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mangelhaft. Zudem darf man behaupten, dass die seit einer Reihe von Jahren gemachten Anstrengungen des Staates von den Gemeinden kaum unterstützt werden. Da fast nur Gemeindewaldungen vorhanden sind, halten die Ortsbehörden eifersüchtig auf ihrem Recht, über den Holzschlag verfügen zu dürfen. Mit der Wiederaufforstung fängt man kaum an, sich zu beschäftigen, da die Bevölkerung und die lokalen Behörden mehr darauf trachten, aus den Wäldern den grösst möglichen Vorteil zu ziehen, als für die Sicherheit der Dörfer und Felder oder für das künftige Wohlergehen des Landes zu sorgen.
Die bewaldete Oberfläche des Kantons Wallis beträgt 77061 ha, d. h. er steht nur hinter den beiden Kantonen zurück, die ihn auch an Gesamtausdehnung übertreffen, sowie hinter Waadt, wo die Staatswaldungen sehr bedeutend sind. Der Staat Wallis hat noch keine kantonalen Forste, da er keinen Grundbesitz hat, ausser den sog. Praz Pourris, wo seit fünf Jahren Wiederaufforstungen im Gange sind. Seit 1903 sind in dieser Gegend ungefähr 45000 Setzlinge verschiedener Arten gepflanzt worden.
Um sich zu erklären, warum der Bergbewohner so langsam daran geht, Bodenwirtschaft und Lebensweise zu ändern, muss man sich vorstellen, dass dieser Kanton noch vor kurzem der einzige war, dem die Verschiedenartigkeit seiner Bodengestaltung und die Mannigfaltigkeit der Höhenzonen auf einem sehr beschränkten Gebiet gestatteten, seinen bescheidenen Bedürfnissen selbst zu genügen. Deshalb hält sich auch der Getreidebau auf einer ziemlichen Höhe, obgleich die Ausdehnung des Weinbaus ihm die untern Abhänge streitig macht und die Wiesen ihn von oben her bedrohen.
Das hat seinen Grund auch darin, dass viele Lagen an den Bergen, die zu steil sind, um bewässert werden zu können, noch einen für Roggen, Weizen, Kartoffeln und, ausnahmsweise, für Bohnen geeigneten Boden aufweisen. Die Kartoffel hat jedoch meist die letztere verdrängt. So steigen Roggen und Kartoffeln, die gewöhnlich alle Jahre abwechseln, bis zu den Wäldern des nördl. Abhanges des Gomserthales hinauf, wo der angebaute Boden so zerstückelt ist, dass Stebler auf einem Flächenraum von 15 ha 417 Parzellen zählen konnte. Diese Nutzpflanzen erreichen hier eine Höhenlage von 1500 m, nahezu die selbe wie in Finhaut, in Verbier (Bagnesthal), in Champdonne, in Bourg St. Pierre (Entremont), sowie bei den Weilern La Sage und Villa (Evolena). Ausnahmsweise gehen die Aecker bis zur Höhe von 1900 m in Chandolin und selbst bis 2000 m im Findelenthal oberhalb Zermatt.
Diese Abstufung der Kulturen hat die Walliser nicht verhindert, überall, wo es möglich war, die Bewässerungsanlagen einzurichten, die den Fremden überraschen und zur Bewunderung hinreissen. Auf den steilen und der Mittagssonne ausgesetzten Halden, besonders an der S.-Flanke der Berneralpen, wäre der Ertrag der Aecker äusserst ungleich und sogar stark gefährdet ohne die Kanäle, die oben in wilden, abgelegenen Schluchten das Wasser auffangen und es über Abgründe, Weiden und Wälder bis zu einem genau umgrenzten Feldareal bringen.
Unter diesen «Wasserleitungen» oder «bisses», wie man sie in den beiden Landessprachen heisst, dienen die einen, wie die höchste im Rappenthal ob Mühlebach und Aernen, dazu, die obern Weiden zu düngen, andere, wie die von Lentine und Clavoz bei Sitten, dazu, den mit Weinbergen besetzten Gürtel vor Trockenheit zu bewahren. So haben die Gebiete von Lens und Ayent dreierlei Wasserleitungen, die ihr Wasser alle aus der Liène beziehen: die ersten sind für die obern Weiden eingerichtet, die zweiten für die um die Dörfer liegenden Felder und die dritten für die Weinberge im Thal. Obschon die Wasserleitungen in allen Gebieten des obern und mittlern Wallis allgemein vorkommen, sind sie doch auf Seite der Berneralpen häufiger als in der Kette der Walliseralpen.
Hier haben sie auch die grössten Hindernisse zu überwinden. Aus der Tiefe der Abgründe muss man den Kanal zuerst auf Stützen herausführen, das Wasser dazu in hölzernen Rinnen sammeln, dann ihn aufhängen, durch Tunnels und über Aquaedukte führen, ihn vor Lawinen schützen, ihn eingraben, wo das Terrain leicht rutscht, sein Bett in den Felsen hauen und hie und da ihn selbst als Wasserfall sich über eine hohe Felswand stürzen lassen, um das Wasser weiter unten an einem gegebenen Punkt von neuem zu fassen. So hat die Wasserleitung von Saxon, die von Tortin im Nendazthal herkommt, nicht weniger als 30 km zu durchlaufen, ehe sie auf dem Gebiet mündet, dessen Fruchtbarkeit sie erhalten soll.
Andere, wenn auch weniger lang, so die, welche aus den Klüften der Massa und aus dem Mundthal herkommen oder der Bisse de Sainte Marguerite in Savièse, zeichnen sich durch Kühnheit der Anlage und Verwegenheit des Baues aus. Bei den Wasserleitungen, die am besten reglementiert sind, geschieht die Verteilung des Wassers unter der Leitung des Wasserwächters (garde-bisse) und nach Verzeichnis («bulletin»),
d. h. nach den erworbenen Rechten und der Ausdehnung der Besitzungen eines jeden, mittels einer Schleuse von berechneten Dimensionen. Gegenwärtig zählt das Wallis 207 solcher Bewässerungskanäle.
Wir haben in unserm Artikel über das Rhonethal (siehe Band IV dieses Lexikons) die Reihenfolge der Kulturzonen dieser Region angegeben. Andrerseits haben die Versuche, die zur Aufzucht der Seidenraupe gemacht worden sind, den Beweis erbracht, dass der Maulbeerbaum in diesem Land gedeiht; es ist beizufügen, dass der Feigenbaum, der Pomeranzenbaum und sogar der Oelbaum in gewissen ausgewählten Lagen fortkommen. Der Kastanienbaum, der in den Umgebungen von Saint Maurice, Le Bouveret und Monthey eigentliche Wälder bildet, kann hier bis auf 800 m hinaufsteigen. Er findet sich auch häufig bei Fully und Naters und verirrt sich wie die Weinrebe sogar bis in die Gegend von Mörel.
Im Thal von Entremont dringt er bis Les Valettes (Bovernier) vor; vom Val d'Illiez beschattet er den Eingang. Der Nussbaum steigt etwas höher hinauf. Wenn er sich im Rhonethal nicht weiter wagt als der Kastanienbaum von Mörel, so rückt er im Eringerthal über Vex hinaus und geht im Entremont bis nach Orsières, im Bagnesthal nach Le Fregnolay, im Visperthal bis Stalden, im Eifischthal bis Niouc, an dessen Schwelle. Was die übrigen Obstbäume, den Pfirsich-, Apfel-, Kirsch- und Aprikosenbaum betrifft, so bilden auch sie eine Quelle des Wohlstandes; vor allem der Aprikosenbaum verbreitet sich rasch seit der Gründung der Konservenfabrik in Saxon und der Baumschule Bollin am selben Ort. Man darf sagen, dass der Boden von Saxon diesem Zweig des Obstbaues ausserordentlich günstig ist, indem hier der Aprikosenbaum im Freien bis nach Sapin Haut (1000 m) ¶
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gedeiht. Ravoire ob Martinach und Collonges haben den Ruf, Kirschen zum Brennen zu liefern, die von auswärtigen Händlern sehr gesucht sind. Unter den aufgegebenen oder abnehmenden Kulturen sind noch zu erwähnen der Safran, der bis jüngsthin in Naters, Mund und Mörel gezogen wurde, der Tabak in der Ebene bei Sitten und der Mais in der ganzen Ebene des mittleren Wallis. Obgleich der Mais in erheblichen Masse von ihm als Nahrung gebraucht wird, will ihn der Walliser doch lieber aus dem Süden einführen als selbst anpflanzen. Wenn er bisher immer noch angebaut worden ist und angebaut wird, geschieht das, weil man ihn vorzüglich als Futterpflanze verwendet und grün abschneidet.
11. Fischerei und Jagd.
Für die Fischerei ist das Wallis in 4 Kreise eingeteilt:
1) Von der Furka bis zur Brücke von Siders;
2) von der Brücke von Siders bis zur Brücke von Riddes;
3) von der Brücke von Riddes bis zum Genfersee;
4) Genfersee. Es existieren drei Fischbrutanstalten, welche sich der Aufzucht von Forellen widmen und 1905 folgende Mengen von Brut geliefert haben: Seeforellen 85100. Flussforellen 375700, amerikanische Forellen 48200 und Regenbogenforellen 20600 Stück.
Der Staat Wallis besitzt auch an verschiedenen Punkten Stationen für die Niederlage von Reusen; er hält dieselben mit Rücksicht auf den Rückkauf der herrschaftlichen Rechte, die er dann verpachtet, ähnlich wie die Rechte über gewisse Wasserläufe wie Dala, Vièze, Stockalperkanal etc. Die hieraus entspringende Einnahme beträgt 1260 Fr., die für die Fischereibewilligungen 2314 Fr. Der Kanton besitzt eine Vereinigung der Angelfischer. Regierungsratsbeschlüsse, welche sich hauptsächlich auf Konventionen mit benachbarten Staaten stützen, regeln die Art und Weise der Fischereiberechtigung, sowie den Gebrauch der verschiedenen Gerätschaften.
Die Jagd auf Hirsche, Damwild und Steinböcke ist untersagt; Rehe sind vor kurzem in den Waldungen des Val Ferret ausgesetzt worden, wo jede Jagd ausdrücklich verboten ist. Die übrigen unter Jagdbann stehenden Gebiete werden durch die kantonalen und Bundesbehörden bezeichnet. Das letzte Jagdgesetz datiert vom Im Jahr 1906 haben die Bewilligungen zur Jagd die Summe von 15780 Fr. eingetragen. Während des Jahres 1907 haben die Walliser Jäger 790 Füchse und 10 Fischotter zur Strecke gebracht. Der Bundesbeitrag für Bewachung und Unterhalt der Freiberge belief sich im Jahr 1905 auf 1071 Fr.; die Leistung des Kantons betrug 9,58 Fr. auf den km2.
12. Industrie.
Seit einigen Jahren hat die Industrie im Wallis eine grosse Ausdehnung genommen. Niemand kann die Wichtigkeit der Bewegung voraussehen, die sich erst in ihrem Anfangsstadium befindet. Den ersten Platz nimmt offenbar die Hotelindustrie ein. Nach einer neulich von Jules Émonet veröffentlichten Statistik zählte der Kanton Wallis auf den 324 Hotels und Pensionen, von denen 228 nur zeitweilig und 96 das ganze Jahr geöffnet waren, mit 9628 Zimmern, 15685 Betten und 4600 Angestellten; ferner 102 Landgasthäuser und Restaurationen mit zusammen gegen 700 Betten, also im ganzen 426 Etablissemente zur Aufnahme von Reisenden.
Der Bezirk Visp mit seinen prächtigen Etablissementen in Zermatt stellt sich in den ersten Rang; er besitzt 51 Hotels und Pensionen, 2211 Zimmer, 3510 Betten. Dann folgen die Bezirke Saint Maurice mit 49, Monthey mit 46, Siders mit 31 und Entremont mit 30 Etablissementen. Der letztere Bezirk steht in Bezug auf die Anzahl der Betten im zweiten Rang, weil das Hospiz des Grossen St. Bernhard in dieser Statistik mit inbegriffen ist, wie auch die Sanatorien in derjenigen von Siders. Am wenigsten Hotels zählt der Bezirk Conthey, ein hauptsächlich Wein- und Ackerbau treibendes Gebiet, wo wir nur in Ardon ein einziges Fremdenhotel nebst verschiedenen Landgasthäusern treffen; es folgen dann Vétroz und Chamoson. Doch ist es nicht wahrscheinlich, dass das Thal von Nendaz, das bis heute vom Strom der Fremden unberührt geblieben, noch lange ihrem Besuch wird entgehen können, nachdem nun einmal eine fahrbare Strasse dorthin erstellt worden ist.
Nach der Höhenlage verteilen sich diese 324 Hotels folgendermassen:
Hotels | liegen zwischen m | und m |
---|---|---|
47 | 380 | 600 |
58 | 601 | 1000 |
124 | 1001 | 1500 |
55 | 1501 | 1800 |
13 | 1801 | 2000 |
18 | 2001 | 2400 |
7 | 2401 | 2700 |
0 | 2701 | 2800 |
1 | 2801 | 2900 |
1 | über | 3000 |
Im ganzen schweizerischen Hotelwesen nimmt das Wallis hinsichtlich der Zahl der Etablissemente den 4. Rang unter den Kantonen ein. Es kommt nach Bern, Graubünden und der Waadt und wird unmittelbar gefolgt von Tessin und Luzern. Allerdings sind eine grosse Zahl dieser Etablissemente nur während einer kurzen Sommersaison geöffnet, und viele erfordern erhebliche Opfer. Wie der Verfasser der Statistik bemerkt, hat sich die Zahl der Hotels zwischen 1880 und 1894 und von da bis 1907 von neuem verdoppelt.
Zu Anfang des Jahres 1907 betrug die Anzahl der dem Fabrikgesetz unterstellten gewerblichen Etablissemente 51. d. h. 10 mehr als im Jahr 1906. Dieselben benutzten 28530 Pferdekräfte; davon kommen auf
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Wasserkräfte | 556 |
Elektrische Kraft | 27804 |
Dampfkraft | 149 |
Gasmotoren | 6 |
Petrolmotoren | 15 |
Das Wallis besitzt kein eigentliches Industriezentrum; die Etablissemente haben sich immer an den hauptsächlichsten Wasserläufen angesiedelt. Fast jede Haushaltung besass einen Webstuhl, auf welchem die Hausfrauen die Wolle ihrer Schafe und ihr Hanfgarn selbst woben. Müllerei, Bäckerei, Gerberei, Sägereien, Keltern und Walken waren in den meisten Ortschaften vorhanden. Ausser einigen Produkten des Bergbaues und des Bootbaues für den Genfersee in Saint Gingolph existierte kaum irgendwelche Exportindustrie. Indessen besass ¶