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müssen, wenn die Bürgergüter nicht hinreichen. Die Erstverpflichteten sind die Verwandten der Dürftigen oder Gebrechlichen, bis zum achten Glied einschliesslich. Die Gemeinde und der Staat bestimmen den Anteil und Betrag ihrer Leistungen. Andrerseits fundiert und unterstützt der Staat diese Einrichtungen in einem gewissen Masse. Ausser den allbekannten Hospizen auf dem Grossen St. Bernhard und dem Simplon besass und besitzt der Kanton Wallis noch eine Anzahl Spitäler oder Hospize, deren Wirksamkeit sich seit längst vergangener Zeit wenig geändert hat und die von ihren Einkünften leben, ohne dass dieselben merklich zunähmen. Die einen stehen unter geistlicher Verwaltung, andere unter der der Gemeinden. Es sind, um nur diejenigen aufzuzählen, die heutzutage existieren:
Der Spital in Monthey, gegründet 1384;
der St. Jakobsspital in Saint Maurice, von Konrad dem Friedlichen gegründet, um Pilger aufzunehmen;
der Spital von Martinach aus dem 12. oder 13 Jahrhundert;
der von Sembrancher, dessen Gebäude heute als Landjägerposten und Schule dient, obschon die Stiftung noch werktätig ist (aus der gleichen Zeit);
die Spitäler von Plan Conthey, Leuk, Visp und St. Anton in Brig.
Aber alle diese Institute, die vorzugsweise von Zinserträgnissen leben, sind hauptsächlich zur Verpflegung der Reisenden und zur Hilfeleistung bei Unglücksfällen bestimmt. Einzig der Spital St. Johann in Sitten konnte sich dank den genügenden Hilfsquellen, die in der Ausbeutung landwirtschaftlicher Betriebe und im Verkauf seiner Weine bestehen, annähernd nach den Bedürfnissen der Zeiten umgestalten. Obschon er Eigentum der Bürgerschaft von Sitten ist, wird er doch von einem geistlichen Direktor verwaltet, der zugleich Anstaltspfarrer ist.
Die Verpflegung kommt einen Bürger täglich auf Fr. 1.50, einen Nicht-Bürger auf Fr. 3 zu stehen; für mittellose Leute verhandelt die Direktion mit der Heimatgemeinde. Durchreisende werden gespiesen und nötigenfalls eine Nacht beherbergt. Ein Arzt ist für den Dienst in diesem weitläufigen Etablissement angestellt, der beinahe zu einem Kantonsspital genügen würde, wenn die Frage auftauchte, es in diesem Sinne umzuwandeln. Im Jahr 1903 hat der ehemalige Amtsherr Brunner eine Summe von Fr. 50000 zu diesem Zwecke hinterlassen.
Den neuen Bedürfnissen gemäss ist übrigens das Wallis auf dem Wege, sein ganzes Verpflegungssystem zu ändern. Seit 1900 besitzt es in Saint Maurice die Klinik Saint Amé, eine geistliche Stiftung, die sich aus Gaben und Geschenken erhält. Im Januar 1908 ist ein Kreiskrankenhaus in Brig eröffnet worden; eine gleiche Anstalt ist in Martinach im Bau begriffen. Seit 1902 ist in Monthey ein Fonds angelegt worden zum Zweck der Gründung eines Bezirkskrankenhauses; die bis jetzt zusammengebrachten Summen sichern die Ausführung des Werkes.
Erwähnen wir noch das Asyl Malévoz bei Monthey, das 1900 auf die Initiative des Dr. Repond von Freiburg eröffnet wurde und der Behandlung Geisteskranker dient; es nimmt die Kranken aus dem Kanton zu besondern Bedingungen auf, kraft eines Übereinkommens zwischen dem Staat und dem Gründer. Ferner die Armenbäder von Leuk, die Waisenanstalt Sainte Marie zu Vérolliez bei Saint Maurice, die Mädchen- und Knaben-Waisenhäuser in Sitten, ein Altjungfernasyl zu Sitten und ein Asyl für Greise in Siders.
22. Geschichtlicher Ueberblick.
Nach Polybius, der zwischen 210 und 205 v. Chr. geboren ist, verkauften Kelten, die aus dem obern Thal der Rhone heruntergekommen waren, ihre Dienste den Römern, um andere Kelten in der Poebene zu bekämpfen. Zahlreiche Entdeckungen von Gräbern und andern Gegenständen, über welche Bernoulli von Basel und B. Reber von Genf im Anzeiger für Schweizer. Altertumskunde und im Journal de Genève ausführliche Berichte veröffentlicht haben, beweisen die Besiedelung des Landes durch diese Völkerschaften.
Elisée Reclus verlegt diese Besitznahme bis ins Bronzezeitalter oder in die Eisenzeit zurück; die eindringenden Kelten hätten die Pfahlhauer mittels schneidender Waffen ausgerottet. Andrerseits wurde dargetan, dass der Übergang über den Mons Jovis oder Mons Penninus (den Grossen St. Bernhard) lange vor unserer Aera benützt wurde. Titus Livius berichtet, dass die Bojer und Lingonen, die sich 390 vor Chr. in Etrurien niederlassen wollten, dem Pfade folgten, der diesen Engpass durchzieht.
Andere Züge fanden seit dieser Zeit zu wiederholten Malen über den gleichen Übergang statt. Im Jahr 54 v. Chr. sandte Caesar den Galba nach Octodurum, um den Erpressungen der Völkerschaften in den Thälern der Rhone und der Dranse ein Ende zu machen, die Reisende und Kaufleute brandschatzten. Dieser Völkerschaften waren vier: die Viberer (Visp), die Seduner (Sitten), die Veragrer (Martinach) und die Nantuaten (von Saint Maurice bis Villeneuve). Obschon voneinander unabhängig, waren sie doch schon durch das Band eines entstehenden Bundes verknüpft.
Durch die Niederlage von Octodurum fielen die Bewohner des Rhonethales unter die römische Herrschaft; dieser Ort wurde die Hauptstadt des penninischen Landes. Nachdem dieses bis zu Marcus Aurelius einen Teil Rätiens ausgemacht hatte, bildete es mit den Savoyeralpen und dem Dauphiné (Tarentaise) die siebente Provinz von Vienne. Diese römische Halbprovinz der Penninischen Alpen umschloss, wie das Bistum Sitten im Mittelalter, nicht bloss den ganzen obern, von natürlichen Grenzen eingerahmten Thalkessel der Rhone, sondern auch das Pays d'Enhaut und das Greierzerland.
Nach Marius Besson soll ihre Nordostgrenze unterhalb Moudon vorbeigezogen sein und das N.-Ufer des Genfersees zwischen Lausanne und Vevey erreicht haben. Ohne gewisse Ueberlieferungen zu berücksichtigen, nach denen das Christentum schon zu Lebzeiten der Apostel im. Wallis eingeführt worden wäre, kann man behaupten, dass es da seit dem 3. Jahrhundert auftauchte. Nach dem Verfall von Octodurum, der schnell auf den Untergang des weströmischen Reiches und die Einfälle der Barbaren folgte, gelangte das Gebiet des Wallis unter burgundische Herrschaft.
Aus der römischen Hauptstadt ging der Bischofsstab in die Hauptstadt des Feudalstaates, Sitten, über. Um die selbe Zeit war zu Saint Maurice, auf dem Totenfeld der thebäischen Legion, eine neue Lehensherrschaft entstanden. Seit dem Beginn des 6. Jahrhunderts nahm nämlich das Kloster zu Agaunum dank den Gaben und Geschenken des burgundischen Königs Sigismund einen gewaltigen Aufschwung. Nachdem er dem Arianismus abgeschworen, liess dieser Fürst die Abtei vergrössern und verschönern; er stattete sie mit unermesslichen Besitzungen aus, nicht bloss im Rhonethal, sondern bis in die Franche Comté hinein. Vier und ein halbes Jahrhundert später (999) beschenkte Rudolf III., der letzte König des transjuranischen Burgund, das Bistum mit der Grafschaft Wallis. Dieser Akt ¶
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bemerkt Heusler, ist die Hauptgrundlage, auf der die Bischöfe von Sitten ihre weltliche Macht aufbauten; in der Folge war er der Ausgangspunkt der Entwicklung, dem der Freistaat Wallis entsprosste. Die Grafschaft Wallis und die Kirche von Sitten, fügt V. van Berchem hinzu, hatten ursprünglich die gleiche Ausdehnung; das war aber zur Zeit der Schenkung Rudolfs nicht mehr so. Während die Diözese, welche die Grenzen der alten civitas unversehrt bewahrte, sich von den Quellen der Rhone bis an den Genfersee erstreckte, begriff die Grafschaft nur noch den untern Teil des Thales bis zum Flusse Trient in sich.
Die Ansprüche des Bistums auf das Territorium der heutigen Bezirke Saint Maurice und Monthey reichen in der Tat nicht über 1475 zurück. So blieben während der ganzen Feudalzeit und selbst bis zur französischen Revolution die Abtei Saint Maurice und das Bistum die beiden hauptsächlichsten Herrschaften des Landes. Infolge der Immunität der Abtei bildeten ihre Ländereien zahlreiche Inseln, die der Verwaltung des Grafen-Bischofs mehr oder weniger vollständig entzogen waren.
Ueberdies stützten sich diese beiden Verwaltungen, deren Besitzungen sich gegenseitig derart durchdrangen, dass sie zwei fortwährende Rivalen werden mussten, auf zwei einander nicht minder feindliche Oberlehensherren. Indem das Bistum, das behauptete, der Erbe der königlichen Rechte Karls des Grossen zu sein, sich dem Reiche anschloss, begünstigte die auf ihre Freiheiten eifersüchtig wachende Abtei die Unternehmungen der Grafen von Savoyen, von denen man sagen kann, dass ihre Intriguen und Kämpfe, die die Unterjochung des Wallis zum Ziele hatten, den Grundzug der Geschichte dieses Landes während der zweiten Hälfte des Mittelalters bilden. In der Beharrlichkeit dieser Feindseligkeiten muss man sogar mehr als im Unterschied der Sprache oder Rasse die Quelle der jahrhundertelangen Gegnerschaft suchen, die zwischen den Wallisern der östlichen und der westlichen Bezirke zu Tage getreten ist.
Die Rechte des Hauses Savoyen im Rhonethal entsprangen hauptsächlich drei Quellen:
1) Aus der Oberlehnsherrschaft über die Grafschaft Chablais, 2) aus der Kastvogtei über Saint Maurice und 3) aus dem Besitz beträchtlicher Allodialgüter im Gebiet der Walliser Grafschaft selbst. In der Tat war die Kastvogtei von Saint Maurice die Grundlage der savoyischen Herrschaft über die Thäler von Bagnes und Nendaz, sowie über das Gebiet von Conthey-Vétroz. Die Rechte des selben Klosters auf die entferntern Gebiete von Leuk und Naters dienten den Grafen gleichfalls zur Unterstützung ihrer Ansprüche im obern Wallis. Und als gar der Bischof Aymon von Savoyen seinem Kapitel die Güter schenkte, die er von seinem Oheim Ulrich in Orsières, in Saillon, in Ayent, im Eringerthal und in Grengiols geerbt hatte, stiessen für den Augenblick die Ansprüche Savoyens mit denen des Bistums bis mitten ins Binnenthal hinauf zusammen.
Immerhin blieb die Kirche von Sitten noch der Hauptgrundbesitzer in ihrer Grafschaft. Dieses Besitztum zu vermehren und zugleich den Unternehmungen Savoyens Widerstand zu leisten, war im Verlaufe des 11., 12. und 13. Jahrhunderts ihr einziges Augenmerk. Darum sehen wir auch, wie sie seit dem 13. Jahrhundert über ein nahezu geschlossenes Gebiet herrscht und in den wichtigsten Ortschaften, die von der Rhonequelle bis zum Trient aneinandergereiht sind, bischöfliche Meier, Vitztume und Schlossherren einsetzt.
Wir haben bereits gesehen, wie sich um diese Kernpunkte die regionalen Gruppen bildeten, aus denen dann die Zehnten entstanden. Damit beginnt aber auch die Aera der Befreiung des Volkes; der geographische Aufbau des Landes erscheint für die Entfaltung kommunalen Geistes zu günstig, als dass dieser gezaudert hätte, hervorzubrechen. Mehr als vielleicht irgend anderswo wird jedoch leider diese Emanzipation hier erst vollständig nach jahrhundertelangen innern Wirren und äussern Kriegen, deren Nachwehen sich noch bis mitten ins 19. Jahrhundert hinein fühlbar machen.
Auf die Kriege zwischen den Oberherren folgen die innern Streitigkeiten, dann die von Bürgern wider Bürger. Die Schenkung der Grafschaft Wallis an die Kirche von Sitten hatte diese unter die kaiserliche Oberhoheit gestellt. Aber als der Kaiser Friedrich I. über Burgund zu Gunsten seiner Söhne verfügte und dabei zugleich, der Form nach, Berthold IV. von Zähringen die Schirmvogtei über die drei romanischen Bistümer beliess, brachen die Eifersüchteleien aus, hauptsächlich als Berthold seine letzten Rechte auf die Schirmvogtei von Sitten dem Grafen Humbert III. von Savoyen abgetreten hatte.
Fünfmal musste Berthold V. bewaffnet ins Rhonethal ziehen und fünfmal musste er unverrichteter Dinge zurück; endlich wurde er von den Wallisern bei Ulrichen (1212) endgiltig aufs Haupt geschlagen. Diese Niederlage und die Schwächung der kaiserlichen Macht konnten die Ansprüche des Hauses Savoyen nur verstärken, das noch während zweihundert und fünfzig Jahren sich bemühte, auf die bischöflichen Besitzungen und Rechte überzugreifen. Der Zwist wurde von zwei mächtigen Familien sorgfältig angefacht, die der Volksfreiheit feindlich waren, nämlich von den La Tour-Châtillon (Imthurn-Gestelenburg und den Raron).
Von 1224 an jedoch sieht man unter den Räten des Bischofs eine gewisse Anzahl Bürger als Repräsentanten der verschiedenen Teile des Gebietes erscheinen. Man findet sie nach den Chorherren und den Vasallen der Kirche erwähnt... et plures alii tam cives sedun, quam alii de diocesi sedun. Aber während sich die Bischöfe abwechselnd auf das Volk, die Adeligen, Savoyen und die eidg. Orte stützen, wenden die patriotischen Bürger ihr Auge vorzüglich letztern zu. Den schliessen sie einen ersten Bund mit ihren künftigen Eidgenossen, um sich der Anschläge der Adeligen zu erwehren; die Bischöfe hatten eben jene La Tour Châtillon in die Majorie von Sitten eingesetzt, deren Uebergriffe in Bälde für sie wie für das Volk beunruhigend wurden.
Als dann nach dem Tode des Bischofs Peter von Oron (1287-1290) ein dreijähriges bischöfliches Interregnum entstand, wollten die hervorragendsten Adeligen des Rhonethales diesen Umstand benützen, um seine Nachfolger der weltlichen Macht zu berauben. Darum war es auch die erste Sorge des Bischofs Bonifaz von Challant, das feste Schloss Tourbillon wiederherzustellen. Trotzdem hoben die Adeligen auf Anstiften Peters de La Tour, der sich an ihre Spitze stellte, ein Heer von 11000 Mann aus und versuchten, die Festung dem Grafen von Savoyen in die Hände zu spielen. Aber diese Armee wurde von den Bauern aufs Haupt geschlagen, und Bonifaz, der so von dem Grafen verraten worden war, mit dem ihn ein Vertrag verbunden hatte, unterzeichnete 1296 einen Burgrechtsvertrag mit Bern. Peter de la Tour wurde als Gefangener auf das Schloss Roc bei Naters gebracht, und mehrere Edelleute, darunter der Ritter Anselm von Saxon, wurden den zu Sitten enthauptet.
Dieser Misserfolg machte den Intriguen der La Tour kein Ende. Als Händel zwischen den Wallisern und den ihnen benachbarten Bewohnern des Frutigthales ausbrachen, verabredeten die La Tour mit den Adeligen des Oberlandes, ins Wallis einzufallen; aber zum zweiten Male wurden sie, auf der Seufzerwiese (Prairie des Soupirs) bei Leuk geschlagen. Gegen 1350 fand ein dritter Versuch statt: Peter V., Enkel des vorgenannten Peter de La Tour, überfiel diesmal das bischöfliche Gebiet an der Spitze des Adels aus dem Wallis, dem Greierzerland und Simmenthal.
Der Bischof Witschard Tavelli, ein Schützling Savoyens, rief den Grafen Amadeus VI. zu Hilfe. Es erfolgte daraus eine lange Periode von Streitigkeiten und tragischen Ereignissen: die Ermordung Witschards Tavelli durch die Sendlinge Antons de La Tour, die Ausrottung dieser ränkevollen Familie durch das Volk;
Sitten der Reihe nach von den Patrioten und den Savoyarden genommen, verloren, verbrannt und wieder genommen;
die Erhebung Eduards von Savoyen auf den Bischofsstuhl und seine Verbannung;
dann die Schlacht bei Visp, in der die Walliser endlich das Feld behaupteten, nachdem sie Feuer an die Scheunen gelegt, worin die Soldaten der Grafen von Savoyen und Greierz schliefen, was mehr als deren 4000 den Tod brachte
Das war die Rache, auf die man seit dem 1260 von Peter von Savoyen organisierten Einbruch ins Wallis gewartet hatte. Nachdem dieser Fürst seine Herrschaft über den ganzen französischen Teil gesichert und besonders ¶