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ausgeht, vereinigt sich im Thälchen von Les Ravins mit derjenigen, die von Granges (Gradetsch) aus am linken Ufer der Liène nach Lens aufsteigt. Eine fahrbare Strasse bedient auch das Thal von Nendaz. Für wahrscheinlich hält man den Bau einer Landstrasse von Bramois (Brämis) und St. Leonhard nach Nax und Evolena auf dem rechten Ufer der Borgne. Zu nennen ist ferner der Anschluss der Mayens von Sitten an die Strasse nach Hérémence. Das Wallis ist mit den benachbarten Gegenden noch durch manche Wege verbunden, die, wenn auch nicht fahrbar, nichts destoweniger von grosser Wichtigkeit sind, wie der Nufenenpass, der es von Ulrichen aus durchs Eginen- und Bedrettothal mit dem Kanton Tessin verbindet;
der Griespass, der sich vom vorigen abzweigt, um ins italienische Formazzathal hinüberzuführen;
der Albrunpass, der das Binnenthal mit Domodossola verbindet;
der Gemmipassweg, der sich als Verlängerung der Strasse nach Leukerbad auf den Sattel hinaufzieht und durchs Kanderthal gegen Thun und Bern hinabsteigt;
der Pfad über den Pas de Cheville, der bei den Diablerets vorbei von Sitten nach Bex führt;
der Col de Fenêtre zwischen dem Bagnesthal und Valpelline;
der Col de Balme zwischen dem Thal des Trient und Chamonix.
Ein der Volksabstimmung unterstelltes und den angenommenes Gesetz hat die alte Klassifizierung der Strassen zu nachfolgender Einteilung abgeändert:
1) Kantonsstrassen: St. Gingolph-Brig (Länge 125,5 km);
Simplon (42 km);
Furka (59,5 km);
Grimsel (6 km);
Leukerbad (15 km);
Sitten-Vex (10 km);
Grosser St. Bernhard (45 km);
Sembrancher-Le Châble (5 km);
Martinach-Trient (18 km);
Vernayaz-Salvan (6 km);
Morgins (20 km);
Troistorrents-Champéry (8 km).
Gesamtlänge 360 km.
2) Gemeindestrassen. Der Bestand dieser Strassen, die in solche erster und zweiter Klasse eingeteilt werden, ist noch viel mannigfaltiger als der der Staatsstrassen. Es ist darum unmöglich, deren Länge anzugeben, umsomehr als stets eine grosse Zahl im Bau oder in Ausbesserung begriffen sind.
15. Staat und Verwaltung.
Die Verfassung, nach welcher der Kanton Wallis regiert wird, ist vom Grossen Rat den beschlossen und durch die Volksabstimmung vom folgenden 12. Mai mit beträchtlichem Mehr, aber bei einer schwachen Beteiligung der Stimmberechtigten angenommen worden. Dieser Mangel an Begeisterung wurde hauptsächlich dem Umstand zugeschrieben, dass das neue Grundgesetz keine einschneidenden Aenderungen gegenüber dem brachte, das seit 1875 in Kraft gewesen war. Die Verfassung von 1907 ist übrigens die neunte, die sich das Wallis seit dem Ende des alten Regimes gegeben hat, ohne die zu rechnen, welche Napoleon I. ihm 1810 aufzwängte, als er dieses Land unter dem Namen des Département du Simplon seinem Reich einverleibte. Am verzichteten die sieben alten Zehnten auf alle Hoheitsrechte gegenüber ihren ehemaligen Untertanen und anerkannten die Unterwalliser als ein freies Volk.
Durch Urkunde vom 22. Februar wurde diese Verzichtleistung feierlich bestätigt. Am 16. März vereinigten sich die Gesandten von Ober- und Unterwallis in Saint Maurice und erklärten die Verfassung, wie sie vom französischen Residenten entworfen worden, im Namen des ganzen Landes für angenommen. Kaum war dies geschehen, als der französische General Brune am 19. März die Weisung erteilte, das Wallis dürfe nicht als selbständige Republik fortbestehen, sondern müsse sich als 4. Kanton der «rhodanischen Republik» anschliessen.
Doch schon am 22. März erfolgte ein neuer Befehl der fränkischen Machthaber, der das Wallis der helvetischen Republik zuteilte. In der Abstimmung vom 3. und 4. April sprach sich eine fast einstimmige Mehrheit für den Anschluss an die Helvetik und die Annahme der helvetischen Verfassung aus. Doch stiess die neue Verfassung, die mit einem Schlag die alte, tief ins Mark des Volkes eingewurzelte Ordnung gänzlich umgestaltete und zudem von verhassten Fremden aufgedrungen worden, bald auf energischen Widerstand. Schon im Frühjahr 1798 und wieder im darauffolgenden Jahr kam es zu erbitterten Kämpfen zwischen den fränkischen und helvetischen Truppen einerseits und den Patrioten des Walliser Landes andrerseits. Das Walliser Volk musste der Uebermacht unterliegen.
Im Jahr 1801 arbeiteten die Walliser, die sich von einer Zerstückelung des Landes (Annexion des linken Rhoneufers an die fränkische Republik) bedroht sahen, eine Verfassung aus, welche die oberste Gewalt der «kantonalen Tagsatzung» zuschied, die im Maximum aus 40 Mitgliedern bestand. Die Gemeinderäte mussten einen Bezirks- oder Zehentrat ernennen, der aus seiner Mitte einen Grosskastellan (Zehentrichter) nebst seinem Stellvertreter wählte. Dieser Grosskastellan (grand châtelain) war von Amts wegen Mitglied der Tagsatzung, und der Zehentrat ordnete ihm noch eine bestimmte Zahl Mitglieder bei, die sich nach der Bedeutung des Kreises richtete.
Die Tagsatzung war, wie unter dem verschwundenen Regiment, vom Landeshauptmann (grand baillif) präsidiert. Man erschien zu den Sitzungen mit dem Degen an der Seite; allein nicht der erste, beste konnte zu einer solchen Ehre gelangen: man musste 30 Jahre alt sein, ein anderes wichtiges Amt inne haben oder gehabt haben, beide Landessprachen können oder sich verbindlich machen, sie innert einer bestimmten Frist zu erlernen. Die Verfassung von 1802 änderte an dieser ersten nur ganz wenig.
Frankreich, anspruchsvoller geworden, sprach nicht mehr bloss von der Annexion des linken Rhoneufers; es wollte mehr: am wurde Wallis zum französischen Departement Simplon gemacht und blieb es bis zur Flucht des Präfekten Rambuteau Infolge der definitiven Vereinigung des Wallis mit der Schweiz wurde in langsamen und mühevollen Verhandlungen unter dem Einfluss der Heiligen Allianz eine neue Verfassung ausgearbeitet, die zum Teil die Herrschaft des Oberwallis über das untere, sowie die Vorrechte des Bischofs von Sitten wiederherstellte.
Der Kanton blieb in Zehnten geteilt. Solcher waren 13; aber die kleinen Zehnten des Oberwallis hatten an der Tagsatzung genau die gleiche Anzahl Vertreter wie die grossen des Unterwallis, nähmlich jeder vier. Ueberdies verfügte auch der Bischof, der ausnahmslos aus den Patriziern des Oberwallis erkoren wurde, über vier Stimmen, so dass seine Rechte in dieser Hinsicht denen eines Zehnten gleichkamen. Um als Kandidat für die Tagsatzung auftreten zu können,
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musste man gewisse legislative, richterliche oder verwaltende Beamtungen bekleidet haben, Doktor der Rechte oder der Medizin, Notar oder Infanterieoffizier sein. Obschon man seit 1820, besonders aber seit 1833 Aenderungen anbrachte, wurde der Vertrag von 1815 doch erst 1839 durch die Ernennung kantonaler Abgeordneter auf Grundlage der Volkszahl jedes Zehnten beseitigt. Die Deputierten wurden im Verhältnis von je einem auf tausend Seelen noch indirekt gewählt, d. h. von einem Wahlkollegium, das die Urversammlungen jeder Gemeinde ernannten.
Der Klerus war durch zwei Abgeordnete vertreten, einen für das Ober- und einen für das Unterwallis. Die Zahl der Staatsräte wurde vermindert, der Titel eines Landeshauptmanns abgeschafft, indem sowohl der Grosse Rat als der Staatsrat ihren Präsidenten selbst wählten. Aber die Oberwalliser konnten sich nicht darein fügen, mit ihren Mitbürgern des Unterwallis auf gleichem Fusse zu stehen. Die Verfassung vom 30. Januar wurde darum noch im gleichen Jahr revidiert und im nächsten Juli schon in neuer Form promulgiert. Diese hatte das Schicksal, ebensowenig zu gefallen wie die vorhergehende. Die Uneinigkeit erregte Wirren, die das Land mit Blut befleckten, bis zur Niederlage der Liberalen im Jahr 1844, worauf die Konservativen, eine neue Verfassung ausarbeiteten, die sich in Wirklichkeit nicht sehr von der unterschied, die so traurige Ereignisse heraufbeschworen hatte.
Am unmittelbar nach der Besetzung Sittens und der Niederlage des Sonderbunds, trat auf dem Waffenplatz La Planta in Sitten eine Volksversammlung zusammen, die sofort einige provisorische Anordnungen traf und die Notwendigkeit einer neuen Verfassung erklärte, die den Ideen der eidgenössischen Partei entspreche. Die indirekte Wahl der Abgeordneten wurde abgeschafft, ebenso die vier Stimmen, über die der Bischof verfügte; die Geistlichkeit war als politische Korporation nicht mehr vertreten.
Indes mussten die Wahlen in Versammlungen vorgenommen werden, welche die weit zerstreute Bevölkerung zu langen Wanderungen zwangen. Die Verfassung von 1852 machte diesem Zustand ein Ende, indem sie einer oder mehreren Gemeinden das Recht einräumte, innerhalb des Bezirks einen eigenen Wahlkreis zu bilden, wofern ihre Bevölkerungszahl dem Quotienten für wenigstens einen Vertreter entspreche. Diese Verfügung erlaubte den mehr oder weniger geschlossenen Minoritäten, in den Bezirken, wo sie sonst durch die herrschende Partei unterdrückt worden wären, einen oder mehrere Vertreter nach ihrem Sinne zu wählen. Eine Verfassungsrevision von 1875 endlich sprach sich hauptsächlich über die Unvereinbarkeit gewisser Aemter aus und verbot, dass eine Gemeindeverwaltung von einer einzigen Familie oder von zu nahen Verwandten in Besitz genommen werde. Die Verfassung von 1907 endlich präzisiert gewisse Befugnisse der Räte, sowie einige Volksrechte genauer.
Nach den Vorschriften dieser Verfassung wird die gesetzgebende Gewalt vom Grossen Rat ausgeübt, unter Vorbehalt der Rechte des Volkes, dessen Abstimmung unterworfen sind:
1) Die Total- oder Partialrevision der Verfassung; die Konkordate, Vergleiche und Verträge, soweit sie in der Kompetenz des Kantons liegen; die vom Grossen Rat ausgearbeiteten Gesetze und Verordnungen, jedoch mit Ausnahme der Verordnungen, die den Charakter der Dringlichkeit besitzen oder nicht allgemein verbindlicher Natur sind, sowie der gesetzgeberischen Erlasse, die die Ausführung eidgenössischer Gesetze zu sichern bezwecken.
2) Jeder Beschluss des Grossen Rates, der eine ausserordentliche Ausgabe von Fr. 60000 oder während drei Jahren eine durchschnittliche Ausgabe von Fr. 20000 verursacht, wenn diese Ausgaben nicht durch die gewöhnlichen Einnahmen des Voranschlags gedeckt werden können.
3) Jede Erhöhung der Steuer vom Vermögen oder vom kapitalisierten Einkommen (die auf 1½‰ festgelegt ist), sofern sie nicht durch ausserordentliche, von der Eidgenossenschaft dem Kanton überwälzte Auflagen nötig geworden.
Auf dem Weg der Initiative kann das Volk die Ausarbeitung eines neuen, die Aufhebung oder Abänderung eines seit wenigstens vier Jahren in Kraft gestandenen Gesetzes verlangen oder auch den Entwurf eines vollständig ausgearbeiteten Gesetzes vorlegen, wenn dieses Begehren durch die Unterschrift von 4000 Bürgern unterstützt wird.
Der Grosse Rat wird auf vier Jahre ernannt und besteht aus den in den Bezirken im Verhältnis von einem Mitglied auf 1000 Seelen oder einen Bruchteil von 501 und darüber gewählten Abgeordneten. In der Regel geschieht die Wahl bezirksweise, ausnahmsweise durch die Kreise; aber die Zahl der einem Bezirk zukommenden Abgeordneten darf durch die Bildung von Kreisen weder vergrössert noch verkleinert werden. Wenn infolge dieser Trennung zwei Bruchteile von 501 Einwohnern in Konkurrenz treten sollten, hätte der Teil den Vorzug, der nicht verlangt hat, einen Kreis zu bilden.
Der Grosse Rat des Wallis zeigt insofern eine Eigentümlichkeit, als jeder Bezirk oder Kreis eine gleiche Anzahl Ersatzmänner wählt wie Abgeordnete; diese Ersatzmänner haben die Bestimmung, die Abgeordneten zu vertreten, die während einer Session oder einer Sitzung verhindert sein sollten, daran teilzunehmen. Der Grosse Rat versammelt sich ordentlicher Weise: zur konstituierenden Sitzung am dritten Montag nach der Integralerneuerung, die am ersten Sonntag im März stattfindet; zur ordentlichen Session am 2. Montag im Mai und am 2. Montag im November jeden Jahres.
Die ausserordentlichen Sitzungen werden durch Beschluss des Grossen Rates selber, durch Einberufung seitens des Staatsrates oder auf das schriftliche und motivierte Verlangen von wenigstens 20 Deputierten anberaumt. Jede ordentliche Session dauert höchstens 13 fortlaufende Tage; sie kann jedoch im Falle, dass wichtige Interessen in Frage stehen, verlängert werden. Die Befugnisse des Grossen Rates sind:
1) die Bestellung seines Bureaus, das ausdrücklich zwei Sekretäre, einen französischer und einen deutscher Sprache umfassen soll.
2) Beim Beginn jeder Legislaturperiode die Ernennung der Mitglieder des Staatsrates und des Kantonsgerichtes (des ehemaligen Appellationsgerichts). 3. Alle drei Jahre, in der Mai-Session, die Wahl der Ständeräte.
4) In jeder Mai-Session die Wahl der Präsidenten und Vizepräsidenten des Staatsrates, sowie der Präsidenten und Vizepräsidenten des Kantonsgerichtes.
5) Die Ernennung zu geistlichen Würden, deren Besetzung dem Staat zukommt (Bischof der Diözese Sitten). Ausserdem verifiziert der Grosse Rat die Vollmachten seiner Mitglieder, übt das Recht der Amnestie, Begnadigung und der Strafmilderung aus, erteilt das Bürgerrecht, prüft die Amtstätigkeit des Staatsrates, bestimmt das Budget und schliesst Verträge mit andern Kantonen und eventuell mit auswärtigen Staaten ab.
Der Staatsrat, als vollziehende und verwaltende Behörde, besteht aus fünf Mitgliedern, von denen zwei aus der Wählerschaft der sechs östlichen Bezirke, eines aus den drei mittlern (Sitten, Hérens und Conthey) und zwei aus den vier westlichen Bezirken genommen werden müssen. Nur ein einziges Mitglied dieser Behörde darf der Bundesversammlung angehören. In jedem Bezirk wird die Regierung durch einen Statthalter und einen Unterstatthalter vertreten. Der Statthalter präsidiert den Bezirksrat, eine Behörde, die auf vier Jahre von den Gemeindeversammlungen gewählt wird, und zu der jede Gemeinde, auch die geringst bevölkerte, einen Vertreter abzuordnen das Hecht hat.
Der Unterstatthalter ist der Stellvertreter des Statthalters. Im Bezirk Raron, der in zwei voneinander getrennte Gebiete geteilt ist, amtiert der Unterstatthalter, dessen Sitz in Mörel ist, ständig und unabhängig vom Statthalter. Die Gemeindeverwaltung wird ausgeübt: durch die Urversammlung, die alle in der Gemeinde wohnenden Wähler umfasst, durch einen Gemeinderat, der aus wenigstens drei und höchstens 15 Mitgliedern besteht, und durch eine Bürgerversammlung, welche für die Interessen der Bürger sorgt. Wenn die Zahl der Nicht-Bürger wenigstens die Hälfte der Urversammlung ausmacht oder der Gemeinderat zur Hälfte aus Nichtbürgern besteht, hat jene Versammlung das Recht, die Bildung eines besondern Bürgerrats zu verlangen. Dieser soll aus 3 bis 7 Mitgliedern zusammengesetzt werden.
Die richterliche Gewalt wird ausgeübt: in jeder
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Gemeinde durch einen Richter mit einem Stellvertreter, die von den Wählern der Gemeinde gewählt werden (erste Instanz); in jedem Kreis oder Bezirk durch ein Gericht für Zivil-, Korrektions- und Kriminalsachen; in Sitten für den ganzen Kanton durch ein Kantons (Appellations)-Gericht. Die Mitglieder dieser Gerichte werden vom Grossen Rat ernannt. Seit der Volkszählung von 1900 ist der Kanton Wallis in zwei eidgenössische Wahlkreise eingeteilt; der eine umfasst das ganze Gebiet westlich der Lizerne und der Grenze von Riddes und Nendaz (Unterwallis) und hat zwei, der andere (Mittel- und Oberwallis) östlich dieser Grenzlinie vier Abgeordnete in den schweizerischen Nationalrat.
Der Kanton Wallis wird administrativ in 13 Bezirke eingeteilt, nämlich:
Einwohner | Oberfläche km2 | Anzahl der Gemeinden | |
---|---|---|---|
1) Goms (Conches) | 4204 | 528.7 | 21 |
2) Brig (Brigue) | 9941 | rund 541.0 | 11 |
3) Visp (Viège) | 7914 | 898.6 | 21 |
4) Oestlich Raron (Rarogne oriental) | 2538 | rund | 10 |
Westlich Raron (Rarogne occidental) | 4071 | 330.8 | 12 |
5) Leuk (Loèche) | 6673 | 351.4 | 16 |
6) Siders (Sierre) | 11567 | 418.6 | 21 |
7) Ering (Hérens) | 6943 | 455.4 | 9 |
8) Sitten (Sion) | 10871 | 128.3 | 7 |
9) Conthey | 8928 | 229.2 | 5 |
10) Martinach (Martigny) | 12645 | 263.1 | 13 |
11) Entremont | 9399 | 633.6 | 6 |
12) Saint Maurice | 7578 | 260.0 | 9 |
13) Monthey | 11166 | 193.7 | 9 |
: | 114438 | 5232.4 | 170 |
Für die Oberfläche der beiden Bezirke Brig und Raron schwanken die Angaben je nach den statistischen Tabellen oder den Karten, weil der Grosse Aletschgletscher mit seinen Verzweigungen manchmal ganz oder teilweise dem Bezirk Brig zugeschieden wird.
Der Ursprung dieser territorialen und administrativen Einteilung des Wallis liegt in den sieben alten souveränen Zehnten, die im gegenwärtigen politischen Zustand ihre alten Grenzen zumeist beibehalten haben.
Zur Zeit der Annexion des Wallis durch Frankreich, im Jahr 1810, verwandelte die kaiserliche Regierung, um dem Departement Simplon die gleiche Organisation zu geben wie den andern Departementen, die alten Zehnten in «Kantone» und machte aus dem einstigen Untertanenland zudem noch die fünf Kantone Hérémence, Martigny, Entremont, Saint Maurice und Monthey. Aber nach dem Sturz des französischen Kaiserreichs (1814) nahmen die bisherigen Kantone alle den Namen Zehnten an, und das Wappen des Landes, das früher die sieben Sterne der regierenden Zehnten getragen, bereicherte sich nun um 5 neue Sterne für Martinach, Hérémence (bezw. Hérens), Entremont, Saint Maurice und Monthey. Da auf den Wunsch der Bevölkerung des Unterwallis die vermittelnden Mächte ihre Zustimmung gegeben hatten, dass ein dreizehnter Bezirk gebildet werde, entstand der Zehent Conthey aus Gemeinden, welche man von Martinach und Sitten lostrennte.
Damit nahm ein dreizehnter Stern auf dem Walliser Wappenschild Platz. Jedoch wurde bei der Verfassungsrevision von 1848 die Benennung «Bezirk» statt des durch den Vertrag von 1815 wieder eingesetzten «Zehent» angenommen, welch letzterer indes im mündlichen Verkehr noch lange gebraucht wurde. Allgemein wird von neuern Forschern die Herleitung des Wortes Zehnten (desenus) von zehn und decima angenommen. Während aber Heusler die Zehnten mit den alten Zehntfluren und Zehntbezirken des bischöflichen Tisches in Verbindung bringt, führen Gremaud und V. van Berchem den Ausdruck auf eine Einteilung des ganzen bischöflichen Wallis in zehn Teile zurück.
Sie wiesen nach, dass beim ersten Auftreten des Systems einer Volksvertretung (dem Generalrat des Walliserlandes) zur Zeit des Bischofsstaates im 14. Jahrhundert dieses Repräsentationsrecht das Vorrecht der zehn grossen Gemeinden war, die bischöflichen Herrschaften entsprachen, nämlich Martinach, Chamoson-Ardon, Sitten, Siders, Leuk, Raron, Visp, Naters-Brig, Mörel, Aernen-Münster. Da indes die häufigen Einfälle der Savoyarden, die auf die Abtrennung der Herrschaften Martinach und Chamoson-Ardon gerichtet waren, diese verhinderten, an dem Werke der acht andern frei teilzunehmen, dehnten sich diese letztern, unter Eingriffen in die weltliche Gewalt des Bischofs, durch Angliederung kleinerer Gemeinden aus und schlossen sich enger aneinander.
Nachdem Mörel halbwegs in Raron aufgegangen war und nur noch eine von dessen Unterabteilungen bildete, blieben bloss sieben verbündete und unabhängige, oder wenigstens nach Unabhängigkeit strebende Zehnten. Gremaud versichert, dass das Wort in der Form decima zum erstenmal in einer Urkunde aus 1417 vorkomme. Ausser in dieser Eigentümlichkeit weicht die Geschichte des Gemeindewesens wenig von der der benachbarten Länder ab. Wenn die Gemeinden dazu kommen, sich zu spalten und neuzubilden, geschieht das fast immer, um sich den Grenzen neu errichteter Kirchensprengel anzupassen. Es ist bemerkenswert, dass diese politische Zerbröckelung im deutschen Teil viel bedeutender war als im französischen. Im erstern gibt es fast kein Dorf, das nicht seinen Kirchturm und sein Gemeindehaus haben will; im letztern umspannen Kirch- und politische Gemeinde häufig eine ganze Anzahl Dörfer.
In den meisten grossen Gemeinden existieren noch Unterabteilungen, die aber jeden offiziellen Charakter verloren haben. Ihr Vorhandensein beweist, dass die Gemeinden selbst ursprünglich nur föderative Verbindungen von Weilern waren. Zum Beispiel setzte sich die Gemeinde Lens vor 1904 aus vier unvollkommen von einander abgegrenzten Sektionen zusammen, die, vor 1851 schon ein erstesmal getrennt, sich damals wieder vereinigten: Lens (Dorf), Icogne, Chermignon und Montana.
Ein halbes Jahrhundert des Zusammenlebens genügte, um die den Interessen oder dem Uebergewicht entsprungenen Eifersüchteleien so stark anzufachen, dass sie zu einer neuen Trennung führten. Andre Gemeinden, wie ehemals Saas, das nun schon lange zerstückelt ist, und neuerdings Conthey, Vex etc. zerfielen in Viertel oder «quarts». Bagnes, das nicht weniger als zehn solcher zählte, wendet den Namen quart (quartier) heute noch an, so dass diese Bezeichnung gleichbedeutend mit Dorf oder Weiler geworden ist.
Orsières und andere sind in «tiers» (Drittel) oder «côtes» eingeteilt, während Savièse, eine ehedem freie Gemeinde, sich aus fünf «Pannern» (bannières), d. h. aus fünf beinahe gleich bedeutenden Dörfern zusammensetzt, an die sich kleinere Weiler anschliessen. Diese Benennung ist ohne Zweifel der alten militärischen Abgrenzung entlehnt. Das Beispiel von Lens zeigt uns, welche Streitigkeiten unter Siedelungen von ungleicher Bedeutung entstehen können.
In den grössern Gemeinden des Entremont wird den Hauptorten, die an der Strasse liegen, von den zahlreichen abgelegenen Weilern das Recht abgesprochen, ihre wichtigen Verkehrswege etwas besser zu unterhalten als die vernachlässigten Strässchen der einsamen und wenig von Fremden besuchten Häusergruppen, weil dies Luxus sei. Umgekehrt werfen die Hauptorte diesen abgelegenen Siedelungen vor, sie schalten zu sehr nach Belieben und ohne ihr Wissen über die Wälder und andere Gemeindegüter.
Den frappantesten Fall der Bevogtigung des Hauptdorfes durch die übrigen Siedelungen bietet indes Vissoye im Eifischthal. Ohne sich nach aussen zu beklagen, sah sich dieser kleine Flecken, der ohne genaue Grenzen teils zur Gemeinde Ayer, teils zu Grimentz gehörte, jederzeit alles abgeschlagen, was er wünschte. Gelang es ihm auch, in den Gemeinderäten vertreten zu sein, so musste er die Mehrheit in beiden Gemeinden zugleich erringen, bis man seinen gerechtesten Ansprüchen entgegenkam.
Und selbst in diesem Falle entstanden zwischen den beiden interessierten Gemeinden Meinungsverschiedenheiten, welche die Ausführung der gefassten und selten übereinstimmenden Beschlüsse auf ewig hinausgeschoben hätten. Endlich gelangten die Bewohner von Vissoye, sowohl die welche zu Ayer, als die zu Grimentz gehörten, an die Oberbehörden des Kantons, die sich beeilten, den nur zu begründeten Klagen durch die Erhebung von Vissoye zu einer eigenen Gemeinde abzuhelfen (1904).
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16. Militaerwesen.
Der Kanton Wallis gehört teils zum 1., teils zum 8. Divisionskreis; der erste umfasst so ziemlich das Gebiet, wo französisch gesprochen wird, der letztere die deutschen Bezirke. Die erste Division rekrutiert hier die drei Infanteriebataillone 11, 88 und 12, von denen das letztere hauptsächlich für den Dienst bei den Festungswerken von Saint Maurice bestimmt ist; die achte Division hebt da einzig das Bataillon 89 aus, das darum viel stärker ist, als die andern.
Im Jahr 1908 unterstanden dem Militärdepartement zur Verfügung der Eidgenossenschaft folgende Truppenbestände:
Auszug. | Mann |
---|---|
Infanterie : Füsilierbataillon 11 | 1004 |
Füsilierbataillon 12 | 1022 |
Füsilierbataillon 88 | 890 |
Füsilierbataillon 89 | 1236 |
Schützenkompagnie 2/IV | 227 |
Artillerie : Gebirgsbatterie 1 | 158 |
Verwaltungstrain 1 | 57 |
Verwaltungstrain 8 | 52 |
Genie : Geniebataillon 1 | 66 |
Pontonierkompagnie 1 | 8 |
Geniebataillon 8 | 6 |
Festungstruppen | 165 |
Sanitätstruppen | 240 |
Verwaltungstruppen | 37 |
Total | 5163 |
Landwehr. | |
Infanterie : Füsilierbataillon 104 | 963 |
Füsilierbataillon 130 | 1010 |
Schützenkompagnie 9/IV | 101 |
Artillerie : Gebirgskolonne 1 | 130 |
Gebirgskolonne 2 | 66 |
Landwehr-Train 1 | 27 |
Landwehr-Train 8 | 27 |
Genie : Sappeur-Kompagnie 2 | 28 |
Pionier-Kompagnie 1 | 10 |
Sappeur-Kompagnie 16 | 18 |
Festungstruppen | 3 |
Sanitätstruppen | 168 |
Verwaltungstruppen | 30 |
Total | 2581 |
Landsturm. | |
Bewaffneter Landsturm | 1592 |
Unbewaffneter Landsturm | 7764 |
Total | 9356 |
Zur Bezahlung der Militärpflicht-Ersatzsteuer sind verpflichtet | 13430 |
Von dieser Steuer befreit | 185 |
17. Oeffentlicher Unterricht.
Nach dem Rechenschaftsbericht von 1906 besass das Wallis zu dieser Zeit 554 Primarschulen, und zwar 181 für Knaben, 176 für Mädchen und 197 gemischte mit einer Gesamtschülerzahl von 19536. In 386 dieser Schulen wird der Unterricht französisch, in 168 deutsch erteilt. In den meisten Landschulen dauert die jährliche Schulzeit sechs Monate (1. November bis Ende April); sie steigt auf sieben in gewissen Zentralpunkten von Gemeinden oder Gegenden, in denen sich keine Sekundar- oder Mittelschulen finden, und sogar auf 8, 9 und 10 Monate in einigen Schulen von Sitten, Martinach, Monthey, Vouvry, Saint Gingolph, Saint Maurice, Brig und Visp. Während des selben Jahres betrugen die ausbezahlten Gehälter (der Staatsbeitrag inbegriffen) Fr. 271285. Der gesamte Staatsbeitrag war im Budget auf Fr. 68025 veranschlagt. Die Bundessubvention von Fr. 91560.40 ist vom Grossen Rat folgendermassen verteilt worden:
Fr. | |
---|---|
1. Lehreralterskasse | 10000.- |
2. Besoldungserhöhungen | 22998.40 |
3. Beitrag an die Seminarien | 3000.- |
4. Unterstützungen an die Gemeinden | 54377.- |
5. Turnhalle | 1185.- |
Total | 91560.40 |
Ausserdem subventioniert der Staat noch mit je Fr. 400 jährlich acht obere und mittlere Primarschulanstalten. Die meisten Lehrer und Lehrerinnen sind Geistliche, Ordensbrüder oder -schwestern. In Saxon und Bagnes hat es freie Laienschulen, die der Staat nicht unterstützt. Die Schule von Saxon, die vor etwa zwanzig Jahren eröffnet wurde, wird vorzugsweise von den Kindern der reformierten Bevölkerung besucht; in der von Bagnes ist der Religionsunterricht insofern fakultativ, als den Kindern gestattet ist, den durch die Geistlichkeit erteilten Katechismusunterricht zu besuchen, damit sie zur ersten Kommunion zugelassen werden.
Sekundarunterricht wird durch drei kantonale Kollegien erteilt:
1) das Lyzeum-Kollegium von Sitten (131 Zöglinge, wovon 21 im Lyzeum, 74 im Gymnasium, 35 in der Gewerbeschule);
2) das Kollegium Saint Maurice (243 Zöglinge, wovon 124 aus andern Kantonen und 9 Ausländer);
3) das Kollegium von Brig (101 Zöglinge). Bereits 1858-1864 und wieder 1874-1876 war mit diesem letztern Kollegium eine Realschule verbunden, die 1904/05 wieder eingeführt und seit 1905 zu einem dreijährigen Kurs erweitert worden ist. Es existiert des fernern in Sitten eine kantonale Rechtsschule, die im Jahr 1807 gegründet, 1824 und dann wieder 1902 nach einer ganz kurzen Unterbrechung infolge Mangels an Schülern wiederhergestellt wurde. Sodann unter der direkten Aufsicht des Bischofs ein Priesterseminar, das die jungen Theologen aufnimmt, die sich dem geistlichen Stand widmen.
Mörel, Brig, Visp, Siders, Sitten, Martinach, Bagnes, Saint Maurice und Monthey haben Gewerbeschulen. Diese drei letztern Ortschaften, wie auch Collonges, Leuk und Siders besitzen zudem noch Haushaltungsschulen. Beizufügen bleibt noch die Taubstummenanstalt in Géronde (Gerunden). Die jungen Leute des Wallis, die ausserhalb des Landes studieren, begeben sich gewöhnlich an die Kollegien Saint Michel in Freiburg und Maria Hilf in Schwyz. Im Jahr 1905/1906 zählte letzteres 22 aus dem Wallis stammende Schüler.
Durch edelherzige Stiftung des J. Bonivini (1727) und des Bischofs J. J. Blatter (1750) hat die Diözese Sitten das Recht auf etliche Freiplätze an der Universität Innsbruck; seit 1884 ist diese Zahl auf 10 festgestellt. Da das Wallis eine eigene Rechtsschule hat, gehen die jungen Juristen selten zum Studium ausser Landes. Doch übt seit einigen Jahren die Universität Freiburg eine gewisse Anziehungskraft auf die Jünglinge unsres Kantons; während des Wintersemesters 1907/1908 hielten sich daselbst 12 Walliser auf. Die jungen Leute, die sich andern freien Berufen widmen (Aerzte, Apotheker etc.), studieren in Genf, Lausanne, Bern, Basel und Zürich. Drei staatliche Seminarien bereiten junge Leute
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zum Lehrerberuf an Primarschulen vor. Die männlichen Lehramtskandidaten studieren im Seminar zu Sitten, wo man 1905/1906 47 Seminaristen zählte, von denen 31 französischer Zunge und 16 deutscher. Die Schule für Lehrerinnen französischer Sprache befindet sich ebenfalls in Sitten und hatte 30 Schülerinnen. Ein Lehrerinnenseminar deutscher Sprache ist von den Ursulinerinnen in Brig gegründet und in der gleichen Zeit von 20 Zöglingen besucht worden. Die Aufsicht über die Primarschulen ist je einem Bezirks-Inspektor anvertraut, als welcher öfter ein Geistlicher oder ein Beamter als ein fachmännisch gebildeter Pädagog waltet.
Diesem Inspektor sind die Ortsschulkommissionen beigegeben, die aus einem Vertreter des Gemeinderates und dem Pfarrer bestehen, der von Amtes wegen Mitglied ist. Doch wird nach dem Wortlaut eines letzthin angenommenen Gesetzes eine kantonale Kommission für den Primarunterricht eingesetzt, die aus 7 vom Staatsrat ernannten Mitgliedern bestehen und in der das fachlich gebildete Element stärker vertreten sein soll. Zu diesen Anstalten verschiedener Stufen kommen noch: das kleine freie Kollegium von Saint Gingolph, das von französischen Ordensleuten geleitet wird (60 Schüler);
ferner die Waisenanstalt Sainte Marie zu Vérolliez bei Saint Maurice und das Institut Saint Joseph in Riddes, von Schwestern geleitete Mädchenschulen, sowie eine Anzahl an den verschiedensten Stellen des Kantons in Entstehung begriffene Gewerbeschulen.
18. Kultus.
Da der Kanton Wallis der einzige in der Schweiz ist, der für sich allein eine Diözese bildet, deren Grenzen fast vollständig mit denen des politischen Staates zusammenfallen, und da das Bistum und die wichtigern Klöster je nach den Fortschritten der Demokratie ihre Gerechtsame von denen der Zivilbehörden getrennt haben, funktionieren die beiden Verwaltungen parallel. Ihre gegenseitigen Beziehungen, so häufig und so eng sie scheinen mögen, gehen nur aus gegenseitigem Einverständnis hervor, das durch die Tatsache erleichtert wird, dass die Bevölkerung ausschliesslich katholisch geblieben ist.
Wir verweisen darum den Leser in Bezug auf die kirchliche Organisation auf den Artikel Sitten (Bistum) dieses Lexikons und heben hier nur die Beziehungen zwischen geistlicher und weltlicher Macht hervor. So besteht im Wallis, obschon die römisch-katholische Religion durch die Verfassung offiziell als Staatsreligion erklärt ist, kein Kultusbudget. Bistum, Domkapitel, Klöster und Kirchgemeinden sind im Besitz ihrer Güter und ihrer überlieferten Pfründen geblieben. Diese werden sogar von den allgemeinen Steuern betroffen oder befreit, je nachdem die weltlichen Ortsbehörden beschliessen.
Dessen ungeachtet verfügte der Staat bis zur Verfassung von 1907 noch über das Kollaturrecht der Pfarrpfründen Collombey Vionnaz und Port Valais, dessen Ausübung dem Grossen Rat übertragen war. Der Staat bezahlte jeder dieser Kirchgemeinden einen jährlichen Zuschuss von 200 Fr.
Nachdem nun diese Eigentümlichkeit verschwunden, besteht das einzige Vorrecht des Staates in kirchlichen Dingen in seiner Beteiligung an der Wahl des Bischofs von Sitten. Wie wir es andern Orts gesagt haben, ist dieses letzte verfassungsmässige Band zwischen dem Staat und der Kirche ein Nachklang des Rechtes, das das Walliser Volk sich errungen hatte, sein politisches Haupt selbst zu wählen, zu einer Zeit, als der Bischof zugleich auch der weltliche Herrscher des Landes war.
Dieses Recht des Staates erscheint indes als eine reine Formalität; denn bei jeder Wahl eines neuen Bischofs durch den Grossen Rat beeilt sich der Papst, um sich die unumschränkte kirchliche Oberhoheit nicht schmälern zu lassen, die Wahl zu kassieren, worauf er freilich den Erwählten nach Rom beruft, um ihm die selbe Würde zu übertragen, zu der das Volk ihn ausersehen hatte. Dennoch wollte die Mehrheit des Grossen Rates nicht auf dieses Recht verzichten, indem sie sich ohne Zweifel die möglichen Folgen der Erhebung irgend eines ausländischen Priesters auf den bischöflichen Sitz nicht verhehlte.
Seitdem die Lehren der Reformatoren im Wallis ausgerottet worden sind, gibt es keine eingebornen Protestanten mehr. Vor der Mitte des 19. Jahrhunderts war selbst die Zahl der niedergelassenen Reformierten null oder doch unbedeutend, und obgleich sie seit einem Vierteljahrhundert infolge der administrativen und industriellen Entwicklung des Kantons, sowie der Eröffnung von Sanatorien und Winterstationen progressiv zunimmt, war sie im Jahr 1900 doch erst auf 1610 gestiegen. Am meisten Protestanten befanden sich zu diesem Datum in: Sitten 316 Personen, Monthey (mit Collombey) 247, Martinach 61, Brig, Naters und Glis 232, Saint Maurice 120, Saxon 105, Siders 66, Port Valais 60. Allein mit Ausnahme von Saxon, wo einige einheimische Familien zum Protestantismus übergetreten, sind alle Anhänger derselben keine Kantonsbürger oder erst in neuester Zeit eingebürgert. Die Protestanten haben Kirchen oder Kapellen in Sitten seit 1890, in Monthey seit 1905 und in Siders seit 1906. In Saxon wird monatlich zweimal Gottesdienst gehalten. Die Orte, wo bloss der fremden Reisenden oder Pensionäre wegen reformierter Gottesdienst gehalten wird, wollen wir übergehen. Im Jahr 1900 gab es im Wallis auch 28 Israeliten und 219 Personen ohne bestimmtes Bekenntnis.
19. Finanzwesen.
Im Jahr 1904 betrug der Wert | Fr. |
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der gebauten Immobilien | 39653774 |
der nicht gebauten Immobilien | 152739332 |
der steuerpflichtigen Kapitalien | 43083253 |
was einem steuerpflichtigen Vermögen von: | 235476359 |
entspricht oder, wenn die Bevölkerung zu dieser Zeit zu 117000 Seelen angenommen wird, 2210 Fr. auf den Kopf.
Am wies das Staatsvermögen auf:
Fr. | |
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an Aktiven | 5249491 |
an Passiven | 6613673 |
Ueberschuss der Passiven: | 1364182 |
mit einer Vermögensvermehrung gegenüber dem vorhergehenden Finanzjahr von Fr. 93599.
Die Aktiva setzen sich der Hauptsache nach aus den überwiegend unproduktiven Immobilien, den Kapitalien, dem Dotationskapital der Sparkasse und den Salzvorräten zusammen; die Passiva stellen die Staatsschulden dar, die die innere Schuld und die drei kontrahierten Anleihen in sich begreifen, nämlich 1) das von 1875 infolge des Kraches der Kantonalbank, das 1906 auf Fr. 2965000 heruntergebracht wurde;
2) für die Subvention des Simplon (1898) Fr. 1000000;
3) für die Dotation der Sparkasse (1895) Fr. 950000. Die Schlussbilanz der Rechnungen zeigt 1907:
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Fr. | |
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ein Total der Ausgaben von | 2131175 |
ein Total der Einnahmen von | 2130952 |
Ueberschuss der Ausgaben | 223 |
Das von der Kommission aufgestellte Budget für 1908 sieht an Ausgaben Fr. 2457934, an Einnahmen Fr. 2359405, somit einen Ausgabenüberschuss von Fr. 98529 vor. Die Vermehrung der Einnahmen wäre hauptsächlich dem Ertrag des Salzverkaufes, den Steuern auf Industrie, Unternehmungen u. s. w. die der Ausgaben dem Anteil des Staates an der Viehversicherung zuzuschreiben.
Nach den Bestimmungen des Steuergesetzes vom setzt der Grosse Rat innert den Grenzen der Verfassung die Höhe der Steuer auf Vermögen und Einkommen fest. Dieser Ansatz beträgt gegenwärtig 1½‰ für die Staatssteuer. Die Gemeindesteuern werden durch die Ortsbevölkerung oder die Gemeindebehörden unter Vorbehalt der Genehmigung des Staates bestimmt, was die Beobachtung gewisser durch das Gesetz vorgesehener Klauseln sichert. Die Gebäude werden sowohl bei der Staats- als bei der Gemeindesteuer zu zwei Drittel ihres Wertes veranschlagt.
Die Ausübung jeder Industrie und jedes Handels, selbst wenn sie in das Gebiet von Wissenschaft und Kunst gehören jedes Gewerbes, jedes Handwerks, auch im Dienstverhältnisse, sind der Industriesteuer unterworfen, wofern sie nicht von der Einkommenssteuer erreicht werden. Diese Steuer, die gemeiniglich in Form von Patenten auferlegt wird, umfasst die drei Serien: a) Gewerbe, b) Handel, c) Industrie, deren verschiedene Unterabteilungen in 6 Klassen zerfallen. Die auferlegte Taxe soll 4% des Jahresgewinnes nicht übersteigen.
Ausgenommen von der Steuer sind die kleinen Handwerke und Industrien, von denen man voraussetzt, sie werfen nicht mehr als 200 Fr. ab. Der von Leuten betriebene Handel, die ausser dem Kanton niedergelassen sind oder die, wenn sie auch hier wohnen, zeitweise wandern, unterliegt dem Hausiergesetz. Die Hunde, mit Ausnahme derjenigen, die im Dienst der Hospize auf dem Grossen St. Bernhard und auf dem Simplon stehen, werden mit einer jährlichen Taxe von 8 Fr. per Stück belegt.
20. Gesellschaftliches Leben.
Unter den lokalen Gesellschaften sind die Schützenvereine (cibles) sicherlich die ältesten und zahlreichsten. Im mittlern Wallis besitzen diese Vereine oft einen Weinberg, zu dessen gemeinsamer Besorgung sie mit Trommeln und Pfeifen an der Spitze ausziehen. Der Schützenverein von Montana (Lens) besitzt in Corin eine der besten Weinbergsparzellen des Bezirkes Siders, die zu besorgen vier Mitglieder abwechselnd die Würde und Bürde haben. In Savièse müssen die aufgenommenen Kandidaten der Gesellschaft ein Stück Weinberg von bestimmter Grösse zur Verfügung stellen; den Ertrag davon haben sie selbst in den Keller zu bringen, dessen Eingang dem Schützenstand gegenüberliegt. In Montana bewahrt der Kapitän (Vorstand der Gesellschaft) den Kellerschlüssel und hat die Aufsicht über die Fässer; er wird aus den besten Trinkern gewählt. An diesem Ort, wie auch in Visperterminen kann man in diese aristokratische Korporation nur durch direkte Vererbung gelangen. In letzterer Gemeinde kann der Sohn eines Mitgliedes zu Lebzeiten seines Vaters als Kandidat aufgenommen werden, aber Schützenbruder wird er erst, wenn er einen Zweckschuss macht, also den schwarzen Punkt in der Mitte der Scheibe trifft.
Demnach kann einer Jahre lang, ja sogar immer Kandidat bleiben, wie es der Fall war mit einem gewissen Pfarrer S., der aus Visperterminen stammte und dem es nie gelang, eine Kugel ins Zentrum zu bringen (nach Stebler). Diese Bruderschaft, die aus 1698 datiert, hat auch ihren Weinberg in den berühmten «Heidenreben»; nichtsdestoweniger bezahlt der zugelassene Kandidat, ausser einer Eintrittsgebühr von 30 Fr., eine Doppelkanne Weines und liefert zudem fünfzig junge Rebstöcke zur Erneuerung der alten Pflanzen ihres Besitztums. Im Oberwallis stammen die ältesten Schützengesellschaften aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die ersten Schützenfeste, von denen man weiss, fanden 1551 zu Aernen und zu Visp statt; seither gab man sich viel Mühe für diese Uebungen. Im Unterwallis sind solche Organisationen allgemein viel jünger.
Dagegen entstanden in diesem Teil des Landes zuerst die Vereinigungen zu gegenseitiger Unterstützung; die ersten bildeten sich 1852 in Saint Maurice, 1857 in Saint Gingolph, seither in Martinach und Sitten. Heute sind dieselben, 20 an der Zahl, wovon mehrere im Mittel- und selbst im Oberwallis, mit 2400 Mitgliedern zu einem Verband zusammengeschlossen und unter die Leitung eines Zentralkomites gestellt, das aus sieben Mitgliedern besteht und für je zwei Jahre gewählt wird.
Daneben bestehen 17 freie Gesellschaften mit 1068 Mitgliedern. Seit mehr als einem Jahrhundert besitzt Monthey eine Blechmusik, die jetzt zu einer Harmoniemusik geworden ist; sie hat sich in letzter Zeit in zwei Vereine gespalten. Ebenso haben Sitten und Brig schon lange ihre Musik, wie auch Leukerbad, Martinach und Saint Maurice. Heute gibt es wenige Gemeinden mit grösserer Einwohnerzahl, die nicht ihre Blechmusik haben, selbst in den Seitenthälern und im Oberwallis.
Der Gesang, der ehemals, wenigstens bei den Bauern des Mittel- und Unterwallis, in keinem grossen Ansehen stand, entwickelt sich mächtig. Im letzten Jahr haben sich 21 Vereine zu einem Kantonalverband des Wallis (Fédération des chanteurs du Valais) zusammengetan. Im Oberwallis besteht seit Jahren ein Verband der Zäzilienvereine, der sich besonders die Hebung des kirchlichen Gesanges angelegen sein lässt. Konsumgenossenschaften, deren älteste bis 1884 zurückreicht, gibt es heute 17 mit 2573 Mitgliedern. Im Jahr 1906 betrug der Umsatz Fr. 1241027 mit einem Netto-Gewinn von Fr. 47207. Weinbau- und landwirtschaftliche Genossenschaften nehmen mehr und mehr zu. Wissenschaftliche und politische Gesellschaften sind im Wallis spärlich vertreten, oder, richtiger gesagt, mit Verbindungen religiösen Charakters verschmolzen. So existiert eine akademische Vereinigung, die sog. Société helvétique de Saint Maurice, deren Mittelpunkt das Kloster dieses Namens ist.
Ferner ein geschichtsforschender Verein von Oberwallis, der naturgemäss seine Tätigkeit zunächst dem deutschen Kantonsteil zuwendet, aber auch im Unterwallis und selbst in andern Kantonen eine ansehnliche Schar Mitglieder zählt; von den im Oberwallis ansässigen Mitgliedern machen die Priester den Hauptbestand aus. Zu dieser Art von Gesellschaften kann man auch die Vallensis, die kantonale Sektion des schweizerischen Studentenvereins rechnen. Die Murithienne, die Walliser naturforschende Gesellschaft, wenn sie auch unter der Aegide eines gelehrten Geistlichen steht, ist Personen jeder Meinung zugänglich und zählt selbst viele Passivmitglieder in den Nachbarkantonen und ausserhalb der Schweiz. Die liberale Opposition verfügt über keine organisierte Vereinigung. Versuche dazu sind schon seit 1880 mit der Gründung liberaler oder demokratischer Vereine gemacht worden, aber regelmässig gescheitert.
21. Gesundheitswesen; öffentliche Wohltätigkeit.
Das allgemeine Sanitätswesen ist der Oberaufsicht eines Rates von fünf Mitgliedern und drei Ersatzmännern unterstellt, dessen Präsident der Vorsteher des Departements der Innern ist; daneben besteht eine Kommission, die aus dem Kantonschemiker, einem Arzt und einem Apotheker zusammengesetzt ist und der die Kontrolle der Nahrungsmittel und Getränke obliegt. Jeder Bezirk hat seinen Amtsarzt, obschon es in jedem von ihnen seit einer Reihe von Jahren wenigstens einen angesessenen Arzt hat, ausgenommen Hérens und Conthey, die von Sitten aus versehen werden. Im Oktober 1907 war die Zahl der Arzte 34, was bei einer Bevölkerung von 120000 Einwohnern nur einen auf 3529 Personen trifft.
Apotheken sind 17 vorhanden, wovon 5 in Sitten, 3 in Martinach (Burg und Stadt), je 2 in Monthey und Brig, je eine in Saint Maurice, Sembrancher, Siders, Leuk und Visp. Viehinspektionskreise sind fünf; an der Spitze eines jeden steht ein diplomierter Tierarzt. Die öffentliche Armenpflege gewährt den Armen und den Personen, die nicht imstande sind, sich selbst zu erhalten, ständige, denen, die zufällig in Not geraten, zeitweise Unterstützungen; sie sorgt für die armen Kranken, Arbeitsunfähigen, Geisteskranken und Greise. Die Organisation dieser Unterstützungen liegt in der Pflicht der Gemeinde; jede Gemeinde muss eine Unterstützungskasse oder einen Armenfonds haben, zu dem die Bürger beisteuern
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müssen, wenn die Bürgergüter nicht hinreichen. Die Erstverpflichteten sind die Verwandten der Dürftigen oder Gebrechlichen, bis zum achten Glied einschliesslich. Die Gemeinde und der Staat bestimmen den Anteil und Betrag ihrer Leistungen. Andrerseits fundiert und unterstützt der Staat diese Einrichtungen in einem gewissen Masse. Ausser den allbekannten Hospizen auf dem Grossen St. Bernhard und dem Simplon besass und besitzt der Kanton Wallis noch eine Anzahl Spitäler oder Hospize, deren Wirksamkeit sich seit längst vergangener Zeit wenig geändert hat und die von ihren Einkünften leben, ohne dass dieselben merklich zunähmen. Die einen stehen unter geistlicher Verwaltung, andere unter der der Gemeinden. Es sind, um nur diejenigen aufzuzählen, die heutzutage existieren:
Der Spital in Monthey, gegründet 1384;
der St. Jakobsspital in Saint Maurice, von Konrad dem Friedlichen gegründet, um Pilger aufzunehmen;
der Spital von Martinach aus dem 12. oder 13 Jahrhundert;
der von Sembrancher, dessen Gebäude heute als Landjägerposten und Schule dient, obschon die Stiftung noch werktätig ist (aus der gleichen Zeit);
die Spitäler von Plan Conthey, Leuk, Visp und St. Anton in Brig.
Aber alle diese Institute, die vorzugsweise von Zinserträgnissen leben, sind hauptsächlich zur Verpflegung der Reisenden und zur Hilfeleistung bei Unglücksfällen bestimmt. Einzig der Spital St. Johann in Sitten konnte sich dank den genügenden Hilfsquellen, die in der Ausbeutung landwirtschaftlicher Betriebe und im Verkauf seiner Weine bestehen, annähernd nach den Bedürfnissen der Zeiten umgestalten. Obschon er Eigentum der Bürgerschaft von Sitten ist, wird er doch von einem geistlichen Direktor verwaltet, der zugleich Anstaltspfarrer ist.
Die Verpflegung kommt einen Bürger täglich auf Fr. 1.50, einen Nicht-Bürger auf Fr. 3 zu stehen; für mittellose Leute verhandelt die Direktion mit der Heimatgemeinde. Durchreisende werden gespiesen und nötigenfalls eine Nacht beherbergt. Ein Arzt ist für den Dienst in diesem weitläufigen Etablissement angestellt, der beinahe zu einem Kantonsspital genügen würde, wenn die Frage auftauchte, es in diesem Sinne umzuwandeln. Im Jahr 1903 hat der ehemalige Amtsherr Brunner eine Summe von Fr. 50000 zu diesem Zwecke hinterlassen.
Den neuen Bedürfnissen gemäss ist übrigens das Wallis auf dem Wege, sein ganzes Verpflegungssystem zu ändern. Seit 1900 besitzt es in Saint Maurice die Klinik Saint Amé, eine geistliche Stiftung, die sich aus Gaben und Geschenken erhält. Im Januar 1908 ist ein Kreiskrankenhaus in Brig eröffnet worden; eine gleiche Anstalt ist in Martinach im Bau begriffen. Seit 1902 ist in Monthey ein Fonds angelegt worden zum Zweck der Gründung eines Bezirkskrankenhauses; die bis jetzt zusammengebrachten Summen sichern die Ausführung des Werkes.
Erwähnen wir noch das Asyl Malévoz bei Monthey, das 1900 auf die Initiative des Dr. Repond von Freiburg eröffnet wurde und der Behandlung Geisteskranker dient; es nimmt die Kranken aus dem Kanton zu besondern Bedingungen auf, kraft eines Übereinkommens zwischen dem Staat und dem Gründer. Ferner die Armenbäder von Leuk, die Waisenanstalt Sainte Marie zu Vérolliez bei Saint Maurice, die Mädchen- und Knaben-Waisenhäuser in Sitten, ein Altjungfernasyl zu Sitten und ein Asyl für Greise in Siders.
22. Geschichtlicher Ueberblick.
Nach Polybius, der zwischen 210 und 205 v. Chr. geboren ist, verkauften Kelten, die aus dem obern Thal der Rhone heruntergekommen waren, ihre Dienste den Römern, um andere Kelten in der Poebene zu bekämpfen. Zahlreiche Entdeckungen von Gräbern und andern Gegenständen, über welche Bernoulli von Basel und B. Reber von Genf im Anzeiger für Schweizer. Altertumskunde und im Journal de Genève ausführliche Berichte veröffentlicht haben, beweisen die Besiedelung des Landes durch diese Völkerschaften.
Elisée Reclus verlegt diese Besitznahme bis ins Bronzezeitalter oder in die Eisenzeit zurück; die eindringenden Kelten hätten die Pfahlhauer mittels schneidender Waffen ausgerottet. Andrerseits wurde dargetan, dass der Übergang über den Mons Jovis oder Mons Penninus (den Grossen St. Bernhard) lange vor unserer Aera benützt wurde. Titus Livius berichtet, dass die Bojer und Lingonen, die sich 390 vor Chr. in Etrurien niederlassen wollten, dem Pfade folgten, der diesen Engpass durchzieht.
Andere Züge fanden seit dieser Zeit zu wiederholten Malen über den gleichen Übergang statt. Im Jahr 54 v. Chr. sandte Caesar den Galba nach Octodurum, um den Erpressungen der Völkerschaften in den Thälern der Rhone und der Dranse ein Ende zu machen, die Reisende und Kaufleute brandschatzten. Dieser Völkerschaften waren vier: die Viberer (Visp), die Seduner (Sitten), die Veragrer (Martinach) und die Nantuaten (von Saint Maurice bis Villeneuve). Obschon voneinander unabhängig, waren sie doch schon durch das Band eines entstehenden Bundes verknüpft.
Durch die Niederlage von Octodurum fielen die Bewohner des Rhonethales unter die römische Herrschaft; dieser Ort wurde die Hauptstadt des penninischen Landes. Nachdem dieses bis zu Marcus Aurelius einen Teil Rätiens ausgemacht hatte, bildete es mit den Savoyeralpen und dem Dauphiné (Tarentaise) die siebente Provinz von Vienne. Diese römische Halbprovinz der Penninischen Alpen umschloss, wie das Bistum Sitten im Mittelalter, nicht bloss den ganzen obern, von natürlichen Grenzen eingerahmten Thalkessel der Rhone, sondern auch das Pays d'Enhaut und das Greierzerland.
Nach Marius Besson soll ihre Nordostgrenze unterhalb Moudon vorbeigezogen sein und das N.-Ufer des Genfersees zwischen Lausanne und Vevey erreicht haben. Ohne gewisse Ueberlieferungen zu berücksichtigen, nach denen das Christentum schon zu Lebzeiten der Apostel im. Wallis eingeführt worden wäre, kann man behaupten, dass es da seit dem 3. Jahrhundert auftauchte. Nach dem Verfall von Octodurum, der schnell auf den Untergang des weströmischen Reiches und die Einfälle der Barbaren folgte, gelangte das Gebiet des Wallis unter burgundische Herrschaft.
Aus der römischen Hauptstadt ging der Bischofsstab in die Hauptstadt des Feudalstaates, Sitten, über. Um die selbe Zeit war zu Saint Maurice, auf dem Totenfeld der thebäischen Legion, eine neue Lehensherrschaft entstanden. Seit dem Beginn des 6. Jahrhunderts nahm nämlich das Kloster zu Agaunum dank den Gaben und Geschenken des burgundischen Königs Sigismund einen gewaltigen Aufschwung. Nachdem er dem Arianismus abgeschworen, liess dieser Fürst die Abtei vergrössern und verschönern; er stattete sie mit unermesslichen Besitzungen aus, nicht bloss im Rhonethal, sondern bis in die Franche Comté hinein. Vier und ein halbes Jahrhundert später (999) beschenkte Rudolf III., der letzte König des transjuranischen Burgund, das Bistum mit der Grafschaft Wallis. Dieser Akt
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bemerkt Heusler, ist die Hauptgrundlage, auf der die Bischöfe von Sitten ihre weltliche Macht aufbauten; in der Folge war er der Ausgangspunkt der Entwicklung, dem der Freistaat Wallis entsprosste. Die Grafschaft Wallis und die Kirche von Sitten, fügt V. van Berchem hinzu, hatten ursprünglich die gleiche Ausdehnung; das war aber zur Zeit der Schenkung Rudolfs nicht mehr so. Während die Diözese, welche die Grenzen der alten civitas unversehrt bewahrte, sich von den Quellen der Rhone bis an den Genfersee erstreckte, begriff die Grafschaft nur noch den untern Teil des Thales bis zum Flusse Trient in sich.
Die Ansprüche des Bistums auf das Territorium der heutigen Bezirke Saint Maurice und Monthey reichen in der Tat nicht über 1475 zurück. So blieben während der ganzen Feudalzeit und selbst bis zur französischen Revolution die Abtei Saint Maurice und das Bistum die beiden hauptsächlichsten Herrschaften des Landes. Infolge der Immunität der Abtei bildeten ihre Ländereien zahlreiche Inseln, die der Verwaltung des Grafen-Bischofs mehr oder weniger vollständig entzogen waren.
Ueberdies stützten sich diese beiden Verwaltungen, deren Besitzungen sich gegenseitig derart durchdrangen, dass sie zwei fortwährende Rivalen werden mussten, auf zwei einander nicht minder feindliche Oberlehensherren. Indem das Bistum, das behauptete, der Erbe der königlichen Rechte Karls des Grossen zu sein, sich dem Reiche anschloss, begünstigte die auf ihre Freiheiten eifersüchtig wachende Abtei die Unternehmungen der Grafen von Savoyen, von denen man sagen kann, dass ihre Intriguen und Kämpfe, die die Unterjochung des Wallis zum Ziele hatten, den Grundzug der Geschichte dieses Landes während der zweiten Hälfte des Mittelalters bilden. In der Beharrlichkeit dieser Feindseligkeiten muss man sogar mehr als im Unterschied der Sprache oder Rasse die Quelle der jahrhundertelangen Gegnerschaft suchen, die zwischen den Wallisern der östlichen und der westlichen Bezirke zu Tage getreten ist.
Die Rechte des Hauses Savoyen im Rhonethal entsprangen hauptsächlich drei Quellen:
1) Aus der Oberlehnsherrschaft über die Grafschaft Chablais, 2) aus der Kastvogtei über Saint Maurice und 3) aus dem Besitz beträchtlicher Allodialgüter im Gebiet der Walliser Grafschaft selbst. In der Tat war die Kastvogtei von Saint Maurice die Grundlage der savoyischen Herrschaft über die Thäler von Bagnes und Nendaz, sowie über das Gebiet von Conthey-Vétroz. Die Rechte des selben Klosters auf die entferntern Gebiete von Leuk und Naters dienten den Grafen gleichfalls zur Unterstützung ihrer Ansprüche im obern Wallis. Und als gar der Bischof Aymon von Savoyen seinem Kapitel die Güter schenkte, die er von seinem Oheim Ulrich in Orsières, in Saillon, in Ayent, im Eringerthal und in Grengiols geerbt hatte, stiessen für den Augenblick die Ansprüche Savoyens mit denen des Bistums bis mitten ins Binnenthal hinauf zusammen.
Immerhin blieb die Kirche von Sitten noch der Hauptgrundbesitzer in ihrer Grafschaft. Dieses Besitztum zu vermehren und zugleich den Unternehmungen Savoyens Widerstand zu leisten, war im Verlaufe des 11., 12. und 13. Jahrhunderts ihr einziges Augenmerk. Darum sehen wir auch, wie sie seit dem 13. Jahrhundert über ein nahezu geschlossenes Gebiet herrscht und in den wichtigsten Ortschaften, die von der Rhonequelle bis zum Trient aneinandergereiht sind, bischöfliche Meier, Vitztume und Schlossherren einsetzt.
Wir haben bereits gesehen, wie sich um diese Kernpunkte die regionalen Gruppen bildeten, aus denen dann die Zehnten entstanden. Damit beginnt aber auch die Aera der Befreiung des Volkes; der geographische Aufbau des Landes erscheint für die Entfaltung kommunalen Geistes zu günstig, als dass dieser gezaudert hätte, hervorzubrechen. Mehr als vielleicht irgend anderswo wird jedoch leider diese Emanzipation hier erst vollständig nach jahrhundertelangen innern Wirren und äussern Kriegen, deren Nachwehen sich noch bis mitten ins 19. Jahrhundert hinein fühlbar machen.
Auf die Kriege zwischen den Oberherren folgen die innern Streitigkeiten, dann die von Bürgern wider Bürger. Die Schenkung der Grafschaft Wallis an die Kirche von Sitten hatte diese unter die kaiserliche Oberhoheit gestellt. Aber als der Kaiser Friedrich I. über Burgund zu Gunsten seiner Söhne verfügte und dabei zugleich, der Form nach, Berthold IV. von Zähringen die Schirmvogtei über die drei romanischen Bistümer beliess, brachen die Eifersüchteleien aus, hauptsächlich als Berthold seine letzten Rechte auf die Schirmvogtei von Sitten dem Grafen Humbert III. von Savoyen abgetreten hatte.
Fünfmal musste Berthold V. bewaffnet ins Rhonethal ziehen und fünfmal musste er unverrichteter Dinge zurück; endlich wurde er von den Wallisern bei Ulrichen (1212) endgiltig aufs Haupt geschlagen. Diese Niederlage und die Schwächung der kaiserlichen Macht konnten die Ansprüche des Hauses Savoyen nur verstärken, das noch während zweihundert und fünfzig Jahren sich bemühte, auf die bischöflichen Besitzungen und Rechte überzugreifen. Der Zwist wurde von zwei mächtigen Familien sorgfältig angefacht, die der Volksfreiheit feindlich waren, nämlich von den La Tour-Châtillon (Imthurn-Gestelenburg und den Raron).
Von 1224 an jedoch sieht man unter den Räten des Bischofs eine gewisse Anzahl Bürger als Repräsentanten der verschiedenen Teile des Gebietes erscheinen. Man findet sie nach den Chorherren und den Vasallen der Kirche erwähnt... et plures alii tam cives sedun, quam alii de diocesi sedun. Aber während sich die Bischöfe abwechselnd auf das Volk, die Adeligen, Savoyen und die eidg. Orte stützen, wenden die patriotischen Bürger ihr Auge vorzüglich letztern zu. Den schliessen sie einen ersten Bund mit ihren künftigen Eidgenossen, um sich der Anschläge der Adeligen zu erwehren; die Bischöfe hatten eben jene La Tour Châtillon in die Majorie von Sitten eingesetzt, deren Uebergriffe in Bälde für sie wie für das Volk beunruhigend wurden.
Als dann nach dem Tode des Bischofs Peter von Oron (1287-1290) ein dreijähriges bischöfliches Interregnum entstand, wollten die hervorragendsten Adeligen des Rhonethales diesen Umstand benützen, um seine Nachfolger der weltlichen Macht zu berauben. Darum war es auch die erste Sorge des Bischofs Bonifaz von Challant, das feste Schloss Tourbillon wiederherzustellen. Trotzdem hoben die Adeligen auf Anstiften Peters de La Tour, der sich an ihre Spitze stellte, ein Heer von 11000 Mann aus und versuchten, die Festung dem Grafen von Savoyen in die Hände zu spielen. Aber diese Armee wurde von den Bauern aufs Haupt geschlagen, und Bonifaz, der so von dem Grafen verraten worden war, mit dem ihn ein Vertrag verbunden hatte, unterzeichnete 1296 einen Burgrechtsvertrag mit Bern. Peter de la Tour wurde als Gefangener auf das Schloss Roc bei Naters gebracht, und mehrere Edelleute, darunter der Ritter Anselm von Saxon, wurden den zu Sitten enthauptet.
Dieser Misserfolg machte den Intriguen der La Tour kein Ende. Als Händel zwischen den Wallisern und den ihnen benachbarten Bewohnern des Frutigthales ausbrachen, verabredeten die La Tour mit den Adeligen des Oberlandes, ins Wallis einzufallen; aber zum zweiten Male wurden sie, auf der Seufzerwiese (Prairie des Soupirs) bei Leuk geschlagen. Gegen 1350 fand ein dritter Versuch statt: Peter V., Enkel des vorgenannten Peter de La Tour, überfiel diesmal das bischöfliche Gebiet an der Spitze des Adels aus dem Wallis, dem Greierzerland und Simmenthal.
Der Bischof Witschard Tavelli, ein Schützling Savoyens, rief den Grafen Amadeus VI. zu Hilfe. Es erfolgte daraus eine lange Periode von Streitigkeiten und tragischen Ereignissen: die Ermordung Witschards Tavelli durch die Sendlinge Antons de La Tour, die Ausrottung dieser ränkevollen Familie durch das Volk;
Sitten der Reihe nach von den Patrioten und den Savoyarden genommen, verloren, verbrannt und wieder genommen;
die Erhebung Eduards von Savoyen auf den Bischofsstuhl und seine Verbannung;
die Rache des Roten Grafen;
dann die Schlacht bei Visp, in der die Walliser endlich das Feld behaupteten, nachdem sie Feuer an die Scheunen gelegt, worin die Soldaten der Grafen von Savoyen und Greierz schliefen, was mehr als deren 4000 den Tod brachte
Das war die Rache, auf die man seit dem 1260 von Peter von Savoyen organisierten Einbruch ins Wallis gewartet hatte. Nachdem dieser Fürst seine Herrschaft über den ganzen französischen Teil gesichert und besonders
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auch den Bischof von Sitten gezwungen hatte, ihm gewisse Besitzungen im Wistenlach zurückzugeben, schlug er bei Port Valais ein Heer von 3000 Mann unter der Anführung Eberhards von Nidau, der dabei getötet wurde. Hierauf verwüstete er das Rhonethal mit Feuer und Schwert bis nach Mörel hinauf, füllte die Verliesse von Chillon mit Gefangenen und stellte die Schlösser des Unterwallis wieder her. Die Patrioten, denen es gelang, das Ränkenetz der La Tour zu zerreissen und das bischöfliche Szepter den Händen der Günstlinge des Hauses Savoyen zu entwinden, konnten nicht verhindern, dass es nun in die Gewalt der Raron fiel.
Diese Familie, deren Macht auf hohen Verbindungen und ausgedehnten Besitzungen im Norden der Alpen fusste, schien in die Stellung der intriguanten Familie La Tour einrücken zu wollen. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts folgten die Sprösslinge derselben einander auf dem Bischofsstuhl. Unter dem Episkopat Wilhelms V. war sein Oheim Witschard von Raron zu gleicher Zeit Landvogt und Landeshauptmann des Wallis. Da sechs eidgenössische Orte gemeinsam das Eschenthal erobert hatten, wusste der Herzog von Mailand kein anderes Mittel, diese Demütigung zu rächen, als dass er dieses für ihn verlorene Thal dem Herzog von Savoyen verkaufte.
Witschard nahm es nun auf sich, ein Heer durch das Wallis zu führen, das der Herzog entsandte, um von dem neuen Gebiet Besitz zu ergreifen. Die hierüber erzürnten Urkantone beklagten sich bei den ihnen verbündeten Zehnten. Nun wurde in den Flecken des Rhonethales das wohl sonderbarste Aechtungs-Instrument herumgetragen, jene Mazze (massue), die das Wallis von jeder für die Freiheiten des Volkes gefährlichen Macht reinigen sollte. Man stachelte die Missvergnügten zum Anschluss auf; alle, die sich an der Verschwörung beteiligen wollten, schlugen einen Nagel in die Figur, die aus einem Birkenstamm geschnitzt war.
Wenn sie, von Nägeln vollgespickt, vor den Machthaber getragen wurde, blieb diesem nichts übrig, als Schloss und Güter im Stich zu lassen und sich in die Verbannung zu begeben. Das tat auch Witschard, indem er zu seinen Mitbürgern nach Bern floh. Diese, ohne Rücksicht auf die Interessen ihrer Verbündeten, traten zu seinen Gunsten ein und, verstärkt durch die Banner von Neuenburg, Freiburg und Solothurn, stellten sie ein Heer von 13000 Mann auf, das über die Grimsel und den Sanetsch ins Wallis eindrang.
Aber die erste Kolonne, die gegen Ulrichen (Goms) vorrückte, wurde dank der Aufopferung des Hirten Thomas Riedi in Stücke gehauen, der dabei selbst das Leben verlor, nachdem er mit eigener Hand 40 Berner niedergemacht hatte. Der Kampf fand an der gleichen Stelle statt wie der von 1212. Am folgenden Tag zog sich die Abteilung, die über den Sanetsch und Rawil herübergedrungen war, ohne Schwertstreich zurück. Durch die Vermittlung Amadeus' VII. verpflichteten sich die Walliser, dem Herrn von Raron seine Besitzungen zurückzugeben.
Doch die Macht des Hauses Raron war für immer gebrochen. Wenige Jahre später (1446) erschienen mehr als 2000 Landleute vor dem bischöflichen Schloss zu Naters und ertrotzten vom Bischof Wilhelm von Raron die berühmten Artikel von Naters, welche den bischöflichen Rechten bedeutende Einbusse zufügten und das demokratische Prinzip in der Regierung des Landes wesentlich stärkten. Zwar wurden diese Artikel anlässlich der Wahl des Nachfolgers, Heinrich Esperlin (1451), von den Patrioten formell aufgehoben, aber tatsächlich doch bis zu den neuen Statuten des Kardinals Schinner als das geltende Landrecht betrachtet. Im Jahr 1475, unter der Herzogin Jolantha, besetzte ein Heer von 10000 Mann unter dem Kommando des Bischofs von Genf, Johann Ludwig von Savoyen, das Schloss Conthey.
Diese Besatzung forderte durch unverschämte Briefe den Bischof und die «guten Leute» von Sitten heraus. Eine Abteilung derselben fiel in das Plateau von Savièse ein, wo sämtliche Dörfer eingeäschert wurden. Da ward Alarm geschlagen; eine Schar von 4000 Wallisern und einigen Graubündnern versuchten ohne grossen Erfolg, Sitten zu verteidigen, als eine aus Bernern und Solothurnern bestehende Verstärkung, die über den Sanetsch herkam, ihren Mut neu belebte. Die Savoyarden wurden auf der Planta unmittelbar vor der Stadt geschlagen (13. November), flohen dem Genfersee zu und sahen die 16 Schlösser, die sie im Thal besassen, in Flammen auflodern. Von der Morge wurde die Grenze des Wallis an die Brücke von Saint Maurice verlegt.
Die innere Sicherheit wurde durch den Beginn der Mailänderkriege und der Söldnerwerbungen getrübt; die hauptsächlich dabei beteiligten Agenten, Bischof Jost von Silenen, Kardinal Schinner und Georg Supersaxo wurden der Reihe nach durch die Mazze verbannt. Auf diese Periode, die vorzugsweise durch äussere Ereignisse gekennzeichnet wird, folgt die der Reformation. Im Vorbeigehen wollen wir bemerken, dass die Eroberung des Bezirks Aigle durch die Berner, die sich beeilten, hier die Reformation einzuführen, diesen Teil der Diözese Sitten von nun an von den politischen Geschicken des Wallis absonderte.
Dagegen rückten 1536, während die Berner sich des Waadtlandes bemächtigten, die Walliser auf dem linken Ufer der Rhone und des Genfersees bis an die Dranse bei Thonon vor. Doch wurde durch einen den in dieser Stadt unterzeichneten Vertrag das Gebiet von Évian dem Herzog von Savoyen zurückgegeben und die Grenze bis arg die Morge bei Saint Gingolph rückwärts verlegt, unter der Bedingung, dass Savoyen auf alle Ansprüche im Rhonethal Verzicht leiste.
Bis in die letzten Jahre hatten die Geschichtsforscher die Einzelheiten der Religionsstreitigkeiten, die ein ganzes Jahrhundert lang den Frieden im Wallis störten, nur sehr unvollständig aufgedeckt. Die 1904 erschienene Histoire moderne du Valais vom Chorherrn Antoine Grenat und die verdienstvolle Arbeit Grüters über den Anteil der katholischen und protestantischen Orte der Eidgenossenschaft an den religiösen und politischen Kämpfen im Wallis während 1600-1613 werfen ein völlig neues Licht auf diese Periode; doch sind auch in diesen Werken gerade die Urkunden des Landes selbst noch viel zu wenig benützt, um ein abschliessendes Urteil über die ebenso interessante als bewegte Zeit unsrer Geschichte zu gestatten. Wir sehen, dass der Papst Klemens VII. dem Kapitel von Sitten 1526 befiehlt, summarisch gegen die Leute vorzugehen, die abergläubischen Uebungen ergeben sind, gegen die Lutheraner und Häretiker. Nach
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dem Tod des Kardinals Schinner hatten ihm die Zehnten einen Exkommunizierten zum Nachfolger gegeben, jenen Philipp von Platea, dessen Wahl zu genehmigen sich der Papst weigerte. Leuk und Sitten waren die hauptsächlichsten Bollwerke der neuen Lehre; die beiden religiösen Richtungen standen einen Augenblick so sehr im Gleichgewicht, dass im Jahr 1551 die allgemeine Glaubensfreiheit proklamiert wurde; 1567 wurde die Messe in Leuk abgeschafft, und 1580 verweigerte die Hauptstadt, dem Nuntius Buonomini die Tore zu öffnen. Im Anfang des 17. Jahrhunderts gedachte der Bischof Hildebrand Jost, der an der Tagsatzung in Siders gedemütigt ward, auf sein Amt zu verzichten und nach Rom zu fliehen, während der Landeshauptmann als Parteigänger der Reformation zu Leuk den Anton Stockalper, einen Freund des Bischofs, hinrichten liess, dessen aufrührerische Projekte er aufgefangen hatte.
Hildebrand wurde bei seiner Rückkehr von Rom über den Grossen St. Bernhard gefangen genommen und gezwungen, um seinen Bischofssitz zu retten, auf die Carolina, d. h. auf die weltliche Gewalt zu verzichten. Immerhin gelang es dem vereinten Einflusse der katholischen Orte und Savoyens, der alten Lehre das Uebergewicht zu sichern, zu deren Verteidigern sich die obern Zehnten als Nachbarn und Freunde der Waldstätte aufwarfen. 1655 wurden die letzten Anhänger der Reformation verbannt.
Von diesem Datum an bis zum Ende des 18. Jahrhunderts stört kein wichtiges diplomatisches Ereignis mehr die politische Ruhe des Landes. Nach der Eroberung des Unterwallis verwalteten zwei Landvögte, die abwechselnd von den sieben Zehnten auf je zwei Jahre gewählt wurden, das eroberte Gebiet. Die heutigen Bezirke Martinach, Entremont und Saint Maurice waren dem Landvogt unterstellt, der seinen Sitz im Schlosse von Saint Maurice hatte, während Monthey unter dem daselbst wohnenden Vogt stand. Da diese Beamten keine andere Einkünfte hatten als die, welche die Gerichtskosten und die Erträgnisse der Bussen und Konfiskationen abwarfen, liessen sie sich oft verleiten, zu Vergehen anzureizen, um Gelegenheit zu bekommen, sie unterdrücken zu können.
Der Oberst Rovéréa, der diese Zustände gut kannte und der Demagogie nicht verdächtig ist, warf den Vögten hauptsächlich vor, sie erhöben eine Abgabe für das Recht, Tabak zu rauchen, sie verlangen, wenn ein Fisch mit einer Schusswaffe erlegt werde, zugleich die Busse für Fisch- und für Jagdbann, sie verkaufen den Schmugglern Salz und denunzieren sie dann der sardinischen Behörde, um mit dieser den Ertrag ihres Fanges zu teilen. Es brachen auch unter der so unterdrückten Bevölkerung in Monthey 1790 und 1791 einige Gewitter los, als Vorläufer der Katastrophe, die die Revolution brachte.
Sobald im Januar 1798 der Abgesandte des Direktoriums in Saint Maurice erschien, dankten die Behörden des Untertanenlandes schleunigst ab, während die Kommissäre der herrschenden Zehnten die Verzichtleistung auf ihre Rechte über das Unterwallis in die nämliche Stadt brachten. Dieser Akt, der den 22. Februar offiziell bestätigt wurde, war jedoch zu plötzlich gekommen, als dass er nicht Zweifel bei den einen, Hintergedanken bei den andern hätte bestehen lassen. Die Bewohner der obern Gegenden des Oberwallis, die ihre abgelegenen Thäler für unverletzlich hielten, schützten gern ihre Furcht wegen des religiösen Glaubens vor, sobald ihre Vorrechte im geringsten bedroht schienen und erhoben sich, ohne den Ratschlägen des Bischofs Gehör zu schenken, in dem Augenblicke, da man eine gemeinsame Verfassung ausarbeitete.
Sitten musste sich ihnen ergeben und Mangourit, der französische Resident, ins Unterwallis flüchten. Die französischen, Waadtländer und Unterwalliser Truppen zogen sich vor einem Korps von 4000 Oberwallisern bis Riddes zurück. Allein die Rache der Franzosen kam rasch; zehn Tage später wurde Sitten wieder genommen und geplündert und die Zehnten zu einer Kontribution von 600000 Talern verurteilt. Diesmal glaubte das Direktorium die Oberwalliser so sicher in ihr Schicksal ergeben, dass es, als anfangs 1799 eine neue gegenrevolutionäre Bewegung in Brig ausbrach, einiger Zeit bedurfte, um diesem Vorstoss die Stirne zu bieten.
Ein im Oberwallis staffelweise aufgestelltes Korps von 5000 Mann wurde gezwungen, das Land zu verlassen. Als das Direktorium hievon Kenntnis erhielt, liess es ein Korps Unterwalliser unter dem Befehl des General-Inspektors Dufour bis Sitten vorrücken. Diese Truppe kam am 20. April auf der Planta an. Am gleichen Tag setzte sich im äussersten Oberwallis das erste Gomser Aufgebot in Marsch, und am 22. rief die Sturmglocke alle aufrechten Männer von 18-60 Jahren zu den Waffen.
Sie nahmen zuerst ob den Schluchten der Dala und im Pfinwald Stellung. Nach einem ersten Gefecht bemächtigten sie sich den 4. Mai Sittens und zogen das Rhonethal hinunter bis Vernayaz. Die Nachricht von der Ankunft des Generals Lollier jedoch veranlasste sie, sich bis in den Pfinwald zurückzuziehen, wo sie nach zwanzigtägigem, hartnäckigem Widerstand geschlagen wurden. Die Franzosen drangen nun bis in die Nähe der Rhonequellen vor; sie bewerkstelligten da die Vereinigung ihrer Truppen unter Xaintrailles, dem Sieger im Pfinwald, mit denen unter Lecourbe, die über die Grimsel gekommen und noch voll Wut über die Niederlage waren, die ihnen die Russen an der Teufelsbrücke beigebracht hatten. Das Oberwallis wurde geplündert, die Dörfer verbrannt, die Kirchen der Schauplatz unsinniger Verwüstungen. Das alte Regiment war dahin.
Eine in Paris ausgearbeitete neue Verfassung vom machte das Wallis zu einer unabhängigen Republik unter der Kontrolle der französischen, helvetischen und zisalpinischen Republik. Immerhin sollte dieses neue Regime nur von kurzer Dauer sein. Der von Bonaparte gefasste Plan, eine Strasse über den Simplon zu eröffnen, hatte 1810 die Vereinigung des Wallis mit dem französischen Kaiserreich durch ein einfaches Dekret Napoleons zur Folge. Das Land bildete nun das Département du Simplon und war eingeteilt in drei Arrondissements und dreizehn Kantone. Dies dauerte bis zum an welchem Datum die allierten Mächte die Unabhängigkeit des Wallis proklamierten, die
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den durch den Verzicht Frankreichs bestätigt wurde. Auf den einstimmigen Wunsch der Abgeordneten der alten und neuen Zehnten wurde das Wallis am 12. September des selben Jahres als zwanzigster Kanton in die Eidgenossenschaft aufgenommen.
Die unter Einwirkung der allierten Mächte erlassene Verfassung von 1815 liess, wenn auch unter neuer Form, die alte Oberherrlichkeit des Oberwallis bestehen. Da jeder Zehent vier Abgeordnete für die kantonale Tagsatzung wählte und der Bischof, als Ersatz für den Verlust gewisser Rechte, ebenfalls über vier Stimmen im selben Rat verfügte, waren die volkreichen Bezirke des Unterwallis der Willkür der geschlossenen Abgeordnetenschaft der obern Bezirke ausgeliefert, denen sich immer auch der Bischof anschloss, da dieser unbedingt aus der Priesterschaft des östlichen Landesteiles genommen wurde. 20000 Seelen erhielten so 24 Vertreter, 40000 deren nur 28. Nach wiederholten Fehlschlägen wurde 1839 durch die Mithilfe der Abgeordneten von Sitten eine neue Verfassung angenommen.
Jedoch gelangte der alte, in Funktion gebliebene Staatsrat, statt sie willig anzuerkennen, mit dem Gesuch um Intervention an die Eidgenossenschaft. Für einen Moment tauchte der Gedanke an eine Trennung des Kantons auf. Während der alte Staatsrat sich nach Siders zurückzog, wählten die Anhänger des neuen Zustandes eine Regierung, die ihren Sitz in Sitten aufschlug. Wenn diese Zweispurigkeit imstande gewesen wäre, zwischen den beiden Parteien des Landes einen dauerhaften Frieden herzustellen, hätten sich die Wünsche der Separatisten vielleicht schliesslich verwirklicht.
Aber man war weit von einem solchen Resultat. Beiderseits fügte man sich dem Stand der Dinge nur widerwillig. Noch mehr; einige konservative Gemeinden des Unterwallis blieben der Regierung von Siders anhänglich; andere, durch die Parteien zerrissen, wandten sich bald an die eine, bald an die andre Regierung. Unter solchen Umständen war eine Entscheidung durch Waffengewalt unvermeidlich. Sie fand ihren Vorwand in einem Aufstand zu Evolena. Nach einem siegreichen Gefecht in der Nähe von St. Leonhard drangen die Unterwalliser in Siders ein und zwangen die östlichen Zehnten, ihre Verfassung anzuerkennen. Nach den Bestimmungen derselben verlor der Bischof seine Stimmen an der Tagsatzung; aber er erhielt als Ersatz dafür einen wirklichen Sitz im neuen Grossen Rate, wo auch der Klerus einen besondern Abgeordneten haben sollte. Diese Anordnungen, obwohl von dem liberalen Maurice Barman inspiriert, missfielen den fortgeschritteren Gruppen aufs äusserste.
Schon von 1841 an konnte man eine lebhafte reaktionäre Bewegung beobachten. Der Klerus des Unterwallis, der zum grössten Teil aus den Mönchen der Klöster zu Saint Maurice und auf dem Grossen St. Bernhard bestand, hatte sich in den frühern Kämpfen nicht offen vom Volke getrennt. Nachdem jedoch die politische Gleichheit der Bürger errungen war, handelte es sich darum, sie in Kraft treten zu lassen. Das konnte nicht ohne den Widerspruch des Klerus geschehen, den man seiner alten Vorrechte nicht entkleidet hatte und der nun fürchtete, sie möchten ihm bestritten werden.
Zwei Gesetzesvorlagen, von denen die eine den Anteil der Geistlichkeit am öffentlichen Unterricht regulierte, die andere sich auf die militärische Dienstleistung bezog, wurden verworfen. Die «Junge Schweiz», eine neue liberale Partei, erhob das Haupt. Während der Wahlen von 1843 warf sie die Pressen der Gazette du Simplon, eines dem Klerus ergebenen Blattes, bei Saint Maurice in die Rhone. Solche Exzesse brachten das Volk in Aufregung, und die liberale Partei verlor die Mehrheit im Staatsrate. Da tauchte die Aargauer Klosterfrage auf und brachte Feuer ins Dach. So glitt der Zwiespalt vom politischen auf den religiösen Boden hinüber.
Das Unterwallis, früher einstimmig, trennte sich in zwei Parteien: in die «Junge Schweiz», eine von Mazzini gegründete Gesellschaft, die sich aus der kühnen und unruhigen Jugend rekrutierte, und in die katholische Partei, die sich den Namen «Alte Schweiz» beilegte. Es ist überflüssig, von den Gemässigten zu reden, die gegenüber den Skandalen und Treibereien der extremen Parteien ein nur zu kluges Stillschweigen beobachteten. Als die Regierung, ohnmächtig, die Ordnung aufrecht zu erhalten, um eidgenössische Intervention nachsuchte, hatte der Vorort Luzern keinen andern Vermittler zu senden als Bernhard Meyer, einen Vorkämpfer des Sonderbunds.
Die «Alte Schweiz» im Oberwallis erhob sich und griff zu den Waffen. Am nahm sie unter Führung des Generals Wilhelm Kalbermatten Sitten ein, während die Unterwalliser Kolonne unter dem Befehl von Maurice Barman, dem Präsidenten des Verteidigungskomites von Martinach, an der Morge-Brücke die Anordnungen des Staatsrats und des Grossen Rates erwartete, die eben versammelt waren. Da aber beide Behörden versagten, setzten die Oberwalliser ihren Marsch gegen das Unterwallis fort.
Als sie die Brücke von Riddes verbrannt fanden, zogen sie nach einigen Scharmützeln dem rechten Ufer der Rhone entlang, indem sie es für klüger hielten, dem Rückzug der Liberalen von weitem zu folgen und die Sorge um die Vollendung des Werkes ihren Gesinnungsgenossen im Unterwallis zu überlassen. Diese führten es auch am Morgen des 21. Mai aus. Die «Alte Schweiz» von Salvan und aus dem Val d'Illiez, deren Mannschaft sich auf den Felsen von Gueuroz (Charfâs) in einen Hinterhalt gelegt hatte, sprengte die Liberalen von Saint Maurice und Monthey, die den Trient überschritten, um nach Hause zurückzukehren, auseinander und richtete ein wahres Blutbad unter ihnen an. Während nun die Häupter der Liberalen den Weg in die Verbannung einschlugen, trat Wallis, der ihm schon lange zugegangenen Aufforderung folgend, in den Sonderbund ein. Nachdem 1847 Freiburg und Luzern von den eidg. Truppen eingenommen worden, flüchteten sich die Häupter des zersprengten Bundes ins Wallis, um hier die Verteidigung bis aufs Messer zu organisieren, bis die Franzosen einschreiten würden, auf die man sicher hoffte. Aber beim Anrücken der eidgenössischen Truppen kapitulierte der Grosse Rat am 29. November; am 30. rückte Oberst Rilliet, von den verbannten Liberalen begleitet, in Sitten ein. - Endlich begann eine lange Friedenszeit. Jahre waren zur Vernarbung der so tief geschlagenen Wunden und zur Beruhigung der überhitzten Gemüter nötig; dann trat der
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Kanton in eine Periode zunehmenden Gedeihens, das allerdings durch die finanzielle Katastrophe von 1871 momentan unterbrochen wurde. Die wichtigsten Marksteine dieser neuesten Zeit sind: die Eindämmung der Rhone, die Gründung der Ligne d'Italie, die auch ihre Missgeschicke hatte, und die vor kurzem erfolgte Eröffnung des Simplontunnels.
23. Hervorragende Männer.
Im Kanton Wallis, der bis vor kurzer Frist den Charakter einer bis zum Uebermass dezentralisierten Republik an sich trug und der sich so sehr selbst zu genügen glaubte, dass er in geistiger Hinsicht nichts von aussen entlehnen zu müssen meinte, muss die Inanspruchnahme aller Geisteskräfte durch die Politik mehr auffallen, als in irgend einem andern Teil der Schweiz. Viele Männer von Bedeutung haben sich deshalb auch mit der bescheidenen Stellung eines Dorfnotars oder eines Ortsmagistraten begnügt. Wir haben bereits die Prälaten erwähnt, die in hervorragender Weise eine Zierde des bischöflichen Stuhles gewesen sind. Beschränken wir uns darum hier auf die Aufzählung derer, die ihren Ruf der politischen Wirksamkeit verdanken. Es sind dies: Walter Supersaxo, von Aernen, der den Einfällen Savoyens ins Rhonethal ein Ende machte (Schlacht auf der Planta 1475). - Der Urner Jost von Silenen, 1482 vom Bischofsstuhl in Grenoble auf den von Sitten versetzt, erlangte durch den Erbeinigungsvertrag von Oesterreich, dass diese Macht auf die Rechte in den Urkantonen verzichtete, auf die sie bisher Anspruch erhoben hatte. - Mathias Schinner, von Mühlibach, Freund Zwinglis, 1499 Bischof von Sitten, der im Interesse des Heiligen Stuhles die Schweizer gegen Frankreich auf die lombardischen Schlachtfelder warf, wurde 1511 durch Julius II. Kardinal und hätte es ohne den Widerstand Frankreichs als Nachfolger Leo X. bis zur Papstwürde gebracht; durch die Mazze verbannt, floh er nach Rom, wo er 1522 starb.
Von Volkshelden, Militärs und weltlichen Politikern sind zu nennen: Thomas Riedi (oder In der Binnen), von Ulrichen, verlor 1419 auf dem Schlachtfelde bei diesem Ort sein Leben. - Georg Supersaxo, ein Verwandter und Beschirmer des Kardinals Schinner, dann sein erbittertster Feind, Parteigänger der französischen Könige, ein reich begüterter Mann, dessen luxuriös ausgestattete Wohnungen in Martinach und besonders in Sitten man noch zeigt, wie auch in Glis einen Altar, den er als Grabmal für sich hatte errichten lassen. Aber die Mazze suchte auch ihn heim, und er starb 1529 zu Vevey in der Verbannung. - Kaspar Stockalper, Baron von Duyn, Ritter des heiligen römischen Reiches, Chef mehrerer Kompagnien in Piemont, Spanien, Frankreich und in den Armeen des Kaisers, eine durch die Legende stark umgestaltete Persönlichkeit, der die Minen im Ganterthal ausbeutete, sich einen prächtigen Palast in Brig errichtete und die Jesuiten und Ursulinerinnen in dieser Stadt ansiedelte, wer abwechselnd verbannt und mehrmals Herr des Landes, wo er die höchsten Beamtungen bekleidete, besonders die des Landeshauptmanns. Man verdankt ihm die Erstellung des Kanals im Unterwallis, der seinen Namen trägt (zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts). - Der Hauptmann Antoine de Quartéry aus Saint Maurice, Freund und Korrespondent des Franz von Sales, dem die Rückkehr des Wallis zum Katholizismus zu verdanken ist († 1641). - Vorher hatte der Landeshauptmann Michel Maghéran mächtig zur Verbreitung der reformierten Konfession beigetragen, den Bischof Hildebrand Jost gezwungen, auf die Karolina zu verzichten (1630), und zu Leuk den Anton Stockalper wegen Verschwörung gegen den Staat hinrichten lassen (1627). Nach der Wiederherstellung der alten Lehre siedelte Maghéran mit seiner Familie nach Bern über. - Julier von Badenthal, aus Varen, wurde Hofrat bei der Kaiserin Maria Theresia, nachdem er einen Prozess gegen sie gewonnen, und starb 1798 in Wien. - Der Graf Charles Emmanuel de Rivaz, von Saint Gingolph, war mehrmals Landeshauptmann, dann Vertreter des Departementes Simplon im Gesetzgebenden Körper und National-Präfekt (1753-1830).
Von den drei Brüdern Barman aus Saint Maurice war der älteste, Joseph Hyazinth († 1885) bevollmächtigter Minister der Eidgenossenschaft in Paris (1848-1857); Moritz Barman, eidgenössischer Oberst, wohnhaft in Saxon (1808-1878), war das Haupt der Regenerationsbewegung im Wallis von 1839-1847 und half die Trennung des Landes in zwei Halbkantone verhindern; Ludwig Barman (1805-1890), eidgenössischer Oberst, ehemaliger Soldat in fremdem Dienste, lange Zeit Nationalrat, wurde während den Unruhen vom als eidgenössischer Kommissär nach Genf geschickt.
Unter den hervorragenden Geistlichen sind noch anzuführen: Der Erzpriester Rudolf von Vantéry aus Monthey, gestorben 1471, Kanzler des Bischofs von Genf und Sekretär des Konzils zu Basel. - Die Jesuiten Binner von Goms, ein berühmter Kanonist, Rouaz aus dem Eifischthal, ein in Indien ermordeter Missionär (18. Jahrhundert), und Pater Anderledy von Brig, der 1890 als Ordensgeneral starb. - Ignaz von Lovina, von Siders, Lehrer Kaiser Karls VI., von dem er zur Würde eines Bischofs von Neustadt erhoben wurde († 1722). - Franz Joseph Veger, von Geschinen, Corherr zu Saint Maurice, Lehrer Josephs II., 1751 zu Pressburg gestorben. - Anton Berchtold, von Mörel, gestorben als Dekan von Valeria 1859; erwarb sich grosses Ansehen durch mehrere mathematische und statistische Schriften und trug vieles bei zur Hebung der Volksschule im Wallis. - Domdekan Franz Blatter († 1897), Gründer des Mädchenwaisenhauses in Sitten. - P. Peter Roh, von Gundis († 1872), ein hervorragender Kanzelredner.
Die Wissenschaften sind vertreten durch: Simon Steiner, genannt Lithonius, Professor der lateinischen und griechischen Litteratur in Strassburg († 1593). - Kaspar Collinus, mit seinem wirklichen Namen Ambüel, Naturforscher, Arzt und Apothekerin Sitten, Zeitgenosse und Freund Konrad Gessners, Verfasser botanischer Werke und von Studien über die Thermalquellen des Wallis. - Thomas Platter, von Grächen, Ziegenhirt, Bettler, Seiler, Buchdruckerei-Korrektor, dann Professor an der Universität Basel, einer der Förderer der reformierten Lehre im Wallis, † 1582 zu Basel. - Felix Platter, Thomas' Sohn, Arzt, gelehrter Naturforscher und Professor in Basel. - Jean Pierre Perraudin (1767-1858), von Morgnes im Bagnesthal, ein einfacher Bauer und Jäger, gab durch seine Beobachtungen den Gletscherstudien eine ganz neue Wendung. - Sein Landsmann, der Ingenieur Ignaz Venetz (17881859), von Stalden, machte sich die Verbreitung dieser Ideen zur Aufgabe; man verdankt Venetz auch die Durchstechung des vom Eis des Giétrozgletschers gebildeten Dammes anlässlich des Eisbruches von 1818, sowie andere bemerkenswerte Arbeiten. - Der Chorherr Murith, aus Sembrancher, Priester auf dem Grossen St. Bernhard (1742-1818), ein hervorragender Botaniker, hat zahlreiche Jünger hinterlassen: die Chorherren Tissières, Delasoie, Emile Favre, Besse etc. -
Der Doktor Kaspar Joris, von Orsières, Leibarzt des Grafen von Chambord, hat 1842 zu Wien eine These in lateinischer Sprache veröffentlicht. - Dr. Alphons Beck, von Monthey (1822-1902), berühmter Homöopath und Philanthrop, um 1860 in St. Petersburg wohnhaft, war einer der Gründer der kaiserlichen homöopathischen Gesellschaft Russlands und später der ersten Vereine zur gegenseitigen Unterstützung im Wallis. - Adrien de Quartéry, von Saint Maurice († 1896), wurde, nachdem er die Kurse der polytechnischen Schule in Paris durchlaufen, Chef-Ingenieur des französischen Staates. - Pierre Joseph de Rivaz (1711-1772) und sein Sohn Isaak († 1829) haben sich in der Mechanik ausgezeichnet; man hat vor einigen Jahren entdeckt, dass der erste Automobilwagen von diesem letztern am Anfange des verflossenen Jahrhunderts erfunden wurde.
Die Geschichtschreiber sind zahlreich. Anzuführen sind: Der Kapuziner Sigismund und der Chorherr Kaspar Berodi aus Saint Maurice, zwei Brüder, die gedruckte und handschriftliche Chroniken (von 1610 bis 1666) hinterlassen haben. - Aus der Familie de Rivaz der schon genannte Pierre Joseph, sein Sohn Anne Joseph, Chorherr von Sitten und Grossvikar von Dijon († 1836); dann der schon genannte Landeshauptmann Charles Emmanuel, Verfasser der Mémoires sur l'occupation du Valais par le général Turreau. - Der Kapuziner Sigismund Furrer, von Unterbäch, Verfasser einer Geschichte des Wallis und von Sammlungen deutscher Urkunden (1822-1865). - Chorherr Franz Boccard aus Saint Maurice (1808-
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1865), veröffentlichte 1844 zu Genf eine Histoire du Valais. - Peter Joseph Ruppen, Weltpriester, hat 1861 eine Chronik des Saasthales und im Vereine mit dem Abbé Tscheinen die Walliser Sagen herausgegeben. - 1812 schrieb Stephan Schiner von Aernen französisch die Description du Département du Simplon. Dieser ehemalige Statthalter von Monthey, der vertrieben und dann Doktor der Medizin in Montpellier wurde, hat damit ein vollständiges geographisches und historisches Gemälde des Landes geliefert. - Louis Ribordy, aus Sembrancher, ehemaliger Sekretär des Grossen Rates, hat 1885 einen Band Dokumente über die zeitgenössische Geschichte des Wallis (1790-1840) hinterlassen. - J. E. d'Angreville († gegen 1860), ein französischer Gelehrter, wohnhaft zu Saint Maurice, ist Verfasser eines Armorial historique des Kantons, sowie einer Flore Valaisanne.
Von den Dichtern in französischer Sprache seien folgende Namen genannt: Peter Joseph von Riedmatten, von Sitten (1744-1812);
Felix Bonnaz, von Saint Gingolph (1814-1845);
Charles Louis de Bons, von Saint Maurice (1809-1879);
Maurice Besse, von Les Larzes im Bagnesthal (1822-1874), und sein Sohn Alfred (Marseille; 1848-1904);
Auguste Bruttin (1835-1894);
Louis Gross von Martinach (1834-1878);
Georges Bioley (1843-1884);
Louis de Courten, von Sitteu (1880-1905), Jules Gross, Albert Duruz, Oskar Perrollaz und Charles Inalbon.
Dieser Liste kann man noch Louis Gard aus Bagnes, einen ehemaligen Offizier in neapolitanischen Diensten, beifügen, der zwar nichts veröffentlichte, aber durch seine zahlreichen, mehr geistsprühenden als vollendeten Lieder den Eifer der «Jungen Schweiz» von 1839-1844 entflammte.
Auch im deutschen Kantonsteil hat die Dichtkunst eifrige Jünger gefunden. Als solche haben sich hervorgetan Dekan J. G. G. Ritz von Selkingen (geb. 1706);
Pfarrer Cl. Bortis von Fiescherthal (1815-1884);
Pater P. Amherd von Zwischbergen (1825-1887);
Pfarrer P. J. Kämpfen von Geschinen (1827-1873);
Professor J. M. Kalbermatten von Hohtenn (1831-1896), Pfarrer M. Tscheinen von Naters (1808-1889), Domherr F. X. Inalbon von Turtman (1825-1896) und besonders Leo Lucian von Roten, von Raron, lange Zeit Staatsrat des Kantons (1824-1898).
Die Künste, die sich bis zur Reformation auf der gleichen Höhe gehalten hatten wie in den umliegenden Gegenden, sollten während des 17. und 18. Jahrhunderts infolge der Abgeschlossenheit des Landes noch mehr vernachlässigt werden, als Litteratur und Wissenschaft. Eduard Rod sagt, indem er vom Wallis vor dieser Zeit spricht: Da und dort bin ich Skulpturen begegnet, die sich ganz gut ausnehmen würden, ich will nicht sagen neben den bewunderungswürdigen Meisterwerken der französischen Schule des Mittelalters, aber doch neben deren Werken zweiten Ranges.
Ich führe unter andern eine Vision Ezechiels an, die sich in der Kirche von Valeria befindet. Neben wahren Kunstwerken - die nicht zahlreich sind -, wie viele schöne Kuriositäten, wie viel wertvolle Gegenstände, wie viel kostbare Nippsachen, die in den Schatzkammern der Kirchen und Klöster aufbewahrt werden! - Von Malern sind zu nennen: Maquembler, der Schöpfer der Fresken auf Valeria (1435);
der Schwabe Mannhaft, der Schwiegersohn des berühmten Kaspar Stockalper, im 18. Jahrhundert zu Brig gestorben;
Felix Corthey, von Bagnes, Soldat in Spanien, der im Anfang des 19. Jahrhunderts zu Barcelona ein Atelier eröffnete und seinem Geburtsland eine Menge Porträts und Kirchengemälde hinterlassen hat;
Raphael Ritz, von Niederwald (1829-1894), dem das Wallis die Darstellung zahlreicher Volksszenen verdankt. An die Namen dieser Künstler kann man denjenigen von Albert Kämpfen anschliessen, der, 1826 in Versailles als Sohn eines Walliser Chirurgen der Armeen Napoleons I. geboren, 1849 als Franzose naturalisiert, Advokat, Redaktor der Gazette des Tribunaux und des Journal officiel, sowie mehrerer Pariser Zeitungen für Kunst und Litteratur wurde, 1879 zum Inspecteur des Beaux Arts, 1882 zum Directeur des Beaux Arts vorrückte und 1887-1893 Direktor der Nationalmuseen und der École du Louvre war. Er starb den in Paris.
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