich im Innern der Stadt nicht ein sehr lebhafter Verkehr. Zu gewissen Stunden jedoch, wenn die Pforten der Werkstätten, der Fabriken und Schulen sich öffnen, flutet ein Strom von Menschen durch die Strassen. Es gewährt alsdann speziell die Zürcherstrasse, an welcher die grossen Maschinenfabriken liegen, einen eigenartigen Anblick.
Bei der Zusammensetzung der Einwohnerschaft aus Elementen verschiedenster Herkunft kann von einem einheitlichen Typus nicht gesprochen werden. Man hört hier alle Sprachen, alle schweizerischen und deutschen Idiome. Immerhin hat der ursprüngliche Winterthurer Dialekt, eine interessante Uebergangsform vom reinen Zürcher Dialekt zu demjenigen des Thurgaus und des an Schaffhausen angrenzenden Weinlandes, seine Herrschaft behauptet. Dieser Uebergangscharakter des Dialektes entspricht den topographischen Verhältnissen. Einen einheitlichen Zug hat die Bevölkerung insoweit, als während der Tageszeit alles der Arbeit obliegt, vom einfachen Arbeiter bis hinauf zum Chef einer Welthandelsfirma oder eines industriellen Weltgeschäftes. So besitzt die der Stadt verliehene Bezeichnung «Stadt der Arbeit» auch heute noch ihre volle Giltigkeit.
Oeffentliches Gesundheitswesen.
Die sanitarischen Verhältnisse der Stadt sind sehr günstige. Die Mortalitätsziffer betrug 1905: 11,5; 1906: 11; 1907: 11,2‰ und ist die niedrigste in der Reihe der 20 grössern Schweizerstädte. Infektiöse Epidemien erreichen nie einen erheblichen Umfang. Typhöse Epidemien kommen nicht vor. Zu diesen günstigen Verhältnissen mögen folgende Faktoren beitragen: Reinheit und sonstige gute Beschaffenheit des Untergrundes;
die konstante Höhe und regelmässige Erneuerung des Grundwasserstromes;
die reichliche, sozusagen ideale Wasserversorgung;
die jetzt überall durchgeführte Kanalisation;
regelmässige Strassenreinigung und Bespritzung;
Abfuhr des Kehrichts durch die Stadt;
geruchlose Beseitigung der Fäkalstoffe durch Dampfpumpen;
die im ganzen guten Wohnungsverhältnisse;
der Reinlichkeitssinn der einheimischen Bevölkerung und deren gute oder wenigstens im Vergleich zu andern Orten befriedigende Lebenshaltung;
die bei der ärmern Bevölkerung in hohem Masse eingreifende gemeinnützige Tätigkeit;
die strenge Kontrolle der Schlächtereien, der Verkaufslokale, der Lebensmittel durch die Sanitätsbehörden (Polizei und Gesundheitskommission);
die meist offene Bebauung und endlich wohl auch die prächtigen Waldungen ringsherum.
Die beiden Quellen der Wasserversorgung liegen unterhalb Zell
im obern Tössthal, rund 12 km von der Stadt entfernt. Sie liefern zusammen bei mittlerem Niederwasserstande 12000 Minutenliter.
Das Wasser hat einen mittlern Kalkgehalt von 275 mgr und eine mittlere Bakterienzahl von 3 per Liter. Die Temperatur schwankt
zwischen 8 und 10° C. Von jeder der beiden Hauptquellen (Buchenrain und Hornsäge) führen Hauptleitungen
nach den Reservoirs bei Seen und im Eschenberg. Von hier an beginnen die Hochdruckleitungen, deren Gesamtlänge 61000 m beträgt.
Der Quellenerguss gestattet einen täglichen Wasserkonsum von 500 Liter per Kopf. Die Baukosten für die Wasserversorgungsanlage
betrugen Fr. 2850
000. Der Hauptsammelkanal der
¶