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Ew. Kirchgemeinde Beinwil.
Viehzucht, Ackerbau, Milchwirtschaft, Mühle.
Alemannisches Grab. 1189: Winteswile.
Ew. Kirchgemeinde Beinwil.
Viehzucht, Ackerbau, Milchwirtschaft, Mühle.
Alemannisches Grab. 1189: Winteswile.
(Kt. Bern, Amtsbez. Aarberg, Gem. Schüpfen).
681 m. Gemeindeabteilung und Bauernhäuser rechts der alten Strasse von Bern nach Aarberg, zwischen Meikirch und Frienisberg;
1,5 km sö. dieses letzteren Ortes.
Telephon. 6 Häuser, 27 reform. Ew. Kirchgemeinde Schüpfen.
Viehzucht. 1131: Winterwilare, 1269: Winterswile.
(Kt. Graubünden, Bez. Ober Landquart).
2763 m. Gletscherpass das Vernelathälchen mit dem Verstanklathälchen verbindend. Er ist im oberen Teil des Gross Winterthäligletschers gelegen, zwischen dem Bürgenkopf (2920 m) im O. und dem Vorberg des Rothhorn im W. Von der Vereinahütte bis zur Sardascaalp zählt man über diesen Pass 4½ Stunden.
Die Felsen oberhalb des Passes bestehen aus Hornblendeschiefern.
(Gross und Klein) (Kt. Graubünden, Bez. Ober Landquart).
2700 bis 2400 m. Zwei kleine Gletscher, welche auf dem N.-Hang des Kammes liegen, der vom Rothhorn (2827 und 2813 m) über den Bürgenkopf (2920 m) zu den Verstanklaköpfen (3065 m) führt.
Der grössere Gletscher hat eine Länge von 1,4 km und eine maximale Breite von 450 m, der kleinere ist 500 m lang und 400 m breit.
Beide gehen in das Verstanklathälchen.
(Kt. Bern, Amtsbez. Frutigen, Gem. Adelboden).
1540 m. Weiler auf dem N.-Rücken des Fizer, mit ausgedehnter Aussicht.
Von Adelboden durch die Schlucht des Allenbaches getrennt. 6 Häuser, 30 reform. Ew. Kirchgemeinde Adelboden.
Viehzucht, Alpwirtschaft.
Bezirk des Kantons Zürich; bildet mit dem Bezirk Andelfingen zusammen das Zürcher «Weinland». Er grenzt im O. an den Kanton Thurgau, im S. an die Bezirke Pfäffikon und Bülach, im W. an Bülach und im N. an den Bezirk Andelfingen. Der Flächeninhalt beträgt 25200 ha. Der Bezirk zählt 27 Gemeinden: Altikon, Bertschikon, Brütten, Dägerlen, Dättlikon, Dinhard, Elgg, Ellikon, Elsau, Hagenbuch, Hettlingen, Hofstetten, Neftenbach, Oberwinterthur, Pfungen, Rickenbach, Schlatt, Schottikon, Seen, Seuzach, Töss, Turbenthal, Veltheim, Wiesendangen, Winterthur, Wülflingen und Zell. Diese 27 politischen Gemeinden bilden 24 Kirchgemeinden, indem Bertschikon, Hagenbuch, Hofstetten und Schottikon zur Kirchgemeinde Elgg gehören, während umgekehrt die politische Gemeinde Turbenthal in die zwei Kirchgemeinden Turbenthal und Sitzberg zerfällt. Bezirkshauptort ist Winterthur.
Die Bodenform ist in der Hauptsache bedingt durch die beiden Bergreihen, die durch das Tössthal getrennt werden. Rechts, d. h. nördl. der Töss liegen der Schauenberg (893 m), Eschenberg (595 m), Lindberg, Wolfensberg, Taggenberg und Irchel (696 m); links, d. h. südl. der Töss die Brüttener Höhe (642 m) und der Blauen (613 m). Nach N. lehnen sich niedere Hügel an, zwischen denen breite Flächen in der Höhe von 400-450 m Höhe liegen. Auch die beiden Hauptthäler zeigen ähnliche Höhe: die Töss fällt von 552 m bei Turbenthal auf 380 m bei Dättlikon und die Eulach von 582 m bei Waltenstein auf 428 m bei Wülflingen.
Die beiden Thäler zeigen aber verschiedenen Charakter: das Tössthal ist auf seiner ganzen Länge ein enges Erosionsthal;
das Eulachthal dagegen zeigt im Verhältnis zur Grösse des Flüsschens breite Aufschüttungsflächen.
Die Grundlage des Bodens bilden überall die wagrechten Schichten der oberen Süsswassermolasse (Sandsteine und Mergel); darüber lagern unregelmässig die Glazialgebilde als Moränen und fluvioglaziale Kiese. Diese fehlen aber im Tössthal; zudem ist ein Teil desselben (Sennhof-Wülflingen) ganz jung (postglazial), indem die Moränen des Rhein- bezw. Thurgletschers die Töss von ihrem alten Thalstück Sennhof-Winterthur-Wülflingen ablenkten. Daher der Gegensatz zwischen dem engen Tössthal und dem breiten, aufgefüllten Eulachthal.
Der Bezirk hat 12630 Haushaltungen in 7027 Häusern; zusammen 57269 Ew., wovon 43463 Reformierte, 8576 Katholiken und 120 Israeliten; 55543 Ew. sprechen Deutsch, 368 Französisch, 1152 Italienisch und 61 Romanisch. Auf 1 km2 Fläche kommen 227 Ew. Seit 1888 beträgt die Zunahme der Bevölkerung 20,8%, d. h. weniger als im ganzen Kanton mit 27,8%. Die Landwirtschaft ist immer noch von grosser Bedeutung, namentlich Wein- und Getreidebau. Das zeigen folgende Zahlen:
ha | ||
---|---|---|
Reben | 795.4 | |
Æcker | 5671.0 | |
Wiesen | 9262.2 | |
Ried | 517.8 | |
Wald | 7986.0 | |
Produktiv: | 24232.4 | = 96,2% |
unproduktiv | 967.6 | = 3,8% |
Total: | 25200 | = 100% |
Die Bedeutung der Viehzucht ergibt sich aus den Viehzählungen:
1896 | 1901 | 1906 | |
---|---|---|---|
Rindvieh | 13622 | 12869 | 14874 |
Pferde | 1073 | 1205 | 1318 |
Schweine | 3467 | 3578 | 3157 |
Schafe | 270 | 283 | 106 |
Ziegen | 3099 | 3066 | 2973 |
Bienenstöcke | 3005 | 2905 | - |
Am wichtigsten aber ist die vielseitige Industrie, deren Anfänge sich an die Wasserkräfte der Töss und Eulach knüpfen. Von Turbenthal bis Sennhof und von Töss bis Pfungen treibt die Töss eine ununterbrochene Reihe von Fabriken. Baumwollindustrie und Maschinenbau dominieren, besonders in Winterthur selbst. Dieses bildet auch den Knotenpunkt der Verkehrslinien, von denen die einen den Thalrichtungen folgen (Winterthur-Bülach-Waldshut, Winterthur-Bauma-Wald, Winterthur-St. Gallen und Winterthur-Romanshorn), während die andern quer dazu verlaufen (Winterthur-Schaffhausen, Winterthur-Singen und Winterthur-Zürich).
(Kt. Zürich). 447 m. Stadt und Hauptort des gleichnamigen Bezirkes. 27 km nö. Zürich 47° 30' 44" nördl. Br. und 8° 44' 59" östl. L. von Greenw.
Winterthur, die zweite Stadt des Kantons Zürich gewährt von erhöhtem Standpunkt aus den Anblick eines in anmutiger Thalebene gebetteten, von seinem ursprünglichen Kern nach allen Richtungen kräftig ausgreifenden Ortes. Der von W. nach O. sich ziehende ebene Thalboden ist im N. ziemlich gradlinig begrenzt durch den Lindberg und den Wolfenberg.
Im S. erhebt sich, als Fortsetzung der Kiburger Höhe, aber von dieser durch das enge Tössthal abgeschnitten, der breite Rücken des bewaldeten Eschenberges, der noch einen nasenförmigen Ausläufer mit Hochwacht und Heiligenberg nordwärts aussendet und so die Ebene stark einschnürt. In dieser Thalenge, die etwa 1,2 km Breite hat, liegt der alte Stadtkern in Form eines länglichen Trapezes mit Richtung W.-O., einer Länge von 700 m und einer Breite von 300 m. Von dieser Einschnürung an verbreitet sich die Ebene rasch nach O. und nach W. Die westl. Erweiterung wird jedoch durch den isoliert dastehenden breiten Brühlberg in zwei Arme gegabelt, deren einer westwärts zieht und unterhalb Wülflingen in die Tössebene übergeht, während der andre sich südwestl. gegen Töss hinwendet.
Die umgebenden Hügel erreichen eine Höhe von 100-150 m über der Thalsohle, die selbst in rund 440 m Höhe liegt. Ihren Untergrund bildet eine Kiesbank von 20 m Mächtigkeit, die hie und da von Sandschichten durchzogen ist. Früher nur als Strassenbaumaterial verwendet, wird dieser Kies jetzt an zugänglichen Stellen als vorzügliches Baumaterial ausgebeutet. Ein tiefliegender starker Grundwasserstrom von ziemlich konstantem Niveau bewegt sich mit einer Schnelligkeit von 2 m per Minute thalabwärts.
Von O. her kommt, am Buchenrain bei Waltenstein-Schlatt entspringend, ein bescheidenes Flüsschen, die Eulach. Ihre Hauptquelle ist einst bei Waltenstein durch das Heidenthal nach der Töss zu abgeflossen, aber vermutlich schon von den Römern nach der N.-Seite abgelenkt und für so die Stadt gewonnen worden. Das Flüsschen zeichnet sich aus durch eine konstant bleibende und selbst bei grösster Trockenheit nie versiegende Wassermenge und wird industriell stark ausgenutzt, aber auch verunreinigt. Es trieb in früherer Zeit auf Stadtgebiet sechs Mühlen. Im Zusammenhang mit der erwähnten künstlichen Ablenkung stand jedenfalls die Tatsache, dass Winterthur seit unbekannten Zeiten das Hoheitsrecht über die Eulach von deren Quelle bei Waltenstein bis zur unteren Stadtgrenze besass. Dieses Hoheitsrecht ist 1892 durch Vertrag an den Staat abgetreten worden. Von Seen her erhält die Eulach als Zufluss den Mattenbach. Die Töss berührt das Stadtgebiet bloss am S.-Abhang des Eschenbergs, wo sie die Gemeindegrenze bildet.
Der geographischen Lage entsprechend treffen in Winterthur die Hauptstrassen von Zürich, Bülach, Schaffhausen, Frauenfeld-Bodensee (die ehemalige Römerstrasse), St. Gallen und vom Tössthal her zusammen. Letztere Strasse verlässt bei Sennhof den Flusslauf und übersteigt in der Richtung auf Winterthur die Moräne bei Seen. Winterthur war von jeher ein natürlicher Knotenpunkt bedeutender Verkehrswege und ist es auch im Zeitalter der Eisenbahnen geblieben.
Das Landschaftsbild von irgend einem der vielen Aussichtspunkte aus ist ein sehr anmutiges. Die auffallend reich bewaldeten oder an der S.-Flanke mit Weinreben bestandenen zahlreichen Hügel geben in Verbindung mit der eigenartigen Gliederung der Thalebene dem Bilde ein wechselvolles Relief. Am Stadtbild selbst, in welchem wir deutlich den alten Kern und die äussern Quartiere unterscheiden, überrascht den Fremden das in üppiger Fülle zwischen den Gebäuden emporquellende Grün der Gärten. In das Landschaftsbild hinein drängen sich etwas pretentiös als Wahrzeichen der Industriestadt, aber ohne Schaden für den Gesamteindruck, die zahlreichen Hochkamine der industriellen Etablissemente.
Das Gemeindegebiet hat einen Flächeninhalt von 1556 ha, das Bebauungsgebiet einen solchen von 593 ha. Die Stadt verfügt über einen Grundbesitz von 1325 ha; davon sind Waldungen 1176, Wiesen und Feld 107,67, Reben 4,51, Pünten (Gemüseland) 24,17, unproduktives Land und Gebäudegrundflächen 11,33 ha. Von diesem Grundbesitz liegen 225 ha Wald und Reben in den Gemeinden Oberwinterthur, Wiesendangen, Wülflingen, Neftenbach, Zell und Turbenthal. Im Gemeindegebiet befinden sich 3230 Gebäude, wovon 762 im Rayon der Altstadt. Der Stadt gehören 110 Gebäude, wovon 23 nicht realisierbare (Stadthaus, Schulhäuser, Turnhallen, Friedhofkapelle etc.) mit einem Flächeninhalt von 60 ha und einem Gesamtwert von Fr. 3245700. Die realisierbaren Liegenschaften stehen im Inventar mit Fr. 4019000.
Scharf von einander heben sich ab der alte, zusammengebaute
Plan von Winterthur
Lief. 273.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 6° 25’ O; 47° 30’ N; 1:12000]
1 Stadthaus
2 Gerichtsgebäude
3 Kirche
4 Gemäldemuseum
5 Museum u. Bibliothek
6 Theater-Casino
7 Kantonal Bank
8 Technikum
9 Chemieschule
10 Metallarbeiter Schule
Mce. Borel & Cie.
Attinger sc
PLAN VON WINTERTHUR
Stadtkern und die mit Ausnahme der Wartstrasse durchwegs offen gebauten neuen Quartiere. Die Grenze zwischen beiden Gebieten bildet eine die ganze Altstadt umfassende Ringstrasse, zusammengesetzt aus Bahnhofplatz-Museumstrasse-Platanenstrasse-Kasernenstrasse und Eulachstrasse. Die Altstadt hat die Form eines länglichen Trapezes mit Richtung von O. nach W. Seine Länge beträgt 720 m, die grösste Breite 300 m, die geringste 50 m. Die Altstadt schneiden in der Richtung S.-N. zwei breite Strassen, Graben und Kasinostrasse-Neumarkt, in drei Teile.
Der annähernd quadratische mittlere Teil stellt die ursprüngliche Stadt vor, die einst ohne Zweifel in diesem Umfang mit Mauern umgeben war. Etwa in der Mitte des 14. Jahrhunderts wurden im O. die «Neustadt», im W. das Untertorquartier angebaut und die Stadtmauern entsprechend erweitert. Durch die Stadt führt, als Fortsetzung der Zürcherstrasse und beim Obertor in die Römerstrasse übergehend, das von Häuserreihen eingeschlossene Stück einer uralten Verkehrsstrasse (Zürich-Bodensee), die Marktgasse, jetzt noch die Hauptverkehrsader der Stadt.
Sie bietet architektonisch nicht viel bemerkenswertes. Als einzige Ueberreste der alten Zeit und älterer Bauart sind zu erwähnen die gotische Fassade der Kunsthalle und die Fassade des alten Rathauses (jetzt Gerichtshaus) im Spätrenaissancestil. Parallel zur Marktgasse erstreckt sich südl. der Stadtkirche die Hintergasse (jetzt in Steinberggasse umgetauft) von beträchtlicher Breite, aber mangels richtiger Zufahrten nicht oder wenig vom allgemeinen Verkehr berührt.
Wir bemerken hier das Pfarrhaus und das Geburtshaus von Jonas Furrer. Der inmitten des Häuserblocks befindliche Kirchplatz kann nur mittels schmaler Zugänge erreicht werden. Hier steht die 1501-15 erbaute Stadtkirche, vor der Reformation dem h. Laurentius geweiht. In den Formen sehr einfach gehalten, ist sie immerhin ein imponierender gotischer Bau. Im Innern sind sehenswert eine Transfiguration von Raphael (Kopie von Weckesser), die dekorativen Malereien von Wildermuth und die prächtigen Glasmalereien.
Die Orgel stammte in ihrer ursprünglichen Gestalt aus dem Kloster Salmannsweiler (Grossherzogt. Baden) und ist einige Male umgebaut worden. Sie zählt 52 Register und ist die erste, welche nach der Reformation in ein zürcherisches Gotteshaus Einzug hielt. Die beiden Türme erhielten ihre Höhe von 65 m und ihre jetzige Gestalt 1659, bezw. 1794. Ihre eigentümlichen Formen machen sie zu einem recht charakteristischen Wahrzeichen der Stadt. Der südliche kann seine Herkunft aus der Zopfzeit nicht verleugnen.
Das sehr harmonische Geläute stammt aus 1869. Die bemerkenswertesten Bauten liegen an der Ringstrasse, deren schönstes Stück, die schönste Strasse der Stadt überhaupt, die Museumstrasse ist. Wir finden da die Gebäude der Kantonalbankfiliale (früher eidg. Postgebäude), der schweizer. Volksbank, der Bank in Winterthur und der Hypothekarbank. Das der Stadt gehörende Kasino mit Theater- und Konzertsaal etc. wirkt durch seine einfachen Formen. Etwas weiter oben stehen zwei grosse Schulgebäude: das Museum, zugleich Gymnasium und Industrieschule, und ein Primarschulhaus.
Auf dem Vorbau des 1842 erstellten Museums stehen vier Sandsteinfiguren: Ulrich Zwingli, Konrad Gessner, Heinr. Pestalozzi und J. G. Sulzer. Hinter diesem Gebäude befinden sich die prächtigen Anlagen des Stadtgartens. Gleich oberhalb auf freiem Platze an drei Strassen steht das Stadthaus. Es wurde 1865-69 nach dem Plan von Gottfried Semper erbaut und gilt als eine der besten Arbeiten des berühmten Meisters. Grossartig dominiert der besonders vornehm wirkende Mittelbau mit der viersäuligen Vorhalle korinthischer Ordnung, dem Giebel und seinen Aufsätzen, dem Standbild der Pallas Athene und der vorgelagerten doppelarmigen Freitreppe.
Die Gesamterscheinung ist vornehm wie selten bei einem öffentlichen Gebäude. Das Stadthaus enthält im Mittelbau den Gemeindesaal in Form einer Basilika. In den Seitenflügeln ist die Stadtverwaltung untergebracht. Die Fontäne vor dem Stadthaus wird bei festlichen Anlässen mit Volldruck springen gelassen und steigt dann bis über den Giebel des Mittelbaues empor. An der Platanenstrasse steht das Primarschulhaus Geiselweid. An der Kasernenstrasse gewahren wir zunächst die alte Kaserne, beachtenswert als Fachwerk- oder Riegelbau. Unweit davon die Gebäude des kantonalen Technikums. Das ältere Hauptgebäude tritt nunmehr etwas zurück vor dem 1907/08 erstellten
Neubau. Beide Hauptgebäude stehen durch eine Gallerie auf drei hohen Rundbogen miteinander in Verbindung. Zum Technikum gehören noch das Chemiegebäude und das Gewerbemuseum. Auf dem nahen Heiligenberg wird sich nächstens (etwa 1910) ein imponierendes Sekundarschulhaus erheben. Der Bahnhof ist 1894/95 auf seine jetzige Grösse erweitert worden. Das Gebäude weist ausser den beiden Kuppeltürmen keine Besonderheiten auf. Ein architektonisch hervorragender Bau ist dagegen das eidg.
Postgebäude am Bahnhofplatz, im Stil der französischen Renaissance. Ganz in der Nähe der Post macht sich das Verwaltungsgebäude der Weltfirma Gebr. Volkart durch edle gotische Formen bemerklich. Schon seit mehreren Jahrzehnten wurde der Niveau-Bahnübergang der Zürcherstrasse als ein schweres Verkehrshindernis empfunden. Nach langwierigen Verhandlungen ist endlich ein Vertrag zwischen der Stadt und den Bundesbahnen zustande gekommen, gemäss welchem die Bahn die Unterführung der Zürcherstrasse, die Korrektion der hier einmündenden Strassen und die notwendige Verlegung und Einwölbung der Eulach ausführt.
Die Bauten sind auf 1100000 Fr. veranschlagt. Die Stadt hat daran rund 300000 Fr. zu leisten. Mit den Arbeiten soll noch im Jahr 1909 begonnen werden. Schon 1888 wurden die Schaffhauser- und Wülflingerstrasse unterführt. Die der Altstadt angegliederten verhältnismässig noch jungen Quartiere wachsen in der neuesten Zeit auch an die Abhänge empor. Vereinzelte Häuser oder Häusergruppen ausserhalb der alten Stadt gab es schon längst; aber die systematische Anlage von Quartieren begann erst mit dem Aufschwung der Industrie in den 1860er Jahren.
Von der Altstadt gehen radial 12 Strassenzüge aus: 4 nach O., 3 nach N. (die sich im Rosenberg zur Schaffhauserstrasse vereinigen), 2 nach W. und 3 nach S. Diese letztern führen nach dem Eschenberg und haben nur lokalen Charakter. Zu erwähnen ist ferner ein vom Neuwiesenquartier nach Wülflingen führender, stark begangener Fussweg von Fahrwegbreite. Hauptverkehrswege sind: Zürcherstrasse, Wülflingerstrasse, Schaffhauserstrasse, Römerstrasse (nach Frauenfeld), St. Gallerstrasse, Tössthalstrasse.
Ihnen folgen auch 6 der von Winterthur ausgehenden Eisenbahnlinien. Die O.-Quartiere sind: Aeussere Tössthalstrasse, Deutweg, Pflanzschule, Römerstrasse, Friedhofquartier. Einen vornehmen Charakter zeigt hier namentlich die Römerstrasse mit zahlreichen Villen. Am Fuss des Lindbergs liegt der Friedhof mit der eleganten gotischen Friedhofkapelle und zahlreichen Grabdenkmälern. Unter diesen ist bemerkenswert ein Obelisk von rotem Sandstein, der die Namen der hier begrabenen französischen Internierten von 1871 trägt.
Gemäss Gemeindebeschluss wird nun der Friedhof westlich nach dem «Rosenberg», einer Einsattelung zwischen Lindberg und Wolfensberg verlegt. Ein Krematorium ebendaselbst wird im Jahr 1910 in Betrieb gesetzt. Besonderer Erwähnung wert sind die Anlagen im Walkeweier, einem in den westl. Lindberg eingeschnittenen Waldthälchen, ein liebliches Idyll mit mehreren Weiern, mit Steingruppen, Wasserfällen, zierlichen Brücken und schattigen Spazierwegen. Vier parallel laufende Eisenbahnstränge trennen das ansehnliche Lindquartier in das innere und das äussere Lind. Die Häuser liegen hier vornehmlich im Grün der Bäume und Gärten gebettet. Im Lindquartier sind beachtenswert das Verwaltungsgebäude der «schweizer. Unfallversicherungsgesellschaft Winterthur», die Haushaltungsschule des Frauenbund, der Kantonsspital (früher städtisches Krankenhaus, erbaut 1874-76), die ausgedehnten Gebäulichkeiten der Brauerei Haldengut, das neue Privatkrankenhaus.
Gegen W. folgt das Quartier an der Schaffhauserstrasse. Hier macht sich das imposante Verwaltungs- und Lagergebäude des Verbandes ostschweizerischer landwirtschaftlicher Genossenschaften recht bemerkbar. Unweit davon, an Stelle der ehemaligen Kapelle St. Georgen (im Jahr 1884 abgetragen), erhebt sich das Knaben-Sekundarschulhaus. In dessen Nähe steht an der Schaffhauserstrasse das Jonas Furrer-Denkmal, eine Bronzebüste auf rötlichem Syenitpostament. Im Stadtgebiet begegnet man sonst keinen weitern persönlichen Denkmälern. Dagegen erinnert uns ein Findling mit Bronzetafel auf dem Reservoir im Eschenberg an den Begründer und Erbauer der Wasserversorgung, Ingenieur Weinmann, und in der Nähe des Bruderhaus ein ähnliches Denkmal an den verdienten Oberförster Weinmann.
Zwischen Wülflinger- und Zürcherstrasse liegt das durch den Bahnhof von der Stadt abgeschnittene Neuwiesenquartier. Vom Bahnhof abwärts führt die einzige geschlossen gebaute Gasse ausser der alten Stadt, die Wartstrasse. Zentrum des Quartiers ist die 1865-68 erbaute katholische Kirche zu St. Peter und Paul in gotischem Stil. In den Jahren 1886-1891 erfuhr die Kirche im Innern eine weitgehende Bereicherung und Verschönerung. Das Quartier grenzt im W. an die als Schiessplatz, sowie als Exerzier- und Festplatz dienende Schützenwiese.
Das Neuwiesenquartier wird meistens von Leuten des Mittelstandes, zum Teil auch von Arbeitern bewohnt. Als ausgesprochenes Industrie- und Arbeiterquartier präsentiert sich das Tössfeld- und Schönthalquartier, begrenzt einerseits von der sehr breiten Zürcherstrasse und vom Brühlberg, anderseits vom Vogelsang, d. h. dem entwaldeten westl. Abhang des Eschenbergs. Auch dieses Quartier wird durch den Güterbahnhof und durch die Eisenbahnlinie nach Zürich durchschnitten, bezw. eingeengt. Es geht ohne sichtbare Grenze in das Dorf Töss über.
Zunächst dem Bahnhof befinden sich die Werkstätten von Gebr. Sulzer, denen sich diejenigen der Lokomotivfabrik unmittelbar anschliessen. Die Areale der beiden Etablissemente nehmen mindestens soviel Flächenraum ein als die alte Stadt. Der südwestl. Teil des Quartiers hat neben ältern kleinen Arbeiterhäuschen ganz ansehnliche Wohnhäuser. Im Mittelpunkt steht das Quartierschulhaus mit Turnhalle, daneben die öffentliche städtische Badanstalt mit Lesesaal. Am Brühlberg erhebt sich eine Gruppe von Wohnhäusern neuern Stils, die ebenfalls lebhaft im Kontrast stehen zu der nüchtern Bauweise der Mietkasernen.
Auch die als Vorsprung des Eschenbergs erscheinende sog. Breite ist sporadisch mit Villen und Wohnhäusern besetzt, unter letztern einige von der Stadt erstellte Arbeiterhäuser. Diese Wohnungspolitik der Stadt ist als Versuch zu betrachten. Das nach S. sich ausdehnende Quartier Wildbach-Langgasse hat sich in letzter Zeit ebenfalls bedeutend entwickelt. Hier finden sich die Militärstallungen mit Unterkunftsräumen für Truppen, die Metallarbeiterschule, das eidg. Zeughaus für die 11. Brigade, die städtische Desinfektionsanstalt. Den nur wenig benutzten Viehmarkt überschatten üppige Kastanien- und Ahornbäume.
Ueber die meteorologischen Verhältnisse liegen die Ergebnisse zuverlässiger Beobachtungen von Prof. Fr. Krebs seit 1864 vor. Die von ihm berechneten Mittelwerte beziehen sich auf die Station an der Trollstrasse und auf die Beobachtungsperiode 1864-1898: Mittlerer Barometerstand: 723,6 mm. Mittlere Extreme 711,9 und 732,1, Schwankung 2,02 mm. Absolute Extreme 697,2 und 745,6 Schwankung 48,3 mm. Das Maximum des Barometerstandes fällt in den Januar (724,9), ein zweites in den September (724,9), das Minimum in den April (721,1). - Die mittlere Jahrestemperatur beträgt in Celsiusgraden für Morgens 7 Uhr: 6,4°;
Mittags 1 Uhr: 11,6°;
Abends 9 Uhr: 7,4°;
im Durchschnitt 8,2°. Mittlere Temperatur der Monate: Januar -2,0°;
Februar 0,1°;
März 3,5°;
April 8,4°;
Mai 12,6°;
Juni 16,2°;
Juli 18,1°;
August 16,9°;
September 13,6°;
Oktober 8,0°;
November 3,6°;
Dezember -0,6°. Absolutes Temperaturminimum: -27,4°
Schwankung 61,4°. - Die relative Luftfeuchtigkeit beträgt im Mittel: Morgens 7 Uhr 84% (Minimum 79, Maximum 89);
Mittags 1 Uhr 66 (Minimum 56 im April, Maximum 77 im November und Dezember);
Abends 9 Uhr 83% (Minimum 78 im April; Maximum 88 im September und Oktober).
Jahresmittel 83%, Jahresminimum 71 (April, Maximum 84 November). Der Feuchtigkeitszustand ist bedeuenden und oft ziemlich plötzlichen Schwankungen unterworfen. Bewölkung (in Mittel): Januar 7,4;
Februar 6,5;
März 6,0;
April 5,6;
Mai 5,4;
Juni 5,3;
Juli 4,9 (Minimum);
August 5,0;
September 5,0;
Oktober 6,5;
November 7,5;
Dezember 7,9 (Maximum);
Jahresmittel 6,1. Auf das Jahr fallen 62 helle, 141 trübe und 162 mittelhelle Tage. - Niederschläge.
Mittlere Regenmenge in mm: Januar 39, Februar 52, März 71, April 75, Mai 99, Juni 113, Juli 118, August 125, September 114, Oktober 97, November 60, Dezember 75. Im Jahr: 1038. Durchschnittliche monatliche Regenmenge 1881-1898: 86,5 mm. Mittlere Zahl der Tage mit Niederschlägen: 149 (Minimum mit 9 im Januar und Februar, Maximum mit je 15 im Juni und Juli). Schneefälle an 29 Tagen, Nebel 75, Hagel 9, Gewitter 20 Tage. - Winde. (Stärkegrade 1-6; Beobachtungsperiode 1884-1899). SW.: Häufigkeit 183, Intensität total 183;
NO.: 70 und 104;
W.: 58 und 98;
O.: 44 und 57;
S.: 33 und 42;
SO.: 17 und 18;
N.: 16 und 19;
NW.: 12 und 12. Die regenbringenden S., SW., W. und NW. wehen durchschnittlich 286mal oder 95 Tage mit der Gesamtstärke von 456. Die trockenen oder obern Winde 147mal oder 49 Tage mit einer Gesamtstärke von 198. Windstillen oder Kalmen per Jahr 663mal mit 663 Intensität.
Das ruhigste Wetter ist vom August bis Januar, besonders im Oktober. Grösste Windstärke im März (73), geringste im September und November (43).
Die Gegend um Winterthur ist fruchtbar und gut bebaut. Unbebaute Stellen findet man etwa zwischen den Rebgeländen und dem darüber stehenden Wald. Diese sterilen Streifen drängen sich hie und da, namentlich bei Bergvorsprüngen, halbinselartig von oben ziemlich weit in die Rebgelände hinein. Sie sind indessen nicht kahl, sondern ausser mit magern Föhren, mit schmächtigem Grase, mit Ginster (Genista germanica und G. sagittalis), Polygala chamaebuxus, Bärentraube (Arctostaphylos uva ursii) u. s. w. bewachsen. Hier finden sich auch verschiedene Orchideen, Globularia, Geranium sanguineum, Carlina vulgaris und im Frühjahr die prächtige Anemone pulsatilla, in der Gegend Osterblume geheissen.
Bei der Grösse des städtischen Gebietes verbleibt trotz des ansehnlichen Umfanges des bebauten Geländes ein bedeutendes Areal für den landwirtschaftlichen Betrieb. In der Umgebung der Häuser nehmen die Gärten und Parkanlagen einen auffallend grossen Raum ein. Die sonnigen S.-Abhänge des Lindberges und weiter westl. des Wolfensberges, sowie die des Brühlbergs sind mit Reben bepflanzt, die sich in Privatbesitz befinden. Die Stadt besitzt innerhalb der Gemeindegrenze keine Reben, dagegen in Neftenbach an einer der besten Lagen (2,08 ha), sowie in Wiesendangen, ebenfalls in vorzüglicher Lage (2,43 ha).
Diese Reben werden in Regie durch erfahrene Rebleute bearbeitet, stellen in jeder Beziehung einen Musterbetrieb dar und liefern ein vorzügliches Produkt, das unter dem Namen «Stadtberger» sehr gesucht ist. Die Weinlese erfolgt unter genauer Kontrolle städtischer Organe. Dazu, sowie zu einem daran sich schliessenden ländlichen Mahl erscheinen eine Anzahl Mitglieder des Stadtrates und des Grossen Stadtrates, und es spielt sich dabei ein letztes Stück alten gemütlichen Brauches ab. Wie überall ist auch hier der Ackerbau stark zurückgegangen und sind die Ackerflächen zu ertragreichem Wiesland umgewandelt worden. An Wiesland besitzt die Stadt 107,5 ha. Eine Spezialität Winterthurs sind die Pünten, d. h. kleine Stücke städtischen Landes, zum Zwecke des Gemüsebaus verpachtet.
Solcher Pünten in der Grösse von rund 4 Aren per Stück gibt es gegenwärtig 620 mit einem Gesamtareal von 24,18 ha. Der Pachtzins beträgt durchschnittlich 14 Fr. per Pünt. Sie finden sich in grössern Komplexen hauptsächlich in der Nähe der Arbeiterquartiere. Die Nachfrage ist besonders seit Einführung der freien Samstag-Nachmittage eine starke geworden. Nicht nur rentiert dieses Land bedeutend mehr als das Wiesland, sondern es ist der Püntenbetrieb in volkswirtschaftlicher Beziehung von Bedeutung.
Die Stadt erlöste 1907 aus den Pünten 8643 Fr. Einen schwerwiegenden Faktor im städtischen Haushalt bilden die Waldungen. Sie nehmen ein Gesamtareal von 1175,91 ha ein, inbegriffen 23,79 ha umschlossenes Wiesland und Ried, sowie 6,12 ha unproduktives Land. Das Gesamtareal besteht aus folgenden Komplexen:
1) Eschenberg 745 ha; 2) Lindberg-Mörsburg 164 ha, teilweise im Gebiet der Gemeinde Oberwinterthur liegend;
3) Brühlberg-Schlosshof 102,75 ha, zum grössten Teil innerhalb des Gemeindebannes Wülflingen;
4) Keimberg 142 ha, im Gebiete der Gemeinden Turbenthal und Wila, erst in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts erworben und in den letzten Jahren durch bedeutende Ankäufe zweckmässig arrondiert;
5) Gulli- und Ritzenmoos im Eschenberg, aber nicht dem allgemeinen Wirtschaftsplan unterstellt und daher jederzeit schlagfähig behufs anderer Verwendung des Bodens. Ein kleinerer Waldkomplex findet sich oberhalb der Stadtreben in Neftenbach. Der Eschenberg wurde im Jahr 1264 der Stadt von Rudolf von Habsburg geschenkt, allerdings nicht im jetzigen Umfang. Gut angelegte und unterhaltene Strassen und Fusswege durchkreuzen diesen prächtigen Wald und verleihen ihm den Charakter eines Parkes. Er ist zum grössten Teil Nadelwald. Vorherrschend sind Rottannen und Weisstannen. Auch von Föhren sind grössere Bestände, sowie
zahlreiche zerstreute Exemplare vorhanden. In reinen und gemischten Beständen kommen auch die Buche und Erle vor, während Eiche, Esche, Ahorn, Lärche, Weyhmutsföhre etc. und verschiedene fremde Koniferen in vereinzelten Exemplaren auftreten. An einzelnen Stellen des südl. Teils wuchert die Eibe fast unkrautartig. Auch im Schlosshofrevier kommt dieser seltene Baum ausserordentlich häufig vor. Die Spuren einer systematischen und rationellen Bewirtschaftung gehen bis ins 18. Jahrhundert zurück.
Der Hochwaldbetrieb besteht seit Jahrhunderten und ist auch für die Zukunft in Aussicht genommen. In der neuesten Zeit ist der einfache Kahlschlagbetriebe ersetzt worden durch den Femelbetrieb mit allmäligen Abtrieb und natürlicher Verjüngung. Die durchschnittliche Umtriebszeit beläuft sich auf 100 Jahre. Der Eschenberg gilt in den Kreisen der Fachleute als ein musterhaft betriebener Forst. Innerhalb des Waldes liegen zwei vielbesuchte Pachthöfe mit Wirtschaft, Eschenberg und Bruderhaus. Bei letzterem befindet sich der vom Verkehrsverein unterhaltene Wildpark mit einem Bestand von etwa 25 Hirschen und Rehen. Die Leitung des gesamten Betriebes besorgt ein Forstmeister, dem 1-2 Adjunkten und 6 ständige Förster beigegeben sind. Im Jahr 1908 betrugen die Einnahmen aus dem Waldbetrieb Fr. 265153, die Ausgaben Fr. 112095. Die schöne Qualität des Holzes kommt in den sehr hohen Preisen zur Veranschaulichung.
Nach der eidg. Volkszählung von 1900 zählte die Stadt 22335 Einwohner, wovon männlich 11030, weiblich 11305; Reformierte 17562 (78,60%), Katholiken 4578 (20,50%), Israeliten 100 (0,44%), andre Konfessionen 95; Bürger 6502 (29,11%), Bürger andrer Gemeinden des Kantons 5593 (25,04%), übrige Schweizerbürger 6580 (29,45%), total Schweizer 18675 (83,61%), Ausländer 3660 (16,39%). Die Zunahme der Bevölkerung illustrieren folgende Zahlen: Einwohnerzahl 1798: 2528, 1836: 4612, 1850: 6523, 1870: 9404, 1880: 13595, 1888: 15911, 1908 (nach Angabe des städtischen Kontrollbureau): 25700. Die Zunahme der Bevölkerung ist beinahe ausschliesslich auf die gewerbliche und industrielle Entwicklung, also auf Einwanderung zurückzuführen.
Indessen illustrieren obige Zahlen nicht etwa den ganzen wirtschaftlichen Aufschwung, denn ein grosser Teil der Industriearbeiter bewohnt die Nachbargemeinden und weitere Gebiete des Bezirks, so dass auch diese Gemeinden ein ähnliches Anwachsen aufweisen. Es ist somit der Einfluss der Entwicklung unserer Industrien ein stärkerer, als er aus den die Stadt Winterthur betreffenden Bevölkerungsziffern herausschaut. Wie überall ist auch hier in letzter Zeit eine starke Einwanderung italienischer Bevölkerung (männlich und weiblich) zu verzeichnen. In der Physiognomie der Bevölkerung kommen selbstverständlich auch die eigenartigen Verhältnisse der Stadt zum Ausdruck.
Die Industrie, speziell die Maschinenbranche setzt bei ihrer Arbeiterschaft ein gewisses Mass von Intelligenz und eine ordentliche Schulbildung voraus. Die Etablissements verfügen ferner über eine grosse Zahl von Arbeitenden mit höhern Chargen und über einen ansehnlichen Stab von Ingenieuren und technisch geschulten Leuten. Zahlreich sind die Vertreter des Handelstandes. Die Zahl derer, die auf fernen Handelsplätzen ihre praktischen Kenntnisse erworben oder erweitert haben, ist sehr bedeutend.
Dementsprechend sind auf allen bedeutenden Handelsplätzen der Erde Winterthurer Kaufleute zu treffen. Verhältnismässig stark ist der Lehrstand vertreten. Wohl bemerkbar machen sich die Schüler der höhern Lehranstalten, speziell des Technikums mit ihren verhältnismässig zahlreichen fremden Elementen. Der Fremdenverkehr beschränkt sich beinahe ausschliesslich auf die Geschäftsreisenden. Tagsüber herrscht gewöhnlich im Innern der Stadt nicht ein sehr lebhafter Verkehr. Zu gewissen Stunden jedoch, wenn die Pforten der Werkstätten, der Fabriken und Schulen sich öffnen, flutet ein Strom von Menschen durch die Strassen. Es gewährt alsdann speziell die Zürcherstrasse, an welcher die grossen Maschinenfabriken liegen, einen eigenartigen Anblick.
Bei der Zusammensetzung der Einwohnerschaft aus Elementen verschiedenster Herkunft kann von einem einheitlichen Typus nicht gesprochen werden. Man hört hier alle Sprachen, alle schweizerischen und deutschen Idiome. Immerhin hat der ursprüngliche Winterthurer Dialekt, eine interessante Uebergangsform vom reinen Zürcher Dialekt zu demjenigen des Thurgaus und des an Schaffhausen angrenzenden Weinlandes, seine Herrschaft behauptet. Dieser Uebergangscharakter des Dialektes entspricht den topographischen Verhältnissen. Einen einheitlichen Zug hat die Bevölkerung insoweit, als während der Tageszeit alles der Arbeit obliegt, vom einfachen Arbeiter bis hinauf zum Chef einer Welthandelsfirma oder eines industriellen Weltgeschäftes. So besitzt die der Stadt verliehene Bezeichnung «Stadt der Arbeit» auch heute noch ihre volle Giltigkeit.
Die sanitarischen Verhältnisse der Stadt sind sehr günstige. Die Mortalitätsziffer betrug 1905: 11,5; 1906: 11; 1907: 11,2‰ und ist die niedrigste in der Reihe der 20 grössern Schweizerstädte. Infektiöse Epidemien erreichen nie einen erheblichen Umfang. Typhöse Epidemien kommen nicht vor. Zu diesen günstigen Verhältnissen mögen folgende Faktoren beitragen: Reinheit und sonstige gute Beschaffenheit des Untergrundes;
die konstante Höhe und regelmässige Erneuerung des Grundwasserstromes;
die reichliche, sozusagen ideale Wasserversorgung;
die jetzt überall durchgeführte Kanalisation;
regelmässige Strassenreinigung und Bespritzung;
Abfuhr des Kehrichts durch die Stadt;
geruchlose Beseitigung der Fäkalstoffe durch Dampfpumpen;
die im ganzen guten Wohnungsverhältnisse;
der Reinlichkeitssinn der einheimischen Bevölkerung und deren gute oder wenigstens im Vergleich zu andern Orten befriedigende Lebenshaltung;
die bei der ärmern Bevölkerung in hohem Masse eingreifende gemeinnützige Tätigkeit;
die strenge Kontrolle der Schlächtereien, der Verkaufslokale, der Lebensmittel durch die Sanitätsbehörden (Polizei und Gesundheitskommission);
die meist offene Bebauung und endlich wohl auch die prächtigen Waldungen ringsherum.
Die beiden Quellen der Wasserversorgung liegen unterhalb Zell im obern Tössthal, rund 12 km von der Stadt entfernt. Sie liefern zusammen bei mittlerem Niederwasserstande 12000 Minutenliter. Das Wasser hat einen mittlern Kalkgehalt von 275 mgr und eine mittlere Bakterienzahl von 3 per Liter. Die Temperatur schwankt zwischen 8 und 10° C. Von jeder der beiden Hauptquellen (Buchenrain und Hornsäge) führen Hauptleitungen nach den Reservoirs bei Seen und im Eschenberg. Von hier an beginnen die Hochdruckleitungen, deren Gesamtlänge 61000 m beträgt. Der Quellenerguss gestattet einen täglichen Wasserkonsum von 500 Liter per Kopf. Die Baukosten für die Wasserversorgungsanlage betrugen Fr. 2850000. Der Hauptsammelkanal der
Kanalisation führt das Abwasser in die Eulach, ein zweiter Sammelkanal nach der Töss. Mangels grösserer Gewässer bestehen bis jetzt keine offenen Bäder. Ein grosses offenes Schwimmbassin im Osten der Stadt wird 1910 eröffnet. An Badegelegenheiten fehlt es im übrigen nicht. Die 1863 erbaute Bade- und Waschanstalt verfügt über ein Schwimmbassin, das auch von den Schulanstalten benutzt wird. Ausserdem verabreicht die Anstalt sog. Volksbäder. Ein ähnliches Vertragsverhältnis besteht mit der Lokomotivfabrik, welche ebenfalls ihre Douchen und Zellen zu Volksbädern zur Verfügung stellt.
Die Stadt entrichtete 1906 an beide Anstalten zu diesem Zwecke Fr. 7170. Auch das Etablissement von Gebr. Sulzer bietet seinen Arbeitern im Arbeiterkasino ausreichende Badegelegenheit. Seit ist ferner im Tössfeldquartier eine neu erbaute städtische Badeanstalt eröffnet worden. Endlich finden sich in sämtlichen Schulhäusern Douchen und werden die Schüler regelmässig zur Benutzung angehalten. Im Neuwiesenquartier besteht auch eine private Badanstalt.
Für die Bestattungen dient ein zentraler Friedhof am S.-Fuss des Lindberges. Der Verein für Feuerbestattung zählt 700 Mitglieder und strebt die Errichtung eines eigenen Krematoriums an, wofür die Mittel bereits vorhanden sind. Im städtischen Schlachthaus an der Eulachstrasse wurden 1906 geschlachtet: 11169 Stück Gross- und Kleinvieh mit 1451000 kg Fleisch. Eingeführt wurden 466900 kg, ausgeführt 196574 kg. Der Fleischkonsum betrug 1721380 kg. Die Wohnungsverhältnisse sind sehr verschieden, meist aber befriedigend und zum Teil sehr gut. Die Mietpreise stehen im allgemeinen hoch. Wohnungen mit 400-500 Fr. Mietzins gehören zu den geringern und haben 3 oder höchstens 4 Zimmer. Ordentliche Wohnungen von 4 bis 5 Zimmern, wie sie der Lebenshaltung des Mittelstandes entsprechen, kosten im günstigsten Falle 600-700, oft 700-800 und 900 Fr. oder mehr, komfortable Wohnungen 1200-2000 Fr. und darüber.
Winterthur hat sich erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Industrie- und Handelsstadt entwickelt. Doch hatte es früher schon eine Glanzperiode als Stadt der Arbeit. Im 16. und 17. Jahrhundert wurde hier die Glasmalerei betrieben. Zu grösserer Bedeutung gelangten nur im alten Winterthur die Kunsttöpferei und der Ofenbau. Die alten Winterthurer Giessfässer, Krüge, Wappenschüsseln und insbesondere die kunstvoll aufgebauten Oefen zählen gegenwärtig zu den hervorragendsten Schaustücken der kunstgewerblichen Museen.
Nach der eidg. Betriebszählung vom zählt die Stadt 1845 Betriebe mit 15310 Personen, wovon 3654 weibliche. Dominierende Industrie ist die Maschinenfabrikation. Es kommen hier hauptsächlich in Betracht die zwei Weltgeschäfte Gebrüder Sulzer und Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik, beide an der Zürcherstrasse und unmittelbar aneinander grenzend. Beide Geschäfte nehmen ein Areal von über 20 ha ein und bilden einen bebauten Komplex, der grösser ist als die Altstadt.
Die Firma Gebr. Sulzer wurde 1834 gegründet und mit 12 Arbeitern eröffnet als Weiterführung einer schon 1775 von Salomon Sulzer errichteten Werkstätte. Gegenwärtig beschäftigt das hiesige Etablissement der Firma 4000 Arbeiter und Angestellte. Die Fabrik erstellt Dampfmaschinen jeder Grösse, Dampfkessel, Dampfturbinen, Dieselmotoren, Schiffkessel, Schiffmaschinen, komplete Dampfboote, Pumpen, Eis- und Kühlmaschinen, Ventilatoren, Gesteinsbohrmaschinen, Niederdruck-Dampf- und Warmwasserheizungen, Maschinen für Färberei, Bleicherei, Appretur, Artilleriematerial etc. Das Geschäft hat bis jetzt etwa 5600 Dampfmaschinen gebaut. Hauptabsatzgebiete sind ausser der Schweiz besonders Deutschland, Russland und Italien, ferner Frankreich, Oesterreich-Ungarn, Spanien, Belgien, in neuerer Zeit auch England, Japan, Südamerika, Aegypten u. a. Die Firma besitzt eine Filiale in Ludwigshafen a. Rh. und ist durch technische Bureaux in zahlreichen grossen Städten vertreten. Sie ist Hauptteilhaber an der Simplontunnelunternehmung. - Die Lokomotiv- und Maschinenfabrik, gegründet 1871, beschäftigt etwa 1800 Arbeiter und Angestellte.
Das Geschäft erstellt Gas-, Petrol- und Benzinmotoren, Dampflokomotiven für Adhäsions- und Zahnradbetrieb, elektrische Lokomotiven. Den Verhältnissen unseres Landes entsprechend sind die Bergbahnlokomotiven zu einer hervorragenden Spezialität geworden. Ende 1909 hat die Fabrik 2000 Lokomotiven gebaut. Die Produktion im Geschäftsjahr 1905/06 betrug 71 Lokomotiven schweren Typs und 202 Motoren mit 5878 PS. Absatzgebiete für Motoren sind ausser Europa auch Aegypten, für Lokomotiven Italien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Norwegen, Oesterreich-Ungarn, Spanien, Syrien, Abessinien, Japan u. a. Gegenwärtig deckt die Fabrik hauptsächlich den inländischen Bedarf an Lokomotiven. - In den Bereich der Winterthurer Maschinenindustrie gehören ferner die Konstruktionswerkstätten der A. G. vormals J. J. Bieter in Töss, mit Sitz in Winterthur.
Die Fabrik befindet sich auf dem Areal des ehemaligen Frauenklosters und heisst darum im Volksmund einfach «im Kloster». Sie beschäftigt etwa 800 Arbeiter und erstellt alle Maschinen für Spinnereien, Webereien, Spuhlereien; ferner hydraulische Anlagen, Turbinen, Regulatoren, Transmissionen, Krahnen, Rohrleitungen etc. -
Die Giesserei und Maschinenfabrik St. Georgen beschäftigt 120 Arbeiter, verfertigt Maschinen- und Bauguss, konstruiert und erstellt hydraulische Pressen und Hebevorrichtungen, Aufzüge, Krahnen u. s. w.
Die grossen Maschinenfabriken beschäftigen zahlreiche kleinere Werkstätten innerhalb und ausserhalb des Kantons mit der Anfertigung einzelner Maschinenbestandteile, u. a. auch die Metallarbeiterschule. Der wirtschaftliche Einfluss unserer Geschäfte erstreckt sich daher auf ein sehr grosses Gebiet. Ausser den aufgeführten Grossgeschäften finden sich verschiedene kleinere Werkstätten für gewisse Spezialitäten, Bau- und Kunstschlossereien etc. Von Bedeutung ist namentlich auch die Feilenhauerei als Hülfsindustrie für die Maschinenfabrikation.
Die Textilindustrie als zweite Hauptindustrie ist durch mehrere grössere Fabriken vertreten:
1) Die Seidenstoffweberei, gegründet 1871, beschäftigt 700 Arbeiterinnen, produziert Halb- und Ganzseidenwaren für Kleider- und Futterzwecke. Die Produktion beläuft sich auf 4 Mill. Fr. per Jahr und findet ihren Absatz hauptsächlich in England, Amerika und Frankreich.
2) Die Fabrikation gestrickter Unterkleider, gegründet 1886, beschäftigt 450 Arbeiterinnen und 40 Angestellte. Absatzgebiet: Inland und Amerika.
3) Die Bleicherei, Färberei und Appretur, begründet 1845 durch J. J. Weber, beschäftigt 350 Arbeiter und hat ihr Absatzgebiet ausser im Inland in England, indirekt in Indien. Neben diesen beiden Hauptindustrien sind von Bedeutung: Schuhfabrikation, Seifen-, Toilettenseifen- und Parfümeriefabrikation, Uhrsteinschleiferei, Fabrikation von Biskuits. Ein ausgedehntes Industriequartier befindet sich im O. der Stadt in der Nähe der Stationen Grüze
(Tössthalbahn) und Oberwinterthur. Die verschiedenen Etablissements liegen zum Teil auf städtischem, zum Teil auf Oberwinterthurer Gebiet, nämlich Elastiqueweberei, Fabrikation von Stearinkerzen und chemisches Laboratorium, Düngerfabrikation, Gelatinefabrikation, Nagelfabriken, Harz- und Fettwarenfabrikation, Imprägnierungsanstalt, Fabrikation von Schmirgelscheiben, Dachpappe; mechanische Heuschneiderei und Fouragelieferung etc. Hier hat auch die Firma Gebr. Sulzer ein Areal von 8 ha, das sie vorläufig als Lagerplatz benützt, in der Folge aber für einzelne Fabrikationszweige einrichten will. Im Bereich dieses Industriequartiers liegen auch eine Maschinenfabrik, sowie eine Seiden- und Baumwollzwirnerei, Färberei und Wollstrickerei.
Im Besitze der Stadt sind folgende industrielle Unternehmungen:
1) Die Wasserversorgung (vergl. unter Gesundheitswesen). - 2) Das Gaswerk im Schönthalquartier, eingerichtet für eine Produktion von 6 Mill. m3 per Jahr. Bemerkenswert ist der starke Verbrauch von Gases für Koch- und Heizzwecke. Mindestens 75% der Haushaltungen kochen auf dem Gasherd. Der Preis des Gas zum Kochen beträgt 17½ Rappen, für Beleuchtungszwecke 25 Rappen per m3. An das Leitungsnetz sind auch die Gemeinden Töss, Veltheim und Oberwinterthur angeschlossen. Einnahmen Fr. 1158800, Ausgaben Fr. 1040600. - 3) Das Elektrizitätswerk wurde 1904 in Betrieb gesetzt. Die Kraft wird von der A. G. Beznau-Löntsch bezogen. Die Bemühungen der Stadt um eine Konzession für die Wasserkraft des Rheins bei Rheinau sind bis zur Stunde ohne Erfolg gewesen. Das Werk arbeitete bis jetzt mit Defizit, geht aber einer Periode der Prosperität entgegen. Einnahmen 1907: Fr. 364236, Ausgaben Fr. 379743. - 4) Die elektrische Strassenbahn Winterthur-Töss, eröffnet 1898, hat eine Länge von 1,8 km. Sie ist als Anfangsstück eines zukünftigen städtischen Netzes gedacht, das aber erst nach der Unterführung der Zürcherstrasse angelegt werden kann. Einnahmen Fr. 67242, Ausgaben Fr. 45000.
Der Handel ist sehr bedeutend. Zahlreiche Handelshäuser, deren Geschäftskreis sich über die ganze Schweiz und weit darüber hinaus erstreckt, sowie einige Welthandelsfirmen haben hier ihren Sitz. Als Geschäftshaus grössern Umfangs verrät sich durch die grossartigen Verwaltungs- und Lagerhäuser an der Schaffhauserstrasse der Verband ostschweizerischer landwirtschaftlicher Genossenschaften, mit Sitz in Winterthur seit 1888. Der Warenumsatz von 1906 belief sich auf Fr. 5614000. Ausserdem bestehen zahlreiche Agenturen und Kommissionsgeschäfte bedeutenden Ranges.
Ein ansehnlicher Engros-Handel findet statt in Kolonialwaren, Butter und Käse, Wein und Spirituosen, Drogen, Schuhwaren, Manufakturen, Konfektion, Mercerien u. dgl., Metallen, Eisen, Eisenwaren, Werkzeugmaschinen, landwirtschaftlichen Geräten und Maschinen, Haushaltungsartikeln, Lederwaren, Papier und Schreibmaterialien u. a. -
Für den Geldverkehr stehen folgende Geschäfte zur Verfügung:
1) Bank in Winterthur, mit Filiale in Zürich, gegründet 1862. Umsatz 1907: 2341 Mill. Fr. Aktienkapital 20 Mill. -
2) Filiale Winterthur der Zürcher Kantonalbank, mit einem Umsatz von 143 Mill. Fr. im Jahr 1907. - 3) Die Hypothekarbank Winterthur mit Filiale in Zürich. Umsatz 311 Mill. Fr. -
4) Die Kreisbank Winterthur der Schweizerischen Volksbank. Mitgliederbestand 1907: 2786. Umsatz 276 Mill. Fr. -
5) Zu erwähnen ist ferner die schweizerische Unfallversicherungsgesellschaft Winterthur, gegründet 1875. Sie verzeichnete 1906 eine Prämieneinnahme von 22690000 Fr., wovon ¼ auf die Schweiz, ¾ auf das Ausland entfallen. Bis Ende 1906 hat die Gesellschaft 1128000 Schadenfälle erledigt (im Jahr 1906: 97000 Fälle) und dafür 142 Mill. Fr. ausbezahlt.
Die Verkehrsziffern der Transportanstalten sind, entsprechend den industriellen und kommerziellen Verhältnissen recht hohe und reihen sich neben diejenigen der grössern Schweizerstädte. Der Bahnhof, in welchem 7 Eisenbahnlinien einmünden, bewältigt einen gewaltigen Transitverkehr. Ueber den direkten Verkehr liegen folgende Zahlen (für 1907) vor:
Personenverkehr 1386470. Winterthur steht damit unter den schweizerischen Städten im 4. Rang.
Güterverkehr. | |
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199935 Sendungen (Passagiergüter, Gepäck) | 7332 |
Versandte Frachtgüter | 104100 |
Empfangene Frachtgüter | 205150 |
Eilgut Versand | 12435 |
Eilgut Empfang | 15818 |
Verladene Stück Vieh | 6350 |
Ausgeladene Stück Vieh | 15940 |
Durchschnittl. täglich abgehende Güterzüge | 50 |
Durchschnittl. täglich ankommende Güterzüge | 50 |
Täglich fahrplanmässig ankommende Züge | 140 |
Täglich fahrplanmässig abgehende Züge | 145 |
In obigen Ziffern ist der gewaltige Transitverkehr nicht inbegriffen. Zur Illustration des Bahnverkehrs dienen auch folgende Zahlen (für 1907):
Fr. | |
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Einnahmen aus dem Personenverkehr | 1187758 |
Einnahmen aus dem Gepäck und Vieh | 97205 |
Einnahmen aus dem Güterverkehr | 1951900 |
Total | 3042400 |
Im Jahre 1891 total Einnahmen | 635000 |
In Bezug auf den Güterverkehr steht Winterthur unter den Schweizerstädten im 7. Rang. Im Bahnhof Winterthur ist ein Personal von 800 Mann stationiert und beschäftigt.
Postverkehr | 1907 |
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Aufgegebene Fahrpoststücke (In- und Ausland) | 292090 |
Bestellte Fahrpoststücke | 296440 |
Aufgegebene Briefe, Postkarten, Drucksachen und Warenmuster | 3320479 |
Aufgegebene Zeitungen | 1708138 |
Bestellte Zeitungen | 1489605 |
Aufgegebene eingeschriebene Briefe | 90311 |
Bestellte eingeschriebene Briefe | 84258 |
Aufgegebene Briefpostnachnahmen | 83148 |
Aufgegebene Postanweisungen | 108899 |
Eingegangene Postanweisungen | 105265 |
Aufgegebene Einzugsmandate | 27493 |
Einkassierte Einzugsmandate | 12942 |
Verkaufte Postwertzeichen Fr. | 529288 |
Postpersonal (Hauptpost und beide Filialen) rund 130 Personen.
Telegraphenverkehr | 1907 |
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Abgegangene Telegramme | 641000 |
Angekommene Telegramme | 56648 |
Total | 120748 |
Die Stadt steht alltäglich in telegraphischem Verkehr mit den wichtigsten Handels- und Industrieplätzen nicht nur Europas, sondern auch fremder Erdteile. In diesem Umstande dürfte die Bedeutung des Platzes Winterthur als Sitz des Grosshandels und der Grossindustrie am deutlichsten zum Ausdruck kommen.
Telephonverkehr | 1907 |
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Abonnentenzahl des Netzes | 856 |
Lokalgespräche | 462621 |
Interurbane Gespräche | 290506 |
: | 753127 |
Zahl der Telephonstationen im Netz | 1172 |
Drahtanlage | 5203 km |
Interurbane Verbindungen | 23 |
Die Jahrmärkte, deren noch 3 stattfinden (im Mai, um Martini, im Dezember), haben ihre frühere Bedeutung verloren, werden aber vom Land her alter Gewohnheit gemäss immer noch ordentlich besucht. Monatlich zweimal findet ein Viehmarkt statt, dessen Frequenz durchschnittlich noch 150 Stück Vieh beträgt und gegenüber früher stark zurückgegangen ist. In neuerer Zeit haben dagegen grössere Bedeutung erlangt folgende zwei interkantonale Viehmärkte:
1) Markt und Ausstellung ostschweizerischer, Simmenthalervieh züchtender Genossenschaften, hauptsächlich befahren aus den Kantonen Zürich, Thurgau, Schaffhausen, St. Gallen. Der Markt ist mit einer Prämierung verbunden.
2) Die ostschweizerische Mastviehausstellung, zugleich Markt, verbunden mit Prämierung, findet seit 1905 jeweilen im Frühjahr vor Ostern statt.
An den wirtschaftlichen Verhältnissen der Stadt partizipieren zunächst die fünf grossen Nachbargemeinden, im weitern auch die übrigen Gemeinden des Bezirks, selbst die Nachbarbezirke und der angrenzende Teil des Kantons Thurgau. Die Mehrzahl der Industriearbeiter wohnt auswärts, kommt und geht alltäglich teils zu Fuss, teil mit den nach allen Richtungen eingelegten Arbeiterzügen.
Dem Unterrichtswesen ist in Winterthur von jeher besondere Aufmerksamkeit geschenkt worden. Von Johannes Vitoduranus vernehmen wir, dass hier schon im Jahr 1315 eine Schule existierte, und der Kulturhistoriker Joh. Scherr (Gartenlaube 1873) bezeichnete Winterthur als ein Gemeinwesen, welches für das Schulwesen mehr tue als irgend eine Gemeinde Europas. Für das vorschulpflichtige Alter betreibt die Hülfsgesellschaft mehrere Kindergärten in besonders dafür eingerichteten Gebäuden.
Ausgaben 1906: Fr. 17070, wovon die Stadt Fr. 4000 beisteuerte. Ausserdem bestehen einige Kleinkinderschulen, alle unter Aufsicht der Schulpflege. An der Primarschule, unterrichteten 1907: 55 Lehrer (wovon 11 weibliche) 2570 Schüler. Für Schwachbegabte bestehen 2 Spezialklassen. Neben den städtischen Primarschulen existiert seit 1873 eine freie Schule mit 2 Lehrern und etwa 100 Schülern. An der Sekundarschule unterrichten 21 Lehrer 323 Knaben und 297 Mädchen. Die höhern städtischen Schulen, unter Aufsicht des Schulrates, gliedern sich in a) Gymnasium mit Anschluss an die Primarschule und Abschluss nach 7 Jahreskursen; 202 Schüler, wovon eine Anzahl weibliche. - b) Industrieschule mit Anschluss an die Sekundarschule oder an die 3. Klasse des Gymnasiums; 4 Jahreskurse mit total 80 Schülern. - c) Höhere Mädchenschule mit Anschluss an die Sekundarschule; 2 Jahreskurse, 33 Schülerinnen. - Das Lehrpersonal dieser 3 Stufen zählt 16 Professoren und 14 Hülfslehrer.
Auf allen Schulstufen wird den körperlichen Uebungen grosse Aufmerksamkeit zugewendet. Im Winter steht die Eisbahn Zelgli unentgeltlich zur Verfügung. Den Abschluss des Sommersemesters bildet eine traditionelle dreitägige Festlichkeit, bestehend in Wettturnen, Kadettenmanöver. Gabenverteilung, Umzug und Fackelzug. Das Kadettenkorps (300 Infanteristen, 50 Artilleristen mit 5 Bronzegeschützen, 30 Spielleute) führt seine Gründung in die Mitte des 17. Jahrhunderts zurück.
Für die theoretisch-praktische Berufsbildung bestehen folgende Anstalten:
1) Die Fortbildungsschule für Töchter, 1888 von der Primarschulpflege gegründet und auch jetzt noch unter ihrer Leitung, umfasst 50-60 Kurse mit rund 200 wöchentlichen Stunden. Die Zahl der Schülerinnen beträgt 450-550, wovon rund 200 aus andern Ortschaften. An der Anstalt wirken 20 Lehrerinnen. - 2) Die gewerbliche Fortbildungsschule unter Leitung der Gewerbekommission; 1907 mit 126 Kursen und 1260 Schülern. - 3) und 4) Die Fortbildungsschulen der Lokomotivfabrik und von Gebr. Sulzer sind für die Lehrlinge dieser Geschäfte obligatorisch. Die Geschäfte stellen die Lokalitäten zur Verfügung und unterhalten das Lehrpersonal. - 5) Die kaufmännische Fortbildungsschule unter Leitung einer Kommission des kaufmännischen Vereins umfasst etwa 45 verschiedene Semesterkurse mit rund 70 wöchentlichen Stunden und zählt 26 Lehrer und 215 Schüler. - 6) Die Haushaltungsschule des Frauenbundes, gegründet 1891, seit 1901 im eigenen Schulgebäude an der Trollstrasse. Ausser den 5 fünfmonatlichen Kursen zur Heranbildung von Töchtern in den Arbeiten der Hauswirtschaft werden zahlreiche Koch- und Glättekurse u. dergl. erteilt. - 7) Die Berufschule für Metallarbeiter, gegründet 1889, Eigentum der Stadt, verfügt über ein gut eingerichtetes Gebäude mit Lehrsälen und Werkstätten.
Sie umfasst folgende Zweige: Mechanik, Kleinmechanik, Bau- und Kunstschlosserei, Modellschreinerei, Metallgiesserei. Die Frequenz beläuft sich auf 80 ordentliche Schüler mit dreijähriger Lehrzeit, 40 ausserordentliche Schüler und 15 Schüler der Werkmeisterkurse. An der Anstalt wirken 1 Direktor, 9 Werkmeister und 2 Lehrer. Ausgaben Fr. 116000. Die Anstalt wird vom Bund und Kanton subventioniert mit 12000 und 11000 Fr. -
8) Die Musikschule des Musikkollegiums, gegründet 1873. Etwa 225 Schüler, 7 Lehrer. Daneben bestehen einige grössere private Musikschulen. - 9) Die landwirtschaftliche Winterschule, seit 1905 in Winterthur, ist eine Filiale der kantonalen landwirtschaftlichen Schule im Strickhof. Der Kurs dauert jeweilen vom 1. November bis Mitte März. Der Unterricht wird erteilt vom Lehrpersonal des Strickhofs und einigen Lehrern Winterthurs. Rund 25-30 Schüler. - 10) Das kantonale Technikum, eröffnet 1874, ist untergebracht im Technikumsgebäude an der Kasernenstrasse. Es ist 1907/08 durch einen Anbau im O. bedeutend vergrössert worden. Die Anstalt umfasst folgende Abteilungen: Maschinentechnik, Bauschule, Elektrotechnik, Chemieschule, Kunstgewerbe, Geometer, Handel, Eisenbahnbeamte. Sie zählt 600-700 Schüler, wovon 40% aus dem Kanton, 45% aus der übrigen Schweiz, 15% aus dem Auslande. An der Anstalt wirken 36 Professoren und 12 Hülfslehrer.
Als Bildungsanstalten im weitern Sinne sind zu nennen:
1) Das Gewerbemuseum in einem Anbau des Technikums, Eigentum der Stadt. Es enthält reiche mechanisch-technische und kunstgewerbliche Sammlungen, unterhält ein Zeichnungsbureau, veranstaltet auch Vorträge und Instruktionskurse. Es stellt ein Lesezimmer mit 90 aufliegenden Fach-Zeitschriften zur Verfügung und hat eine technisch-kunstgewerbliche Bibliothek von 4500 Bänden. Im Museum sind zum Teil die Sammlungen des historisch-antiquarischen Vereins untergebracht, ein anderer Teil befindet sich im Schloss Mörsburg. Die Aufsicht übt die vom Grossen Stadtrat gewählte Gewerbekommission. - 2) Die Stadtbibliothek und das Museum im Museumgebäude, bestehend seit 1661, Eigentum der Bürgergemeinde, jedoch von der politischen Gemeinde subventioniert (1907 mit Fr. 14500). Die Bibliothek zählt 70000 Bände. In der Sammlung älterer Werke finden sich wertvolle Inkunabeln, Elzevier- und andere seltene Drucke. Das Museum enthält eine Kunstsammlung mit Gemälden und Porträts, plastische Arbeiten, Medaillen, Kupferstiche, Aquarellen, Glasscheiben etc., sowie umfangreiche naturhistorische Sammlungen, Antiken und ethnographische Gegenstände, sowie eine numismatische Sammlung von hohem Werte. - 3) Die Kunsthalle an der Marktgasse enthält die Sammlungen des Kunstvereins und gilt als eine der bedeutenderen Galerien der Schweiz. Der Verein bewahrt in seinen Gesellschaftsräumen 6500 Zeichnungen und Kupferstiche auf. Der Antikensaal enthält 40 Gipsabgüsse. Im Treppenhaus befindet sich eine Kollektion von 13 Standesscheiben von höchstem Kunstwert. Dazu kommen weitere 20 Scheiben ebenfalls aus der Blütezeit der
schweizerischen Glasmalerei. - 4) Die öffentlichen Lesesäle in der Kunsthalle und im Tössfeld, ersterer 1901, letzterer 1908 eröffnet, beide von der Stadt errichtet und betrieben. - 5) Das Stadtarchiv im Stadthaus, sachgemäss geordnet, enthält wertvolle und weit zurückdatierende Urkunden.
Trotz der auf Erwerb gerichteten Arbeit der Bewohner finden künstlerische Bestrebungen einen guten Boden. Auf dem Gebiet der bildenden Kunst entfaltet der 1848 gegründete Kunstverein eine fruchtbare Tätigkeit. Für theatralische Vorstellungen steht der Theatersaal im Kasino zur Verfügung. Das Schauspielerpersonal einer benachbarten Stadt, meist St. Gallen, gibt über den Winter eine Serie von Vorstellungen und erhält von der Stadt eine Subvention von 4500 Fr. mit der Verpflichtung zu billigen Volksvorstellungen. Seit vielen Jahren besteht im «Strauss» ein Sommertheater. - Das Musikkollegium, eine seit 1629 bestehende Gesellschaft, unterhält während des Winters ein Stadtorchester und veranstaltet alljährlich eine Serie von Abonnementskonzerten, sowie regelmässige Volkskonzerte. Es erhält dafür eine städtische Subvention von Fr. 2500. Die Instrumentalmusik pflegen ausserdem zwei uniformierte Musikgesellschaften, verschiedene Dilettantenorchester, Musikvereine etc. Sehr zahlreich sind die Gesangvereine.
Von Vereinen mit künstlerischen und wissenschaftlichen Zwecken verdienen Erwähnung: Der historisch-antiquarische Verein, der Kunstverein, die kaufmännische Gesellschaft, die naturwissenschaftliche Gesellschaft. Letztere gibt alle 2 Jahre eine Publikation mit Originalarbeiten heraus. Bemerkbar macht sich auch die Tätigkeit des seit 1899 bestehenden Verkehrs- und Verschönerungsvereins. Von den 10 ausser der Landeskirche bestehenden religiösen Gemeinschaften sind die an Zahl bedeutendsten: Die Gesellschaft des evangelischen Vereinshauses und die Methodistengemeinde.
Die Zahl der Vereine ist sehr gross. 1908 zählte man in Winterthur deren 276.
In Winterthur erscheinen 3 politische Tagesblätter: Der Landbote als Organ der Demokraten, das Neue Winterthurer Tagblatt als Organ der Freisinnigen und die Winterthurer Arbeiterzeitung, Organ der Sozialdemokraten.
Die Gemeindeordnung vom Jahr 1895 ist im wesentlichen immer noch die gleiche, wie sie die kantonale Verfassung und das Gemeindegesetz für die zürcherischen Gemeinden vorschreiben. Doch sind einige durch den Umfang des Gemeinde und den Verwaltungsmechanismus bedingte Ausnahmen zu konstatieren. So steht zwischen der hauptsächlichsten Verwaltungsbehörde, dem Stadtrat, und der Gemeinde der Grosse Stadtrat, welcher die Vorprüfung der an die Gemeindeversammlung gehenden Geschäfte besorgt.
Mit der politischen Gemeinde fallen räumlich zusammen die Schulgemeinde, der Sekundarschulkreis, die Bürgergemeinde und die reformierte Kirchgemeinde. Diesen selbständigen Gemeinden stehen vor der Stadtrat, die Schulpflege, die Sekundarschulpflege, die bürgerliche Armenpflege, die Kirchenpflege. Für die Rechnungsführung und den Geldverkehr dieser Gemeinden besteht eine zentrale Verwaltung. Die katholische Kirchgemeinde umfasst auch die Nachbargemeinden Töss, Wülflingen, Veltheim, Oberwinterthur und Seen.
Sie hat keinen Kontakt mit der städtischen Zentralverwaltung. Die Amtsdauer sämtlicher Behörden und Beamten beträgt drei Jahre, diejenige des Friedensrichters, der Lehrer und der Geistlichen 6 Jahre. Stadtrat, Grosser Stadtrat, die Schulbehörden, Steuerkommission, Armenpflege, Kirchenpflege werden von der Gemeinde durch die Urne gewählt, letztere beiden Behörden durch die Stimmberechtigten der Bürgergemeinde, bezw. der reformierten Kirchgemeinde.
Durch die Gemeindeversammlung werden gewählt die kantonalen und eidg. Geschwornen, sowie das aus 120 Mitgliedern bestehende Wahlbureau. Die Gemeindeversammlung bildet in Gemeindeangelegenheiten die oberste, entscheidende Instanz. Ihr sind die Budgets, die Rechnungen, die Geschäftsberichte der Verwaltungsbehörden, sowie sämtliche Anträge der Behörden, die eine einmalige Ausgabe von mehr als 10000 Fr. oder regelmässig wiederkehrende Ausgaben von über 5000 Fr. zur Folge haben, und die über 2500 Fr. hinausgehenden Besoldungsansätze zur Genehmigung zu unterbreiten.
Der Grosse Stadtrat hat für alle diese Geschäfte die Vorbereitung und Antragstellung; er dekretiert Ausgaben unter den genannten Ansätzen, entscheidet endgiltig über Kauf- und Verkaufsverträge und wählt die Gesundheitskommission, die Gewerbekommission, die Krankenpflege, die Rechnungsprüfungskommission, die Geschäftsprüfungskommission. Die Mitglieder der Behörden erhalten ein Sitzungsgeld von 3 Fr. Der Stadtrat wählt alle Angestellten der städtischen Verwaltung mit Ausnahme derjenigen der Bürger- und der Kirchgemeinde.
Von den 7 Mitgliedern sind der Stadtpräsident und der Bauamtmann voll besoldet (5600 und 5400 Fr.) und haben sich ausschliesslich ihrem Amt zu widmen. Die übrigen Mitglieder erhalten je nach Beanspruchung Entschädigungen von 3000-4000 Fr. Die Zahl der Stimmberechtigten der politischen Gemeinde beträgt 5880, der Bürgergemeinde 2230, der reformierten Kirchgemeinde 4900. An der Gemeindeversammlung, die im Jahr etwa viermal einberufen wird, beteiligen sich in der Regel bloss 2-5% der Stimmberechtigten. Beteiligungen von 5-10% sind seltene, solche von über 10% ausserordentliche Vorkommnisse.
Die Rechnung der politischen Gemeinde für 1907 weist auf: an Einnahmen Fr. 2892730 und an Ausgaben Fr. 2916607. Das Defizit von Fr. 23878 wurde durch Entnahme aus der Steuerreserve (Fr. 526638) gedeckt.
Mit der Staatssteuer im Betrage von Fr. 995000 hat die Stadt Fr. 2085000 an Steuern aufgebracht (ohne die Armen- und die Kirchensteuer).
Die Gemeindesteuern sind durch Gesetz vom gleich denjenigen der Stadt Zürich organisiert. An Stelle der in den Landgemeinden bestehenden Haushaltungssteuer tritt eine progressive Einkommensteuer. Die politische Gemeinde verfügt über folgende Steuerkräfte:
Vermögen 130 Mill. Fr., Einkommen 7 Mill. Fr. und Mannsteuer 6400 Fr.
Der Steuerfuss beträgt gegenwärtig 6 Fr. vom 1000 Fr. Vermögen, 9 vom Mann und das sechsfache der einfachen Einkommensteuer. Von der männlichen Bevölkerung vom 20. bis zum 50. Altersjahr, sofern sie nicht aktiven Dienst leistet, wird eine Feuerwehrsteuer erhoben in 12 Klassen von 2-60 Fr.
Bürgergemeinde: Einnahmen (1907) Fr. 192669, Ausgaben Fr. 162594;
Vermögen Fr. 1587600.
Die reformierte Kirchgemeinde verzeichnet an Einnahmen und Ausgaben je Fr. 42798. Steuerkapital 115 Mill.
Fr., Vermögen 249580 Fr. Im Dienste der Kirchgemeinde stehen 4 Pfarrer. Steuer: 0,3‰. - Die katholische Kirchgemeinde, gegründet 1863, verfügt über ein Steuerkapital von Fr. 5072000.
Die städtische Verwaltung beschäftigt 163 Angestellte und etwa 250 Arbeiter. Das Polizeikorps zählt 31 Mann. Die Stadt bildet einen Notariatskreis. Ausserdem haben der bequemen Verkehrsmittel wegen die Notariatskreise Wülflingen und Oberwinterthur ebenfalls hier ihren Sitz. Als Kantonsratswahlkreis wählt die Stadt 12 Mitglieder des Kantonsrates, als Synodalwahlkreis 8 Abgeordnete in die Kirchensynode. Die Stadt ist Bezirkshauptort und als solcher Sitz des Statthalteramtes, des Bezirksrates, der Bezirksanwaltschaft und des Bezirksgerichtes.
In Anbetracht ihrer Grösse ist die Stadt Winterthur überaus reich an gemeinnützigen und wohltätigen Anstalten. Und in der Tat ist bei den eigenartigen Verhältnissen der Stadt, bei dem Vorhandensein eines zahlreichen Proletariats, dann auch infolge der Nähe der Landesgrenze und der nach allen Seiten gehenden bequemen Verkehrswege das Bedürfnis nach Unterstützung ein sehr grosses. Wir haben zu unterscheiden zwischen städtischen und privaten Wohltätigkeitsanstalten. Hiebei ist daran zu erinnern, dass auch die privaten Unterstützungsanstalten (z. B. Ferienversorgung, Suppenanstalt) direkt oder aus den von der Stadt verwalteten Fonds Subventionen erhalten.
A. Städtische Organe. Gemäss dem im Kanton Zürich gesetzlich geregelten Prinzip ist die Bürgergemeinde für ihre Angehörigen im Falle ihrer Verarmung unterstützungspflichtig. Die Bürgergemeinde verfügt über ein Vermögen (Armengut geheissen) von Fr. 1547700, dessen Zinsen im Betrage von Fr. 50000 zu Unterstützungszwecken dienen. Ausserdem wird eine Armensteuer erhoben mit einem Ertrage von Fr. 105000. Der Steuerfuss ist seit einer Reihe von Jahren in regelmässigem Anwachsen begriffen.
Zur Zeit beträgt er 0,8‰ vom Vermögen. Die Ursache der Vermehrung der Ausgaben geht parallel mit der Vergrösserung der industriellen Geschäfte, rührt aber zum Teil auch von der kantonalen Gesetzesbestimmung her, welche die Gemeinden zur Einbürgerung von Kantonsbürgern nach zehnjährigem Aufenthalt verpflichtet. Die Stadt unterhält: a) Eine Waisenanstalt mit 42 Zöglingen (Einnahmen 4200 Fr., Ausgaben 23938 Fr.). 77 Kinder sind bei Familien untergebracht (Ausgaben hiefür 14710 Fr., für Lehrlinge 6093 Fr.). - b) Eine Pfrund- und Armenanstalt mit rund 100 Insassen (Einnahmen 36000 Fr., Ausgaben 75780 Fr.). Ausserhalb dieser Anstalt wurden im Jahr 1906 unterstützt 201 alte und gebrechliche Personen, 73 Kranke und vorübergehend 78 anderweitige Personen. Gesamtausgaben für Unterstützungszwecke Fr. 143100. Das Armenwesen wird besorgt durch die bürgerliche Armenpflege (7 Mitglieder). Die städtische Krankenpflege, eine Behörde der politischen Gemeinde, zählt 5 Mitglieder und unterstützt Kranke ohne Rücksicht auf ihre Herkunft. Sie unterhält ein Krankenmobilienmagazin, besoldet eine Krankenschwester und verabreicht einem privaten Krankenwärter ein Präsenzgeld.
B. Von den privaten gemeinnützigen Vereinen ragen vor allem hervor:
1) Die 1812 gegründete Hülfsgesellschaft. Ihr Wirkungskreis erstreckt sich in neuerer Zeit mit Umgehung des Stadtgebietes auf die Landgemeinden des Bezirkes Winterthur und der angrenzenden Bezirke. Ihr Zweck ist die Unterstützung Notleidender. Auf ihre Initiative sind ins Leben gerufen worden das Krankenmobilienmagazin (jetzt im Betriebe der Stadt), die Sparkasse der Hypothekarbank, die Suppenanstalt, die Fröbelschen Kindergärten. Das Vermögen der Gesellschaft beträgt Fr. 146000. - 2) Der freiwillige Armenverein, gegründet 1870, verabreicht an Notleidende im Stadtgebiet Unterstützungen an Geld und Naturalien. - 3) Der Frauenverein, ins Leben gerufen 1838, verschafft verdienstlosen weiblichen Personen passende Arbeit, unterstützt auch Arme und Anstalten durch Verabreichung von Naturalien. - 4) Der Frauenbund, gegründet 1888, vorerst als Sektion des schweizer. Frauenverbandes, seit 1889 selbständig.
Dieser Verein betreibt a) ein Mädchenheim (Herberge), b) ein Stellenvermittlungsbureau, c) eine Haushaltungsschule, d) eine Kinderkrippe, e) die Kochschule. Der Verein verfügt über ein Vermögen von 88000 Fr. Ausserdem bestehen im Stadtgebiet eine ganze Reihe von Unterstützungs- und Hilfsvereinen teils allgemeiner Art, teils für gewisse Gruppen der Bevölkerung. Daneben haben die industriellen Geschäfte ihre Geschäftskrankenkassen mit gemeinnützigem Charakter.
Diejenige der Firma Gebr. Sulzer enthält ausser der regulären obligatorischen Kasse eine solche zur Unterstützung erkrankter Arbeiter mit folgenden Unterabteilungen: Kurversorgung, Unterstützungsfond, Altersfond, Lebensversicherung, Vorschüsse zum Ankauf eigener Häuser. Die Firma besitzt auch eigene Arbeiterwohnungen und stellt den Arbeitern ihr Kasino mit Speisesaal, Lesesaal, Bibliothek, Badeeinrichtungen zur Verfügung. Sie unterhält auf ihre Kosten eine Fortbildungsschule. Die Lokomotivfabrik subventioniert ihre Krankenkasse ebenfalls und betreibt auf ihre Kosten die Unfallversicherung. Die Firma hat Arbeiterhäuser, die in der Bilanz mit Fr. 285000 figurieren. Auch dieses Geschäft stellt den Arbeitern ein «Wohlfahrtshaus» zur Verfügung. Das Geschäft besoldet mehrere Lehrer für die eigene Fortbildungsschule. Eigene Krankenkassen haben auch noch andre grosse Geschäfte der Stadt.
Für die schulpflichtige Jugend bestehen folgende Veranstaltungen:
1) Die Ferienkolonien, seit 1881 in Betrieb. Die Kolonisten sind jeweilen während der ersten 3 Wochen der Sommerferien in den 8 Kolonien im obern Tössthal, die meisten am Hörnli in einer Höhe von 900 m, untergebracht. Diese Kolonien bieten 120 Knaben und 130 Mädchen Unterkunft. Für sehr schwächliche Kinder wird die Kur auf 4 Wochen ausgedehnt. Für solche, die keine Aufnahme finden, werden Milchstationen im Eschenberg, Bruderhaus, Hessengütli eingerichtet.
Hier erhalten 150 Kinder jeden Abend Milch und Brot und werden sie spazieren geführt. Die Gesamtkosten für die Ferienkolonie und die Milchstation betragen Fr. 12000 per Jahr. Die Mittel werden in Form von freiwilligen Beiträgen, Konzerterträgnissen etc. aufgebracht, soweit der Zins des Fr. 70000 betragenden Fonds nicht ausreicht. Dem nämlichen Komite ist der Kinderhort im Kindergartengebäude im Lind unterstellt. Als weitere Unternehmungen dieser Art bestehen:
2) Die Bezirksferienkolonie unter der gemeinnützigen Gesellschaft des Bezirks Winterthur. - 3) Die Ferienkolonie für Mädchen des Vereins der Freundinnen junger Mädchen. - 4) Das Ferienheim Winterthur auf dem Schwandenerberg (1106 m) im Kant. Glarus, speziell zu diesem Zwecke erbaut und eingerichtet. Es gehört einer Privatgesellschaft, welche hier während der Ferien 35 Knaben im Alter von 12-17 Jahren gegen Entschädigung aufnimmt. Der Aufenthalt dauert 20 Tage.
Die Kosten belaufen sich per Kopf und Tag auf Fr. 3,30. Im Wintersemester, seit 1908 während des ganzen Schuljahres, werden in sämtlichen Primarschulhäusern an schwächliche oder kränkliche Kinder, meist gratis, Brot und Milch verabreicht. Bedürftige Kinder erhalten auf Verwenden der Lehrer unentgeltlich Kleidungsstücke, namentlich Schuhe. Neben den zahlreichen Unterstützungsvereinen bestehen auch Samaritervereine, ein Verein vom Roten Kreuz, Vereine zur Bekämpfung des Alkoholgenusses. Von letztern sei erwähnt der Frauenverein für Errichtung alkoholfreier Wirtschaften, der 2 grössere Restaurants betreibt.
1) Der Kantonsspital. Das Hauptgebäude wurde 1874 als städtisches Krankenhaus gebaut, 1886 vom Staat erworben und seither als Kantonsspital für den nördl. und östl. Kantonsteil betrieben. Er hat 25 Krankenzimmer mit 120 Betten. Daneben befinden sich 2 Pavillonbauten: das Absonderungshaus (12 Zimmer mit 40 Betten) und das Diphtheriegebäude mit 25 Betten. Die mit dem Spital verbundene Poliklinik gewährt an Unbemittelte unentgeltliche ärztliche Hülfe. Die Zahl der Patienten im Jahr 1907 betrug 1675. 2) Das Privatkrankenhaus ist durch eine Gesellschaft ins Leben gerufen und im November 1906 eröffnet worden. Das wohl eingerichtete Gebäude steht in aussichtsreicher, sonniger Lage auf dem Lindberg. Es verfügt über 40 Betten. Die Patienten haben freie Arztwahl.
Als Vereins- und Volkshäuser sind aufzuführen:
1) Wohlfahrtshaus (Kasino) der Firma Gebr. Sulzer;
2) Wohlfahrtshaus der Lokomotiv- und Maschinenfabrik, beide mit Speisesälen, Lesesälen, Bädern, Lehrzimmern für die
eigenen Fortbildungsschulen. - 3) Das Vereinshaus der Freimaurerloge «Akazia» (gegründet 1821), ein bemerkenswerter Bau. - 4) Das katholische Vereinshaus mit grossen Gebäulichkeiten. Es unterhält 4 Schwestern für Armen- und Krankenpflege, auch eine Kleinkinderschule; es beherbergt jährlich 400-500 Handwerksgesellen unentgeltlich. - 5) «Helvetia» am Bahnhof, Vereinshaus des Grütlivereins, Sammelpunkt der organisierten Arbeiterschaft. - 6) Herbergen zur Heimat und zur Traube. - 7) Mädchenheim des Frauenbundes an der Kasernenstrasse mit Stellenvermittlung. - 8) Stellenvermittlung innerhalb seiner Branche besorgt auch der kaufmännische Verein. -
9) «Helvetia» am Reitweg, Sitz der «Cooperativa italiana». - 10) Das städtische Arbeitsamt mit Arbeitsvermittlung, Naturalverpflegung, Wohnungsvermittlung und Arbeitslosen - Fürsorge. In Winterthur haben ferner ihren Sitz der Schutzaufsichtsverein für entlassene Sträflinge und die Kommission für Kinderversorgung. Letztere wurde gegründet 1889. Sie besitzt in Räterschen eine eigene Anstalt für Erziehung verwahrloster Kinder. Seit Bestehen der Anstalt wurden bis 1906 versorgt 153 Kinder.
[J. Herter.]
Die Umgebung Winterthurs war schon zur Keltenzeit bewohnt; bis in die neueste Zeit wurden da Münzen, Waffen, Geräte und Geschirre aus der Bronzeperiode entdeckt. Auch der Name Vitudurum ist keltischen Ursprunges: vitu = Wald, tur = Wasser, also der «Ort am Waldwasser». Neuere Ableitung: die Feste des Vitu. Zur Römerzeit war Oberwinterthur (Vitudurum) ein Rast- und Verpflegungsort an der Hauptstrasse, welche von Bregenz nach Windisch führte. Die römische Niederlassung war mit einem Kastell bewehrt, das von den zum erstenmal einbrechenden Alemannen zerstört und im Jahre 294 unter Kaiser Diokletian wieder aufgebaut wurde.
Zahlreiche Funde geben Kunde, dass der Ort von besonderer Bedeutung war: Legionsziegel, Gräber, Steine von Handmühlen, ein Münzschatz, ein aus vielen Statuetten bestehender Depotfund auf dem nahen Lindberg u. s. w. Nach der alemannischen Ansiedelung gelangte der Ort vermöge seiner günstigen Lage neuerdings zu Bedeutung. Oberwinterthur, in den Urkunden Wintarduro (856), Ventertura (864) und Wintartura (886) genannt, war eine der ältesten Dingoder Malstätten des Landgerichtes im Thurgau.
In dieser Gegend herrschten die Grafen von Winterthur; sehr wahrscheinlich war die gewaltige megalithische Turmfeste Mörsburg, die jetzt noch im Gemeindebann Oberwinterthur liegt, ihr Wohnsitz. Nach der Petershauser Chronik waren die Grafen Liutfrid und Gebhard Söhne des Grafen Ulrich VI. von Bregenz. Liutfrid erhielt das predium Winterture (Oberwinterthur); Gebhard wurde Bischof von Konstanz und stiftete das Kloster Petershausen, das die Kirchen von Oberwinterthur und Wiesendangen erlangte.
Liutfrids Enkelin Adelheit vermählte sich mit dem Grafen Hartmann von Dillingen-Kiburg († 1121). So ging ein Teil des Besitztums der Grafen von Winterthur an die Grafen von Kiburg über. Im Jahr 1155 bestätigte Kaiser Friedrich I. der Domkirche in Konstanz sämtliche Besitzungen, darunter die Höfe und Kirchen in Winterthura (Oberwinterthur) und Wiesendangen. Von 1175-1218 kommen in Urkunden Herren von Wintirtura als Konstanzer Dienstmannen vor. Wie noch jetzt in Wiesendangen oder Hegi stand also in Oberwinterthur oder dessen nächster Umgebung ein fester Turm als Wohnsitz dieses niedern Konstanzer Adelsgeschlechtes.
Die fruchtbare Thalebene an der Eulach, zwischen Lind- und Eschenberg gelegen, war echtes Eigentum der Grafen von Kiburg. Da lebten als Bauern auf Höfen, Huben und Schuppissen Hörige, vielleicht auch Freie, und bildeten eine Hofgenossenschaft. Sie entrichteten ihren Herren, den Grafen von Kiburg, Hofstatt- und Grundzinse und leisteten Frondienste. Die Grafen hatten hier die niedere, mittlere und hohe Gerichtsbarkeit. Keller besorgten den Einzug der Gefälle, ein Meier verwaltete die niedern Gerichte.
Zum Schutz für die gesamte Niederlassung liess ein Kiburger Graf auf der jetzigen Hochwacht, einem gegen die Eulach steil abfallenden, südl. von Winterthur liegenden Vorsprung des Eschenberges, einen festen Turm erbauen, in dem Kiburger Dientsmannen wohnten, die Herren von Winterture. Es sind somit die Konstanzer und Kiburger Herren von Winterthur auseinander zu halten; möglich wäre es immerhin, dass sie dem gleichen Geschlecht entstammten. Daher kommt es auch, dass die Herren von Winterthur zahlreich und weit verbreitet sind.
Der Ort Niederwinterthur war nach Oberwinterthur pfarrgenössig, besass aber eine eigene Kapelle mit einem Hülfs- oder Untergeistlichen. Das kleine Bethaus hatte kein Pfarrecht, wohl aber eine besondere Kirchhöre mit eigenem Begräbnisplatz. Das Bestreben des Grafen Hartmann von Kiburg ging dahin, den kleinen Ort zu heben, ihn selbständig zu machen und kirchlich von Oberwinterthur loszutrennen. Nach langen Verhandlungen wurde am die Kapelle in Niederwinterthur zu einer Pfarr- oder Leutkirche erhoben.
Zum Schutzheiligen für das neue Gotteshaus wurde der h. Laurentius erkoren. Das Patronat und die Kollatur gehörten den Grafen von Kiburg; diese Rechte gingen durch Erbschaft an den Grafen Rudolf von Habsburg, von diesem an die Herzöge von Oesterreich und nach der Verpfändung Winterthurs an die Stadt Zürich über. Erst im Jahr 1482 erfolgte aber der vollständige Loskauf der. Tochterkirche: Winterthur entrichtete für die kirchliche Lostrennung der oberen und unteren Vorstadt, der Neustadt und der sechs Mühlen vor den Toren 840 Gulden.
Nach Rektor Troll, Winterthurs Geschichtsschreiber, soll der Ort schon 1180 vom Grafen Hartmann von Kiburg mit Mauern umgeben und zur Stadt erhoben worden sein. Mit Urkunden lässt sich diese Behauptung nicht erhärten. Dagegen darf man annehmen, dass der Ort das Marktrecht (jus fori) besass. Winterthur ist also nicht durch die Fundation eines geistlichen Stiftes entstanden, sondern ist eine Marktgründung. Aus dem Marktrecht entstand später das Stadtrecht. Die Strasse, welche den Hauptverkehr vermittelte und die jetzt noch den Namen Marktgasse führt, ging von W. nach O.; links und rechts derselben auf eine gewisse Distanz hin liess der Graf den Boden parzellieren und verlieh ihn gegen Zins an die sich ansiedelnden Kaufleute und Handwerker. Der Boden gehörte also dem Grafen, die Häuser aber waren Eigentum der Einwohner. Dass Winterthur
ums Jahr 1180 noch nicht eine mit Mauern und Türmen versehene und mit Gräben umgebene Stadt war, geht aus den Mitteilungen des Chronisten Laurenzius Bosshart hervor, der schreibt: «Im Jahre 1185 war eine Ueberschwemmung im „Dorfe“ Winterthur. Anno domini 1213 verbrann das „Dorf“ Winterthur.» Die Frage, wann Winterthur zum erstenmale ein geschriebenes Stadtrecht erhielt, kann nicht bestimmt beantwortet werden. Bekanntlich erhielt Winterthur am vom Grafen Rudolf von Habsburg ein geschriebenes Stadtrecht.
Dass aber der Ort schon früher, jedenfalls im Jahre 1230, eine Stadt war, geht aus einer Urkunde hervor, in welcher Graf Hartmann der Aeltere seiner Gemahlin Margaretha von Savoyen verschiedene Güter verschrieb; denn in derselben werden Schultheiss und Bürger (cives) von Winterthur genannt. Der erste Schultheiss hiess Heinrich von Winterthur und war ein Kiburger Dienstmann (1230-1246). Da die Grafen von Kiburg den Grund und Boden von Winterthur und Umgebung als echtes Allodium besassen, so gehörten ihnen als Grundherren Jagd, Fischerei (diese auch als Besitzer der hohen Gerichtsbarkeit), das Mühlerecht (jus molendinarum) und die Benutzung der gemeinen March (Allmend).
Ferner das Baurecht, das Stangenrecht, der Hofstattzins, der Grundzins, das Marktrecht, Bestimmung und Aufsicht über Mass und Gewicht, die niedere Gerichtsbarkeit u. s. w. Nach dem Kiburger Urbar von 1260 hatte das Schultheissenamt als durchschnittlichen, jährlichen Ertrag dieser Einkünfte die Summe von 74 Pfund abzuliefern. Graf Hartmann der Aeltere von Kiburg, der Herr der Stadt Winterthur, starb am Kurz vor seinem Tod empörten sich die Winterthurer, weil der alte, schwache Mann fast alle seine Güter, darunter auch Winterthur, der Kirche oder seiner Gemahlin Margarethe von Savoyen vermacht hatte. In seiner Not trat der Graf die Stadt seinem Neffen Rudolf von Habsburg ab, welcher den Aufstand dämpfte und die Einwohner durch einen neuen Stadtrechtsbrief und die Schenkung des Eschenberger Waldes besänftigte In den Fehden zwischen Rudolf und den Freiherren von Regensberg um das Kiburger Erbe wurde Winterthur am verbrannt. Um dem Ort aufzuhelfen, verlieh ihm König Rudolf einen neuen Stadtrechtsbrief mit sechs neuen Gnaden Kurze Zeit vorher hatte er die Statuten des vom Grafen Ulrich von Kiburg und seinen Söhnen um das Jahr 1225 gegründeten Chorherrenstiftes auf dem Heiligenberg bestätigt und erweitert.
Niederlage der Zürcher bei St. Georg am Feld bei Winterthur Das Sondersiechenhaus St. Georg am Feld stand schon im Jahre 1287. Ein Teil der Stadtbefestigung bestand damals noch aus Holzwerk. Um diesem Uebelstand abzuhelfen und weil der Ort für die Herrschaft Oesterreich eine bedeutende Schuldenlast übernommen hatte, befreite Herzog Albrecht Winterthur für sechs Jahre von jeder Steuer König geworden, erneuerte er den Bürgern alle Freiheiten und Gnaden, die sie von seinem Vater erlangt hatten
Nach der Ermordung des Königs Albrecht kam sein Sohn Herzog Leopold von Oesterreich nach Winterthur und bestätigte für sich und seine Brüder der Stadt alle Rechte und Freiheiten, die sie von seinem Grossvater Rudolf und von seinem Vater erhalten hatte, den Gehorsam und die guten Dienste der Bürger mit Lob anerkennend Zum Dank dafür nahmen die Winterthurer an der Blutrache teil und halfen ihm die Festen Wart und Multberg zerstören. Mehrmals war Winterthur durch Feuer teilweise oder ganz verwüstet worden: 1213, 1244, 1248, 1288, 1313. Rudolf von Trostberg, österreichischer Vogt zu Kiburg, setzte deshalb mit den Räten und der Bürgerschaft eine Ordnung fest, wie in Zukunft die Häuser gebaut werden müssten und Herzog Leopold genehmigte die neue Bauordnung.
König Friedrich der Schöne von Oesterreich bestätigte Winterthur alle Rechte und Freiheiten dafür übernahm der Ort schwere österreichische Schulden. Ebenso beteiligte sich die Bürgerschaft am Kampf am Morgarten. Voll Trauer um den grossen Verlust, kehrte der Herzog Leopold nach Winterthur zurück, wo ihm der Chronist Johannes von Winterthur (Vitoduran), damals ein Schulknabe, mit andern ältern Schülern vor dem Untertor entgegenlief. Es gab also damals schon eine Schule in Winterthur. Da der Herrschaft Oesterreich der Blutbann gehörte, musste sie mehrmals in das hohe Gerichtswesen Winterthurs eingreifen. Mit Gunst und Willen des österreichischen Landvogtes Eberhard von Eppenstein erweiterten Schultheiss, Rat und alle Bürger das Stadtrecht, indem sie ihm neue Bestimmungen über das Gerichtswesen hinzufügten.
Es war eine wilde, aufgeregte Zeit. Ein heftiger Zwist ergriff die Bürgerschaft, von der eine Partei auswanderte; die Aeusseren befehdeten die Innern; ein Bürger wurde totgeschlagen, in Häuser Feuer gelegt, das Schloss Wellenberg überfallen. Damit die Herrschaft Oesterreich nicht grösseren Schaden erleide, diktierte die Königin Agnes in Königsfelden die Schlichtung und Sühnung des Streites In jener Zeit hatte Zürich mit den Freiherren von Tengen und Schaffhausen eine Fehde, in die auch Winterthur gezogen wurde, so dass auf beiden Seiten manche Kriegsknechte ums Leben kamen.
Bürgermeister Rudolf Brun, Räte und Bürger von Zürich beauftragten nun den Hermann von Landenberg, Hauptmann der Herzöge von Oesterreich im Thurgau und Aargau, zwischen den beiden Orten eine Richtung vorzunehmen 1340 wurden die drei Türme Untertor, Obertor und Schmidtor gebaut; 1349 herrschte die Pest, worauf man am Brühl die Juden verbrannte. Winterthur musste an den Belagerungen Zürichs durch Oesterreich teilnehmen. Wegen Nachlässigkeit des Wächters verbrannte der alte Kirchturm der Stadt 1361. In der Schlacht bei Sempach erlitt Winterthur keine Verluste. Im Kampf bei Näfels verlor es 70-80 Mann und das Panner; zu seinen Ungunsten verliefen auch die Gefechte bei Gfenn und am Zürichberg gegen die Zürcher.
Wie andre österreichische Städte unsres Landes musste Winterthur beitragen, die Schulden der Herrschaft zu tragen. Um den Ort bei opferfreudigem Willen zu erhalten, kam Herzog Leopold IV. mehrmals hierher; er verlegte das thurgauische Landgericht 1396 nach Winterthur, bestätigte die Rechte und Freiheiten 1397 und erteilte dem Orte 1400 das Recht, die kleinen Bussen zu behalten und zum Nutzen der Stadt und deren Befestigung zu verwenden. Bald darauf wurden abermals 25 Juden verbrannt (1401). In der Schlacht am Stoss kamen 95 Mann von Winterthur ums Leben, unter ihnen der Schultheiss Lorenz von Sal der Aeltere; der Rest wurde gefangen genommen. Da die Appenzeller und Schwyzer Elgg und Kiburg besetzten, kam Winterthur in grosse Gefahr und Not und schloss deshalb mit Zürich am ein ewiges Burgrecht.
Weil der frühere Schultheiss Götz Schultheiss unter dem Schopf zu dieser Verbindung wesentlich beigetragen hatte, nahm ihn der österreichische Landvogt im Frühjahr 1408 gefangen und liess ihn bei Andelfingen in der Thur ertränken. Zur Zeit des Konzils in Konstanz nahm ein Reichsheer dem Herzog Friedrich IV. von Oesterreich die Stadt Winterthur und andre österreichische Orte weg. König Sigismund bestätigte Winterthur alle frühern Rechte und Freiheiten, erhob den Ort zu einer Reichsstadt und gelobte, sie nie vom Reiche zu versetzen oder zu verpfänden Um die Stadt noch mehr an sich zu ketten, verlieh er ihr alle Rechte und Nutzungen der hohen und niedern Gerichte und gab dem Schultheissen den Bann, über das Blut zu richten, und den Bürgern das Recht, alle österreichischen Pfandschaften auf Zoll, Hofstattgeld, Tavernenrecht, Markt und Gartenzinse abzulösen Als nach der ersten Aussöhnung zwischen König und Herzog die Eidgenossen das Eroberte zurückgeben sollten, weigerten sie sich dessen mit dem Vorwand, Winterthur habe mitten im Frieden einen Raubzug ins Zürcher Gebiet unternommen und dabei am Greifensee drei Dörfer verbrannt. Nach der zweiten Versöhnung kehrte Winterthur nicht unter die österreichische Herrschaft zurück, sondern blieb Reichsstadt Dadurch wurde sie von der Grafschaft Kiburg eximiert. Für den Ort begann eine Zeit des Aufblühens und der teilweisen Befreiung von österreichischer Schuldenlast: hiezu wurden in Bern 5150 Gulden entlehnt.