mehr
rundlichen Bergrücken, die eine bei Ardon, die andere in der Umgebung von Bex.
Zwischen den Diablerets und der Rhone, oder genauer in dem von den beiden zuletzt genannten Zweigketten und dem Rhonelauf zwischen Ardon und Bex begrenzten Viereck verliert die Wildhorngruppe die bisherige Einfachheit der orographischen Gliederung und löst sich in ein Gewirre von Bergketten auf. Immerhin verlaufen die höchsten Ketten deutlich in der allgemeinen Streichrichtung der Gebirgsgruppe von SW. nach NO. Die wichtigste reicht vom Pas de Cheville (2041 m), der sie von den Diablerets scheidet und das Val de Triqueut mit dem Thal des Avançon verbindet, bis zur Dent de Morcles und umfasst eine Reihe von felsigen oder mit Gletschern zweiter Ordnung bedeckten Gipfeln, die durch wenig tiefe Sättel voneinander getrennt sind: den Roc Percé de Derbon (2590 m), die Pierre Cabotz (2741 m), die Tête à Pierre Grept (2906 m), den Pacheu (2803 m), den Grand Muveran (3055 m), den höchsten Gipfel des Gebietes zwischen den Diablerets und der Rhone, den Petit Muveran (2815 m), die Pointe d'Aufallaz (2730 m), die Dent Favre (2921 m), die Tête Noire (2880 m) und endlich die Dents de Morcles (2934 und 2973 m). Obschon diese Kette mit der Linie Wildstrubel-Diablerets einen schiefen Winkel bildet, liegt sie doch in der allgemeinen Richtung der Gebirgsfaltung und kann als die Verlängerung des Hauptkammes der Gebirgsgruppe betrachtet werden.
Vom Grand Muveran zweigt nach O. ein Felsrücken ab, welcher die Dent de Chamosenze (2727 m) und den Zeriet oder Tseriet (2752 m) trägt und mit der kahlen Pyramide des Haut de Cry (2972 m) endigt. Von diesem Gipfel gehen zwei andere Gräte aus: derjenige des Montapeirond (2671 m), der am Montacavoère (2618 m) endigt und über den Grat von Verouet gegen die Weiden und den See von Derborence herabsinkt, ferner derjenige der Tête de Versan (etwa 2700 m), der rasch bis zum Signal du Gruz (688 m) bei Ardon absteigt.
Diese beiden Ketten begrenzen im W. das Thal von Triqueut. Die zwischen dem Grand Muveran und der Dent de Morcles liegenden Gipfel senden auch gegen SO. Felskämme aus: die Dent Favre, die Grande Garde (2144 m); die Tête Noire den Grand Chavalard (2903 m); die Dent de Morcles, den Pic du Diabley (2472 m), die Tête du Portail de Fully (2336 m) und den Six Carro (2095 m). Eine weniger bedeutende, in der Mitte durch den Wildbach Avançon des Plans tief eingeschnittene Abzweigung, läuft parallel zur Kette des Muveran und erstreckt sich ebenfalls vom Pas de Cheville bis zur Dent de Morcles; ihre nennenswerten Gipfel sind die Argentine (2423), die Pointes des Savolayres (2298 m) und die Pointe des Martinets (2650 m). Diese Kette der Argentine wird von der Muverankette, deren Abzweigung sie ist, durch die Erosionsthäler des Avançon de Nant und des Avançon de Richard getrennt. Zum Schlusse erwähnen wir noch eine Reihe von teils begrasten, teils felsigen Gipfeln, unter denen der Chamossaire (2116 m) der höchste ist. Sie erstrecken sich von SW. nach NO. und bilden mit ihren Verzweigungen den nordwestlichen, zwischen der Kette des Culand und dem Thal der Grande Eau liegenden Teil der Wildhorngruppe.
Vom touristischen Standpunkt aus bietet die Wildhorngruppe gewiss weniger Interesse als die Finsteraarhorngruppe, deren Fortsetzung sie ist; immerhin ziehen der Wildstrubel, das Wildhorn, die Diablerets, sowie die Kette des Muveran zahlreiche Alpinisten an. Die Besteigungen werden durch die Schutzhütten erleichtert, die in allen diesen Berggruppen teils vom Schweizer Alpenklub, teils von Privaten errichtet worden sind; die beiden Wildstrubelhütten (2900 und 2794 m), die Wildhornhütte (2303 m) und die Ramberthütte (2526 m) an der Frête de Sailles zwischen dem Grossen und dem Kleinen Muveran, ferner die 1904 am Fusse des Glacier du Sex Rouge erbaute Diableretshütte, die wie die am Nordabhang der Diablerets auf dem Plateau von Pierredar liegende Pierredarhütte (2250 m) ihre Entstehung der Privatinitiative verdankt.
Aehnliche Dienste leisten auch mehrere im Gebirge liegende Hotels, wie die am Gemmiweg sich befindlichen Hotels Schwarenbach (2067 m) und Wildstrubel (2329 m), das Hotel von Zanfleuron (2064 m) am Sanetsch, das Gasthaus von Iffigen (1601 m) am N.-Abhang der Wildstrubelgruppe und dasjenige auf dem Col du Pillon. Ueberdies stehen dem Touristen in vielen Ortschaften der Wildhorngruppe, so in Adelboden, Kandersteg, in der Lenk, in Lauenen, Gsteig, Les Ormonts, Les Plans de Frenières etc. erfahrene Bergführer zur Verfügung.
[Dr Émile André.]
Geologie.
Die Wildhorngruppe liegt im Gebiet der Kalkalpen und wird ganz aus Sedimentgesteinen aufgebaut, die dem Karbon, der Trias, dem Jura, der Kreide und dem Tertiär angehören. Das Quartär wird grösstenteils durch die alluvialen Ablagerungen vertreten, welche die Sohle des Rhonethales und einiger Seitenthäler bedecken oder Depressionen ausfüllen, in denen einst Seen lagen. Sehr verbreitet sind auch Bergsturzablagerungen. Ihre Schuttkegel fehlen fast nie am Fuss der Steilhänge und bilden einen Charakterzug im Landschaftsbild des Kalkgebirges.
Wir erwähnen hier besonders den gewaltigen, vom S.-Abhang des Wildstrubel niedergegangenen Bergsturz von Siders (vergl. den Art. Siders). Noch ältere Bildungen sind die Glazialablagerungen, die indessen keinen grossen Einfluss auf die orographische Gestaltung dieses Gebietes ausüben. Da der Rückzug der Gletscher in ihre heutigen Grenzen sich sehr rasch vollzog, findet man in dieser Hochgebirgskette nur wenig bedeutende Moränen von glazialen Zwischenstadien. Vor den jetzigen Gletschern liegen hingegen regelmässig mehr oder weniger ausgedehnte Moränenwälle aus jüngere Zeit; ebenso an Stellen wo einstige kleinere Gletscher vorhanden waren.
Die Felsschichten, welche die Wildhorngruppe aufbauen und durch deren Dislokation ihr Relief geschaffen worden ist, sind folgende:
Tertiärformation. Flysch; schiefrige oder sandige, leicht verwitternde Gesteine. - Stellenweise kommen grünliche Sandsteine, sog. Taveyannazsandsteine vor, die ihre Entstehung z. T. einem vulkanischen Tuff verdanken. - Die Nummulitenbildung, bestehend aus Kalken, Schiefern und sandsteinartigen Gesteinen, oft ausgezeichnet durch massenhafte Nummuliten, Orbitolinen und Kalkalgen (Lithothamnien).
Kreide. Die obere und mittlere Kreide sind nur ¶
mehr
stellenweise ausgebildet, teils in Form von Kalken und Schiefern (Senon und Zenoman), teils als fossilreiche Sandsteine (Gault), welche das Albien repräsentieren. Das Urgon nimmt in der Gipfelregion der Kette einen grossen Raum ein; es zeichnet sich durch seine kompakte Beschaffenheit aus und bildet daher steile Abstürze, die sich oft auf grosse Länge dahinziehen. - Unter diesen Steilwänden erscheint das Neokom, das Hauterivien und Valangien umfasst und seiner teils mergeligkalkigen, teils schiefrigen Gesteine wegen weniger steile Böschungen bildet, die wegen der bedeutenden Mächtigkeit dieser Formation oft sehr ausgedehnt sind. Im Gebiet der Gemmi ist der obere Teil des Valangien kalkig ausgebildet.
Jura. Neben dem Urgon spielt der obere Jura oder Malm in der Orographie unserer Gruppe die wichtigste Rolle. Seine Schichten treten jedoch wie die darunter liegenden Gesteine nur selten in den gleichen Gebieten der Kette zu Tage wie das Neokom. Während letzteres auf die Gipfelregion und den N.-Abhang der Kette beschränkt ist, muss man die Juraformation auf ihrer S.-Abdachung suchen. Neben dem Malm, der den stärksten Einfluss auf das Relief ausübt, weil er oft eine Schichtfolge von mehrern hundert Metern darstellt, sind noch die Argovien- und Divesienschiefer (Oxfordien) vertreten, welche mit dem darunter liegenden, aus dunkeln schiefrigen Kalken bestehenden Dogger sanfter geneigte Abhänge aufbauen. - Der Lias oder untere Jura besteht zum Teil aus widerstandsfähigen Kalken, im obern Teil jedoch aus einem mächtigen Komplex von leicht verwitternden Schiefern.
Die Trias setzt sich aus mergeligen Kalken des Rhät, roten und grünen Schiefern, dolomitischen, oft brecciösen und zersetzten Kalken (Rauhwacke) und aus Gips oder Anhydrit zusammen. Diese Gesteine spielen jedoch nur eine untergeordnete Rolle im Gebirgsrelief und treten bloss auf der S.-Seite der Kette in Form von schmalen Bändern zu Tage. Am W.-Ende der Gruppe, im Gebiet von Outre Rhône, finden wir noch das Karbon, repräsentiert durch Schiefer und Konglomerate, das Perm in Form von roten Konglomeraten u. Schiefern, und endlich treten dort auch noch kristalline Schiefer zu Tage.
Die geschilderten Sedimente von der Trias an aufwärts bilden mehrere weit übereinandergreifende und zum Teil sich völlig überdeckende Ueberfaltungsdecken. Diese Struktur gibt der Wildhorngruppe das Aussehen eines grossen, breiten Gewölbes, das mit dem einen Fuss im Rhonethal, mit dem andern auf dem Rand der «Sattelzone» aufruht, welche sie von den Präalpen des Saane- und Simmengebietes trennt.
Die Artikel Wallis und Waadt enthalten bereits eine zusammenfassende orographische und geologische Beschreibung dieses Grenzgebietes zwischen Bern, Wallis und Waadt; wir verweisen darum den Leser für einen Teil der Angaben und der geologischen Profile auf jene Artikel.
Als Ausgangspunkt für das Studium der Tektonik unserer Gebirgsgruppe eignet sich am besten die zwischen dem Rhonethal und dem Pas de Cheville liegende Gruppe der Dents de Morcles. Sie ist die Fortsetzung des hohen Kammes der Dents du Midi und lässt ihre geologische Struktur aufs schönste auf dem natürlichen Durchschnitte erkennen, den das Rhonethal geschaffen hat. Die Dent de Morcles ist aus Neokomschichten aufgebaut, die auf den Flysch hinübergelegt sind und sich auf das Ende des kristallinen Massivs der Aiguilles Rouges stützen, das hier unter den Sedimentmantel untertaucht.
Die Juraschichten des normalen Schenkels der Falte haben nur geringe Mächtigkeit und bauen mit einer an ihrer Basis liegenden Rauhwackebank die Wand von Bellacrêtaz auf. Die das W.-Ende der Wildhorngruppe bildenden, im Rhoneknie auftretenden kristallinen Gesteine umfassen auch das ebenfalls untertauchende Ende des Montblancmassivs und den Arpille-Zweig des Massivs der Aiguilles Bouges. Zwischen den drei Gneiszonen liegen ziemlich mächtige Karbonschichten in Form von Sandsteinen, grauen Konglomeraten (Valorcinekonglomerat) und Schiefern, sowie Perm in Gestalt eines von roten Schiefern begleiteten Konglomerates (siehe den Artikel Dents de Morcles).
Schon im mittleren Teil dieser Gruppe sieht man in prachtvoller Weise die so charakteristische Struktur, die wir bis zur Gemmi überall wiederfinden werden. Im N. erheben sich in der Umgebung von Bex die Jura- und Kreideschichten bis in eine Höhe von rund 2000 m als normale Decke der kristallinen Grundlage und stellen das wenig intensiv gefaltete sog. autochthone Gebirge dar. Darüber legt sich auf eine Breite von mehr als 10 km die Ueberfaltungsdecke der Dent de Morcles. In ihrer Stirnregion zeigt sie eine sehr auffällige Abzweigung, welche den Grat der Argentine aufbaut.
Der Grat der Savolayres ist ein durch die Erosion von der Wurzel abgetrennter Lappen dieser Ueberfaltungsdecke; er ruht frei auf dem Flysch, der den Grund des Hochthales von Nant und Les Martinets aufbaut. Ein anderer, kleinerer Lappen der Dent de Morcles-Decke ist die Pointe des Perrisblancs. Infolge der Erosion, welche die Kreide in den höchsten Teilen des Gebietes abgetragen hat, erscheinen die Juraschichten auf das dreieckförmige Gebiet eingeschränkt, das zwischen dem Grand Chavalard, dem Kamm des Grand Muveran, dem Grat des Haut de Cry und dem Rhonethal liegt.
Diese Schichten sind deutlich dem verkehrt liegenden Neokom aufgelagert, das die Fortsetzung desjenigen des Dent de Morcles-Kammes bildet. Letzteres erscheint wieder, diesmal jedoch über dem Jura, auf dem Kamm des Haut de Cry und bedeckt den ganzen Ostabhang desselben bis hinunter in die Sohle der Lizerneschlucht. Der ganze Hochgebirgskamm, der sich wie eine Mauer auf der Grenze von Wallis und Waadt erhebt und die Gipfel der Dent Favre, Muveran, Pacheu bis zur Tête à Pierre Grept umfasst, besteht aus Juraschichten.
Die durch die Erosion zerschnittenen kompakten Bänke des obern Malm bilden ihre aufragenden Zacken, die von N. wie von S. gesehen durch die Kühnheit ihrer Formen auffallen, oder auch gewaltige Steilabstürze, wie denjenigen des Haut de Cry. Das geologische Profil durch dieses Gebiet zeigt deutlich, wie die Gesamtheit der Schichten ein einfaches Gewölbe zu bilden scheint; in Wirklichkeit aber ist die Schichtfolge doppelt und gehört einer lang ausgezogenen und über das Tertiär seiner N.-Seite hinübergelegten Falte an. Diese Deckfalte sitzt in der Nähe des Rhonethals zwischen Bex und Martinach sehr hoch auf den kristallinen Gesteinen; die ganze Juraformation fehlt hier, weil sie durch die Erosion abgetragen worden ist. In dem Masse jedoch, wie die kristalline Grundlage einsinkt, beginnen die obern Teile der Deckfalte, die ebenfalls ostwärts sich senkt, über ihrem Mittelschenkel zu erscheinen, der am Grat der Dent de Morcles noch allein vorhanden ist, und man sieht das Tertiär den N.-Rand bogenförmig umsäumen und in die Einsenkung des Pas de Cheville hineinbiegen.
Diese Abgrenzung der Dent de Morcles-Gruppe wegen diejenige der Diablerets hat also eine klare tektonische Ursache; sie fällt auf die Stelle, wo die Ueberschiebungsfläche einer neuen Ueberfaltungsdecke, der Diableretsdecke, ausstreicht, die sich über die in die Tiefe sinkende Morcles-Decke hinüberlegt. Diese neue Falte taucht am N.-Rand des Rhonethales auf; das Val Triqueut folgt der Berührungslinie der beiden Falten auf der Seite ihrer Wurzel, während das Thal des Avançon d'Anzeindaz ihre Stirnregion umschliesst. So erscheint das Massiv der Dent de Morcles als eine aufs klarste umgrenzte Gebirgsgruppe. Diese Tatsache ist ebenso eine Folge der Erosionsarbeit, die in ihre Abhänge nach allen Richtungen verlaufende Schluchten und Thäler eingeschnitten hat, während die Rhone, die Lizerne und der Avançon ihren Fuss als mächtige Sammelkanäle umsäumen.
Die Berührungslinie der beiden Ueberfaltungsdecken der Dent de Morcles und der Diablerets ist noch durch das Auftreten eines grossen Lappens von Neokom ausgezeichnet, dessen Fazies den in helvetischer Fazies ausgebildeten Hochalpen fremd ist. Er ist zwischen die beiden Decken längs des Avençonthales bis in die Nähe von Derborence jenseits des Pas de Cheville eingeschaltet. Es ist eine gewaltige präalpine Neokomschuppe, die buchstäblich zwischen die beiden Deckfalten eingeklemmt und mehr als 5 km weit von der Diableretsdecke überlagert ist. Man sieht also, dass die durch das Thal der Lizerne, den Pas de Cheville und das Thal von Triqueut gebildete Einsenkung durch tektonische Ursachen bedingt ist.
In dem zwischen den Diablerets und dem Sanetschpass liegenden Gebirgsabschnitt, wo eine dritte Ueberfaltungsdecke, diejenige des Wildhorn-Wildstrubel erscheint und ¶