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Von glücklichem Einfluss war dann, namentlich ums dritte Viertel des 19. Jahrhunderts, die praktische Anwendung der wissenschaftlichen Methoden auf die Landwirtschaft. Rationelle Entwässerung von zu nassem Boden und die Einführung neuer Kulturpflanzen wurden bald zum Gemeingut der landwirtschaftlichen Bevölkerung. Man machte ernstliche Anstrengungen zur Verbesserung der Viehrassen; landwirtschaftliche Maschinen kamen auf, und chemische Kunstdünger fanden allgemein Eingang.
Bald kam aber ein Rückschlag. Die Bodenpreise und in deren Folge auch die Grundsteuern gingen in die Höhe. Der Ausbau der Verkehrsmittel warf fremdes Getreide auf den Markt, das dem einheimischen Produkt scharfe Konkurrenz machte. Das Petroleum richtete den Anbau von Raps zugrunde. Die Baumwolle ersetzte Hanf und Lein. Um diesen bemühenden Erscheinungen erfolgreich entgegenzuarbeiten, schränkte man das Ackerland ein und gab dafür dem Futterbau eine grössere Ausdehnung, wodurch auch der Milchertrag sich steigerte. So gestaltete sich der landwirtschaftliche Betrieb mehr und mehr industriell. Die Grossfabrikation von Käse und kondensierter Milch hat den Waadtländer Bauern gerettet und ihm wieder zu seinem frühern Wohlstand verholfen.
Nach der unter der Leitung von Paul Gilliéron-Duboux veröffentlichten Statistique agricole umfasste im Jahr 1908 der produktive Boden eine Fläche von 275357 ha, die sich folgenderweise verteilten:
ha | |
---|---|
Felder und Gärten | 77067 |
Wiesen und Obstbaumgärten | 57970 |
Weiden | 59513 |
Wald | 72663 |
Weinreben | 6568 |
Landwirtschaftliche Bauten und Oekonomiegebäude | 1576 |
Der Getreidebau geht zwar zurück, wird aber im Gros de Vaud und längs dem Jurafuss noch lebhaft betrieben. An Getreide produzieren die Bezirke Cossonay, Yverdon und Orbe noch verhältnismässig grosse Mengen (1906: 39000, 36000 und 33000 Meterzentner); dann folgen Morges mit 29000 und Échallens mit 27000 Meterzentnern. An erster Stelle steht der Weizen; es folgen Hafer, Mengkorn, Roggen und Gerste. Folgende Tabelle weist die immer noch starke Getreideernte des Kantons nach:
1900 | 1905 | 1906 | 1907 | |||
---|---|---|---|---|---|---|
Meterzentner | Meterzentner | ha | Meterzentner | ha | Meterzentner | |
Weizen | 276519 | 286257 | 13922 | 295402 | 13923 | 282792 |
Roggen | 13972 | 13735 | 798 | 14508 | 901 | 14424 |
Mengkorn | 63869 | 65478 | 3706 | 67267 | 3804 | 67552 |
Gerste | 10111 | 9300 | 582 | 9105 | 629 | 9922 |
Hafer | 159045 | 160054 | 9490 | 162823 | 9492 | 159414 |
Die Getreidekulturen umfassen 28749 ha, d. h. etwas mehr als 1/10 des produktiven Bodens, genügen, aber dem Bedarf bei weitem nicht, so dass noch Weizen eingeführt werden muss. Man bezieht diesen hauptsächlich über Marseille aus Südrussland. Im Rhonethal wird als Spezialität noch Mais gebaut, doch geht die dieser Kultur gewidmete Bodenfläche zurück, so dass der jährliche Ertrag jetzt bloss etwas über 200 Meterzentner beträgt.
Von weit grösserer Bedeutung sind Obstbaumgärten, Wiesen und Weiden. Sie umfassen zusammen 117483 ha, d. h. mehr als 2/5 der produktiven Bodenfläche. In den letztvergangenen Jahren hat man im Kanton Waadt folgende Mengen Heu und Emd geerntet:
Jahr | Meterzentner |
---|---|
1901 | 3665234 |
1902 | 4063690 |
1903 | 4523656 |
1904 | 4148828 |
1905 | 4542253 |
1906 | 3612665 |
1907 | 3979647 |
In dieser Hinsicht stehen die Bezirke Cossonay, Aigle, Yverdon und Orbe im ersten Rang.
Vier Bezirke - Aigle, Avenches, Moudon und Payerne - bauen Tabak. Davon liefert der Bezirk Payerne für sich allein 9/10 der Gesamtproduktion. Folgende Ziffern zeigen, dass sowohl die mit Tabak bepflanzte Bodenfläche, als der Erntebetrag in fast beständiger Folge zurückgehen:
Jahr | Mit Tabak angepflanzte Fläche ha | Tabakernte in Meterzentnern |
---|---|---|
1901 | 291 | 5438 |
1902 | 263 | 5345 |
1903 | 239 | 4727 |
1904 | 234 | 4086 |
1905 | 228 | 5251 |
1906 | 221 | 3010 |
1907 | 200 | 3641 |
Während im Bezirk Yverdon bis 1905 noch 3 ha mit Hopfen bepflanzt waren und eine jährliche Ernte von 32-35 Meterzentnern ergaben, verzeichnet das Annuaire agricole von 1906 das Verschwinden dieser Kultur, die sowohl hinsichtlich Preislage als Qualität vorteilhaft durch die Einfuhr von Hopfen aus Böhmen und andern begünstigtern Ländern ersetzt worden war. Dagegen hat man dann im Jahr 1907 im Bezirk Yverdon neuerdings etwas Hopfen gezogen.
Die Kartoffelernte betrug in den Jahren 1901-1907:
Jahr | Meterzentner |
---|---|
1901 | 1018940 |
1902 | 1138883 |
1903 | 1030139 |
1904 | 1119363 |
1905 | 1194973 |
1906 | 1131399 |
1907 | 1284693 |
Obstbau wird überall betrieben. Am wenigsten begünstigt erscheinen in dieser Hinsicht die Bezirke Pays d'Enhaut und La Vallée. In erster Linie steht der Bezirk Aigle, auf den dann Vevey und Lausanne folgen, deren grosse städtischen Gemeinwesen den Gemüse- und Obstbau begünstigen. Die Nussbäume gehen zurück; am meisten findet man noch im Bezirk Cossonay. Die Bezirke La Vallée und Pays d'Enhaut ernten keine Nüsse. Die Kastanie gedeiht besonders gut im Bezirk Aigle.
Im Jahr 1906 hat der Kanton 12441 hl Apfel- und Birnenmost im Gesamtwert von Fr. 208279 produziert und wurden 1187 hl Obstbranntwein (aus Kirschen, Zwetschgen, Pflaumen) im Wert von Fr. 288682 destilliert. Fügt man noch die 3453 hl aus Weinhefe und Treber gebrannten Schnapses im Wert von Fr. 434560 hinzu, so gelangt man zu ganz ansehnlichen Ziffern. Für 1907 stellt sich die Produktion von Most höher (16968 hl), diejenige von Branntwein niedriger (1072 und 1802 hl) als im Vorjahr.
Wein wird gebaut im Rhonethal, längs dem Genferseeufer, im Orbethal und am Neuenburgersee. Die besten Marken Weisswein sind die von Yvorne, Villeneuve, Lavaux und La Côte, die besten Rotweine kommen besonders von Orbe und Bonvillars. Keinen Weinbau haben die Bezirke Oron, La Vallée und Pays d'Enhaut; wenig bedeutend sind die Weinberge in den Bezirken Échallens, Moudon und Payerne. Die grössten Bodenflächen beansprucht die Weinrebe in den Bezirken Vevey, Morges, Lavaux, Nyon, Aigle und Rolle. Im allgemeinen geht der Weinbau etwas zurück. Er umfasste:
Jahr | ha |
---|---|
1901 | 6585 |
1902 | 6581 |
1903 | 6572 |
1904 | 6517 |
1905 | 6474 |
1906 | 6445 |
1907 | 6353 |
Der Ertrag schwankt mit den einzelnen Jahren sehr stark, wie aus folgender Tabelle hervorgeht:
Jahr | Weisswein hl | Rotwein hl | Total hl | Mittel pro ha hl. |
---|---|---|---|---|
1901 | 431972 | 18631 | 450603 | 68.4 |
1902 | 433404 | 19992 | 453396 | 68.9 |
1903 | 158914 | 11557 | 170471 | 25.9 |
1904 | 450531 | 14309 | 464840 | 71.3 |
1905 | 413024 | 15688 | 428712 | 66.2 |
1906 | 427682 | 14019 | 441701 | 68.5 |
1907 | 166863 | 7891 | 174754 | 26.14 |
Auch der Wert des Weinertrages ist natürlich in den
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einzelnen Jahren verschieden und kann im Verhältnis von 1:10 und noch mehr schwanken. An tatsächlichem Reinertrag haben die Reben des Waadtlandes abgeworfen:
Jahr | Fr. | % des Bodenwertes |
---|---|---|
1901 | 1957202 | 5.9 |
1902 | 4905568 | 4.7 |
1903 | 911597 | 0.8 |
1904 | 8972436 | 8.7 |
1905 | 3479209 | 3.4 |
1906 | 10306537 | 9.9 |
1907 | 563830 | 0.5 |
Ebenso schwanken auch die Durchschnittspreise des Weins stark mit den verschiedenen Jahren. Sie betrugen für den Hektoliter
Jahr | Weisswein Fr. | Rotwein Fr. |
---|---|---|
1901 | 23.63 | 23.29 |
1902 | 29.19 | 25.14 |
1903 | 52.92 | 54.07 |
1904 | 39.13 | 38.65 |
1905 | 29.47 | 28.04 |
1906 | 44.17 | 42.13 |
1907 | 54.86 | 51.81 |
Der Waadtländer Winzer gilt mit Recht als sehr tüchtig und arbeitsam. Er liebt seine Reben, pflegt sie sorgfältig und widmet ihnen seine ganze Zeit und Arbeitskraft. Dazu kommt nun noch der hartnäckige und unablässige Kampf gegen die zahlreichen Schädlinge und Krankheiten, die die Reben bedrohen. Endlich bildet auch Hagelschlag eine ständige Gefahr. Der dem Waadtländer Weinbau durch Schädlinge, Krankheiten und Hagel zugefügte Schaden belief sich im Jahr 1903 auf 11 Mill. Franken, 1904 und 1905 auf mehr als 4 Mill., 1906 auf mehr als 2 Mill. und 1907 auf mehr als 10 Mill. Franken.
Während Andre unter solchen Umständen verzweifeln würden, hofft der Winzer immer auf bessere Zeiten und wendet trotz allem der Rebe seine ganze Sorgfalt zu. Nachdem der Herbst 1905 eine quantitativ und qualitativ geringe Ernte gezeitigt, stand der Waadtländer Weinbau unmittelbar vor einer Katastrophe. Glücklicherweise gab das Jahr 1906 den Weinbauern wieder neuen Mut. Aber 1907 war neuerdings hoffnungslos. Nun beschloss der Waadtländer Grosse Rat die Ausrichtung von Geldbeiträgen, die schon von 1907 an zur Verjüngung der Weinberge mittels amerikanischer Reben verwendet wurden. Folgende Zusammenstellung gibt ein Bild der Verteilung der Weinrebe auf die einzelnen Bezirke im Jahr 1907:
Bezirke | Weinreben ha |
---|---|
1. Aigle | 644.2 |
2. Aubonne | 285.5 |
3. Avenches | 161.0 |
4. Cossonay | 61.15 |
5. Échallens | - |
6. Grandson | 285.5 |
7. Lausanne | 387.79 |
8. La Vallée | - |
9. Lavaux | 742.0 |
10. Morges | 900.6 |
11. Moudon | 0.35 |
12. Nyon | 730.5 |
13. Orbe | 409.0 |
14. Oron | 1.0 |
15. Payerne | 0.86 |
16. Pays d'Enhaut | - |
17. Rolle | 710.0 |
18. Vevey | 842.5 |
19. Yverdon | 192.0 |
Total | 6353.95 |
Man berechnet die Betriebskosten pro Hektare für
auf Fr. | |
---|---|
Aecker und Gärten | 190 |
Wiesen und Baumgärten | 120 |
Weiden | 25 |
Wald | 15 |
Weinberge | 1422 |
Im Jahr 1907 belief sich der Bruttoertrag der gesamten landwirtschaftlichen Produktion auf Fr. 82151788; Betriebskosten Fr. 33211419; ergibt einen Reinertrag von Fr. 48940369.
Der Wert des produktiven Bodens wird auf Franken 458742489 geschätzt, was für das ausnahmsweise günstige Jahr 1906 eine Verzinsung des Katasterwertes von 11,45% ergibt. Folgende Zahlen geben den prozentualen Reinertrag des produktiven Bodens für die einzelnen Jahre:
Jahr | % des Katasterwertes |
---|---|
1897 | 7.5 |
1898 | 7.85 |
1899 | 6.78 |
1900 | 10.9 |
1901 | 8.2 |
1902 | 8.96 |
1903 | 7.0 |
1904 | 8.34 |
1905 | 7.99 |
1906 | 11.45 |
1907 | 10.51 |
Im Jahr 1806 belief sich der Katasterwert der Grundstücke auf 107688248 alte Fr. und derjenige der Gebäulichkeiten auf 17960000 alte Fr. Berücksichtigt man den Geldwert dieser Zeit, so lässt sich sagen, dass der Bodenwert sich im Verlauf eines Jahrhunderts verdoppelt hat.
Schon im 18. Jahrhundert waren Gesellschaften zur Förderung der Landwirtschaft entstanden. Dazu gehörte die Oekonomische Gesellschaft von Bern, die auch im Waadtland zahlreiche Mitglieder zählte und deren Veröffentlichungen die neuen wissenschaftlichen Methoden verkündeten. Mit dem Beistand dieser Gesellschaft haben u. a. die interessanten Arbeiten des Pfarrers Bertrand und des Dekans Muret aus Vevey das Licht erblickt. Schon seit den ersten Zeiten der Waadtländer Unabhängigkeit erschienen sodann die von der Société d'Émulation veröffentlichten Notices d'utilité publique.
Endlich entstand dann die landwirtschaftliche Gesellschaft (Société d'agriculture), deren Organ zuerst die Feuille du canton de Vaud und nachher der Agriculteur vaudois war. Heute entfaltet die Société vaudoise d'Agriculture eine lebhafte Tätigkeit. Ihr Organ ist das Bulletin. Sie bildet ein Glied des Verbandes der welschschweizerischen landwirtschaftlichen Vereine (Fédération des Sociétés romandes d'Agriculture) und gliedert sich selbst wieder in mehrere Sektionen. Daneben zählt auch die Société d'Agriculture de la Suisse romande, die ein besondres Organ unterhält, in der Waadt viele Mitglieder. Zu nennen bleibt noch die Chronique agricole du canton de Vaud als Organ des «Institut agricole» in Lausanne, das eine sehr lobenswerte Tätigkeit entfaltet. Es
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existieren drei Gartenbaugesellschaften:
1) die 1844 gegründete Société d'Horticulture du cant. de Vaud mit eigener Zeitschrift;
2) die Société d'Horticulture de la Côte (Nyon), ebenfalls mit Zeitschrift;
3) die Société de la Flore du Jura (Yverdon).
Den mannigfaltigen Ansprüchen und Bedürfnissen der Landwirtschaft vermögen jedoch private Anstrengungen allein nicht zu genügen, so dass hier ein Eingreifen des Staates durchaus notwendig erscheint. Kanton und seit 1881 auch der Bund haben für den Landwirt sehr viel getan. Im Champ de l'Air (Lausanne) bestehen das Waadtländer landwirtschaftliche Institut und die Weinbauversuchsstation (Institut agricole und Station viticole). In Moudon befindet sich eine Käsereischule mit milchwirtschaftlicher Versuchsstation (École de fromagerie und Station laitière). Eine spezielle Weinbauschule (École de viticulture) ist in Praz bei Vevey eingerichtet. Daneben subventionierte der Staat Waadt die Gartenbauschule La Châtelaine in Genf, wohin er auch Schüler sendet. Dem «Institut agricole du Champ de l'Air» ist die kantonale landwirtschaftliche Schule angegliedert. Daneben besitzt die Stadt Lausanne noch die eidg. agrikulturchemische Anstalt Mont Calme mit Samenuntersuchungs- und Versuchsanstalt.
12. Forstwirtschaft.
Nach dem Statistischen Jahrbuch der Schweiz für 1907 beträgt die Waldfläche der Waadt 83259 ha, d. h. 27% des gesamten produktiven Areals (273788 ha). Die Staatswaldungen sind gut unterhalten. Sorgfältig werden die jungen Aufforstungen und der Holzschlag überwacht; Schutzbauten gegen Rutschungen, Lawinenschlag und Hochwasser sichern den Wald vor Schaden. Der Kanton zerfällt in 11 Forstkreise. Dem kantonalen Landwirtschafts- und Forstdepartement ist der kantonale Forstmeister beigegeben, der an der Spitze der gesamten Forstverwaltung steht.
Das neue Forstgesetz von 1904 bedeutet einen wirklichen Fortschritt auf diesem Gebiet. Das Beispiel des Staates mit seiner Kontrolle und Ueberwachung ist für den Unterhalt der Gemeinde- und Privatwaldungen von glücklichem Einfluss. Mehrere dieser letztern sind auf eine für ihren Besitzer ehrenvolle Art bewirtschaftet. So stehen z. B. die Waldungen der Stadt Lausanne den Staatswaldungen in nichts nach. Von Nadelhölzern herrscht Fichte oder Rottanne weitaus vor; daneben werden noch angepflanzt: Weisstanne, Lärche, Waldföhre, Arve, Bergföhre, Weymouthkiefer, Schwarzkiefer und Douglastanne. Hauptsächlichste Vertreter der Laubhölzer sind Buche, Eiche, Esche, Erle, Robinie (falsche Akazie), Linde, Hainbuche, Ahorn, Spitzahorn, Kastanie, Nussbaum, Pappel, Birke. Die gesamte kantonale, kommunale und private Waldwirtschaft hat während der letztvergangenen Jahre folgende Bruttoerträge geliefert:
Jahr | Wert des Holzertrages Fr. |
---|---|
1900 | 3940410 |
1901 | 4172181 |
1902 | 4374838 |
1903 | 3970945 |
1904 | 4161004 |
1905 | 4533417 |
1906 | 4609932 |
1907 | 4941837 |
Davon ist für Bewirtschaftungskosten alljährlich rund 1 Million Fr. oder nicht ganz 25% abzuziehen.
13. Viehzucht und Milchwirtschaft; Alpwirtschaft.
Die Waadt gehört zu den Kantonen mit starker Viehzucht, besonders Rindviehzucht. Die Alpwirtschaft erobert sich im landwirtschaftlichen Leben einen immer bedeutenderen Rang. Die Resultate der kantonalen Viehzählung vom sind in beigedruckter Tabelle zusammengestellt.
Ergebnisse der kantonalen Waadtländer Viehzählung vom 1. Januar 1907. | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|
Bezirke | Rindvieh | Pferde | Esel und Maultiere | Schafe | Ziegen | Schweine |
1. Aigle: | 10696 | 1243 | 51 | 1751 | 2033 | 2625 |
2. Aubonne | 5197 | 728 | 2 | 616 | 257 | 3052 |
3. Avenches | 3288 | 817 | 7 | 208 | 279 | 1936 |
4. Cossonay | 9707 | 1496 | 2 | 612 | 383 | 5441 |
5. Échallens | 7598 | 1113 | 3 | 180 | 292 | 4993 |
6. Grandson | 4864 | 1458 | 3 | 83 | 476 | 2085 |
7. Lausanne | 3885 | 1983 | 38 | 190 | 546 | 3533 |
8. La Vallée | 3039 | 200 | 2 | 4 | 39 | 293 |
9. Lavaux | 3337 | 446 | 2 | 331 | 515 | 1388 |
10. Morges | 5235 | 1253 | 7 | 386 | 488 | 4082 |
11. Moudon | 7495 | 1146 | 6 | 308 | 391 | 4938 |
12. Nyon | 4479 | 975 | 10 | 527 | 537 | 2533 |
13. Orbe | 7642 | 1365 | 6 | 468 | 622 | 3754 |
14. Oron | 4380 | 544 | 3 | 321 | 489 | 2875 |
15. Payerne | 6906 | 1083 | 6 | 282 | 411 | 5363 |
16. Pays d'Enhaut | 4936 | 232 | 7 | 536 | 544 | 4250 |
17. Rolle | 1985 | 317 | 1 | 108 | 228 | 1397 |
18. Vevey | 3021 | 957 | 33 | 122 | 571 | 1196 |
19. Yverdon | 7827 | 1533 | 12 | 483 | 518 | 5562 |
Total | 105517 | 18889 | 201 | 7519 | 9619 | 61296 |
Viehzucht und Milchwirtschaft werden gefördert durch die Errichtung einer milchwirtschaftlichen Versuchsstation (zuerst in Lausanne, heute) in Moudon mit Käsereischule, durch die Vorträge und Kurse von Wanderlehrern und die Gründung von milchwirtschaftlichen Musterbetrieben. Seit 1888 unterstützt der Staat bloss noch die Aufzucht von rot-weiss geflecktem Simmenthalervieh, das sich den natürlichen Bedingungen im Waadtland am besten anpasst und alle gewünschten Eigenschaften (Fleisch, Milch, Muskelkraft) am besten zur Entwicklung bringt.
Der Staat veranstaltet Viehschauen und richtet Prämien aus. So zunächst die Herbstviehschauen für Stiere, Kühe und Rinder, die vom Monat August an in 31 Ortschaften des Kantons abgehalten werden. Dazu kommen die Frühjahrsschauen für Jungvieh, vom 15. April an in 34 verschiedenen Ortschaften. Endlich veranstaltet der Staat um die Osterzeit noch eine Mastviehschau für Rindvieh. Zur Verbesserung der Rindviehrasse trägt auch die Schaffung eines waadtländischen Herdbuches das ihrige bei. In dieses Stammbuch sind bis zum im ganzen 1070 Stiere und Kühe aufgenommen worden.
Dazu erhalten die 81 (1907) Viehzuchtgenossenschaften alljährlich vom Staat eine Summe von Fr. 15000, die sie nach Massgabe der prämierten Tiere unter sich verteilen. Dafür dürfen sie aber keine andre als die rot-weisse Fleckrasse züchten. Den Besitzern ausgezeichneter Milchkühe werden Extraprämien ausgerichtet. Damit erreichen alle die verschiedenen staatlichen Subventionen zur Hebung der Rindviehzucht jährlich die hübsche Summe von Fr. 140000, wozu noch rund 50000 Fr. jährliche Bundesbeiträge kommen. Nach Gilliéron-Duboux ist der Gesamtwert des waadtländischen Rindviehbestandes von 36½ Mill. im Jahr 1898 auf 43½ Mill. im Jahr 1907 gestiegen, was also eine Vermehrung des öffentlichen Vermögens um 7 Mill. Fr. im Verlauf von 10 Jahren bedeutet. Und das alles fast ausschliesslich bloss dank der von Kanton und Bund gewährten Unterstützungen und Aufmunterungen.
Es bestehen in der Waadt eine obligatorische kantonale Versicherung gegen Rindviehseuchen und lokale Versicherungskassen gegen Viehschaden. Die Staatskasse
Hauptsæchlichste Industrien des Kantons Waadt
Lief. 259.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 4° 30’ O; 46° 30’ N; 1:560000]
Hauptsächl. Industrien:
o Milchindustrie | ⊕ Uhrenindustrie |
⏁ Kondensierte Milch | ↴ Metallindustrie |
▲ Schokoladenfabrikation | ↗ Holzindustrie |
y Zigarrenfabrikation | ٮ Schiffskonstruktion |
⟣ Müllerei | ⌂ Ziegel u. Zement |
B Bierbrauerei | ▭ Textilindustrie |
⌓ Lebensmittel | T Lohgerberei |
♁ Chemische Produkte | ⑃ Elektrische Anlagen |
P Papierindustrie | ⤚ Buchdruckerei |
S Seifenfabrikation | H Fremdenverkehr |
Zahl der von der Industrie lebenden Pers. auf 100 Einw.
░ 15-25%
▒ 25-35
▓ 35-45
▓ 45-70
Mce. Borel & Cie. – Neuenburg
V. Attinger sc.
HAUPTSÆCHLICHSTE INDUSTRIEN DES KANTONS WAADT.
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schiesst die Entschädigungen vor, die für abgetanes Rindvieh ausgerichtet werden. Die Lokalkassen stehen unter dem Gesetz vom betr. gegenseitige Versicherung des Rindviehs und werden von Kanton und Bund subventioniert. Die jährliche Versicherungsprämie wird nach dem Taxwert der versicherten Tiere berechnet. Geht ein Stück Vieh ab, so entschädigt die Lokalkasse den Eigentümer mit 80% dieses Taxwertes.
Der Staat hat sich auch mit der Begünstigung und Leitung der Versuche zu einer rationellen Pferdezucht befasst. Zu diesem Zweck warf ein Grossratsbeschluss vom eine Summe von 20000 Fr. aus, die verwendet werden sollte zum Ankauf von geeigneten Zuchthengsten, zu Stutenschauen, zu Unterstützungen an Zuchtgenossenschaften und zu Alpverbesserungen. Der Kanton prämiert ferner Zuchteber der Yorkshirerasse, Ziegenböcke der hornlosen weissen Rasse und Widder besserer Schafrassen.
Parallel mit dem Aufschwung der Viehzucht geht die grosse Ausdehnung und Entwicklung der Milchwirtschaft, die zunächst dem Gebirge angehörte, nun aber seit einem halben Jahrhundert und dem immer intensiver betriebenen Futterhau auch das Mittelland erobert hat. Beigedruckte Tabelle fasst die gesamte milchwirtschaftliche Produktion des Kantons im Jahr 1907 zusammen. Sowohl Mittelland als Gebirge nehmen an dieser Produktion einen starken Anteil.
Milch- und Käseproduktion der Waadt im Jahr 1907. | ||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Bezirk | Milch | Käse Käsereien | Käse Alpweiden | |||||||||
Gesamtproduktion hl | Zur Aufzucht von Jungvieh hl | Eigener Verbrauch und Verkauf zum Verbrauch hl | Zur Käsebereitung hl | Verkauf an die Fabriken von kondensierter Milch hl | Butterproduktion qm | Fett- u. Halbfettkäse qm | Magerkäse qm | Weichkäse qm | Fett- u. Halbfettkäse qm | Magerkäse qm | Weichkäse qm | |
1. Aigle | 120837 | 17455 | 52792 | 50590 | - | 1390 | 129 | 1458 | 20 | 1475 | 615 | 6 |
2. Aubonne | 50037 | 6191 | 13490 | 30356 | - | 599 | 1018 | 1396 | 113 | 100 | - | - |
3. Avenches | 43455 | 4989 | 16522 | 18544 | 3400 | 271 | 905 | 242 | - | - | - | - |
4. Cossonay | 127951 | 11193 | 35380 | 71393 | 9985 | 1275 | 772 | 2462 | 560 | 415 | - | 80 |
5. Échallens | 124375 | 8405 | 34970 | 20218 | 60782 | 372 | 1895 | 510 | - | - | - | - |
6. Grandson | 61469 | 7071 | 27276 | 21020 | 6102 | 317 | 849 | 509 | 327 | 300 | - | 107 |
7. Lausanne | 80142 | 3465 | 69837 | 2850 | 3990 | 132 | - | - | - | - | 30 | - |
8. La Vallée | 40510 | 2040 | 11700 | 26770 | - | 91 | 560 | - | 680 | 1600 | - | 45 |
9. Lavaux | 50616 | 1720 | 34247 | 950 | 13699 | 26 | - | 30 | 6 | - | - | - |
10. Morges | 93433 | 5337 | 43755 | 43341 | 1000 | 772 | 903 | 1673 | 63 | - | - | - |
11. Moudon | 120498 | 18630 | 25524 | 14817 | 61527 | 234 | 540 | 306 | 57 | - | - | - |
12. Nyon | 70255 | 4084 | 26480 | 36541 | 3150 | 273 | 885 | 1954 | 62 | 1090 | 220 | - |
13. Orbe | 109802 | 6662 | 34622 | 25963 | 42555 | 337 | 590 | 651 | 353 | 641 | 25 | 45 |
14. Oron | 71931 | 5080 | 20573 | 23745 | 22533 | 441 | 330 | 1155 | 5 | - | - | - |
15. Payerne | 93985 | 8490 | 31420 | 17555 | 36520 | 306 | 58 | - | 7 | - | - | - |
16. Pays d'Enhaut | 60125 | 8800 | 16390 | 34935 | - | 301 | 1381 | - | - | 3190 | - | 90 |
17. Rolle | 31638 | 1665 | 12345 | 17628 | - | 280 | 430 | 689 | 2 | - | - | - |
18. Vevey | 60075 | 1590 | 48185 | 10300 | - | 64 | - | - | 2 | 530 | 40 | - |
19. Yverdon | 128980 | 7819 | 36279 | 18287 | 66595 | 237 | 330 | 335 | - | - | - | - |
Total | 1540114 | 130686 | 591787 | 485803 | 331838 | 7718 | 11575 | 13370 | 2257 | 9341 | 930 | 373 |
Der Kanton Waadt zählt 1022 Alpweiden, wovon 702 in den Alpen, 316 im Jura und 4 im Mittelland. Hierbei sind diejenigen Weiden, die während 90 Tagen weniger als 4 Kühe nähren, nicht mitgezählt. Dazu kommen noch 126 Weiden, die zum grössten Teil auf französischem Boden gelegen sind, aber Waadtländer Bauern gehören und von Waadtländer Viehinspektoren überwacht werden. Die Gesamtfläche der Alpweiden der Waadt beläuft sich auf 51165 ha, wovon 39242 ha auf nutzbare Weide, 6895 ha auf Wald und der Rest auf Sumpfland, unproduktiven Boden und Alpbauten entfallen.
Die Nutzungsfähigkeit dieser Alpen beläuft sich insgesamt auf 31672 Stösse (Kuhesset, pâquiers) während einer Bestossungsdauer von 90 Tagen. Dabei entspricht der «Stoss» dem zum Unterhalt einer Kuh notwendigen Futterquantum. Für ein Rind rechnet man ½ und für ein Kalb ¼ Stoss, für eine Stute mit Füllen 4 und für ein dreijähriges Pferd 3 Stösse, für ein einjähriges Pferd 1 Stoss usw. Der Gesamtwert der Alpweiden beläuft sich auf Fr. 22400000. Die Alpweiden der Waadtländer Alpen lassen sich in zwei Gruppen gliedern: die des Pays d'Enhaut und diejenigen der Bezirke Aigle und Vevey.
Das Pays d'Enhaut betreibt zugleich Viehzucht und Käserei. Es sömmern hier auf den Alpen während durchschnittlich 130 Tagen 2770 Kühe, die zusammen 3600000 Liter Milch im Wert von Fr. 540000 produzieren. Davon werden 2000000 Liter zur Herstellung von Käse verwendet, von dem man 175000 kg produziert. Dieser gewöhnlich mit dem Namen des «Gruyère» belegte Käse wird nach Italien (besonders Turin) exportiert und an die Händler in Bulle verkauft. Die Laibe wiegen im allgemeinen 30-35 kg. Für gewöhnlich werden die Käse nicht auf der Alp selbst fertiggestellt, sondern jeden Tag zu Thal transportiert, wo man sie in den Käsekellern (salages) aufbewahrt. Während einige reichere Bauern besondre «salages» besitzen, bedient sich die Mehrzahl der Genossenschaftskeller, die von einem eigenen «saleur» überwacht werden. Ein solcher «Käser» erhält eine fixe Vergütung auf je 100 kg Käse. Wo die Milch zur Herstellung von Butter verwendet wird, produziert man bloss Magerkäse.
Auf den Alpen in den Bezirken Aigle und Vevey sömmern im Durchschnitt während 130 Tagen 3900 Kühe. Mehrere der Alpen liegen an steilen Halden und können deshalb bloss mit kleinern und leichtern Kühen bestossen werden, deren tägliche Milchproduktion sich nur auf durchschnittlich 8 Liter beläuft. Der Bezirk Aigle umfasst die grösste Alpweidenfläche, die sich auf die Gemeinden Bex, Lavey, Morcles. Gryon, Ollon, Les Ormonts, Leysin, Corbeyrier und Villeneuve verteilt.
In den Gemeinden Ollon, Ormont Dessous und Ormont Dessus ist der Grundbesitz stark zerstückelt. Im Thal der Ormonts führt die Alpbevölkerung noch immer ein eigentliches Nomadenleben gleich dem der Anniviarden im Wallis: Man überwintert im Thal, zieht im Mai in die Maiensässe und im Juli in die Alpweide hinauf, um im Herbst wieder allmählig sich den Winterquartieren zuzuwenden. Ein behäbiger Bergbauer besitzt zwei, drei oder mehr Alphütten (mazots), wo er sich mit Kind und Kegel einquartiert. Reiche Familien können über 10-15 solcher Häuschen verfügen. Sie ziehen dann von einem zum andern und bleiben so lange dort, bis der im Sommer angesammelte Futtervorrat aufgebraucht ist.
Eine weniger wichtige Stellung kommt der Alpwirtschaft im Bezirk Vevey zu, der aber immerhin noch 36 an den Gehängen von Col und Dent de Jaman, der
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Rochers de Naye und ihrer Ausläufer liegende Alpen aufweist. Die Milchwirtschaft ergibt in der Gegend von Aigle-Vevey einen geringern Ertrag als im Pays d'Enhaut, weil die Käsefabrikation in kleinerm Umfang praktiziert wird und die Käselaibe von geringerm Gewicht zugleich auch von minderer Qualität zu sein pflegen. Hier ist der Käse auch nicht direkt zum Verkauf bestimmt, sondern wird im Verhältnis des Milchertrages der Kühe unter die Viehbesitzer verteilt. Da die kleinen Käsereibetriebe die Anstellung von routinierten Käsern nicht erlauben, bleiben eben auch die Produkte an Qualität zurück. Uebrigens verbrauchen die Viehbesitzer einen grossen Teil der Käseproduktion für sich selbst, so dass hier die Ansprüche der Konkurrenz und der Käsehändler von geringerm Wert sind. An zahlreichen Stellen haben Fremdenverkehr und Hotelwesen zur Besserung der ökonomischen Lage der Sennen beigetragen, indem ihnen nun von den Gasthöfen Milch und Butter zu lohnenden Preisen abgekauft werden.
Im Mittelland ist die Alpwirtschaft von geringerer Bedeutung, indem nur vier Alpweiden von ansehnlichem Umfang vorhanden sind: zwei in der Gemeinde Puidoux, eine in der Gemeinde Maracon und eine in der Gemeinde Payerne. Gesamtfläche 97 ha, wovon 86 nutzbare Weide und 11 Wald. Sie werden verhältnismässig stärker befahren als in den Alpen. Insgesamt fassen sie 222 Stösse auf eine Weidedauer von 90 Tagen.
Im Jura zählt man 316 Weiden oder Sennberge, die sich auf die 6 Bezirke Aubonne, Cossonay, Grandson, La Vallée, Nyon und Orbe verteilen. Ihre Fläche beträgt 20566 ha, wovon 17351 nutzbare Weide und 2795 Wald. 15332 Stösse auf eine Weidedauer von 90 Tagen berechnet. Der Gesamtwert beläuft sich auf rund Franken 11250000. Die durchschnittliche Dauer der Alpnutzung beträgt jährlich 115 Tage. Da der Untergrund im Jura aus ziemlich porösem Kalkstein besteht, werden die Oberflächenwasser rasch zur Tiefe abgelenkt.
Das Fehlen von Quellwasser bildet einen empfindlichen Nachteil der Hochregionen des Jura. Um dem Wassermangel abzuhelfen, haben die Sennen grosse Holz- oder Zementzisternen angelegt, die durch die meteorischen Wasser gespiesen werden. Dieser Umstand bildet einen der Unterschiede zwischen der jurassischen und der alpinen Weide. Ein zweiter Unterschied liegt in der Art der Alpeinfassungen, die im Jura fast ohne Ausnahme in trockenen Mauern bestehen, während sie in den Alpen zuweilen aus Steinen aufgehäuft sind, meist aber hölzerne Zäune darstellen.
Alle Alphütten im Waadtländer Jura bestehen aus Mauerwerk und umfassen zumeist eine heizbare Kammer, Küche, Milchkammer, Käsekeller und Stallraum. Die Hütten sind leicht zugänglich, selbst für Fuhrwerk. Die Sennberge im Jura gehören zum grössten Teil den Gemeinden, seltener Privaten. Bewirtschaftet werden sie von Viehzuchtgenossenschaften, deren Mietverträge meist auf 3, 6 oder 9 Jahre lauten. Man ist im allgemeinen darüber einig, dass die Weiden im Jura rationeller bewirtschaftet sind als in den Alpen.
Man produziert im Waadtländer Jura den sog. «Gruyère gras», dessen Preis etwas höher steht als derjenige der Käse des Mittellandes. Das durchschnittliche Gewicht eines Käselaibes beträgt 30-35 kg. Die Käsefabrikation geht im grossen vor sich. Der Käser arbeitet als «Meister» auf eigene Rechnung und lässt sich von den Kühern und vom sog. «trancheur» bei seiner Arbeit unterstützen. Da jede wirkliche Hütte ihren Keller hat, wird der Käse vom «trancheur» an Ort und Stelle gewartet.
Man verkauft ihn im August und holt ihn im September zu Thal. Die Qualität ist stets ausgezeichnet. Einige Käser, besonders im Bezirk La Vallée stellen einen «Vacherin» genannten Weichkäse her, der in Schachteln von 2-3 kg in den Handel kommt, leichten Absatz findet und sowohl in der Schweiz als im Ausland sehr geschätzt wird. La Sarraz fabriziert Käse von der Art des Roquefort, der Jorat solche von der Art des Camembert. Infolge ihrer grossen Entfernung von Kur- und Fremdenorten produzieren die jurassischen Sennberge wenig Butter. Ein Nebenprodukt bildet der Zieger (sérac oder séré), der eine ziemlich gute und nahrhafte Speise darstellt. Die Molken werden als Schweinefutter verwendet.
Während die Bienenzucht in der Waadt wie anderswo zunächst reine Privatsache war, hat sich seit etwa 30 Jahren ein grosser Umschwung vollzogen. Dies besonders infolge der Gründung der Société romande d'Apiculture, deren periodisches Bulletin den Mitgliedern auf wissenschaftlicher Grundlage ruhende Lehren und Ratschläge erteilt. Die heute vorherrschende Methode ist diejenige des Amerikaners Langstroth. Infolge der gemachten Anstrengungen hat sich die Waadtländer Bienenzucht zu einer solchen Höhe hinaufgeschwungen, dass der französische Ackerbauminister im Jahr 1890 mehrere Lehrer nach Nyon entsendete, wo sie sich mit den in der welschen Schweiz üblichen Methoden vertraut machen sollten. Laut der von der Société romande d'Apiculture vorgenommenen letzten Zählung gab es im Kanton 6194 Bienenstöcke aus Stroh und 13538 solche mit beweglichem Rahmen. Im Jahr 1907 hat man 1975 Meterzentner Honig im Wert von durchschnittlich Fr. 194 pro qm, sowie 45 Meterzentner Wachs im Wert von Fr. 236 pro qm gewonnen. Die ansehnlichste Ernte lieferten die Bezirke Cossonay, Nyon, Aubonne, Orbe und Grandson.
14. Industrie und Handel.
Der Aufschwung von Gewerbe und Industrie in der Waadt datiert erst aus dem 19. Jahrhundert. Ungleich andern, in dieser Hinsicht begünstigteren Landesgegenden der Schweiz, besass das Waadtland zu Ende des 18. Jahrhunderts bloss eine kleine Anzahl von Fabriken. Grosse Betriebe wie jene des Emmenthales oder des Oberaargaues hätte man hier vergebens gesucht. Im 19. Jahrhundert fing dann auch die Waadtländer Industrie an, sich ihren Weg zu bahnen und stetig weiter zu entwickeln.
Auch heute gewinnt sie noch immer an Boden. In dieser Hinsicht geben uns die Ergebnisse der letzten Volkszählung interessante Aufschlüsse. Während die Zählung von 1880 auf eine Gesamtbevölkerung von 238000 Seelen 64000 Personen oder 269‰ verzeichnet, die ihren Unterhalt mit industrieller Tätigkeit erwarben, ergab die Zählung von 1888 eine Verhältniszahl von 299‰ und diejenige von 1900 eine solche von 338‰ für die industriell tätige Bevölkerung. Zugleich sank die Proportion der landwirtschaftlichen Bevölkerung von 491 auf 415‰. So wird der Kanton Waadt mehr und mehr industriell, welche Entwicklung sich durch intensivere Ausnutzung der Wasserkräfte und durch Gründung neuer Fabriken aller Art immer schärfer aussprechen wird.
Die Waadtländer Industrie verfügt über reiche natürliche Wasserkräfte. Die Stadt Lausanne hat sich die Konzession der Kraftgewinnung am Bois Noir bei Saint Maurice im Wallis gesichert. Das Unternehmen macht sich hier die Stromschnelle der Rhone zunutze mit ihrem
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Gefälle von je nach der Jahreszeit 36,45-38,75 m und einer mittlern Minimalwasserführung von 40 m3, die in extremen Fällen bis auf 25 und während einigen Stunden sogar bis auf 21 m3 per Sekunde sinken kann. Dieses Gefälle erzeugt eine an den Turbinenwellen gemessene Kraft von 15000 PS, von denen aber zur Zeit bloss ein Drittel benutzt wird. Eine Luftkabelleitung von 56 km Länge führt die 5000 PS nach Lausanne, wo sie zur öffentlichen und privaten Beleuchtung der Stadt und ihrer Umgebung und zum Betrieb der Strassenbahnen verwendet, sowie an die Privatindustrie abgegeben werden. Die im NO.-Abschnitt des Kantons zur Verwendung kommende elektrische Energie wird vom Freiburger Werk Montbovon geliefert, das namentlich auch die elektrischen Joratbahnen treibt.
Beträchtlich sind daneben aber auch die im Kanton Waadt selbst erzeugten Kräfte. Die Waadtländer Laufstrecke der Saane erzeugt durch Fassung und Ablenkung im Engpass von La Tine 2100 PS, die dem Werk Montbovon zugeleitet werden. Der Avançon liefert seit 1898 der Société des forces motrices de l'Avançon 3000 PS in den Elektrizitätswerken La Peufayre (elektrische Lichtversorgung von Gryon-Villars und Chesières) und Sublin (Betrieb der elektrischen Bahn Bex-Gryon-Villars-Chesières und Beleuchtung von Bex).
Die Société des forces motrices de la Grande Eau gewinnt aus der Grande Eau rund 3000 PS und verwendet sie in Verbindung mit der aus dem Lac de Tanay herabgeholten Kraft zum Betrieb der zahlreichen blühenden industriellen Etablissemente der Stadt Aigle und zur Beleuchtung der Siedelungen rechts und links der Rhone von Bex abwärts und ferner noch einiger Dörfer des Bezirkes Vevey. Die mit der eben genannten Gesellschaft in Verbindung stehende Société électrique Vevey-Montreux besteht seit 1887 und verwertet die Wasser der Baye de Montreux und des Pays d'Enhaut (welch letztere sodann als Trinkwasser nach Lausanne weitergeführt werden); ihre Kraftzentralen sind die Werke Taulan und Sonzier, die zusammen mit den Reservemaschinen eine gesamte Kraft von 6077 PS erzeugen können.
Damit wird die Strassenbahn Vevey-Chillon betrieben und in Verbindung mit der Gesellschaft der Grande Eau der Siedelungsrayon zwischen Corsier und Villeneuve mit elektrischem Licht versorgt. Die Wasserläufe im Jorat haben Wildbachcharakter und sind zu wenig bedeutend, um starkes Gefälle liefern zu können; immerhin setzen sie einige kleine lokale Werke in Betrieb. Die übrigen Zuflüsse zum Genfersee entbehren einer ansehnlichen Wasserführung, werden aber soweit möglich dennoch benutzt. So wird die Venoge unweit La Sarraz gefasst und abgelenkt, so dass die dadurch erzeugte Kraft seit 1897 zur Versorgung von dreizehn umliegenden Ortschaften verwendet werden kann.
Die Société électrique d'Aubonne erzeugt die notwendige Energie zum Betrieb der Strassenbahn Allaman-Aubonne-Gimel, sowie Kraft und Licht für Allaman und die benachbarten Dorfschaften. Die Wasserläufe im Bezirk Nyon werden von der Gemeinde Nyon seit 1906 und von der Société électrique de la Côte in Nyon seit 1899 ausgebeutet. Die bedeutende Triebkraft, welche die Orbe liefert, wird heute vom Jouxsee an fast ununterbrochen bis hinunter zum Städtchen Orbe und zur Orbeebene ausgenutzt.
Die Compagnie vaudoise des forces motrices du Lac de Joux et de l'Orbe besitzt seit 1903 in La Dernier bei Vallorbe und seit 1907 in Montcherand je eine Kraftzentrale, verfügt damit über 8000 PS und verteilt Licht und Kraft nicht nur im N. und W. des Kantons, sondern auch noch in den Kantonen Neuenburg und Bern und selbst in Frankreich, sodass man die Zahl der von ihr bedienten Bewohner auf 100000 schätzt. Unterhalb Vallorbe speist die Orbe das Elektrizitätswerk Le Châtelard mit 500 PS, die Fabrik chemischer Produkte von Le Day mit 3000 PS und das Ballaigues mit Trinkwasser versorgende Pumpwerk.
Dann wird die Orbe noch von der in Yverdon ansässigen Société de l'usine électrique des Clées ausgebeutet, deren Werk seit 1896 besteht und den N. des Kantons versorgt. Endlich liefert der Fluss noch der Société des usines de l'Orbe in Orbe Kraft zur Beleuchtung dieses Städtchens und zum Betrieb der Strassenbahn Orbe-Chavornay. Neben den Elektrizitätswerken bedienen sich noch andre grosse und kleine Fabrikanlagen der direkten Triebkraft der fliessenden Gewässer des Kantons.
In einem Land, wo sowohl die Volkszahl als der allgemeine Wohlstand im Zuwachs begriffen sind, muss natürlich in erster Linie auch das Baugewerbe in Blüte stehen. In dieser Hinsicht steht Lausanne, dessen Bevölkerung innert 40 Jahren von 20000 auf 62000 Seelen emporgeschnellt ist, im ersten Rang. Dann zeigt die grosse Siedelungsgruppe Vevey-La Tour de Peilz-Montreux ebenfalls eine lebhafte Bautätigkeit. In Montreux verschlingt namentlich die Erstellung immer neuer Hotelpaläste Millionen. Auch in den übrigen Städten und industriellen Ortschaften des Kantons entstehen stetsfort neue Fabrikanlagen und damit naturgemäss auch Wohnhäuser für Beamte und Arbeiter.
Mit ihren 72000 ha Waldungen vermag die Waadt ferner einen lebhaften und lohnenden Holzschlag zu unterhalten. Sowohl die Wälder in den Alpen und im Jorat, als besonders auch diejenigen des Jura liefern Brenn- und Bauholz. Ueberall wird ein lebhafter Handel mit Holz betrieben. Sägen sind in jedem Bezirk vorhanden. Im Bezirk Aigle bestehen in Bex, Aigle und Les Vernes (Gem. Roche) Sägen und Fabriken für bearbeitetes Holz, die jährlich mehrere tausend Tonnen dieses Artikels versenden.
Die Parkettfabrik Aigle z. B. produziert jährlich 50000-60000 m2 Parkettholz, 150000 m2 Tannenriemen und 3500 m3 Bretter und Kisten. Ihre Absatzgebiete sind die welsche Schweiz, England, Frankreich und Amerika. Die Möbelindustrie beschäftigt eine grosse Anzahl Maschinen und Arme. Montreux besitzt zwei grosse Möbel- und Zimmergeschäfte, und in Nyon beschäftigen zwei ähnliche Unternehmungen 180 bezw. etwa 20 Arbeiter. Erwähnenswert sind noch die Möbelfabriken in Avenches, Vallamand, Cossonay, La Sarraz, Lutry, Montricher, Baulmes, Châtillens bei Oron, Les Cornes de Cerf und Renens.
Immerhin ist berechnet worden, dass der Kanton Waadt bloss den dritten Teil seines Bedarfes an Möbeln selber herstellt. Für die Möbelindustrie verwendet man zunächst die verschiedenen Holzsorten des eigenen Landes, dann aber auch gerne die ungarische Eiche und die weisse kalabrische Eiche; das harzreiche Pitchpinholz (Pinus rigida) und das Yellowpinholz aus Amerika verdrängen immer mehr das einheimische Lärchenholz. Bolle hat eine Kistenfabrik, die etwa 10 Arbeiter beschäftigt, ebenso Promenthoux. In L'Isle liefert ein Fabrikant imprägnierte Holzstangen, die zur Anlage von telegraphischen, telephonischen und elektrischen Kraftleitungen Verwendung finden. Auch Yverdon stellt solche Stangen her. Montreux und Yverdon erstellen feine Korbwaren und Rohrmöbel. Der Bezirk La Vallée liefert feine Scheffelartikel, Standen, Tansen und Kisten (grosse Fabrik in Le Lieu). Aehnliche Industrien sind auch in Provence und in Le Creux bei Ballaigues mit Erfolg eingeführt worden. Ackergerätschaften, Heu und Mistgabeln, Rechen, Tragkörbe etc. verfertigt man in verschiedenen ländlichen Ortschaften, so
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u. a. in Maracon, Chesalles sur Oron und im Bezirk Cossonay. Lausanne hat eine bedeutende Fabrik von Spazierstöcken und Holzartikeln für Raucher, Morges eine Gewehrschäftefabrik.
Rolle liefert gute Kacheln. Lausanne besitzt drei umfangreiche Fabriken, die neben gewöhnlichen Oefen auch alle Arten von Heizeinrichtungen, vom Dauerbrenner bis zur vollständigen Warmwasser- oder Dampfzentralheizung mit Nieder- oder Hochdruck, herstellen. Auf dem Gebiet der Etagenzentralheizung kämpft die Waadtländer und speziell Lausanner Industrie erfolgreich gegen die ausserkantonale Konkurrenz an.
Von grosser Bedeutung sind die Metallindustrien und ihre verschiedenen Zweige. Hauptzentren dafür sind Yverdon, Vevey, Lausanne, Nyon und Vallorbe. Der Kanton hat zwar selbst keine Hochöfen, doch bestehen Giessereien in Yverdon, Lausanne und Vevey, die namentlich kleinere Stücke herstellen. Einen Teil des notwendigen Materiales giessen sich die mechanischen Werkstätten selbst. Die Maschinenfabrik in Vevey beschäftigt sich mit Giesserei und erstellt Turbinen, Dampfkessel, gusseiserne Apparate, sowie eiserne Gerüste und Brücken. 1830 gegründet, beschäftigt sie an die 200 Arbeiter und produziert namentlich für Spanien, Frankreich und Italien.
Eine Maschinenfabrik in Lausanne (mit 70 Arbeitern) liefert ebenfalls grosse Maschinen, Turbinen und ähnl. Apparate. Die Grobmechanik ist ferner vertreten durch die Reparatur- und Bauwerkstätten der eidg. Bundesbahnen in Yverdon, die im Jahr 1906 rund 400 Arbeiter beschäftigten. Die Dampfschiffahrtsgesellschaft auf dem Genfersee besitzt umfangreiche Reparaturwerkstätten und stellt auch eine Anzahl einzelner Maschinenteile selbst her. Blühend sind Bau- und Kunstschlosserei, die namentlich in Lausanne und Umgebung (Renens, Prilly etc.) ihren Sitz haben.
Neben zahlreichen kleinern Bauschlossereien bestehen hier einige grosse Werkstätten mit je 50-100 Arbeitern. Kunstschlossereien von gutem Ruf bestehen ferner in Nyon, Yverdon und Vevey. Eine Kassenschrankfabrik bei Renens steht in voller Blüte. Die Fahrräderfabrik Lausanne beschäftigte 1907 20 Arbeiter. Auch Sainte Croix hat sich in diesem Industriezweig versucht. In Nyon verlegt sich eine Gesellschaft speziell auf den Bau von Lastautomobilen. Vallorbe stellt Motorfahrräder her, Payerne und Montreux gewöhnliche Fahrräder.
Fast unübersehbar ist die Zahl der mittelgrossen und kleinen mechanischen Werkstätten, der Werkzeug-, Schrauben- und Nieten-, Feilen-, Messer- und Instrumentenfabriken der verschiedensten Art. 1907 bestanden allein in Lausanne 16 solcher Werkstätten mit zusammen etwa 100 Arbeitern. Einige haben sich in der Herstellung von elektrischen Apparaten und Präzisionsinstrumenten spezialisiert. Andre liefern kleine Maschinen, Werkzeug, Brücken- und andre Waagen, Messinstrumente, Hahnen, Pumpen etc. Werkstätten solcher Art finden sich u. a. auch in Morges, wo ferner die Gesellschaft «Acétyla» den Versuch gemacht hat, Heiz- und Leuchtanlagen mit Azetylen auf den Markt zu bringen. Nyon ist ein sehr tätiger Mittelpunkt für Fein- und Grobmechanik: Herstellung von gewöhnlichen und Präzisionsschrauben, Drahtwaren, Motoren verschiedener Art etc. Die Fabriken von Le Creux in Ballaigues und von Les Éterpas bei Vallorbe stellen Beile, Sicheln, Ketten und Ackergerätschaften her.
Einen wichtigen Mittelpunkt intensiver industrieller Tätigkeit bildet Vallorbe, dessen hervorragendste Spezialität die Herstellung von Feilen jeder erdenklichen Art ist. Im Jahr 1908 hat die Société des Usines métallurgiques de Vallorbe täglich 1400 Dutzend Feilen fabriziert, im ganzen 540 Arbeiter beschäftigt und 212 Schneidmaschinen im Betrieb gehalten. Diese Feilen werden vorzüglich nach Amerika, Deutschland, Frankreich, Russland, Italien und dem äussersten Osten ausgeführt.
Ausserdem stellt man in Vallorbe Ketten, Nägel, Grabstichel und Werkzeug für Uhrsteinschleifer her. Vaulion (unweit Vallorbe) erzeugt ebenfalls Feilen. Ballaigues hat einige Werkstätten für Kleinmechanik, aus denen Grabstichel, Drehbänke für Uhrsteinschleifer, zahnärztliche Instrumente etc. hervorgehen. Romainmôtier liefert ebenfalls Kleinmechanik, sowie Feilenschneidmaschinen. In Sainte Croix blüht das Gewerbe der Messerschmiede; anderwärts stellen einige Händler ihre Messer und Rasiermesser selbst her.
Feilen produziert man ferner in L'Auberson, Sainte Croix, L'Abbaye, Moudon und Yverdon. Yverdon hat zahlreiche Werkstätten für Bau- und Kleinmechanik, Schrauben und Nieten, ferner auch Giessereien. Dann seien noch genannt: Zwei mechanische Werkstätten in Payerne;
eine Präzisionsinstrumentenfabrik in Rolle, die u. a. einen zur Aufnahme von grossen Panoramen bestimmten sog. «perspecteur mécanique» herstellt;
eine mechanische Werkstätte und ein Etablissement für das Schleifen, Verkupfern und Vernickeln von Metallen in Montreux;
eine Werkstätte für Präzisionsmechanik in Territet;
ein Stahlwalzwerk mit Werkstätte für Abstreichmesser für den Buchdruck in Avenches;
eine Rasiermesserfabrik in Le Sentier, eine Lampenfabrik in Le Pont, Musikinstrumentenfabriken in Lausanne, Payerne und Morges (Pianos).
Eine grosse Kabelfabrik ist 1900 in Penthalaz im Bezirk Cossonay gegründet worden; 1901 zählte sie etwa 60 Arbeiter, 1905 deren 90 und 1907 deren über 100. Einige Wagner des Landes versuchen es mit dem Luxuswagenbau und stellen Landauer, Mylords, Breaks, Phaetons und Jagdwagen her. Je eine grosse Bootbauerei in Grandson und Ouchy.
Das Jouxthal stellt den Mittelpunkt für die Waadtländer Uhrenindustrie dar und liefert überall als vorzüglich anerkannte Werke für einfache Uhren. Daneben zeichnet sich die «Vallée» aber noch besonders aus durch ihre komplizierten und extrakomplizierten Präzisionsuhren aller Art (Repetier-, Schlag- und Weckeruhren, einfache Chronographen, Chronographen mit doppeltem und dreifachem Zeiger, Chronographen mit Zeiger für Viertels- oder Fünftelssekunden, Chronographen mit Datums- und Mondphasenzeiger etc.), die wahre Meisterwerke darstellen. Seit dem Jahr 1905 fabriziert man flache und extraflache Uhren. Die Uhrwerke und fertigen Uhren der «Vallée» werden überallhin ausgeführt, doch bleiben Amerika und Japan immer noch die besten Absatzgebiete.
Zweites Zentrum der Uhrenmacherei in der Waadt ist Sainte Croix mit Umgebung (L'Auberson, Bullet, La Sagne). Eine Spezialität von Sainte Croix bildet die sehr kleine, einfache oder künstlerisch reich verzierte Schmuckuhr (montre-bijou). Aubonne hat eine Fabrik für Uhrenbestandteile, Champagne bei Grandson eine grosse
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Uhrenschalenfabrik mit über 100 Arbeitern. Vallorbe fabriziert Uhrzeiger, Le Sentier Uhrpendel. La Vallée und Sainte Croix liefern ausgezeichnete Werke für Wanduhren. In Ballaigues und in Granges Marnand besteht je eine Fabrik von Turmuhren für Kirchen, Schulen, Schlösser und Landhäuser. Lausanne beginnt feine Schmucksachen zu liefern. Auch L'Auberson und Lucens haben je ein Juweliergeschäft.
Zahlreiche Arbeiter beschäftigt das Schleifen und Lochen von Edelsteinen, sowie die Herstellung von Zapfenlagern für die Uhrenmacherei. Die grösste Fabrik dieser Art befindet sich in Lucens, wo vor kurzem noch zwei weitere Geschäfte eingerichtet worden sind. Auch Sainte Croix hat sich mit dieser Spezialität eine neue Erwerbsquelle zu erschliessen gesucht. Weitere Uhrsteinschleifereien arbeiten in Moudon, Yverdon, Aubonne, Vaulion, in der Vallée de Joux und in Vugelles-La Mothe.
Die Musikdosen haben den Namen von Sainte Croix und der umliegenden Dörfer und Weiler in der ganzen Welt bekannt gemacht. Zunächst fabrizierte man die «cartel» genannte einfache Zylinderdose in allen Grössen vom gewöhnlichen Kinderspielzeug mit Drehgriff bis zu den umfangreichen Maschinen grösser als ein Piano. Um 1878 kamen die Dosen mit auswechselbaren Zylindern auf, die es gestatten, auf dem selben Instrument beliebig viele Stücke zu spielen. Dann rief die immer stärker sich fühlbar machende Konkurrenz einer neuen Verbesserung, der leicht zu handhabenden und zu fixierenden Scheibe, deren Fabrikation nach einigem Zaudern auch im Gebiet von Sainte Croix aufgenommen wurde.
Nach der von Hand auswechselbaren Scheibe kamen die Instrumente mit automatischer Auswechslung. Die Fabrikanten von Sainte Croix warfen sich dann noch auf die Herstellung von Phonographen und Grammophonen, von denen im Jahr 1906 monatlich 6000-7000 versandt wurden. Trotz alledem nimmt die Fabrikation von Zylinderdosen ihren Fortgang. Zunächst finden die kleinen Spielzeug- und Fantasieartikel immer noch guten und raschen Absatz. Dann gibt es auch manche Liebhaber für das grosse sog. Orchestrion und die Automatendosen mit Reitschulen, Panoramen, Tänzerinnen, Equilibristen und Seiltänzern, singenden Vögeln, elektrischer Beleuchtung, optischen Täuschungen etc. Im allgemeinen sind die wertvollern Stücke in schönen Möbeln eingeschlossen, die oft geradezu reich ausgestattet erscheinen und immer von vollendet gutem Geschmack zeugen.
Wenig vertreten ist im Kanton Waadt die Textilindustrie. Der Bezirk Cossonay hat zwei Spinnereien: die eine in Éclépens, die 80 Arbeiter beschäftigt und Wollentuch, Halbleinwand und Trikotstoffe herstellt, die andre in Vufflens la Ville mit der Fabrikation von hygienischen Geweben als Spezialität. In La Sarraz arbeitet eine Wolldeckenfabrik. Eine früher in Vevey ansässige Société vaudoise de Filature et de Tissage hat ihren Sitz 1897 in Gland aufgeschlagen und lieferte damals besonders Gewebe in Kamelhaar, sowie auch Pantoffeln aller Art. Dully im Bezirk Rolle hat eine kleine Wollspinnerei, deren Produkte namentlich nach Savoyen wandern.
Vevey hat eine Tuchfabrik, und Payerne stellt Wolltuch, Halbleinen und Trikotstoffe her. Lausanne hat drei Posamentergeschäfte und eine Bandweberei, welche als Spezialität Reklamenbänder für Handelsgeschäfte herstellt, etwa ein Dutzend Arbeiter beschäftigt und täglich 30000 m Band herstellt. Einige Lausanner Firmen verlegen sich, nicht ohne Erfolg, auf die Herstellung billiger Arbeiterkleider. Ziemlich blühend ist in Lausanne ferner die Fabrikation von Damen- und Herrenkleidern nach Mass (25 Firmen für Damen- und 12 für Herrenkleider).
Das Weisswarengeschäft ist von geringerer Bedeutung, dagegen blühen die Fabrikation von Damen- und Herrenblusen. In Lausanne und in Vevey finden wir auch mehrere Seiler. Erwähnt seien noch die Hut- und Kappenfabriken. Eine Hutfabrik in Lausanne mit etwa 10 Arbeitern liefert jährlich über 5000 Hüte, die zunächst in der Schweiz verkauft werden, bald aber auch in Deutschland Absatz finden sollen. Die Fabrik von Militärkäppis und -mützen in Payerne erfreut sich eines gewissen Rufes. Kappenfabrik in Vevey.
Gerbereien sind eingerichtet in Lausanne, La Sarraz, L'Isle, Morges, Moudon, Nyon, Rolle, Orbe, Baulmes, Oron, Payerne und Vevey. Vevey verfertigt als Spezialität Glanzleder und Treibriemen, Moudon ebenfalls Treibriemen, Rolle Treibriemen und Militärsäcke. Lausanne, Vaulion, Vevey und Aigle haben Holzschuhfabriken, deren Erzeugnisse in der deutschen Schweiz ein sicheres Absatzgebiet sich erobert haben. Eine dieser Fabriken in Vevey beschäftigt für sich allein 130 Arbeiter. Seit 1906 besteht in Lausanne eine Schuhwarenfabrik mit 21 Arbeitskräften und einer täglichen Produktion von 40-50 Paar Schuhen. Auch in Vaulion beschäftigt die Schuhwarenindustrie heute noch an die 50 Arbeiter und Arbeiterinnen, nachdem sie in diesem Dorf einst die beinahe ausschliessliche industrielle Beschäftigung der Bewohner gebildet.
Auch Bürstenwarenfabriken sind im Kanton Waadt vertreten. Eine Lausanner Fabrik verfertigt als Spezialität Stahldrahtbürsten für Baumeister, Mechaniker, Techniker etc., sowie Bürsten zur Reinigung von Bäumen, Rebstöcken u. s. w. Die Bürstenfabrik Aigle stellt jährlich für 70000-80000 Fr. Waren her, die in der Schweiz, nach Piemont und nach S.-Deutschland Absatz finden. In Nyon blüht eine Fabrik von Kämmen in Horn und Zelluloid.
Die Herstellung von Nahrungs- und Genussmittel steht im Kanton Waadt in hoher Blüte. Zunächst ist die Müllerei nicht ohne eine bestimmte Bedeutung. In den bäurischen Bezirken Cossonay, Moudon, Orbe, Échallens, Grandson und Aubonne findet man neben grossen Etablissementen der Branche besonders kleinere Kundenmühlen (sog. moulins agricoles), die von lokalen oder regionalen Genossenschaften betrieben werden. Die Mühlen von Bex und Aigle versorgen den O.-Abschnitt des Kantons.
Die grossen Mühlen von Penthalaz im Bezirk Cossonay und von Bornu bei Pompaples im nämlichen Bezirk lieferten 1897 eine jede täglich mehr als 100 Säcke Mehl und haben seither ihre Produktion noch um vieles gesteigert. Im Bezirk Orbe arbeiten Mühlen in Vallorbe, Croy, Chavornay und besonders in Orbe selbst. Die Mühlen von Granges-Marnand sind die tätigsten des ganzen Bezirkes Payerne. Weiter seien erwähnt diejenigen von Corcelles sur Payerne, Moudon, Lucens, Morges und Rivaz.
Die Mühlen von Gilamont bei Vevey wandeln jährlich über 90000 Meterzentner Körner zu Mehl um. Der von der Waadtländer Müllerei verwendete Weizen kommt über Marseille besonders aus Südrussland und Rumänien, dann auch aus den Vereinigten Staaten. Die einheimische Weizenproduktion genügt nicht einmal dem fünften Teil des Verbrauchs. Das in der Waadt hergestellte Mehl dient zunächst dem eigenen Verbrauch, wird aber auch in die Nachbarkantone Neuenburg, Freiburg und Wallis, sowie nach der Haute Savoie ausgeführt. Von den eingeführten
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Mehlsorten steht das ungarische Mehl seiner Qualität nach an erster Stelle.
Seit etwa 20 Jahren sind in der Waadt mehrere Biskuits- und Bonbonsfabriken entstanden. Lausanne hat deren drei, wovon zwei etwa 100 Arbeiter zählen und für den Export arbeiten. Diese Tätigkeit blüht ferner in Morges und Vevey. Saint Saphorin verfertigt Leckerli. Neben der Teigwarenfabrik Bex ist als bedeutendste die von Nyon zu nennen, die an die 60 Arbeiter beschäftigt. Diejenige von Rolle zählt an die 20 Arbeiter und liefert jährlich 500000 kg Ware. Auch Yverdon hat zwei Fabriken dieser Art. Diese kantonalen Betriebe könnten den inländischen Teigwarenverbrauch nahezu decken.
Kondensierte Milch und verwandte Produkte werden in Vevey, Payerne, Bercher und Yverdon im grossen hergestellt. Das Milchmehl Nestlé hat sich als vollendetes Kindernährmittel seit langem einen europäischen Ruf errungen. Vevey bildet den Mittelpunkt dieser Fabrikation, deren Anfänge aus 1875 datieren. 1905 beschäftigte die Fabrik von Vevey 240 Arbeiter und stellte 4430000 kg Milchprodukte her, die nach allen Ländern der Erde versandt wurden. Eine neue Qualität Milchmehl (mit Malz) stellt die Société d'Industrie laitière in Yverdon her. Die Milchsiederei Payerne verarbeitet täglich über 200000 Liter Milch, die ihr das Thal der Broye und die umliegenden Gegenden liefern. Die Fabrik zu Bercher erhält ihre Milch aus dem Gebiet von Échallens und den benachbarten Bezirken Yverdon und Moudon.
1904 zählte man im Kanton 10 Schokoladefabriken. Eine von Waadtländern gegründete und geleitete grosse Schokoladefabrik hat zwar ihren Betrieb nach Broc im Kanton Freiburg verlegt, bleibt deswegen aber doch in der Hauptsache ein Waadtländer Unternehmen, dessen Aktien offiziell bloss an der Börse von Lausanne kotiert sind. Eine andre Gesellschaft in Vevey, deren Betrieb in voller Blüte stand, hat mit der ehemaligen Fabrik von Lausanne zur neuen Société générale suisse des Chocolats fusioniert, die in Orbe auf sehr günstig gelegenem ebenen Terrain und inmitten einer milchwirtschaftlichen Region eine grosse neue Fabrik erstellte.
Die Gesellschaft fabriziert als Spezialität die neue sog. Schokolade Nestlé. Rasch ist diese Fabrik in Orbe aufgeblüht. 1904 beschäftigte sie 600 Arbeiter und Arbeiterinnen, verbrauchte täglich 12000 Liter Milch und versandte im ganzen Jahr 250 Wagenladungen Schokolade, besonders nach England und Amerika. Andre Fabriken sind in Montreux und Nyon vorhanden. Dank ihrer ausgezeichneten milchwirtschaftlichen Produkte und der sorgfältigen Zubereitung nimmt die Schweiz hinsichtlich der Schokoladenfabrikation unter allen Ländern die erste Stelle ein. An dieser erfreulichen Tatsache beteiligt sich die Waadtländer Schokoladenindustrie in weitgehendem Mass.
Alt ist die Bierbrauerei Aigle. Andre Brauereien arbeiten in Yverdon, Moudon, Orbe, Nyon und Lausanne. Mehrere landwirtschaftliche Brennereien liefern Treber- und Weinhefenschnaps, sowie einheimisches Kirschwasser, dessen Güte aber mit den einzelnen Jahren und je nach der dem Rohmaterial zugewendeten Sorgfalt verschieden ist. Andre Produkte stellen Brennereien in Lausanne, Nyon, Yverdon und Payerne her. Im grossen werden der sog. Bitter des Diablerets und der Bitter des Espersiers hergestellt, die beide sehr geschätzt sind. Yverdon hat eine Fabrik alkoholfreier Weine. In Ballaigues steht eine Fabrik von Essig und verwandten Produkten in Blüte. Eine Kochfett- und Senffabrik in Morges.
Die Zigarren- und Tabakindustrie gruppiert sich in die drei hauptsächlichsten Zentren Yverdon-Grandson, Vevey, Payerne mit dem Thal der Broye. Die 1832 gegründete bedeutendste Firma von Grandson liefert als Spezialität besonders die sog. Bouts und widmet sich auch der Herstellung von Zigaretten und von Rauchtabak aller Art. Neben Grandson zählt das ganz nahe Yverdon mehrere grosse Fabriken dieser Branche. Mit Grandson wetteifert Vevey, in welcher Stadt sich 1200 Arbeiter mit der Herstellung von Tabak und Zigarren befassen. Das 1848 gegründete wichtigste Haus des Platzes hat als Spezialität die sog. Cigares Vevey geschaffen; es beschäftigt 750 Arbeiter und wirft jährlich 150 Mill. Zigarren auf den Markt. Vier grosse Fabriken bestehen in Payerne und liefern neben den Bouts noch allerlei Spezialartikel. Besondre Fabriken haben Moudon und Avenches. Zigaretten verschiedener Art werden in Lausanne hergestellt.
Als einer der blühendsten und am intensivsten arbeitenden Zweige industrieller Tätigkeit in der Waadt darf die chemische Industrie in allen ihren verschiedenen Aeusserungen angesprochen werden. Und dies, trotzdem die Rohmaterialien oft eingeführt werden müssen, wie es z. B. bei den künstlichen Parfüms, sowie den pharmazeutischen und Medizinalprodukten der Fall ist. Dank ihrer Wasserkräfte vermag die Waadt mit Vorteil alle jene Produkte zu liefern, deren Herstellung einen starken elektrischen Strom erfordert. In dieser Hinsicht steht die Stadt Nyon mit zwei Fabriken im ersten Rang.
Deren einst bedeutendere hatte sich auf reine pharmazeutische Produkte (Chloroform, Aether, Brom- und Chloräthyl, Kakodyl, Salol, Antipyrin) und auf künstliche Parfüms spezialisiert, sowie auch ein Mittel gegen die kryptogamischen Krankheiten des Rebstockes hergestellt, ist aber jetzt ziemlich gesunken. Die andre Fabrik des Ortes stellt ausschliesslich künstliche Parfüms (Nerolin, Moschus) her. Lausanne ist Gesellschaftssitz der Société des Usines et Produits chimiques in Monthey, welche Fabrik das Steinsalz von Bex als Rohmaterial benutzt, es mit Hilfe des elektrischen Stromes in die beiden Elemente zerlegt und damit Soda und Chlorkalzium erzeugt.
Die grossartige Fabrikanlage am Day bei Vallorbe stellt als erstes Etablissement dieser Art chlorsaures Kali vermittels Elektrolyse her. Die elektrische Kraft von 2000-3000 PS liefert der hier über die Felsen rauschende Wasserfall der Orbe. Die Fabrik beschäftigt 90 Arbeiter. Die eidg. Pulvermühle in Aubonne hat im Jahr 1906 130000 kg Pulver, wovon 14000 kg Jagdpulver fabriziert und produziert täglich im Durchschnitt 800 kg. Die Zündholzfabriken in Nyon haben unter dem Namen der Société Diamond fusioniert, die täglich 50000 Schachteln und mehr herstellt.
Einen blühenden Industriezweig stellt die Seifenfabrikation dar, der sich acht Firmen in Yverdon, Lausanne, Nyon, Morges, Bussigny, Bex und Vevey widmen. Neben Seife liefern diese Fabriken noch verschiedene Waschpulver von mehr oder weniger willkürlicher Zusammensetzung. Ferner seien genannt: eine Lackfabrik in Renens, je eine Schuhwichsefabrik in Avenches und in Lausanne, je eine Kerzenfabrik in Lausanne und in Yverdon, eine Schmieröl- und Schmierfettfabrik in Yverdon. Chemische Wäschereien und Färbereien in Lausanne, Prilly u. a. O.;
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dazu kommen die grossen Hotels mit ihren musterhaften Einrichtungen dieser Art. In Montreux und Aigle entwickelt sich das Institut Zyma für industrielle Bakteriologie und pharmazeutische Produkte. Vallorbe fabriziert Klemateit, ein Isoliermaterial für die elektrische Industrie. Sainte Croix hat Zelluloid verarbeitet. In den Torfmooren der Orbe hat sich eine Gesellschaft zur Herstellung von sog. Osmondit, d. h. auf elektrischem Weg gewonnenem Presstorf niedergelassen, seit einiger Zeit aber ihre Tätigkeit wieder eingestellt. Montreux liefert hygienisches Eis und Chavornay Kalziumkarbid.
Blühend ist vor allem auch das Buchgewerbe. 1904 zählte man in Lausanne 24 Buchdruckereien. 1907 haben sich drei grosse Firmen des Platzes zu der Société des Imprimeries réunies zusammengeschlossen. Einige Firmen liefern Kunstdruckarbeiten, doch beschäftigt der gewöhnliche Druck die meisten Hände. In Lausanne werden 75 Zeitungen (wovon 5 Tageszeitungen) und Zeitschriften jeder Art gedruckt. Ausserhalb Lausanne finden wir die grössten Buchdruckereien in Vevey.
Alle Bezirkshauptorte und sonstigen ansehnlicheren Ortschaften besitzen eine oder mehrere Buchdruckereien mit einer oder mehreren Lokal- oder Regionalzeitungen. Im Jahr 1901 belief sich die Anzahl der dem Fabrikgesetz unterstehenden Arbeiter des Buchdruckgewerbes auf 404. Berücksichtigt man die seitherige Vermehrung und rechnet man die zahlreichen Kleinmeister hinzu, die allein oder mit 1-2 Arbeitern arbeiten, so gelangt man heute leicht zur Zahl 500.
Lausanne unterhält auch mehrere Lithographien, deren man im Jahr 1901 sechs zählte. Dia grosse Entwicklung der Schokoladenindustrie ist indirekt auch der Lithographie zugute gekommen. Mehrere Firmen der Stadt Lausanne widmen sich den graphischen Künsten. Die Buchbinderei blüht in Lausanne, Vevey, Yverdon. Die 1905 in Lausanne als Zweig des schweizerischen Buchbindermeister-Vereins gegründete Société des patrons relieurs, fabricants de registres et cartonniers hat die Preise vereinheitlicht und trägt nicht wenig zum Aufschwung dieses Industriezweiges im Kanton Waadt bei. Bex besitzt eine Papierfabrik, Grandson eine Kartonfabrik. In Vevey verfertigt und bedruckt man feines Packpapier für Luxusschokoladen.
Es bestehen in der Waadt 392 industrielle und gewerbliche Betriebe, die dem eidg. Fabrikgesetz von 1901 unterstellt sind und zusammen 11592 Personen beschäftigen. Davon mögen folgende Betriebe herausgehoben werden: Textil- und Bekleidungsindustrie 33 Betriebe mit 455 Arbeitern;
4 Schuhwarenfabriken mit 146 Arbeitern;
14 Getreidemühlen mit 129 Arbeitern;
5 Teigwarenfabriken mit 142 Arbeitern;
5 Milchverarbeitungsbetriebe mit 889 Arbeitern;
6 Schokoladefabriken mit 605 Arbeitern;
16 Tabak- und Zigarrenfabriken mit 1768 Arbeitern;
1 chemische Fabrik mit 109 Arbeitern;
21 Buchdruckereien mit 404 Arbeitern;
Metallindustrie 63 Betriebe mit 2100 Arbeitern;
16 Musikinstrumentenfabriken mit 520 Arbeitern;
12 Uhrenfabriken mit 433 Arbeitern;
7 Uhrsteinschleifereien mit 364 Arbeitern;
7 Zement-, Kalk- und Gipsfabriken mit 381 Arbeitern;
22 Backsteinfabriken, Ziegeleien etc. mit 585 Arbeitern;
4 Tonwarenfabriken mit 156 Arbeitern.
Fremdenverkehr und Hotelwesen stehen besonders in vier Regionen in hoher Blüte: Waadtländer Alpen, Montreux-Vevey und Umgebung, Lausanne, Jura.
In den Waadtländer Alpen wird von bescheidenen Turisten zunächst das Thal des Avançon mit Les Plans de Frenières bevorzugt. Viele Familien aus dem Flachland besitzen hier ihre eigenen Chalets, die sie im Sommer zum Ferienaufenthalt beziehen. Schon anspruchsvoller ist die Fremdenkundschaft von Gryon, während dann die Hotels von Villars sur Ollon und Chesières für reiche Gäste eingerichtet sind. Das Thal der Ormonts nimmt sowohl die bescheidene als die anspruchsvolle Kundschaft bei sich auf. Leysin ist berühmter Kurort für Lungenkranke. Seit der Eröffnung der direkten Montreux-Oberlandbahn entwickelt sich auch Château d'Œx mit dem Pays d'Enhaut rasch zur gut besuchten Kurlandschaft. - Von Chillon bis Vevey zieht sich eine fast ununterbrochene Reihe von Hotels hin, die auch das Gehänge ob dem blauen See erklettern und bis nach Caux, auf die Rochers de Naye, den Mont Pèlerin und bis Chexbres hinaufreichen.
Die immer stärker sich fühlbar machende Konkurrenz scheint der Blüte dieser ganzen Legion von kleinen und grossen Etablissementen keinen Eintrag zu tun. Allerdings kürzen seit dem Durchstich des Simplon manche Turisten ihren Aufenthalt am Genfersee zugunsten der oberitalienischen Seen ab, doch erscheint dafür gerne die gute italienische Kundschaft auf dem Plan, um sich für einige Zeit in den nicht zu hoch gelegenen Stationen diesseits der Alpen niederzulassen. Der neuesten Moderichtung entsprechend sind in Montreux einige jener Palace-Hotels entstanden, in denen Luxus und moderner Komfort ihre höchste
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Vollendung erreichen. Während Montreux im Jahr 1835 bloss zwei Gasthöfe mit 60 Betten zählte, gab es hier im Jahr 1905 nicht weniger als 81 Hotels und Pensionen mit rund 5000 Fremdenbetten. Der Fremdenverkehr von Montreux zeigte 1904 eine Bewegung von 45469, 1905 eine solche von 50000 Personen auf. Davon entfallen auf die Deutschen und die Engländer je 26%, die Franzosen 18% und die Schweizer 14%. Die Einnahmen für 1905 werden auf 9 Millionen Fr. geschätzt, an welcher Summe sich ein Hotel allein schon mit 1¼ Million beteiligt. Die grössern Hotels von Vevey, das ebenfalls seine besondre Spezialkundschaft hat, verfügen zusammen über rund 1000 Betten. - Lausanne ist zugleich Passantenplatz und Ruhesitz.
Während die Hotels in der Stadt selbst meist von Durchreisenden frequentiert werden, steigen in den um den Bahnhof gelegenen Etablissementen sowohl Durchreisende als Aufenthalter ab und bilden diese letztern in den Hotels vom Bahnhof an abwärts bis Ouchy sogar die Mehrzahl. Auch das ländliche Bergland des Jorat entwickelt sich zur Kurlandschaft, die sowohl Sommer- als Wintergäste bei sich sieht (La Bérallaz, Chalet à Gobet).-
Der Jura ist mit Fremdenstationen geradezu übersät: Les Rasses, Sainte Croix, Ballaigues, Vallorbe und Vaulion, Jouxthal und Saint Cergues. Am Jurafuss liegen die Kurorte L'Isle, Gimel, Montricher, Mont la Ville, La Coudre.
Die Besetzung der Hotels wechselt je nach Höhenlage und Jahreszeit. Aigle und Bex sind vor allem Frühjahrs- und Herbststationen, Villars dazu noch Winterstation. Leysin hat das ganze Jahr hindurch Besuch. Während Ormont Dessus und Ormont Dessous noch hauptsächlich Sommerstationen geblieben sind, haben sich Château d'Œx, Caux und Les Avants zu den von Liebhabern des Sports bevorzugten Winterstationen der Waadtländer Alpen entwickelt. Im Fremdenzentrum Vevey-Montreux bevölkern die Gäste im Winter und Frühjahr die Gasthöfe der tiefern Region, um dann mit zunehmender Sommerhitze immer höher zu steigen. In Lausanne gleicht sich die Frequenz derart aus, dass die Hotels im Sommer von Passanten und im Winter von Aufenthaltern frequentiert sind. Die Hotels im Jura sind zumeist Sommerfrischen, wenn auch Les Rasses, Ballaigues und das Jouxthal eine stets sich vermehrende Winterkundschaft sich zu erwerben gewusst haben.
Der Geldmarkt in Lausanne ist lange nicht so bedeutend und rege wie an den Börsenplätzen Zürich, Basel oder Genf, erhält aber durch den Aufschwung von Gewerbe und Industrie, den Fremdenverkehr, die Bevölkerungszunahme und den allgemeinen Wohlstand von Jahr zu Jahr einen neuen Antrieb. 1907 zählte Lausanne 22 Bankgeschäfte, wovon die Waadtländer Kantonalbank und der Crédit foncier vaudois mit der kantonalen Sparkasse halboffiziellen Charakter tragen. Der Staat ernennt die Hälfte ihrer Verwaltungsräte, die Aufsichtskommissionen und die Direktoren. Verwaltungsrat und Aufsichtskommission eines jeden dieser Etablissemente werden zudem von Amtes wegen von einem Mitglied des Staatsrates präsidiert. Lausanne besitzt auch eine Zweigniederlassung der schweizerischen Nationalbank. Ueber den allgemeinen Geldverkehr derjenigen Banken, die ihre Bilanz öffentlich kundgeben, gibt folgende Tabelle nähern Aufschluss:
Allgemeiner Umsatz 1906 Fr. | Zunahme seit 1905 Fr. | |
---|---|---|
Banque cantonale vaudoise | 1676732666 | 137140000 |
Banque d'escompte et de dépôts | 732024798 | 84478020 |
Banque fédérale (Eidg. Bank A. G.) | 240000000 | 10000000 |
Union vaudoise du crédit | 232877536 | -2870192 |
Caisse populaire d'épargne et de crédit | 77418886 | 4080096 |
Banque populaire suisse (Schweizer. Volksbank) | 67041747 | - |
Die im Crédit foncier vaudois (Waadtländer Hypothekarkasse) angelegten Kapitalien erreichten am die Summe von Fr. 146245281 und standen damit um Fr. 11732825 höher als Ende 1905. Der Staat garantiert eine 4% ige Verzinsung des Kapitals bis zu einer Einlage von 30 Millionen Fr. Die Kantonalbank hat ihr Kapital um 16 Mill. Fr. erhöht, was das gesamte Aktienkapital auf 28 Mill. Fr. bringt. Indem der Staat Waadt jene Summe einzahlte, ging er darauf aus, die Kantonalbank nach und nach zur reinen Staatsbank auszubauen.
Kantonalbank, Crédit foncier und Union vaudoise du crédit haben in den Bezirkshauptorten und andern bedeutendern Ortschaften Filialen und Agenturen errichtet. Ausser der Hauptstadt haben noch besondre private Bankgeschäfte: Aigle 4, Bex 1, Avenches 1. Sainte Croix 2, Le Sentier 1, Morges 5, Moudon 4, Nyon 2, Vallorbe 2, Oron 1, Payerne 2, Rolle 2, Vevey 8, Montreux 4, Yverdon 3. Die Lausanner Börse veröffentlicht seit dem die tägliche Kotierung der hauptsächlichsten Wertpapiere des regelmässigen Geldmarktes und fasst zweimal jährlich in einer Liste die nicht kotierten Wertpapiere zusammen. Das Wertpapiergeschäft erstreckt sich hauptsächlich auf Obligationen von kantonalen und städtischen Anleihen (Lausanne), des Crédit foncier vaudois, der Kraftwerke des Jouxsees, von Strassenbahnunternehmungen, Eisenbahnen und Hochbauten, sowie auf Aktien von Kantonalbank und Crédit foncier, von Privatbanken, Waadtländer Eisen- und Strassenbahnen, grossen Hotelunternehmungen, Fabriken der Metallbranche, Schokoladefabriken.
15. Verkehr und Verkehrswege.
Der Kanton Waadt besitzt ein bis ins einzelne ausgebautes Strassennetz. Alle Städte, Dörfer und Weiler von etwelcher Bedeutung sind unter sich und mit den hauptsächlichsten Eisenbahnstationen durch Strassen verbunden. Die Staatsstrassen erreichen eine respektable Länge. Die Kosten für Neuanlage solcher Strassen fallen zu 7/10 dem Staat und zu 3/10 den interessierten Gemeinden zur Last. Im Mittelland beträgt die Strassenbreite allgemein zwischen 4,8-6 m, während sie im Bergland oft bis auf 4,2 m reduziert ist. Im übrigen erreichen mehrere Strassenzüge, die vor dem Bau der Eisenbahnen als grosse Verkehrsadern dienten, eine Breite von 10-12 m. Dies ist auch die Strassenbreite in der Umgebung der Städte und der grossen Bahnhöfe. Die Steigung beträgt im Flachland zwischen 0,03-0,06%, im Bergland zwischen 0,07-0,110%.
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Als schöne Strassen nennt man diejenigen im Jura (z. B. Yverdon-Sainte Croix), die im Kreis Montreux, die Seeufer-Strassen, die Strasse Chexbres-Cully, die Strasse Bex-Gryon-Villars. Um den Unterhalt der Strassen zu erleichtern, hat sie der Staat in 7 Sektionen eingeteilt, die alle von Lausanne als dem gemeinsamen Mittelpunkt ausstrahlen. Die bekanntesten Brücken sind diejenigen über die Orbe in Orbe, der Pont Pichard (oder Grand Pont) und der Pont Chauderon-Montbenon in Lausanne, die Brücke von Feygire über die östl. Veveyse, die Brücke von Collombey über die Rhone.
Die erste Eisenbahn des Kantons war die am dem Betrieb übergebene Linie Yverdon-Bussigny, an die sich schon am 1. Juli des selben Jahres die Linie Bussigny-Renens anschloss. Am wurden die Teilstücke Lausanne-Renens und Bussigny-Morges eröffnet. Es folgten: Villeneuve-Bex am Morges-Coppet am Coppet-Versoix am Yverdon-Vaumarcus am Bex-Saint Maurice am Lausanne-Villeneuve am Lausanne-Romont am Vallorbe-Cossonay am Vallorbe-Landesgrenze am Palézieux-Avenches und Payerne-Freiburg am und Payerne-Yverdon am Nach diesen wenig glänzenden Anfängen trat nun die Waadtländer Eisenbahnpolitik in eine bessere Phase.
Infolge mehrerer Fusionen von kleinen Gesellschaften entstand zunächst die Gesellschaft Suisse Occidentale-Simplon und dann die Jura-Simplonbahn (1889), worauf der Rückkauf der Hauptbahnen durch den Bund 1903 das Netz der Bahnen in der Waadt zum grösstenteil den schweizerischen Bundesbahnen angliederte. Deren Kreisdirektion I hat ihren Sitz in Lausanne. 1906 haben die 12 wichtigsten Waadtländer Eisenbahnstationen zusammen 3819052 Reisende, 884864 Tonnen (zu 1000 kg) Güter und 45113 Tonnen lebende Tiere befördert.
Ausser dem Netz der S. B. B. durchziehen den Kanton Waadt noch zahlreiche Eisenbahnen aller Art: normal- und schmalspurige Sekundärbahnen, Strassenbahnen und Tramways, Zahnrad- und Drahtseilbahnen. Im folgenden stellen wir diese Bahnen nebst ihrer Linienlänge und dem Datum der Betriebseröffnung zusammen:
Normalspurbahnen. | Betriebslänge km | Betriebseröffnung |
---|---|---|
Chexbres-Vevey | 7.8 | |
Nyon-Crassier-Landesgreuze | 6.0 | |
Orbe-Chavornay | 3.9 | |
Vallorbe-Le Pont-Le Brassus | 13.3 | |
Schmalspurbahnen. | ||
Allaman-Aubonne-Gimel | 9.91 | |
Bière-Apples-Morges-L'Isle | 29.7 | |
Gland-Begnins | 6.0 | |
Lausanne-Échallens-Bercher | 23.0 | |
Aigle-Ollon-Monthey | 12.0 | |
Lausanne-Chalet à Gobet | ||
Mézières-Chalet à Gobet. | ↘ | |
Savigny-Marin | 27.0 | |
Mézières-Moudon | ↗ | |
Montreux-Berner Oberland | 62.4 | |
Palézieux-Châtel Saint Denis | 6.8 | |
Rolle-Gimel | 10.58 | |
Vevey-Blonay-Chamby | 16.1 | |
Vevey-Châtel Saint Denis | ||
Yverdon-Sainte Croix | 24.2 | |
Zahnradbahnen | ||
Aigle-Leysin (elektr. Bahn) | 6.8 | |
Glion-Caux-Naye (Dampfb.) | 7.7 | 2. und |
Drahtseilbahnen. | ||
Cossonay-Station Cossonay | 1.2 | |
Lausanne-Ouchy | 1.8 | |
Lausanne-Signal | 0.46 | |
Trait-Les Planches (Montreux) | 0.39 | |
Vevey-Chardonne-Pèlerin | 1.5 | |
Territet-Glion | 0.6 | |
Elektr. Strassenbahnen. | ||
Bex-Bévieux-Gryon-Villars- | ||
Chesières | 12.5 | |
Chillon-Villeneuve | 2.58 | |
Lausanner Strassenbahnen | 34.0 | |
Vevey-Montreux-Chillon | 10.88 | 6. Juni und |
Geplant wird ausserdem die Neuanlage oder Weiterführung von 26 Linien.
Die Schiffahrt ist auf dem Genfersee sehr rege und stark entwickelt, weniger dagegen auf dem Neuenburger- und Murtensee, sowie auf dem sie miteinander verbindenden Broyekanal. Der Lemansee wird von den grossen Barken mit ihren malerischen und originell geformten Segeln durchfurcht, die namentlich Bausteine von Meillerie und andre Baumaterialien vom einem Ufer zum andern transportieren. Die ersten Versuche einer Dampfschiffahrt auf dem See reichen bis 1823 zurück, in welchem Jahr ein Engländer den «Guillaume Tell» benannten Dampfer vom Stapel laufen liess. In der Folge wurden dann mehrere weitere Dampfschiffe erstellt und von verschiedenen Gesellschaften betrieben, bis im Jahr 1873 die Compagnie générale de Navigation sur le Lac Léman den gesamten Dampfschiffbetrieb in ihrer Hand vereinigte.
Diese Gesellschaft besass im Jahr 1908 22 Schiffe, wovon 4 Schrauben- und 18 Raddampfer. Nicht unbeträchtlich ist der Transport von Waren, wovon 1907 28591 Tonnen befördert wurden. Die Haupteinnahme bringt aber der Personenverkehr. Mit ihren prachtvollen Salondampfern, die an Luxus und Komfort mit den deutschen Rhein- und den Donaudampfern rivalisieren, befördert die Gesellschaft jährlich 1½ Millionen Reisende. Die Einnahmen übersteigen dabei die Summe von 1½
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Millionen Fr. Auf dem Neuenburger- und Murtensee ist der Dampfschiffbetrieb seit der Tieferlegung der Juragewässer, die zahlreiche Untiefen geschaffen und die Häfen versandet hat, sowie seit der Erstellung neuer Eisenbahnen immer mehr zurückgegangen. Yverdon ist nicht mehr Ausgangs- und Kopfstation der Dampfschiffkurse, und auch der Güterverkehr meidet jetzt seinen früher, besonders zur Zeit der Schiffahrt auf dem Canal d'Entreroches sehr belebten Hafen. Die Waadtländer Ortschaften im NO. werden von der Société de Navigation à vapeur des Lacs de Neuchâtel et de Morat bedient, die vier Schiffe besitzt, jährlich etwa 140000 Reisende befördert und etwa Fr. 140000 einnimmt. Ein Schiffsdienst auf dem Jouxsee wird im Sommer von einem Schraubendampfer besorgt.
Eine eigene kantonale Waadtländer Postverwaltung folgte 1803 auf die der Familie Fischer verpachtete Berner Post und machte ziemlich gute Geschäfte, zumal da der Staat Waadt auch die Walliser Post gepachtet hatte und seine Diligencen von Besançon bis Mailand und von Genf bis Bern verkehrten. Seit dem Uebergang des Postwesens an den Bund im Jahr 1850 bildet Lausanne den Direktionssitz des 2. eidg. Postkreises, der die Kantone Waadt, Wallis und Freiburg umfasst. Der Bezirk Nyon ist dem 1. eidg. Postkreis mit Direktionssitz in Genf angegliedert. Dieser Waadtländer Anteil des Genfer Postkreises umfasst 23 Poststellen, während der Kanton im 2. Postkreis 1 Bureau erster, 27 Bureaux zweiter und 164 Bureaux dritter Klasse, sowie 75 rechnungspflichtige und 12 nicht rechnungspflichtige Postablagen besitzt.
16. Staat und Verwaltung.
In der offiziellen Reihenfolge der Kantone steht der im Jahr 1803 der schweizerischen Eidgenossenschaft als selbständiges Glied einverleibte Kanton Waadt im 19. Rang. Verwaltet wird der Kanton nach der Verfassung vom der sechsten, die er sich seit 1803 gegeben. Die erste Verfassung von 1803 deckte sich mit der Mediationsakte und brachte die Hauptprinzipien der französischen Revolution zum Vollzug, kannte aber noch den Wahlzensus und die doppelte Wahlart.
Die Verfassung vom bedeutete einen Schritt nach rückwärts: der Wahlzensus wurde erhöht, und die Wahlen wurden nach einem verwickelten System zum Teil durch den Grossen Rat, zum Teil durch die Aktivbürger und zum Teil auch durch eine Wahlkommission vorgenommen. Wirklich freisinnig war sodann die dritte Verfassung vom sie brachte die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, die Pressfreiheit, das Petitionsrecht und die Trennung der Gewalten. Ihr Hauptverdienst bestand aber in der Gewährung des allgemeinen Stimmrechtes und der Einführung der direkten Wahlen.
Die Verfassung vom brachte als wichtigste Neuerung das Rech der Initiative: jeder von mindestens 8000 Stimmberechtigten eingebrachte und unterstützte Antrag musste dem Volk zur Abstimmung unterbreitet werden. Hauptverdienst der folgenden Verfassung vom war die Gewährleistung der Glaubens- und Kultusfreiheit, die Einführung einer Vermögenssteuer und die Förderung des höhern öffentlichen Unterrichtswesens. Die heute noch zu Kraft bestehende Verfassung vom endlich bestätigt die freisinnigen Grundsätze ihrer Vorläufer und gewährleistet den Bürgern folgende Gewohnheitsrechte: persönliche Freiheit, Unverletzlichkeit von Wohnung und Eigentum, Pressfreiheit, Vereins- und Petitionsrecht.
Die Hauptneuerung brachte der Art. 19 mit der Einführung einer Progressivsteuer: das steuerbare Vermögen wird in 7 Klassen eingeteilt, die nach einer Stufenleiter von 1, 1½, 2, 2½, 3, 3½ und 4% den ein- bis vierfachen Steuerbetrag entrichten;
die Grundsteuer bleibt von den übrigen Steuern getrennt;
Abzug der Familienlasten vom Betrag des Einkommens und der Hypothekarzinsen vom beweglichen Vermögen.
Das Recht der Initiative ist neuerdings gewährleistet: ein Minimum von 6000 Stimmberechtigten kann die Unterbreitung einer Vorlage ans Volk verlangen. Dagegen kennt die Waadtländer Verfassung das Referendum nicht, sodass das Volk den Weg der Initiative beschreiten muss, wenn es ein missliebiges Gesetz aufgehoben wissen will.
Die gesetzgebende Gewalt liegt beim Grossen Rat, der in den Verwaltungskreisen und im Verhältnis von einem Abgeordneten auf je 300 eingeschriebene Stimmberechtigte direkt vom Volk auf eine Amtsdauer von 4 Jahren bestellt wird. Die Wähl der Grossräte hat somit im Kreishauptort zu geschehen, wobei freilich das Gesetz neben dem Hauptbureau auch noch andre Wahlbureaux einzurichten gestattet. Eine zweite Eigentümlichkeit ist, dass die Anzahl der Vertreter nicht auf Grund der Gesamtbevölkerung, sondern nach der Anzahl der stimmberechtigten Schweizerbürger bestimmt wird, was die städtischen Mittelpunkte mit zahlreicher Fremdenbevölkerung einigermassen benachteiligt.
Charakteristisch ist auch das Gesetz von 1851 betr. die Inkompatibilitäten (Unvereinbarkeit verschiedener Aemter), das sehr viele Kategorien von Bürgern vom Grossen Rat ausschliesst. Man darf es als eines der drakonischsten Gesetze seiner Art bezeichnen, indem es die Annahme eines Grossratsmandates einer ganzen Reihe von Amtspersonen bis hinunter zum einfachen Beisitzer eines Friedensgerichtes verbietet. In ordentlicher Session tritt der Grosse Rat im Kantonshauptort je den ersten Montag im Mai und den zweiten Montag im November zusammen.
Ausserordentlicherweise kann er vom Staatsrat zusammenberufen werden. Seine Sitzungen sind öffentlich. Der Grosse Rat darf während seiner Amtsdauer keine ausserordentlichen Ausgaben im Betrag von über Fr. 500000 beschliessen, ohne sie der Genehmigung des Volkes vorzulegen. Jedes Jahr ernennt der Grosse Rat die beiden Waadtländer Abgeordneten zum Ständerat. Nach den Resultaten der Wahl vom besteht der Waadtländer Grosse Rat aus 236 Mitgliedern.
Vollziehende und Verwaltungsbehörde des Kantons ist der Staatsrat (Regierungsrat), dessen 7 Mitglieder vom Grossen Rat auf eine Amtsdauer von vier Jahren bestellt werden und jederzeit wieder wählbar sind. Aus dem selben Verwaltungsbezirk dürfen nicht mehr als 2 Mitglieder des Staatsrates genommen werden. Höchstens ein Mitglied des Staatsrates darf dem Ständerat und höchstens zwei dem Nationalrat angehören. Vom Staatsrat wird der Staatsschreiber (Kanzler) ernannt, der nicht seiner Wahlbehörde angehören kann. Die Kantonsverwaltung zerfällt in 7 Departemente, deren jedem ein Mitglied des Staatsrates vorsteht.
1) Das Justiz- und Polizeidepartement befasst sich mit Justiz, Polizei und Gesetzgebung. Ihm unterstehen die