Titel
Uster
(Kt. Zürich,
Bez. Uster
). Gem. und grosses Pfarrdorf,
Brücke über die
Aa 465 m, Burg 497 m. Hauptort des Bezirkes Uster
,
an der
Aa und 2 km ö. vom
Greifensee. Station der Linie
Zürich-Uster-Rapperswil. Station der Dampfschiffahrt auf dem
Greifensee.
Elektrische Strassenbahn
Uster-Oetwil
am See. Postbureau, Telegraph, Telephon; Postwagen nach
Egg,
Meilen,
Mönchaltorf und
Esslingen. Die politische Gemeinde Uster
zerfällt in folgende 11 Zivilgemeinden:
1) Freudwil;
2) Nänikon;
3) Nossikon mit Blindenholz, Brunnacker und Dorf Nossikon;
4) Riedikon mit Alte Hütte, Kies und Dorf Riedikon;
5) Sulzbach mit Neufuhr und Dorf Sulzbach;
6) Kirchuster;
7) Nieder Uster mit Unterbühlen, Dorf Nieder Uster und Wil;
8) Ober Uster mit Berg und Dorf Ober Uster;
9) Wermatswil mit Halden und Dorf Wermatswil;
10) Werrikon mit Bösch, Steinbruch und Dorf Werrikon;
11) Winikon mit Gschwader und Dorf Winikon. Zusammen: 1090 Häuser, 7623 Ew. (wovon 6539 Reformierte, 1067 Katholiken und 12 Israeliten);
Dorf Uster (Kirchuster) 391 Häuser, 3114 Ew. (1888: 2603 Ew., also Zunahme um 19,7%).
Im Dorf Uster sind ausser vielen stattlichen Privathäusern hervorzuheben die reformierte und die katholische Pfarrkirche, das Primar- und Sekundarschulhaus, sowie die «Burg» (Schloss) auf einem die Gegend beherrschenden Hügel (497 m) mit prächtiger Aussicht auf die Alpen. Sie enthält die Räume für die Bezirksbehörden (Statthalter, Bezirksrat, Bezirksgericht) und dient auch als Bezirksgefängnis. Ursache des Wachstums ist die starke Entwicklung der Industrie.
Die ganze Gemeinde zählt 25 Fabriken, darunter 7 Baumwollspinnereien mit zusammen 82000 Spindeln, 6 mechanische Werkstätten, 3 Maschinenfabriken, 1 Automobilfabrik, 1 Velofabrik, 2 Ziegeleien, 2 Buchdruckereien etc. Die Bankinstitute - Sparkasse des Bezirkes Uster (gegründet 1836), Filiale der Zürcher Kantonalbank, Kreisbank der Schweizerischen Volksbank - zeigen durch ihre wachsenden Umsätze die Bedeutung Usters. Durch den Bahnhof gehen im Tag 27 Züge; im Jahr 1906 wurden 155328 Fahrkarten gelöst; 23248 Tonnen Waren kamen an und 12094 Tonnen gingen ab.
Das geistige Leben ist sehr rege. In den drei Dörfern (Kirchuster, Niederuster und Oberuster) finden wir ausser 2 Kleinkinderschulen, 16 Primarlehrern und 5 Sekundarlehrern noch eine gewerbliche Fortbildungsschule (8 Lehrer und 141 Schüler), 1 Handelsschule des kaufmännischen Vereins (7 Lehrer und 32 Schüler), 5 Gesangvereine, ein Dilettantenorchester etc. Zwei Zeitungen erscheinen wöchentlich dreimal.
Von öffentlichen Werken finden wir: seit 1880 eine Quellwasserversorgung aus dem Aathal mit 1300-1400 Minutenlitern Wasser;
seit 1897 ein Elektrizitätswerk;
seit 1908 ein Gaswerk.
Die Gemeinnützige Gesellschaft errichtete 1889 ein Krankenasyl, das jetzt 45 Betten zählt. Für ein Altersasyl ist ein Fonds von 100000 Fr. vorhanden. 1904 wurde in Uster durch die gemeinnützigen Gesellschaften des Bezirks und Kantons die zürcherische Anstalt für bildungsunfähige geistesschwache Kinder gegründet (mit 65 Betten).
In Riedikon am Greifensee Pfahlbauten aus der Steinzeit. Daneben weist Uster auch Einzelfunde aus dieser Zeit auf. Im «Chaibehölzli» bei Nänikon und bei Oberuster mehrere Grabhügel aus der Hallstattperiode. Römische Ansiedelungen bei Riedikon, auf dem Bühl bei Nänikon und im Buchwald ob Oberuster; am Schlossberg römische Gräber; da und dort Einzelfunde aus römischer Zeit. Alemannische Ansiedelung. 775: Ustra, 952: Ustera (ustra villa = gastfreundliches Haus, Fremdenherberge). In Nossikon, Nänikon, Wermatswil und Oberuster alemannische Gräber.
Das Chorherrenstift Grossmünster hatte frühe Besitzungen zu Niederuster. Seit 1402 gehörte Uster als Bestandteil der Landvogtei Greifensee zu Zürich. Es hatte auch seine Edlen, die nach der wenig zuverlässigen Historia Welforum gleich den Herren von Rapperswil einer unächten Linie der Welfen angehören sollen. Die Kirche soll um 1099 durch einen Heinrich von Rapperswil gestiftet worden sein, dessen auch das Jahrzeitbuch von Uster gedenkt. Der Kirchensatz von Uster gelangte 1300 mit der gesamten Herrschaft Greifensee durch Verkauf von den Grafen von Rapperswil an die Landenberg, mit Ausnahme der Burg und eines grossen Teils der Gemeinde.
Der Freisitz kam um die Mitte des 13. Jahrhunderts erbweise an die Freiherren von Bonstetten, die freilich erst 1320 ausdrücklich als Besitzer der Burg genannt werden; sie hatten diese inne von 1320-1524. Die dazugehörige Vogtei gelangte 1564 an die Stadt Zürich, während die Burg den Besitzer oft wechselte. 1492 brannte der Turm ab; 1526 ging auch das daneben stehende Wohnhaus in Flammen auf, worauf 1529 der Turm als Wohnung neu hergestellt wurde. 1752 umgab man ihn mit einem Wohnhaus, und in der Mitte des 19. ¶
mehr
Jahrhunderts baute man die ganze Anlage in unschöner Weise um. Der Turm wurde zum Bezirksgefängnis, die Wohnung aber zu einer Wirtschaft eingerichtet. Im untern Teil des Turmes fand man die Reste zweier Ritterrüstungen aus der Zeit der Burgunderkriege. Seit 1438 gehörte die Kollatur dem Kloster Rüti; sie kam 1525 an den Rat von Zürich. 1638 wurde Volketswil und 1767 Gutenswil kirchlich von Uster abgetrennt. Die Bevölkerung von Uster zeichnete sich frühe durch ihren freiheitlichen Sinn aus.
Die Staatsumwälzung von 1798 wurde von ihr lebhaft begrüsst, und 1804 gab es im Dorf anlässlich der Leistung des Treueides gegenüber der neuen Regierung störende Auftritte. Die Regeneration der dreissiger Jahre wurde durch den bekannten «Ustertag» eröffnet: Am strömten in Uster 8000-10000 Mann zusammen, welche auf dem «Zimiker» das berühmte Memorial von Uster erliessen, eine Erweiterung des Küsnachter Memorials mit der Forderung von Volkssouveränetät, Rechtsgleichheit, direkten Volkswahlen, Abschaffung des Zensus, Trennung der Gewalten, Oeffentlichkeit der Verwaltung, Petitionsrecht etc. (Zur Erinnerung daran wird noch heute alljährlich eine «Ustertagfeier» veranstaltet).
Als aber die Radikalen nach 1830 zu ausschliesslich regierten, zeigten sich bald Spuren von Unzufriedenheit; so zündeten 1832 an der Feier des Ustertages verbitterte Handwerker aus dem Oberland eine Fabrik in Uster an (Brand von Uster). Als in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts der Zug nach Demokratisierung im Kanton Zürich lebhafter wurde, stand Uster mit Winterthur voran. Unter den Männern der Opposition befand sich auch Sekundarlehrer (1850-1869) und Redaktor J. C. Sieber von Uster, der spätere Regierungsrat und Erziehungsdirektor. In Uster wirkte von 1863-1870 als Pfarrer Salomon Vögelin, ein freisinniger und geistvoller Mann von grosser Bedeutung. Er war später Professor für Kultur- und Kunstgeschichte an der Universität Zürich. Seine Arbeiten über Schweizergeschichte, Kunstgeschichte und Epigraphik erwarben ihm einen bedeutenden Namen. Ausserdem sind von hervorragenden Männern zu erwähnen: Jakob Guyer, genannt «Kleinjogg» oder der «philosophische Bauer», geboren in Wermatswil;
er machte durch rationelle Verbesserungen den vernachlässigten Katzenrütihof zu einem Musterbetrieb seiner Zeit und wurde u. a. von Goethe (1775) und von Herzog Eugen Ludwig von Württemberg besucht. - Oberst Heinrich Kunz, genannt der «Spinnerkönig», der 1823 die erste Baumwollspinnerei gründete. - Heinrich Grunholzer, 1858-1873 Sekundarlehrer in Uster, später Seminardirektor in Münchenbuchsee. - Pfarrer J. J. Bär (1838-1907), hervorragender Kanzelredner.
Bibliographie. Zeller-Werdmüller, H. Zürcher Burgen. Zürich 1894/95. - Vögelin, Salomon. Neujahrsblätter von Uster 1866 und 1867. - Winterthurer Neujahrsblatt von 1824. - Funde auf der Heidenburg (Antiqua. I, 61). - Dändliker, K. Der Ustertag. Zürich 1881. - Keller, L. Die gewaltsame Brandstiftung von Uster. Zürich 1833. - Egli, G., Der Brand von Uster. Uster 1889. - Wettstein, W. Die Regeneration des Kantons Zürich. Zürich 1907. Stüssi, A. Die Sekundarschule Uster 1834-1884. - Führer durch Uster; herausgeg. vom Verschönerungsverein.