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und des Beisammenlebens als auf äussern Zeichen beruht. Was den kleinen Wuchs dieser Rasse betrifft, kann man die Ursache davon wohl in der Tatsache erblicken, dass sie den ganzen Sommer unter freiem Himmel bis zu 2500 m Höhe und darüber zubringt und allen Unbilden des Wetters ausgesetzt ist. Ungeachtet eines Erlasses des Grossen Rates vom nach welchem innert einer Frist von höchstens sechs Jahren zum Schutz des Viehes Ställe auf allen Alpweiden errichtet werden sollten, wo deren noch keine vorhanden, sind heute doch nur wenige Alpen des mittlern Wallis mit solchen versehen. Und gerade die höchst gelegenen entbehren noch solcher Schutzbauten. Wo sich aber auch solche vorfinden, geht das Vieh doch nur bei ausserordentlichen Schneefällen hinein.
Im äussersten Oberwallis hat man einen Viehschlag mit fahlgrauer Behaarung, den man die Gomser Rasse nennt, während er aber nur eine Abart der Schwyzer Rasse ist, gerade wie die sogenannte Lötschen- und Illiez-Rasse, welche diese zwei Thäler und einige anstossende Gebiete bewohnt, nichts andres als eine Mischung zwischen Freiburger und Berner Rasse ist. Das Wallis steht mit seinem Rindvieh im 9. Rang, nämlich gerade hinter Graublinden. Von dem Totalbestand von 75562 sind nur 1286 Stück zum Schlachten bestimmt; 62776 sind Milchkühe, 1316 Stiere, 2000 Ochsen etc. Der grösste Teil dieses Viehes und das der andern Gattungen wohnt im Sommer auf 547 Alpen, die eine Gesamtfläche von 147399 ha einnehmen, von denen 86116 ha produktive Weide sind. Der Gesamtwert der eigentlichen Weiden ist 9189880 Fr.; aber der Durchschnittswert ist nach den Gegenden und nach der Höhe sehr verschieden. Von 291 Fr. per ha im Bezirk Monthey fällt er auf 85 Fr. in Hérens und auf 80 Fr. in Siders, wo er für das französische Wallis am niedrigsten steht. Im deutschen Wallis schwankt er zwischen dem Maximum von 92 Fr. im Bezirk Leuk und dem Minimum von 54 Fr. im Briger Bezirk.
Die Milchproduktion ist also die Hauptnährquelle der Walliser Bevölkerung; denn erst seit verhältnismässig kurzer Zeit hat sich eine, noch schwache, Klasse von Industriellen, Kaufleuten und Beamten gebildet, die nicht zugleich Viehzüchter sind. Den Beweis, dass die Bevölkerung hauptsächlich von Milchprodukten lebt, sehen wir in der geringen Ausfuhr trotz des reichlichen Ertrages. Im Jahr 1906 hat dieser Kanton bloss 680 Meterzentner Käse und 670 Meterzentner Butter exportiert, während er 2897 q des erstern und 559 q der letztern einführte. Im Winter wird die Milch zweimal täglich in die Milchhütten des Dorfes gebracht.
Diese je nach der Grösse der Ortschaften eine bis drei an der Zahl, beruhen auf Gesellschaften mit sehr genauen Statuten; der geringste Betrug wird streng und oft mit Ausschluss bestraft. Diese Massregel bildet einen Schandfleck, dem auszusetzen man sich hütet. Mit dem 1. Juni beginnt in der Regel die Zeit der Maiensässe. Das Vieh verlässt die Krippe und ein Teil der Familie begleitet es hinauf zu den kleinen Hütten, die ihr Privateigentum sind. Da verwendet nun jede Haushaltung ihre Milch nach Belieben.
Oft, wenn die Entfernung es erlaubt, bringt man sie ins Dorf hinunter, um die Familienglieder zu verproviantieren, die wegen Feldarbeiten oder der Heuernte unten geblieben sind; sonst verarbeitet man sie zu Butter oder zu magern Käschen, die «vacherins» oder «tommes» heissen für den Gebrauch der Familie aufbewahrt werden und nur selten in den Handel kommen. Sobald die höhern Weiden bezogen werden können, versammeln sich die Alpgenossen jeder Alp an einem Sonntag und bestimmen den Tag der Alpfahrt. Jeder soll sein Vieh am gleichen Tage aufführen. Da oben bleibt nun das Vieh, nach dem Kampf um den Rang der Königin, der Obhut der Hirten anvertraut, die für den ganzen Sommer angestellt sind. Zweimal in dessen Lauf kommen an einem bestimmten Tag die Genossen wieder hinauf, um den Ertrag jeder einzelnen Kuh zu kontrollieren, damit jeder weiss, wie viel ihm bei der Teilung am Schluss zukommt.
Die fetten Käse von den Walliser Alpweiden sind im Kanton sehr gesucht; die geschätztesten sind die von Goms ins Oberwallis und die von Bagnes im untern Kantonsteil. In der Form stimmen sie mit dem Greierzer überein; aber sie sind viel fetter und weniger fest, deshalb auch weniger zu einem Handelsartikel tauglich. Sie werden im Land selbst oder dann von Wallisern, die auswärts leben, konsumiert.
Das Lieblingsgericht des Wallisers ist ein geschmolzener Käse, den man «râclette» nennt; der grösste Teil des fetten Käses wird zur Bereitung dieser Speise verwendet. Das Vieh verlässt die Alpen in der zweiten Hälfte September und äzt während eines Monats wieder das Gras der Maiensässe, bevor es in das Thal zurückkehrt. So wickelt sich dieser Teil der Landwirtschaft im Wallis ab, mit Ausnahme des Lötschen- und Illiezthales und zweier oder dreier benachbarter Gemeinden, wo das nicht in Privatbesitz übergegangene Maiensäss mehr oder weniger mit der Alp zusammenfällt und der Bauer, durch Feldarbeiten weniger von der Viehzucht abgezogen, seiner Herde den ganzen Sommer folgt. In diesen Thälern, wie auch auf den Alpen von Orsières, wird die Milch in gleicher Art, wie in den Milchhütten der Dörfer, verarbeitet und verteilt. Im Jahr 1906 wurden für Alpverbesserungen Fr. 136772 aufgewendet, woran die Gemeinden Fr. 26168, der Staat Fr. 18761, die Eidgenossenschaft Fr. 35899 beitrugen.
Der Kanton Wallis besitzt eine landwirtschaftliche Schule zu Écône, zwischen Saxon und Riddes, in einem dem Kloster auf dem Grossen St. Bernhard gehörigen Bauernhof, wo jährlich 25 Zöglinge aufgenommen werden. Zwölf Professoren oder Fachlehrer unterrichten da in Buchhaltung, den Grundzügen der Landwirtschaft, der Zootechnik, in Gartenbau, Weinbau, Baumpflege, Botanik und elementarer Chemie. Jedes Jahr werden Spezialkurse für Käserei abgehalten, meistens zu Bramois bei Sitten; sie dauern je etwa vierzehn Tage.
Seit 1906 ist der Kanton Wallis in sechs Forstkreise eingeteilt, indem die Bezirke Leuk und Siders vom 2. und 4. frühern Forstkreis abgetrennt wurden. Trotzdem ist die Ueberwachung der Wälder infolge der grossen Ausdehnung des Gebietes erklärlicherweise ziemlich ¶
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mangelhaft. Zudem darf man behaupten, dass die seit einer Reihe von Jahren gemachten Anstrengungen des Staates von den Gemeinden kaum unterstützt werden. Da fast nur Gemeindewaldungen vorhanden sind, halten die Ortsbehörden eifersüchtig auf ihrem Recht, über den Holzschlag verfügen zu dürfen. Mit der Wiederaufforstung fängt man kaum an, sich zu beschäftigen, da die Bevölkerung und die lokalen Behörden mehr darauf trachten, aus den Wäldern den grösst möglichen Vorteil zu ziehen, als für die Sicherheit der Dörfer und Felder oder für das künftige Wohlergehen des Landes zu sorgen.
Die bewaldete Oberfläche des Kantons Wallis beträgt 77061 ha, d. h. er steht nur hinter den beiden Kantonen zurück, die ihn auch an Gesamtausdehnung übertreffen, sowie hinter Waadt, wo die Staatswaldungen sehr bedeutend sind. Der Staat Wallis hat noch keine kantonalen Forste, da er keinen Grundbesitz hat, ausser den sog. Praz Pourris, wo seit fünf Jahren Wiederaufforstungen im Gange sind. Seit 1903 sind in dieser Gegend ungefähr 45000 Setzlinge verschiedener Arten gepflanzt worden.
Um sich zu erklären, warum der Bergbewohner so langsam daran geht, Bodenwirtschaft und Lebensweise zu ändern, muss man sich vorstellen, dass dieser Kanton noch vor kurzem der einzige war, dem die Verschiedenartigkeit seiner Bodengestaltung und die Mannigfaltigkeit der Höhenzonen auf einem sehr beschränkten Gebiet gestatteten, seinen bescheidenen Bedürfnissen selbst zu genügen. Deshalb hält sich auch der Getreidebau auf einer ziemlichen Höhe, obgleich die Ausdehnung des Weinbaus ihm die untern Abhänge streitig macht und die Wiesen ihn von oben her bedrohen.
Das hat seinen Grund auch darin, dass viele Lagen an den Bergen, die zu steil sind, um bewässert werden zu können, noch einen für Roggen, Weizen, Kartoffeln und, ausnahmsweise, für Bohnen geeigneten Boden aufweisen. Die Kartoffel hat jedoch meist die letztere verdrängt. So steigen Roggen und Kartoffeln, die gewöhnlich alle Jahre abwechseln, bis zu den Wäldern des nördl. Abhanges des Gomserthales hinauf, wo der angebaute Boden so zerstückelt ist, dass Stebler auf einem Flächenraum von 15 ha 417 Parzellen zählen konnte. Diese Nutzpflanzen erreichen hier eine Höhenlage von 1500 m, nahezu die selbe wie in Finhaut, in Verbier (Bagnesthal), in Champdonne, in Bourg St. Pierre (Entremont), sowie bei den Weilern La Sage und Villa (Evolena). Ausnahmsweise gehen die Aecker bis zur Höhe von 1900 m in Chandolin und selbst bis 2000 m im Findelenthal oberhalb Zermatt.
Diese Abstufung der Kulturen hat die Walliser nicht verhindert, überall, wo es möglich war, die Bewässerungsanlagen einzurichten, die den Fremden überraschen und zur Bewunderung hinreissen. Auf den steilen und der Mittagssonne ausgesetzten Halden, besonders an der S.-Flanke der Berneralpen, wäre der Ertrag der Aecker äusserst ungleich und sogar stark gefährdet ohne die Kanäle, die oben in wilden, abgelegenen Schluchten das Wasser auffangen und es über Abgründe, Weiden und Wälder bis zu einem genau umgrenzten Feldareal bringen.
Unter diesen «Wasserleitungen» oder «bisses», wie man sie in den beiden Landessprachen heisst, dienen die einen, wie die höchste im Rappenthal ob Mühlebach und Aernen, dazu, die obern Weiden zu düngen, andere, wie die von Lentine und Clavoz bei Sitten, dazu, den mit Weinbergen besetzten Gürtel vor Trockenheit zu bewahren. So haben die Gebiete von Lens und Ayent dreierlei Wasserleitungen, die ihr Wasser alle aus der Liène beziehen: die ersten sind für die obern Weiden eingerichtet, die zweiten für die um die Dörfer liegenden Felder und die dritten für die Weinberge im Thal. Obschon die Wasserleitungen in allen Gebieten des obern und mittlern Wallis allgemein vorkommen, sind sie doch auf Seite der Berneralpen häufiger als in der Kette der Walliseralpen.
Hier haben sie auch die grössten Hindernisse zu überwinden. Aus der Tiefe der Abgründe muss man den Kanal zuerst auf Stützen herausführen, das Wasser dazu in hölzernen Rinnen sammeln, dann ihn aufhängen, durch Tunnels und über Aquaedukte führen, ihn vor Lawinen schützen, ihn eingraben, wo das Terrain leicht rutscht, sein Bett in den Felsen hauen und hie und da ihn selbst als Wasserfall sich über eine hohe Felswand stürzen lassen, um das Wasser weiter unten an einem gegebenen Punkt von neuem zu fassen. So hat die Wasserleitung von Saxon, die von Tortin im Nendazthal herkommt, nicht weniger als 30 km zu durchlaufen, ehe sie auf dem Gebiet mündet, dessen Fruchtbarkeit sie erhalten soll.
Andere, wenn auch weniger lang, so die, welche aus den Klüften der Massa und aus dem Mundthal herkommen oder der Bisse de Sainte Marguerite in Savièse, zeichnen sich durch Kühnheit der Anlage und Verwegenheit des Baues aus. Bei den Wasserleitungen, die am besten reglementiert sind, geschieht die Verteilung des Wassers unter der Leitung des Wasserwächters (garde-bisse) und nach Verzeichnis («bulletin»),
d. h. nach den erworbenen Rechten und der Ausdehnung der Besitzungen eines jeden, mittels einer Schleuse von berechneten Dimensionen. Gegenwärtig zählt das Wallis 207 solcher Bewässerungskanäle.
Wir haben in unserm Artikel über das Rhonethal (siehe Band IV dieses Lexikons) die Reihenfolge der Kulturzonen dieser Region angegeben. Andrerseits haben die Versuche, die zur Aufzucht der Seidenraupe gemacht worden sind, den Beweis erbracht, dass der Maulbeerbaum in diesem Land gedeiht; es ist beizufügen, dass der Feigenbaum, der Pomeranzenbaum und sogar der Oelbaum in gewissen ausgewählten Lagen fortkommen. Der Kastanienbaum, der in den Umgebungen von Saint Maurice, Le Bouveret und Monthey eigentliche Wälder bildet, kann hier bis auf 800 m hinaufsteigen. Er findet sich auch häufig bei Fully und Naters und verirrt sich wie die Weinrebe sogar bis in die Gegend von Mörel.
Im Thal von Entremont dringt er bis Les Valettes (Bovernier) vor; vom Val d'Illiez beschattet er den Eingang. Der Nussbaum steigt etwas höher hinauf. Wenn er sich im Rhonethal nicht weiter wagt als der Kastanienbaum von Mörel, so rückt er im Eringerthal über Vex hinaus und geht im Entremont bis nach Orsières, im Bagnesthal nach Le Fregnolay, im Visperthal bis Stalden, im Eifischthal bis Niouc, an dessen Schwelle. Was die übrigen Obstbäume, den Pfirsich-, Apfel-, Kirsch- und Aprikosenbaum betrifft, so bilden auch sie eine Quelle des Wohlstandes; vor allem der Aprikosenbaum verbreitet sich rasch seit der Gründung der Konservenfabrik in Saxon und der Baumschule Bollin am selben Ort. Man darf sagen, dass der Boden von Saxon diesem Zweig des Obstbaues ausserordentlich günstig ist, indem hier der Aprikosenbaum im Freien bis nach Sapin Haut (1000 m) ¶