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Bevölkerung.
Im Jahr 1900 zählte man 11781 Ew. Davon waren 8277 Reformierte, 3424 Katholiken, 56 Israeliten und 24 Andre; 8878 französischer, 1919 deutscher, 833 italienischer und 151 andrer Sprache; 502 Bürger der Wohngemeinde, 4181 Bürger andrer Gemeinden des Kantons, 4483 Bürger andrer Kantone und 2615 Ausländer. 1908 war die Zahl der Bewohner auf 14010 angestiegen. Den verschiedenen Konfessionen stehen die Pfarrkirchen Saint Martin und Sainte Claire (reformierte Staatskirche), die Kapelle der freien evangelischen Kirche, die deutsche evangelische Kirche, eine katholische, englische und russische Kirche zur Verfügung. Daneben bestehen noch Kultlokale andrer Gemeinschaften, wie der Darbysten, Sabbatisten, Methodisten, Heilsarmee etc.
Verkehrsmittel.
Vevey ist eine Station der Simplonbahn, die 19 km onö. Lausanne und 33 km nw. Saint Maurice liegt. Drei Dampfschiffstationen der Dampfboote auf dem Genfersee: Vevey-Marché, Vevey-La Tour und Vevey-Grand Hôtel. Kopfstation der elektrischen Strassenbahn Vevey-Chillon, der Linie Vevey-Station Chexbres, der Drahtseilbahn auf den Mont Pèlerin und der elektrischen Linien Vevey-Châtel Saint Denis und Vevey-Blonay-Chamby. Von Vevey führen Strassen nach Lausanne, Chexbres, Châtel Saint Denis, Blonay und Villeneuve.
Die Einnahmen des Zentralbahnhofes Vevey (S. B. B.) übersteigen jährlich die Summe von 1 Mill. Fr. und stellen Vevey in den 6. Rang von allen 245 Stationen des einstigen Netzes der Jura-Simplonbahn. Von diesem Verkehr können nachfolgende Zahlen vom Jahr 1906 einen Begriff vermitteln: Ausgegeben hat der Bahnhof Vevey 58599 einfache Billete, 268892 Retourbillete und 101373 Abonnemente, was ein Total von 428864 Reisenden ausmacht und Vevey in den 17. Rang der schweizerischen Bundesbahnstationen stellt. An Gütern gingen 30526 Tonnen ab (womit Vevey den 18. Rang der Stationen der S. B. B. einnimmt) und kamen 91853 Tonnen an. An den Gesamteinnahmen der Dampfschiffgesellschaft auf dem Genfersee beteiligte sich der Hafen von Vevey mit 6,42%, welches Verhältnis bloss von den Häfen von Montreux (7,44%), Évian (8,95%), Ouchy (18,57%) und Genf (26,75%) übertroffen wurde. An allen diesen Zahlen beteiligen sich die Ausländer in ganz beträchtlichem Mass. Postbureau, Telegraph, Telephon.
Vevey erscheint in erster Linie als Handels- und Industriestadt, liegt zugleich aber in einer vom Fremdenstrom hervorragend begünstigten Landschaft. Es spielt daher das Hotelwesen eine grosse Rolle. Man zählt: in Vevey und La Tour de Peilz 14 Hotels und Pensionen mit 1250 Betten, am Mont Pèlerin und in dessen Umgebung (Baumaroche, Corseaux, Chardonne, Jongny) 725 Betten, in Saint Légier und Blonay etwa 250 Betten, zusammen also rund 2000 Betten für Vevey und seine unmittelbare Umgebung. Dazu kommen noch zahlreiche Familienpensionen und Pensionnate für Knaben und Mädchen.
Industrie und Handel.
Wie Vevey Fremde jeder Nationalität gastfreundlich bei sich aufnimmt, sendet es andrerseits die Erzeugnisse seiner Industrie in die ganze Welt. Zu nennen sind da in erster Linie die Fabrik Nestlé für Kindermehl und kondensierte Milch und die sehr umfangreiche Fabrik der «Société générale Suisse des Chocolats». In Vevey befanden sich zuerst auch die Anlagen der Schokoladenfabrik Cailler, die nun seit einigen Jahren nach Broc im Greierz übergesiedelt ist. Ferner: Fabrik der Société des Biscuits Bussy (1898 gegründet) mit Filialen in Pontarlier und im Elsass, eine Magenbitterfabrik, die Zigarrenfabrik Ormond (1848 gegründet; 780 Arbeiter; jährliche Produktion 160 Mill. Zigarren) und drei andere Zigarrenfabriken (gegründet 1859, 1860 und 1866), die 1830 gegründeten «Ateliers de constructions mécaniques», deren Spezialität im Bau von Turbinen (1500 bis Ende 1907) und der Erstellung von eisernen Brücken und Metallgerüsten besteht;
zwei Schuhwarenfabriken;
eine grosse Buchdruckerei, die den mehr als 200 Jahre alten Almanach Le Messager boîteux de Berne et Vevey herausgibt;
eine Buch- und Kunstdruckerei, eine Baumaterialienhandlung, Bildhauergeschäfte.
Die Stadt Vevey veranstaltet alljährlich im Winter für Lehrlinge und Liebhaber beider Geschlechter eine Reihe von gewerblichen und kommerziellen Lehrkursen, die z. B. im Winter 1906/1907 von 624 Teilnehmern in 39 Klassen besucht worden sind und für deren erfolgreiche Absolvierung 320 Zeugnisse ausgestellt werden konnten.
Schulwesen.
Die Gemeinde unterhält eine Primarschule mit 24 Klassen, 4 Kleinkinderschulen, ein Progymnasium (Collège) mit klassischer und industrieller Abteilung, dessen Schüler ein Kadettenkorps bilden, sowie endlich eine 1848 gegründete höhere Töchterschule. Das Budget der Gemeinde Vevey für das Unterrichtswesen belief sich 1906 auf Fr. 157186. 1906 besuchten neben 277 Schülern der Kleinkinderschulen 1376 Kinder die öffentlichen Schulen von Vevey, die unter der Aufsicht einer Schulpflege (Commission scolaire) stehen.
Von privaten Erziehungs- und Bildungsinstituten steht im ersten Rang das Institut Sillig im Quartier Bellerive, das seit seiner Gründung im Jahr 1836 von mehr als 1500 Jünglingen aus aller Herren Ländern besucht worden ist. Zahlreiche Mädchenpensionnate, 7 Privatschulen mit 94 Schülern und eine katholische Schule mit 8 Klassen und 271 Schülern vervollständigen das Bild des Schulwesens von Vevey. Um die Schuljugend zum Sparen anzuleiten, hat man eine Schulsparkasse eingerichtet, in welcher im Jahr 1906 817 Einleger ein Kapital von Fr. 27042 besassen.
Vereinswesen und öffentliche Wohltätigkeit.
Gleich den übrigen Schweizerstädten findet man natürlich auch in Vevey zahlreiche Vereine und Gesellschaften. Auf philanthropischem Gebiet sind tätig: Das 1858 gestiftete Hospice ¶
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du Samaritain (Samariterhospiz) mit einem aus 1877 datierenden Hauptgebäude und einer 1889 erbauten Abteilung für Kinder (dem sog. Petit Samaritain), das Erholungshaus für. Wöchnerinnen (Maison des Convalescentes), der 1827 gestiftete Unterstützungsverein für kranke Arbeiter, die Société de Sauvetage zur Rettung von auf dem See in Gefahr befindlichen Personen, die 1814 gestiftete. Sparkasse, die aus 1865 datierende Société philanthropique Immobilière; die seit 1806 bestehende öffentliche Armenpflege, die seit länger als 5 Jahren in Vevey niedergelassene arme Nicht-Gemeindebürger unterstützt; der Kinderhort (la Crèche), der Verein gegen Bettel (Bureau pour la répression des abus de la Mendicité), die Unterstützungskasse der Kirchenpflege, ein auf Gegenseitigkeit beruhender Unterstützungsverein, je ein französischer und italienischer Hilfsverein der Frauenverein (Société de patronage des dames de Vevey) mit einer Dienstboten- und Haushaltungsschule, einem Stellenvermittlungsbureau und einer Agentur für verlassene oder stellenlose Mädchen und Frauen; ein Arbeiterverein (Cercle ouvrier) mit Bibliothek (1876), der Konsumverein (1858), je eine Sektion des schweizerischen Vereines vom Blauen Kreuz und des christlichen Jünglings- und Jungfrauenvereins; christliches Vereinshotel (seit 1890) und Herberge für Arbeiter, Angestellte und Durchreisende.
Zahlreiche wohltätige Stiftungen, Legate und Fonds: Stiftung Perdonnet (200000 Fr.), vom Stifter seiner Vaterstadt unter der Bedingung vermacht, dass die alten historischen Strassen- und Quartiernamen durch die von ihm bezeichneten und heute noch gebräuchlichen neuen Namen ersetzt werden sollten;
Stiftung Louis Meyer-Dupraz (156056 Fr.), Erbschaft Gautschy (152913 Fr.), Legat der Frau Senator Jenisch (50394 Fr.), Stiftung Henri Burnat (20000 Fr.), Stiftung François Monnerat (39810 Fr.), Stiftung Jules Monnerat (80000 Fr.) zur Unterstützung von Greisen, Schenkung Andrès Nuñes del Castillo (108325 Fr.) zur Erstellung eines Konzertsaales, Schenkung Emile Robin, Stiftung Burnat (78305 Fr.) und Spitalfonds (Bourse de l'Hôpital).
Ferner vergabte Étienne Ronjat, gewesener Leibchirurg des Königs von England, der Stadt Vevey (zwischen 1731 und 1736) ein Stück Land. Endlich ist als Wohltäter seiner Vaterstadt noch Martin Couvreu (geb. 1645) zu nennen, dem in der Pfarrkirche ein Denkmal errichtet wurde und dessen Familie auch späterhin der Stadt grosse Dienste leistete, so z. B. zwischen 1806 und 1857 drei Bürgermeister gab.
Es fehlen in Vevey auch nicht die üblichen Geselligkeits-, Kunst-, Sportvereine etc. Wir nennen von Gesangvereinen: die Société Chorale, den Kirchengesangverein (Société du Chant sacré de l'Église nationale), den Frohsinn und das Écho du Léman. Dann: Musikgesellschaft La Lyre; Kunstverein (Société des Beaux Arts), Orchesterverein, die Association du Vieux Vevey, Kaufmännischer Verein, Verkehrsverein von Vevey und Umgebung, Sektion Jaman des S. A. C., Gesellschaft der «Amis des Alpes», Museumsgesellschaft, Seeklub (Société nautique de l'Aviron), Schiessvereine etc.
Geschichtlicher Ueberblick.
Pfahlbau am Creux du Plan. Funde von Stein- und Bronzebeilen, sowie von Messern und Armspangen aus Bronze. Grosses Gräberfeld aus der La Tène-Periode mit charakteristischen Fundobjekten. Römersiedelung mit Gräbern. Gräber aus der Zeit der Völkerwanderung.
Zur Römerzeit war der Ort eine kleine Siedelung an der Gabelung der von Octodurum (Martinach) herkommenden Strasse nach Geneva einerseits und nach Aventicum andrerseits. Urkundliche Namensformen: Bibiscum und Vibiscum in den römischen Itinerarien, Viviscum auf der Peutingerschen Tafel;
im 5. Jahrhundert (Geograph von Ravenna) Bibiscon;
1011 Viviscum, 1017 Vivesium, 1163 Vivois, 1177 Vives, 1225 Viveis, dann auch wieder latinisiert Viviacum.
Der Name wird von dem zur Römerzeit in Gallien häufig vorkommenden Geschlechtsnamen Vibius, Vivius und dem zur Bildung von Ortsnamen verwendeten gallischen Suffix -iscos hergeleitet und bedeutet somit «Ansiedelung eines Vibius». Nach dem Zusammenbruch der Römerherrschaft verschwindet der Ort sozusagen ganz aus der Geschichte bis zur Regierungszeit des transjuranischen Burgunderkönigs Rudolf III., der am seine Rechte auf Vevey der Abtei Saint Maurice abtrat. Ums Jahr 1093 stand der Ort unter den Bischöfen von Lausanne, deren einer, Lambert de Grandson, ihn zusammen mit Corsier und andern Gütern seinem Neffen ¶