mehr
von der Schächenthaler Windgälle nach N. abgehende breite Querrippe des Alplerstocks (2385 m) und Wasserbergs (2341 m) herausmodelliert. Dieser letztere bildet bereits ein Bruchstück der nördl. Randkette, welche sich westwärts jenseits des Hürithals über die scharfen Zacken Blümberg, Kaiserstock oder Liedernen (2517 m), Rossstock (2463 m) und Dieppen nach dem breiten Rücken des Axenbergs fortsetzt. Dieser springt mit steilen, unten fast senkrechten Wänden in den Urnersee vor und bildet die heute noch wie früher von den Schiffern gefürchtete, über 400 m hohe Axenfluh. Oestl. des Bisithals setzt sich der Gebirgszug des Axen fort im breiten Rücken der Silbern und entfaltet endlich seine volle Hochgebirgsnatur wieder im prachtvollen Glärnischstock, der nach Lage, innerm Bau und Relief ein Abbild der Urirotstockgruppe darstellt.
Thalbildung. Vom Ursernthal, dem obersten Abschnitt des Reussthals abgesehen, ist das ganze Thalsystem der Reuss in seiner Anlage und heutigen Gestalt ein Werk der Erosion. Es sind typische Alpenthäler mit fiederförmiger Verzweigung nach oben, mit stufenförmigem Abfall, mit schmaler Sohle und mehrfacher Terrassierung der Gehänge. Das Hauptthal der Reuss bildet wohl die wichtigste Querfurche der Zentralalpen; denn es reicht vom Mittelland in fast gerader Richtung durch den ganzen nördl. Alpenbogen bis ins Herz der Südalpen, das Gotthardmassiv, während seine oberste Stufe, das Ursernthal, sich zugleich als Mittelglied in die Kette der bedeutendsten Längsfurche Rhone-Ursern-Rheinthal einfügt. Da das Ursernthal nach drei Seiten hin (nach der Furka, dem Gotthard und der Oberalp) in breite und tief eingeschnittene Passsenken ausläuft, fehlt ihm ganz der Charakter eines richtigen Thalabschlusses, wie es etwa der Hintergrund des Linththales darstellt.
Einen solchen, allerdings längst durchbrochenen Thalschluss stellt viel besser der wilde Erosionszirkus von Göschenen dar. Selbst der Eingeweihte, der sich der Göschenerstufe von N. her nähert, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier das Gebiet des Urnerlandes natürlicherweise aufhöre. Anlass zu dieser Täuschung gibt der plötzlich mauerartig aufsteigende Querriegel des Aarmassives, den die Reuss nur in der engen, dem Fernblick sich fast entziehenden Kluft der weltberühmten Schöllenen zu durchsägen vermochte.
Auch die Seitenthäler der Reuss haben nach Richtung und Gefälle vielfach den Charakter von Querthälern, so das Meienthal und das Gornernthal auf der linken, das Fellithal auf der rechten Seite. Typisch ist ferner für alle grössern Nebenthäler die Art der Verbindung mit dem Hauptthal. Sie münden nämlich meist mit einem breiten, sanft geneigten Boden hoch über der Sohle des Hauptthales aus, während ihr Bach in einer tief eingerissenen, unwegsamen Schlucht den plötzlichen Gefällsbruch auszugleichen sucht. Es vermochten eben die schwächern Seitenflüsse mit der rasch voranschreitenden Erosionstätigkeit des Hauptflusses nicht Schritt zu halten, und so blieb die Austiefung ihrer Thäler um ein Bedeutendes hinter derjenigen des Hauptthales zurück. Die grossartigsten Mündungsschluchten treffen wir am Eingang ins Isenthal, Meienthal und Maderanerthal. Im übrigen korrespondiert die Abstufung der Seitenthäler genau mit den Terrassen und Stufen des Hauptthales, nur dass die erstern eben stets um eine Stufe zurückgeblieben sind.
Schuttbildungen; Glazialerscheinungen; Karren. An der Oberflächengestaltung der Urnerthäler nehmen auch die Schuttkegel, Moränen, erratischen Blöcke u. s. w. einen reichen Anteil. Das Reussthal weist besonders im untern Abschnitt eine grosse Zahl wohl ausgebildeter Wildbach- und auch trockener Schuttkegel auf. Letztere namentlich, welche den Fuss der meist schroff und unvermittelt aufragenden Felskulissen verhüllen, geben dem Thal von Altdorf bis Amstäg ein charakteristisches Gepräge.
Moränenwälle wurden im Hauptthal beim Bau der Gotthardbahn öfters entblösst, spielen aber sonst in dessen Relief eine untergeordnete Rolle, weil der Gletscherschutt aus dem engen und gefällsreichen Querthal grösstenteils hinausgefegt worden ist. Dagegen stösst man in den Seitenthälern häufig auf ausgezeichnete Rand- und Stirnmoränen, besonders im Maderanerthal, im Felli- und Etzlithal. Erratische Blöcke bedecken in grosser Zahl die prächtige Terrasse von Seelisberg-Sonnenberg, die Terrassen des Schattdorfer Bergs, der Kirchberge und des Bristener Berges; schöne Gletscherschliffe sind zu sehen südl. der Tellsplatte an der Axenstrasse, an den Bahneinschnitten in der Umgebung von Wassen, bei Bristen, an den Felsköpfen des Hüfigletschers, im Gotthardgebiet u. a. O. Im Gebiet der kristallinen Gesteine treten dann auch die eigentümlichen Rundhöcker hervor, die der ungleichförmig aushobelnden Tätigkeit der Gletscher ihre Entstehung verdanken. Wer je das Dörfchen Bristen am Eingang ins Maderanerthal besucht hat, wird sich jener grotesken Rundhöckerlandschaft stets erinnern.
Bergstürze und Felsschlipfe aus alter wie neuerer Zeit haben ebenfalls im Reussgebiet Spuren hinterlassen. Der bedeutendste Bergsturz aus neuerer Zeit kam am bei Spiringen im Schächenthal von den sog. Spitzen, den Vorbergen der Grossen Windgälle herab. Er verschüttete 2 Häuser und 6 Menschen. Eine ungeheure, kahle Schutthalde, welche das Grün der Wälder und Weiden unterbricht, bezeichnet noch heute den Schauplatz dieses Naturereignisses.
Wo in den Kalkketten der Hochgebirgskalk in flach liegenden Schichten die Oberfläche bildet, kommen regelmässig auch die vom Bergwanderer gefürchteten Karren zur Entwicklung, so auf dem Ruchhubel und im Ruchstockgebiet, auf dem Glatten über dem Klausenpass etc.
[Dr. J. Brun.]
3. Hydrographie.
Die Gewässer des Kantons Uri gehören, einige geringe Ausnahmen abgerechnet, dem Einzugsgebiet der Reuss an und vereinigen sich entweder direkt mit dieser oder münden in den Vierwaldstättersee. Die eigentlichen Reussquellen auf dem Gotthard liegen jedoch auf Boden des Kantons Tessin und bestehen aus den aus der Valletta del San Gottardo und dem Lucendrosee herkommenden beiden Quellbächen. Nach deren Vereinigung betritt die Gotthardreuss in 1914 m Höhe und 3 km unter der Gotthardpasshöhe urnerisches Gebiet, um dann eine enge und tiefe Schlucht zu durchbrausen und sich beim Dorf Hospenthal mit der von der Furka herabkommenden Realper- oder Furkareuss zu vereinigen. Oberhalb dieser Vereinigung erhält die Gotthardreuss auf dem Gamsboden, einem alten Gletscherboden und ¶
mehr
vielleicht auch ehemaligen Seebecken, von rechts den Wildbach des Guspisthals. Die die Gotthardreuss an Wasserfülle beträchtlich übertreffende Realperreuss bildet sich aus drei Quellarmen, die sich etwas hinter Realp vereinigen: dem am Furkapass entspringenden Bach der Garschenalp, dem Abfluss des Muttengletschers und dem Schmelzwasserbach des Wyttenwassergletschers. Den beiden letztern fliesst alles Wasser von dem hohen Eis- und Firnkamm zu, der sich von den Muttenhörnern bis zum Pizzo Lucendro hin erstreckt.
Als Zufluss bleibt noch der dem Tiefengletscher entspringende Lochbach zu erwähnen. In dem fast flachen Thalboden beim Dorf Andermatt, einem jetzt durch die massenhafte Zufuhr von Geschieben landfest gewordenen ehemaligen Seebecken, erhält die Reuss als Zuflüsse den Wildbach des Felsenthales, sowie die vereinigten Wassermassen des Gurschenbaches, der Unteralpreuss und der Oberalpreuss, welch letztere dem Oberalpsee (2028 m) entspringt. Von der Vereinigung all dieser Gewässer an (1438 m) bildet die Reuss schon einen beträchtlichen Flusslauf, der besonders im Sommer bei der raschen Schnee- und Eisschmelze sehr viel Wasser führt. Es bietet dann der Abfluss dieser grossen Wassermassen durch die enge und wilde Schlucht der Schöllenen Anlass zu einem grossartigen Naturschauspiel.
Nach ihrem Austritt aus den Schöllenen erhält die Reuss von W. oder links her die dem Kehlegletscher entfliessende Göschenerreuss mit der vom Wellenbergfirn kommenden Voralperreuss, von O. oder rechts her das Wildwasser des Rienthales. Bei Wassen mündet von links die am Sustenpass entspringende Meienreuss, sowie etwas tiefer unten bei Wiler der Gorfierenbach und mehrere kleinere Wildbäche, deren Quellen an der O.-Flanke der Krönten (2008 m) liegen. Amstäg bezeichnet die Stelle, wo der die Schmelzwasser des Hüfigletschers sammelnde und das Maderanerthal entwässernde mächtige Kärstelenbach von rechts her der Reuss zueilt.
Von hier an beginnt der untere Thalabschnitt mit breitem und flachem Boden. Während sich zu beiden Seiten zunächst nur wenig bedeutende Wildbäche (Evibach und Lattenbach von O., Riedbach von W. her) entwickeln, treffen wir bei Erstfeld auf den Faulenbach, der die Schmelzwasser der vom Glattenfirn zwischen Gross Spannort und Schlossberg gespeisten Eisfelder sammelt, das Erstfelderthal entwässert und dessen hohe Mündungsstufe in einer tiefen Schlucht durchbricht.
Desgleichen treffen wir halbwegs zwischen Erstfeld und Attinghausen den in zahlreichen Kaskaden zum Reussthal herabrauschenden Bockibach des Surenenpasses. Von Attinghausen bis zum See endlich erhält die Reuss noch eine ganze Reihe von Nebenadern, wie von links den Kummenbach und den aus dem Gitschenthal kommenden wilden Balankenbach, von rechts die aus grossen Stromquellen, deren Ursprung im Kalkgebirge des Hoh Faulen liegt, sich bildende Stille Reuss, den Gangbach und besonders den vom Klausenpass herabfliessenden und zahlreiche Seitenäste sammelnden Schächenbach.
Direkte Zuflüsse des Urnersees sind der aus den Bächen des Kleinthals, Grossthals und Sulzthals entstehende Isenthalerbach und, auf der gegenüberliegenden Seite, der die Kantonsgrenze gegen Schwyz bildende Riemenstaldenbach. Auf Urnergebiet liegen ferner die Quellen der Muota und des ihr zufliessenden Hüribaches. Der Urnerboden an der O.-Abdachung des Klausen wird vom Fätschbach entwässert, der sich mit prachtvollem Fall zum Linththal hinunterstürzt. Auch der den Namen Stierenbach tragende Quelllauf der Engelberger Aa am W.-Abstieg des Surenenpasses gehört noch dem Kanton Uri an, bis er von der Nieder Surenenalp an als «Aawasser» in den Kanton Obwalden übertritt.
Von stehenden Gewässern hat der Kanton Uri neben dem sog. Urnersee, dem obersten Arm des Vierwaldstättersees, noch zahlreiche prächtige Bergseen aufzuweisen. Glazialen Ursprungs, d. h. von einstigen Gletschern ausgehobelt sind wahrscheinlich die Seen auf der Oberalp (Passübergang aus dem Ursern- ins Vorderrheinthal), auf der Seenalp im Bergstock der Windgällen und am Surenenpass. Dagegen verdanken die äusserst zahlreichen, gewöhnlich aber nur sehr kleinen Seen der Kalkalpen ihre Entstehung fast ausschliesslich Einbrüchen oder dann der Verstopfung von unterirdischen Abflusstrichtern. Hervorzuheben ist hier der Seelisbergersee (753 m) auf der Kreideterrasse von Seelisberg zwischen dem Sonnenberg und dem Niederbauen.
[Prof. H. Schardt.]
4. Geologie.
A. Stratigraphie. Das Felsgerüst der Urneralpen baut sich im südl. Teil fast ganz aus kristallinen, im nördl. Drittel dagegen aus sedimentären Gesteinen auf.
1. Die kristallinen oder Urgesteine gehören den zwei wichtigsten Zentralmassiven der Alpen, dem Gotthard- und dem Aarmassiv an. Die N.-Abdachung des Gotthardmassives zwischen den Muttenhörnern im W. und dem Badus im O. weist ganz vorwiegend kristalline Schiefer in zahlreichen Uebergängen vom Glimmerschiefer bis Glimmergneis und Granitgneis auf, zwischen welche sich unzusammenhängende Streifen von Hornblendegneisen oder -schiefern einschieben. Der Alpengranit oder Protogin tritt in einer besonders massigen Varietät als sog. Gotthardgranit auf, spielt jedoch der Verbreitung nach eine untergeordnete Rolle (Gotthardstrasse von oberhalb des Gamsbodens nahe der Kantonsgrenze bis zu den Gotthardseen und zum Pizzo Rotondo). Jüngern Alters sind wohl die den N.-Fuss des Gotthardmassivs begleitenden Serizitgneise und Phyllite, welche im Zusammenhang stehen mit den Glanzschiefern des Goms und Tavetsch und mit den Kalkgesteinen der Ursernmulde konkordant einfallen.
Von der Gotthardzone nur durch die schmale Sedimentmulde von Ursern geschieden, durchzieht der östl. Teil des gewaltigen Aarmassivs in einer Breite von 20 km den ¶