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Von glücklichem Einfluss war dann, namentlich ums dritte Viertel des 19. Jahrhunderts, die praktische Anwendung der wissenschaftlichen Methoden auf die Landwirtschaft. Rationelle Entwässerung von zu nassem Boden und die Einführung neuer Kulturpflanzen wurden bald zum Gemeingut der landwirtschaftlichen Bevölkerung. Man machte ernstliche Anstrengungen zur Verbesserung der Viehrassen; landwirtschaftliche Maschinen kamen auf, und chemische Kunstdünger fanden allgemein Eingang. Bald kam aber ein Rückschlag. Die Bodenpreise und in deren Folge auch die Grundsteuern gingen in die Höhe. Der Ausbau der Verkehrsmittel warf fremdes Getreide auf den Markt, das dem einheimischen Produkt scharfe Konkurrenz machte. Das Petroleum richtete den Anbau von Raps zugrunde. Die Baumwolle ersetzte Hanf und Lein. Um diesen bemühenden Erscheinungen erfolgreich entgegenzuarbeiten, schränkte man das Ackerland ein und gab dafür dem Futterbau eine grössere Ausdehnung, wodurch auch der Milchertrag sich steigerte. So gestaltete sich der landwirtschaftliche Betrieb mehr und mehr industriell. Die Grossfabrikation von Käse und kondensierter Milch hat den Waadtländer Bauern gerettet und ihm wieder zu seinem frühern Wohlstand verholfen.
Nach der unter der Leitung von Paul Gilliéron-Duboux veröffentlichten Statistique agricole umfasste im Jahr 1908 der produktive Boden eine Fläche von 275357 ha, die sich folgenderweise verteilten:
ha | |
---|---|
Felder und Gärten | 77067 |
Wiesen und Obstbaumgärten | 57970 |
Weiden | 59513 |
Wald | 72663 |
Weinreben | 6568 |
Landwirtschaftliche Bauten und Oekonomiegebäude | 1576 |
Der Getreidebau geht zwar zurück, wird aber im Gros de Vaud und längs dem Jurafuss noch lebhaft betrieben. An Getreide produzieren die Bezirke Cossonay, Yverdon und Orbe noch verhältnismässig grosse Mengen (1906: 39000, 36000 und 33000 Meterzentner); dann folgen Morges mit 29000 und Échallens mit 27000 Meterzentnern. An erster Stelle steht der Weizen; es folgen Hafer, Mengkorn, Roggen und Gerste. Folgende Tabelle weist die immer noch starke Getreideernte des Kantons nach:
1900 | 1905 | 1906 | 1907 | |||
---|---|---|---|---|---|---|
Meterzentner | Meterzentner | ha | Meterzentner | ha | Meterzentner | |
Weizen | 276519 | 286257 | 13922 | 295402 | 13923 | 282792 |
Roggen | 13972 | 13735 | 798 | 14508 | 901 | 14424 |
Mengkorn | 63869 | 65478 | 3706 | 67267 | 3804 | 67552 |
Gerste | 10111 | 9300 | 582 | 9105 | 629 | 9922 |
Hafer | 159045 | 160054 | 9490 | 162823 | 9492 | 159414 |
Die Getreidekulturen umfassen 28749 ha, d. h. etwas mehr als 1/10 des produktiven Bodens, genügen, aber dem Bedarf bei weitem nicht, so dass noch Weizen eingeführt werden muss. Man bezieht diesen hauptsächlich über Marseille aus Südrussland. Im Rhonethal wird als Spezialität noch Mais gebaut, doch geht die dieser Kultur gewidmete Bodenfläche zurück, so dass der jährliche Ertrag jetzt bloss etwas über 200 Meterzentner beträgt.
Von weit grösserer Bedeutung sind Obstbaumgärten, Wiesen und Weiden. Sie umfassen zusammen 117483 ha, d. h. mehr als 2/5 der produktiven Bodenfläche. In den letztvergangenen Jahren hat man im Kanton Waadt folgende Mengen Heu und Emd geerntet:
Jahr | Meterzentner |
---|---|
1901 | 3665234 |
1902 | 4063690 |
1903 | 4523656 |
1904 | 4148828 |
1905 | 4542253 |
1906 | 3612665 |
1907 | 3979647 |
In dieser Hinsicht stehen die Bezirke Cossonay, Aigle, Yverdon und Orbe im ersten Rang.
Vier Bezirke - Aigle, Avenches, Moudon und Payerne - bauen Tabak. Davon liefert der Bezirk Payerne für sich allein 9/10 der Gesamtproduktion. Folgende Ziffern zeigen, dass sowohl die mit Tabak bepflanzte Bodenfläche, als der Erntebetrag in fast beständiger Folge zurückgehen:
Jahr | Mit Tabak angepflanzte Fläche ha | Tabakernte in Meterzentnern |
---|---|---|
1901 | 291 | 5438 |
1902 | 263 | 5345 |
1903 | 239 | 4727 |
1904 | 234 | 4086 |
1905 | 228 | 5251 |
1906 | 221 | 3010 |
1907 | 200 | 3641 |
Während im Bezirk Yverdon bis 1905 noch 3 ha mit Hopfen bepflanzt waren und eine jährliche Ernte von 32-35 Meterzentnern ergaben, verzeichnet das Annuaire agricole von 1906 das Verschwinden dieser Kultur, die sowohl hinsichtlich Preislage als Qualität vorteilhaft durch die Einfuhr von Hopfen aus Böhmen und andern begünstigtern Ländern ersetzt worden war. Dagegen hat man dann im Jahr 1907 im Bezirk Yverdon neuerdings etwas Hopfen gezogen.
Die Kartoffelernte betrug in den Jahren 1901-1907:
Jahr | Meterzentner |
---|---|
1901 | 1018940 |
1902 | 1138883 |
1903 | 1030139 |
1904 | 1119363 |
1905 | 1194973 |
1906 | 1131399 |
1907 | 1284693 |
Obstbau wird überall betrieben. Am wenigsten begünstigt erscheinen in dieser Hinsicht die Bezirke Pays d'Enhaut und La Vallée. In erster Linie steht der Bezirk Aigle, auf den dann Vevey und Lausanne folgen, deren grosse städtischen Gemeinwesen den Gemüse- und Obstbau begünstigen. Die Nussbäume gehen zurück; am meisten findet man noch im Bezirk Cossonay. Die Bezirke La Vallée und Pays d'Enhaut ernten keine Nüsse. Die Kastanie gedeiht besonders gut im Bezirk Aigle.
Im Jahr 1906 hat der Kanton 12441 hl Apfel- und Birnenmost im Gesamtwert von Fr. 208279 produziert und wurden 1187 hl Obstbranntwein (aus Kirschen, Zwetschgen, Pflaumen) im Wert von Fr. 288682 destilliert. Fügt man noch die 3453 hl aus Weinhefe und Treber gebrannten Schnapses im Wert von Fr. 434560 hinzu, so gelangt man zu ganz ansehnlichen Ziffern. Für 1907 stellt sich die Produktion von Most höher (16968 hl), diejenige von Branntwein niedriger (1072 und 1802 hl) als im Vorjahr.
Wein wird gebaut im Rhonethal, längs dem Genferseeufer, im Orbethal und am Neuenburgersee. Die besten Marken Weisswein sind die von Yvorne, Villeneuve, Lavaux und La Côte, die besten Rotweine kommen besonders von Orbe und Bonvillars. Keinen Weinbau haben die Bezirke Oron, La Vallée und Pays d'Enhaut; wenig bedeutend sind die Weinberge in den Bezirken Échallens, Moudon und Payerne. Die grössten Bodenflächen beansprucht die Weinrebe in den Bezirken Vevey, Morges, Lavaux, Nyon, Aigle und Rolle. Im allgemeinen geht der Weinbau etwas zurück. Er umfasste:
Jahr | ha |
---|---|
1901 | 6585 |
1902 | 6581 |
1903 | 6572 |
1904 | 6517 |
1905 | 6474 |
1906 | 6445 |
1907 | 6353 |
Der Ertrag schwankt mit den einzelnen Jahren sehr stark, wie aus folgender Tabelle hervorgeht:
Jahr | Weisswein hl | Rotwein hl | Total hl | Mittel pro ha hl. |
---|---|---|---|---|
1901 | 431972 | 18631 | 450603 | 68.4 |
1902 | 433404 | 19992 | 453396 | 68.9 |
1903 | 158914 | 11557 | 170471 | 25.9 |
1904 | 450531 | 14309 | 464840 | 71.3 |
1905 | 413024 | 15688 | 428712 | 66.2 |
1906 | 427682 | 14019 | 441701 | 68.5 |
1907 | 166863 | 7891 | 174754 | 26.14 |
Auch der Wert des Weinertrages ist natürlich in den
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einzelnen Jahren verschieden und kann im Verhältnis von 1:10 und noch mehr schwanken. An tatsächlichem Reinertrag haben die Reben des Waadtlandes abgeworfen:
Jahr | Fr. | % des Bodenwertes |
---|---|---|
1901 | 1957202 | 5.9 |
1902 | 4905568 | 4.7 |
1903 | 911597 | 0.8 |
1904 | 8972436 | 8.7 |
1905 | 3479209 | 3.4 |
1906 | 10306537 | 9.9 |
1907 | 563830 | 0.5 |
Ebenso schwanken auch die Durchschnittspreise des Weins stark mit den verschiedenen Jahren. Sie betrugen für den Hektoliter
Jahr | Weisswein Fr. | Rotwein Fr. |
---|---|---|
1901 | 23.63 | 23.29 |
1902 | 29.19 | 25.14 |
1903 | 52.92 | 54.07 |
1904 | 39.13 | 38.65 |
1905 | 29.47 | 28.04 |
1906 | 44.17 | 42.13 |
1907 | 54.86 | 51.81 |
Der Waadtländer Winzer gilt mit Recht als sehr tüchtig und arbeitsam. Er liebt seine Reben, pflegt sie sorgfältig und widmet ihnen seine ganze Zeit und Arbeitskraft. Dazu kommt nun noch der hartnäckige und unablässige Kampf gegen die zahlreichen Schädlinge und Krankheiten, die die Reben bedrohen. Endlich bildet auch Hagelschlag eine ständige Gefahr. Der dem Waadtländer Weinbau durch Schädlinge, Krankheiten und Hagel zugefügte Schaden belief sich im Jahr 1903 auf 11 Mill. Franken, 1904 und 1905 auf mehr als 4 Mill., 1906 auf mehr als 2 Mill. und 1907 auf mehr als 10 Mill. Franken. Während Andre unter solchen Umständen verzweifeln würden, hofft der Winzer immer auf bessere Zeiten und wendet trotz allem der Rebe seine ganze Sorgfalt zu. Nachdem der Herbst 1905 eine quantitativ und qualitativ geringe Ernte gezeitigt, stand der Waadtländer Weinbau unmittelbar vor einer Katastrophe. Glücklicherweise gab das Jahr 1906 den Weinbauern wieder neuen Mut. Aber 1907 war neuerdings hoffnungslos. Nun beschloss der Waadtländer Grosse Rat die Ausrichtung von Geldbeiträgen, die schon von 1907 an zur Verjüngung der Weinberge mittels amerikanischer Reben verwendet wurden. Folgende Zusammenstellung gibt ein Bild der Verteilung der Weinrebe auf die einzelnen Bezirke im Jahr 1907:
Bezirke | Weinreben ha |
---|---|
1. Aigle | 644.2 |
2. Aubonne | 285.5 |
3. Avenches | 161.0 |
4. Cossonay | 61.15 |
5. Échallens | - |
6. Grandson | 285.5 |
7. Lausanne | 387.79 |
8. La Vallée | - |
9. Lavaux | 742.0 |
10. Morges | 900.6 |
11. Moudon | 0.35 |
12. Nyon | 730.5 |
13. Orbe | 409.0 |
14. Oron | 1.0 |
15. Payerne | 0.86 |
16. Pays d'Enhaut | - |
17. Rolle | 710.0 |
18. Vevey | 842.5 |
19. Yverdon | 192.0 |
Total | 6353.95 |
Man berechnet die Betriebskosten pro Hektare für
auf Fr. | |
---|---|
Aecker und Gärten | 190 |
Wiesen und Baumgärten | 120 |
Weiden | 25 |
Wald | 15 |
Weinberge | 1422 |
Im Jahr 1907 belief sich der Bruttoertrag der gesamten landwirtschaftlichen Produktion auf Fr. 82151788; Betriebskosten Fr. 33211419; ergibt einen Reinertrag von Fr. 48940369.
Der Wert des produktiven Bodens wird auf Franken 458742489 geschätzt, was für das ausnahmsweise günstige Jahr 1906 eine Verzinsung des Katasterwertes von 11,45% ergibt. Folgende Zahlen geben den prozentualen Reinertrag des produktiven Bodens für die einzelnen Jahre:
Jahr | % des Katasterwertes |
---|---|
1897 | 7.5 |
1898 | 7.85 |
1899 | 6.78 |
1900 | 10.9 |
1901 | 8.2 |
1902 | 8.96 |
1903 | 7.0 |
1904 | 8.34 |
1905 | 7.99 |
1906 | 11.45 |
1907 | 10.51 |
Im Jahr 1806 belief sich der Katasterwert der Grundstücke auf 107688248 alte Fr. und derjenige der Gebäulichkeiten auf 17960000 alte Fr. Berücksichtigt man den Geldwert dieser Zeit, so lässt sich sagen, dass der Bodenwert sich im Verlauf eines Jahrhunderts verdoppelt hat.
Schon im 18. Jahrhundert waren Gesellschaften zur Förderung der Landwirtschaft entstanden. Dazu gehörte die Oekonomische Gesellschaft von Bern, die auch im Waadtland zahlreiche Mitglieder zählte und deren Veröffentlichungen die neuen wissenschaftlichen Methoden verkündeten. Mit dem Beistand dieser Gesellschaft haben u. a. die interessanten Arbeiten des Pfarrers Bertrand und des Dekans Muret aus Vevey das Licht erblickt. Schon seit den ersten Zeiten der Waadtländer Unabhängigkeit erschienen sodann die von der Société d'Émulation veröffentlichten Notices d'utilité publique. Endlich entstand dann die landwirtschaftliche Gesellschaft (Société d'agriculture), deren Organ zuerst die Feuille du canton de Vaud und nachher der Agriculteur vaudois war. Heute entfaltet die Société vaudoise d'Agriculture eine lebhafte Tätigkeit. Ihr Organ ist das Bulletin. Sie bildet ein Glied des Verbandes der welschschweizerischen landwirtschaftlichen Vereine (Fédération des Sociétés romandes d'Agriculture) und gliedert sich selbst wieder in mehrere Sektionen. Daneben zählt auch die Société d'Agriculture de la Suisse romande, die ein besondres Organ unterhält, in der Waadt viele Mitglieder. Zu nennen bleibt noch die Chronique agricole du canton de Vaud als Organ des «Institut agricole» in Lausanne, das eine sehr lobenswerte Tätigkeit entfaltet. Es