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in dieser Zeit vier Könige: Rudolf I. (888-912), Rudolf II. (912-937), Konrad (937-993) und Rudolf III. (993-1032). Nach Rudolfs III. Tod gelang dem deutschen Kaiser Konrad dem Salier die Unterwerfung der burgundischen Grossen und die Sicherung von Burgund, das nun dem deutschen Reich angegliedert ward.
Die romanischen Adelsgeschlechter, und zwar im besondern die des Waadtlandes waren stets unruhige und schlecht disziplinierte Untertanen gewesen. Sie hatten unter den ersten burgundischen Königen sich einer grossen Selbständigkeit erfreut, so dass sie dann unter Rudolf III. nur gehorchten, wenn sie es gerade für gut fanden, und sich jedesmal auflehnten, sobald ihnen der König seinen Willen aufzwingen wollte. Besondern Hass weihte dieser Adel deutschem Einfluss und deutscher Herrschaft. Es kam so weit, dass der Waadtländer Adel tatsächlich unabhängig wurde. Schon machte sich aber eine neue Macht, die des Hauses Savoyen geltend.
Die erste Grundlage zur savoyischen Herrschaft über das Waadtland legte Graf Thomas I. Zu dem schon in seinem Besitz befindlichen Chablais, d. h. der Rhoneebene bis Saint Maurice, und dem Schloss Chillon erwarb er 1207 noch Moudon. Seinem Sohn Peter II., dem sog. Kleinen Karl der Grosse, der 1263 Graf von Savoyen wurde, gelang es, sich einer grossen Anzahl von Waadtländer Herrschaften zu bemächtigen und deren Herren seine Oberhoheit aufzuzwingen. Seine Nachfolger setzten das Werk fort: die stolzen Feudalgeschlechter von Prangins, Grandson, Cossonay sahen sich der Reihe nach ihrer Macht entkleidet. So kam es, dass das Waadtland am Ende des 14. Jahrhunderts fast ganz in savoyischem Besitz war. Ein unabhängiges Fürstentum bildete einzig das Bistum Lausanne; Orbe und Échallens gehörten dem burgundischen Haus Châlons; Oron, Aubonne und Coppet standen der ebenfalls unter Savoyens Hoheit befindlichen Grafschaft Greierz zu.
Bald erstand den Grafen von Savoyen ein gefährlicher Gegner in dem mächtigen Geschlecht der Habsburger, dem Erben der Macht der Kiburger, die ihrerseits Erben der Zähringer gewesen. Die Thäler der Broye und Saane wurden nun öfters der Schauplatz blutiger Kämpfe und Verheerungen. Es sei hier die Reihe der auf Peter II. folgenden Grafen von Savoyen gegeben: Philipp I. (1268-1285), Amadeus V., der Grosse (1285-1323), Eduard der Freigebige (1323-1329), Aymo der Friedfertige (1329-1343), Amadeus VI., der sog. Grüne Graf (1343-1383), Amadeus VII., der sog. Rote Graf (1383-1391), Amadeus VIII. (Graf von 1391-1416, Herzog von 1416-1439, dann als Felix V. Papst von 1440-1449). Es folgen nun als Herzoge: Ludwig (1439-1465), Amadeus IX., der Glückselige (1465-1472), Philibert I., der Jäger (1472-1482), Karl I., der Kriegerische (1482-1490), Karl II. (1490-1496), Philipp II., gen. Sans Terre (1496-1497), Philibert II., der Schöne (1497-1504), Karl III., der Gute (1504-1553). Während die grossen Feudalherren der Waadt im 13. Jahrhundert dem Haus Savoyen direkt unterstanden, bildeten der niedere Adel und die Städte die Baronnie de Vaud, die ein Lehen der jüngern Linie des Hauses var. Die beiden Barone der Waadt waren Ludwig I. (1285-1302) und Ludwig II. (1302-1349), worauf das Land wieder an Savoyen zurückfiel. Im 15. Jahrhundert wurde es neuerdings davon abgetrennt und dem Jakob von Savoyen, Grafen von Romont und Baron der Waadt (1465-1476) verliehen. Zu dieser Zeit brachen die Burgunderkriege los, in welche sich das Waadtland mitverwickelt sah, weil sich Jakob von Romont und dann auch die Herzogin Jolanthe von Savoyen, Regentin im Namen ihres minderjährigen Sohnes Philibert I., mit Herzog Karl dem Kühnen verbündet hatten.
Nach den Schlachten von Grandson und Murten (1476) wurde das Waadtland schrecklich verwüstet. Infolge des Freiburger Vertrages und der daran sich anschliessenden Uebereinkünfte fielen Aigle, Bex, Ollon und das Thal der Ormonts der Stadt Bern zu, während Orbe, Échallens, Grandson, Montagny, Murten und (das schon 1423 erworbene) Schwarzenburg gemeinsame Untertanenlande von Bern und Freiburg wurden. Unter Herzog Karl III. (1504-1553) brachen zwischen Bern und Savoyen neuerdings Streitigkeiten aus, weil die mit Bern verbündete Stadt Genf sowohl vom Herzog als vom Waadtländer Adel (dem Bund der Löffelritter) beständig bedroht und belästigt wurde.
Freilich kam es zunächst zu einem Vergleich, der am im Vertrag von Saint Julien und am im Vertrag von Payerne seinen schriftlichen Ausdruck fand. Der Herzog verpflichtete sich für sich selbst und seine Vasallen, Genf von nun an in Ruhe lassen zu wollen. Als Unterpfand sollte das Waadtland gelten. Als aber die savoyische Ritterschaft bald nachher ihre Angriffe auf Genf erneuerte, rüstete Bern seine Truppen und bemächtigte sich im Januar, Februar und März des Jahres 1536 des Waadtlandes, des Pays de Gex, des Chablais bis Thonon, des Schlosses Chillon und der Ländereien des Bistums Lausanne. 1555 teilte Bern mit Freiburg die Grafschaft Greierz auf, von der es das Saanenland und das Pays d'Enhaut für sich behielt.
Bern führte im eroberten Gebiet die Reformation ein. Einzig zehn Gemeinden der Landvogtei Échallens vermochten ihren katholischen Glauben beizubehalten. Die sehr beträchtlichen Kirchengüter wurden von Bern teilweise verkauft und teilweise zu eigenem Nutzen verwendet. Dagegen übernahm der neue Landesherr die Kultuskosten. Savoyen versuchte zu wiederholten Malen, wieder in den Besitz der ihm entrissenen Länder zu gelangen. Karl III. hatte dem Zerfall seines Herzogtums untätig zugesehen.
Sein Nachfolger Emmanuel Philibert (1553-1580) trat in spanische Dienste, nahm Anteil am Siege von Saint Quentin und liess sich im Vertrag von Cateau-Cambrésis (1559) das Herzogtum Savoyen zurückerstatten, das seinem Vorgänger von Frankreich weggenommen worden war. Er benutzte den Anlass, um auch das von Bern eroberte Gebiet wieder zu beanspruchen. Zu dieser kritischen Zeit der Uebermacht der katholischen Restauration in Europa kam Bern seinen mächtigen Gegnern klug entgegen und gab im Vertrag von Lausanne 1564 Gex, Thonon, Ternier und Galliard zurück, wodurch ihm der Besitz des Waadtlandes verblieb.
Herzog Karl Emmanuel (1580-1630) machte noch einen Versuch. Er gewann den Bürgermeister von Lausanne und einige andre Notabilitäten für seine Sache und verpflichtete sie, die Stadt seinen Truppen in die Hand zu spielen. Die Verschwörung misslang jedoch (1588). Der Tod des französischen Königs Heinrich IV. veranlasste einen neuen, ebenfalls vergeblichen Vorstoss Savoyens, worauf dieser Staat endlich mit Bern sich verbündete (1617) und so gutwillig auf das Waadtland Verzicht leistete. Freilich konnten sich die Herzoge nie ohne Hintergedanken in den für sie so schmerzlichen Verlust fügen, indem sie im Verlauf des 17. und sogar noch des 18. Jahrhunderts mehrfach die Möglichkeit erwogen, auf welche Weise sie wieder in den Besitz des Waadtlandes gelangen könnten.
Sobald Bern seiner neuen Eroberung einigermassen sicher sein konnte, begann das Räderwerk einer regelmässigen Verwaltung seinen Umgang. Das Land zerfiel ¶
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in die Vogteien Aigle, Chillon (Vevey), Lausanne, Morges, Aubonne, Nyon, Bonmont, Romainmôtier, Yverdon, Oron, Payerne, Moudon und Avenches. Rougemont und das Pays d'Enhaut gehörten zur Obervogtei Saanen, während Grandson, Orbe und Échallens von Bern und Freiburg gemeinsam verwaltet wurden. An der Spitze der gesamten Verwaltung jeder Vogtei stand der auf je 6 Jahre ernannte Landvogt, der Vertreter der Zentralgewalt, Verwalter des Finanzwesens, Aufseher der Unterrichtsanstalten, Zivilchef der Miliz und Polizei, sowie Richter erster und zweiter Instanz in einer Person war.
Die Einkünfte einer solchen Landvogtei schwankten jährlich zwischen 10000 und 40000 Franken. Die Wehrpflicht war obligatorisch. Die Waadt stellte 7 der 26 Infanterieregimenter (zu 2000-2400 Mann) der bernischen Armee, ferner einige Jägerkompagnien, acht Kompagnien Artillerie zu 80 Mann und etwa 100 Kürassiere, im ganzen rund 22000 Mann. Die Berner Regierung unterhielt auf dem Genfersee lange Zeit eine Kriegsflottille. Die Justizverwaltung hatte einige der Bestimmungen aus der savoyischen Epoche beibehalten und liess z. B. den adeligen Grundherren noch die Ausübung der niedern Gerichtsbarkeit. Lausanne und Payerne hatten ihre eigenen Rechtsverfassungen beibehalten. Die Gemeinden erfreuten sich als solche einer grossen Selbständigkeit.
Die Berner Regierung konnte in mehr als einer Hinsicht als vorzüglich gelten. Die Mitglieder des Rates waren meist tüchtige, ehrenwerte und integre Männer, die ihre ganze Zeit und Sorgfalt dem guten Gang des Staatswesens widmeten. Allgemein wird anerkannt, dass neben den Untertanen Friedrichs des Grossen in Preussen diejenigen des Rates von Bern zu den bestregierten in Europa zählten. Aber auch das Berner Regiment unterlag dem Einfluss der allgemeinen Zeitströmungen.
Von der Eroberung bis 1617 hatte es die Waadtländer mit vieler Schonung behandelt; es hatte ihre Freiheiten und Rechte geachtet und bestätigt, das Weiterbestehen der alten Waadtländer Landstände (États du Pays de Vaud) gestattet und auch zu verschiedenen Malen den an seine Adresse gerichteten Beschwerden Folge gegeben. Von 1617 an wuchs sich aber die Berner Hoheit, der allgemeinen Zeitströmung in Europa nachgebend, zu einem wirklichen Despotismus aus. Ausserordentliche Steuerauflagen wurden mit konsequentester Härte eingetrieben.
Die aufopfernde Haltung der Waadtländer Truppen auf den Schlachtfeldern von Herzogenbuchsee (1653) und Villmergen (1656 und 1712) fand keine Anerkennung. Im 18. Jahrhundert erreichte der Despotismus seinen Höhepunkt, indem nicht einmal mehr Gedankenfreiheit gewährt wurde: im Consensus-Handel zwang Bern den Pfarrern seine eigenen dogmatischen Ansichten und Meinungen auf. Der langandauernde Machtbesitz, der Genuss der mit der Eigenschaft als Burger und Patrizier von Bern verbundenen Vorrechte hatten bei den Bernern nach und nach einen Hochmut und Uebermut gezüchtet, der um so weniger erträglich schien, als die von Frankreich ausgehenden neuern philosophischen Ideen auch in der Waadt ihren Widerhall fanden.
Freilich trug die wenig aufgeklärte grosse Masse des Volkes das Joch ohne Murren. Als Davel 1723 einen Aufstand versuchte, scheiterte sein Unternehmen vollständig; von seinen Mitbürgern verlassen, endigte er auf dem Schaffot. Seither kam es niemandem mehr in den Sinn, ein solches Experiment zu wiederholen. Es bedurfte des Anstosses der französischen Revolution, um die Waadtländer aus ihrer Untätigkeit aufzurütteln. Während die ersten Versuche der Jahre 1790 und 1791 noch streng geahndet wurden, erhob sich die Waadt 1798 unter dem Schutz der französischen Republik gegen Berns Herrschaft. Am 24. Januar erklärte das Land seine Unabhängigkeit, am 27. Januar marschierte General Ménard in die Schweiz ein, und am 5. März hatte mit Berns Sturz die alte Eidgenossenschaft zu bestehen aufgehört.
Während der Zeit der helvetischen Republik war das zum Kanton Leman gewordene Waadtland eine der dem neuen Regime anhänglichsten und eine der seltenen Gegenden, wo die neuen Einrichtungen nahezu regelmässig funktionierten. Im grossen Zwist, der die Schweizer damals in zwei Lager teilte, stand das Waadtländer Volk zur Mehrheit auf Seite der Unitarier gegen die Föderalisten. Im Jahr 1802 war jedoch die Waadt der Schauplatz einer eigenartigen Kundgebung, des Aufstandes der sog. Bourla Papey (Papierverbrenner).
Der Waadtländer Bauer war besonders durch die gleich mit Beginn der Revolution verkündete Aufhebung und Abschaffung der Zehnten und Abgaben an die Grundherren für die neuen Ideen gewonnen worden. Später wurden dann aber unter dem Einfluss der Föderalisten diese Abgaben wieder hergestellt und zugleich die seit dem Jahr 1798 rückständigen Steuern eingefordert. Da brach beim aufgereizten Landvolk der Aufstand los: die Schlösser wurden mit Gewalt genommen und alle vorgefundenen Grund- und Zehntenbücher, Urkunden aller Art etc. durch Feuer vernichtet. Als nun die helvetische Regierung mit aller Strenge einschreiten wollte, sah sie sich selbst plötzlich ernsthaft bedroht.
Zu dieser Zeit bot die Schweiz nach zwei Jahren innern und äussern Krieges (1798 und 1799) und nach drei Jahren innerer Kämpfe zwischen den Anhängern des alten und denen des neuen Regimentes (1800, 1801, 1802) ein trauriges Schauspiel dar. Der damals Frankreichs und damit auch der Schweiz Geschicke lenkende Bonaparte machte sich diese Lage zunutze, indem er im Juli 1802 plötzlich seine Truppen zurückzog, deren Anwesenheit allein die Anarchie verhindert hatte. Sogleich brach nun ein formidabler föderalistischer Aufstand los, der die helvetische Regierung zur Flucht von Bern nach Lausanne zwang.
Bonapartes Einmischung machte den Wirren ein Ende Die in ihren grossen Zügen von Bonaparte ausgearbeitete Mediationsakte anerkannte die Unabhängigkeit der Waadt und gewährleistete die Unantastbarkeit ihres Gebietes. Alle Versuche Berns, sich seines einstigen Untertanenlandes wieder zu bemächtigen, scheiterten am unbeugsamen Widerstand des ersten Konsuls. Am trat der erste Grosse Rat des Kantons Waadt zur ersten Tagung zusammen. Die neuen Behörden zeigten sich auf der Höhe ihrer Aufgabe.
Sie organisierten die kantonale Verwaltung, das Finanz-, Post-, Erziehungs- und Bauwesen. Sie gingen vorsichtig, weise und gründlich zu Werk, sodass alle in der Waadt verwirklichten Errungenschaften des 19. Jahrhunderts auf dieser ersten Grundlage aufgebaut werden konnten und die ganze seitherige Entwicklung als der allmählige, zielbewusste und regelrechte Ausbau des Werkes von 1803 erscheint. Während sich der Kanton Waadt hinsichtlich seines eigenen Staatshaushaltes zur neuen Ordnung der Dinge rückhaltlos beglückwünschen durfte, litt er dagegen in seinen Beziehungen zu den Eidgenossen unter der misstrauischen Kälte, die die alten aristokratischen Republiken ¶