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Beromünster-Höfe waren in Sarnen und Kerns, Murbachische Höfe in Giswil, Alpnach und Stans, Engelberger Höfe in Buochs und Wolfenschiessen vorhanden. Die niedere Polizei- und Zivilgerichtsbarkeit über diese topographisch nicht geschlossenen, von fremdem Besitz durchsetzten Immunitätsbezirke wurde vom Kloster selbst oder von seinen Amtsleuten, die hohe Gerichtsbarkeit, der Blutbann, vom Kastvogt des betreffenden Stiftes bezw. vom Landgrafen ausgeübt.
Im 12. Jahrhundert lag die erbliche Kastvogtei über Murbach-Luzern und Muri in den Händen der Habsburger, und nach dem Aussterben der Kiburger 1264 ging die Vogtei über Beromünster ebenfalls an sie über. Schon 1173, nach dem Erlöschen der Grafen von Lenzburg, war auch die erbliche Landgrafschaft im Zürichgau, zu dem Unterwalden gehörte, d. h. die hohe Gerichtsbarkeit über die Freien und die keiner Immunität zugeteilten Leute und Güter an das Haus Habsburg gefallen. Als nun gar die Krone an dasselbe kam und damit ein Schirmrecht über das Reichsstift Engelberg, da schienen alle Vorbedingungen für die Ausbildung eigentlicher habsburg-österreichischer Landeshoheit in Unterwalden gegeben zu sein.
In diese Zeit aber fallen die Anfänge der innern staatlichen Entwicklung des heutigen Kantons. Diese politische Entwicklung Unterwaldens ist in ihren Ursachen und Phasen viel schwieriger festzustellen, als die der beiden andern Urkantone. Die diesbezügliche Forschung darf noch keineswegs als abgeschlossen betrachtet werden, und gerade jetzt scheinen sich ihr neue Bahnen zu öffnen. Sicher ist, dass die Freien den Kitt bildeten beim Zusammenschluss der einzelnen Kirchgemeinden, dass die Gefährdung der Sicherheit und Ordnung im Innern in jenen Tagen, da der Kampf zwischen den höchsten Gewalten der Christenheit entbrannte, den Anlass hiezu bot und dass das Beispiel von Schwyz und Uri hiebei aneifernd wirkte. Es scheint sich auch soviel zu ergeben, dass die beiden Thalschaften ob und nid dem Kernwald einen selbständigen Bildungsprozess durchmachten, bevor sie sich gegen Ende des 13. Jahrhunderts zu einem Land vereinigten. Noch der ewige Bund von 1291 nennt unter den Kontrahenten nur die Gemeinde Nidwaldens. Erst das später angehängte Siegel bezeugt den nachmaligen Beitritt des obern Thales. Derselbe muss jedenfalls vor 1304 erfolgt sein, in welchem Jahr der erste «gemeinsame» Landammann von Unterwalden in der Person des Obwaldners Rudolf von Oedisriet (Ettisried) erscheint.
In diesem Jahr kommt auch der Name Unterwalden zum erstenmal vor, der eine nicht besonders gelungene Uebersetzung und Verbindung der Namen " Intramontani» (d. h. «zwischen den Bergen Wohnende») und «Waldlüte» ist, mit welchen man im 13. Jahrhundert die Bewohner der beiden Thäler zu bezeichnen pflegte.
Mit dem Bund von 1291 war der politische Gedanke der Eidgenossenschaft ins Leben getreten. Mit dem Schwert mussten die Länder schon damals ihre Selbständigkeit verteidigen; als aber Herzog Albrecht von Oesterreich 1298 die Krone erlangte, mussten sie sich ergeben.
In diese Zeit hat Tschudi die Sagen eingereiht, die der Obwaldner Landschreiber Hans Schriber ums Jahr 1470 im «Weissen Buch» aufgezeichnet hatte. Wenn wir aber die einzelnen Züge dieser Befreiungssage auf einen bestimmten Zeitpunkt fixieren wollen, so darf die Regierungszeit Albrecht I. jedenfalls nicht genannt werden; eher wäre Platz dafür ums Jahr 1246, wo wir wenigstens die Leute von Sarnen und Schwyz in offenem Aufruhr gegen Habsburg erblicken. Merkwürdigerweise blieben speziell in Unterwalden unter Albrechts Regierung die neugeschaffenen Verhältnisse bestehen, und ruhig waltete statt der sagenhaften Vögte der Landammann seines Amtes in dem (wie wir sahen) gerade damals erst geeint auftretenden Lande.
Gleichwohl musste es den Waldstätten erwünscht sein, als nach Albrechts Ermordung die Krone dem Hause Habsburg entglitt. Dem scharfen Blick ihrer Führer entging es nicht, wie günstig der Augenblick für die Erreichung ihrer Ziele war. Und der neugewählte König Heinrich von Luxemburg bekräftigte am auf ihre Bitten nicht nur die längst bestehende Reichsunmittelbarkeit Uris und die Freiheitsbriefe der Schwyzer, er nahm auch keinen Anstand, den Unterwaldnern in allgemeinen Ausdrücken angebliche Privilegien seiner Vorgänger zu bestätigen, die sie in Wirklichkeit nie empfangen hatten.
Gleichzeitig befreite er alle drei Länder von aller auswärtigen Gerichtsbarkeit ausser der kaiserlichen und unterstellte sie dem Grafen Wernher von Homberg als «Pfleger des römischen Reiches». Damit hörte die österreichische Herrschaft plötzlich auf, und Unterwalden ward ein Reichsland, wie es Uri seit 1231 gewesen und Schwyz seit 1240 zu sein prätendiert hatte. Die später drohende Gefahr einer Restauration der habsburgischen Rechte verschwand nach dem Tod Heinrichs VII., und naturgemäss schlossen sich die Länder bei der folgenden zwiespältigen Königswahl an Ludwig von Baiern an. Am Tag von Morgarten empfing die Schweizerfreiheit die Bluttaufe; am selben ward auch Graf Otto von Strassberg, der mit einem österreichischen Heer bereits Obwalden eingenommen hatte, wieder über den Brünig zurückgeschlagen.
König Ludwig, für den dieser Sieg einem persönlichen Erfolg gleichkam, erzeigte sich dankbar. Er bestätigte den drei Ländern ihre Freiheiten in umfassendstem Masse, indem er sämtliche Privilegien der Schwyzer auch auf Unterwalden übertrug, und liess zudem am durch einen förmlichen Spruch seines Hofgerichtes den Herzogen von Oesterreich alle Güter und Rechte in den Waldstätten ab- und dem Reiche zuerkennen. Durch diesen Akt erhielt die Freiheit Unterwaldens die wahre reichsrechtliche Grundlage, und das Haus Habsburg musste froh sein, einen Rest privatrechtlicher Ansprüche sich zu retten, die aber in den weitern, den Eidgenossen durchwegs günstigen Kämpfen auch verloren gingen.
Der innere Zusammenschluss von Ob- und Nidwalden war stets ein lockerer gewesen. Nun da die Freiheit gesichert war, begann er sich wieder zu lösen. Die gemeinsamen Landammänner verschwinden noch vor der Mitte des 14. Jahrhunderts, und es trat eine völlige Selbstregierung der beiden Hälften ein. Eine gänzliche Trennung liessen die inzwischen eingetretenen Bundesverhältnisse nicht mehr zu, denn eine Spaltung des einen in zwei gleichberechtigte Bundeskontrahenten hätte die andern Bundesglieder benachteiligt. So erwies sich das alte lose Band, das zu schwach gewesen, um eine Verschmelzung der beiden Landesteile herbeizuführen, doch so stark, dass beidseitiges Bestreben der Parteien es nimmer ganz zu ¶
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zerreissen vermochte. Bis auf den heutigen Tag erscheinen die beiden «Halbkantone» als ein einziger Stand im eidgenössischen Staatsverband. Der Ausdruck «Halbkantone» ist freilich für die Zeit der alten Eidgenossenschaft nicht zutreffend. Obwalden repräsentierte in allen eidg. Dingen zwei Drittteile des Landes, weil es ursprünglich aus sechs, Nidwalden nur aus zwei Pfarreien bestand. Erst seit 1803 ist Nidwaldens Stimme völlig gleichwertig geworden.
Im Innern blieben nur wenige Spuren der einstigen Einheit zurück; so besitzen die alten Landesfamilien noch heute das Landrecht in beiden Teilen. Die gesetzgeberische Entwicklung nahm in beiden Hälften ihren gesonderten, aber völlig parallelen Gang. Noch im 16. Jahrhundert wurden aber dafür gewisse leitende Grundsätze als gemeinsames Landrecht betont; in älterer Zeit (bis ins 15. Jahrhundert) pflegten sich auch in besondern Landesnöten noch gemeinsame Landesgemeinden in Wisserlen zu versammeln. Später wurden solche Angelegenheiten auf dem Konferenzwege geregelt.
Die äussere Geschichte Unterwaldens ist mit jener seiner ältesten Bundesgenossen aufs engste verwachsen. Die durch die innere Scheidung um so mehr hervortretende Kleinheit und die ungünstige geographische Lage haben Unterwalden verhindert, eine hervorragende Rolle zu spielen. Eingeengt zwischen die Interessensphären mächtigerer Bundesgenossen, konnte es sich nicht ausdehnen; seine mehrmaligen Expansionsversuche im Oberland und im Entlebuch scheiterten jedesmal.
Obwalden suchte sich dadurch zu entschädigen, dass es zu Anfang des 15. Jahrhunderts in hervorragender Weise an der ennetbirgischen Politik teilnahm; 1402 erwarb es mit Uri zusammen das Livinenthal und 1419 Bellinzona, zog sich aber nach dem unglücklichen Ausgang der Schlacht von Arbedo und den ebenso misslungenen Eschenthaler Zügen endgiltig zurück. Ein Jahrhundert später, in den Mailänder Kriegen, trat Nidwalden in die gleichen Fussstapfen. Mit dauernderem Erfolg, denn mit Uri und Schwyz zusammen bewahrte es bis zum Untergang der alten Eidgenossenschaft die Herrschaft über die Vogteien Bellenz, Blenio und Riviera. An den übrigen gemeinsamen Herrschaften hatte Unterwalden als gemeinsamer Stand Anteil und Obwalden setzte zweimal, Nidwalden das drittemal den Landvogt.
Den Unterwaldnern gebührt ein ehrenvoller Rang in der schweizerischen Kriegsgeschichte; es sei nur an das sagenberühmte Geschlecht der Winkelriede erinnert, an Oswald von Rotz, den Helden vom Schwaderloh, an den tapfern Ammann Fruonz und Erni Jordi, deren Ruhm Giovio verkündet. Aber auch einen grossen Mann des Friedens hat das Land hervorgebracht in Bruder Klaus, und Ritter Melchior Lussi, der Gesandte der katholischen Orte am Konzil von Trient, darf den hervorragenden schweizerischen Staatsmännern zugezählt werden.
Als das Ende der alten Eidgenossenschaft gekommen war, da flammte in Nidwalden der alte schweizerische Heldensinn zum letztenmal auf. Mag man auch den damaligen Widerstand wahnwitzig nennen, den Kämpfen vom darf man die Bewunderung nicht versagen, die ihnen selbst der Gegner zollte.
Unterwalden bildete unter der Helvetik einen Teil des Kantons Waldstätten. Die Mediation stellte 1802 die alten Grenzen wieder her, mit dem Unterschied, dass das Thal Engelberg, wo die patriarchalische geistliche Herrschaft 1798 endgiltig zusammengestürzt war, nun zu Nidwalden geschlagen wurde. Aber diese durch die geographische Lage gegebene Vereinigung dauerte nicht lange. Als Nidwalden in den Jahren 1814-15 in hartnäckigster Weise auf einer völligen Wiederherstellung der alten Eidgenossenschaft, wie sie vor 1798 bestanden, beharrte und während einiger Monate faktisch ausserhalb des Bundes stand, benutzte Engelberg den Anlass, sich an Obwalden anzuschliessen, von dem es grössere Schonung seiner Separatrechte hoffen durfte. Keine Reklamationen und Bemühungen Nidwaldens, das am endlich dem Bund beitrat, vermochte hernach dieses Verhältnis mehr zu ändern.
[Dr Robert Durrer.]
22. Hervorragende Mænner.
a) Obwalden. Bruder Klaus (Niklaus von der Flüe), der Friedensstifter an der Tagsatzung von Stans (1481); die Aebte von Engelberg Frowin, Barnabas Bürki und Jak. Ben. Sigrist;
Oswald von Rotz von Kerns, der Held vom Schwaderloh 1499 und Gardehauptmann Ludovico Moros 1500;
Pater Nikolaus Imfeld von Sarnen, 1734-1773 Abt des Stiftes Einsiedeln;
Wolfg. Ignaz Wirz von Rudenz (1689-1774), Feldmarschall der königl. sizilischen Armee, Markgraf von St. Pascal und Gouverneur von Capua und Trapani, und sein Sohn Jos. Ignaz Wirz von Rudenz (1725-1792), Feldmarschall der königl. sizilischen Armee und Gouverneur des Platzes Orbitello;
Ingenieur Müller von Engelberg († 1833), berühmt als Verfertiger von topographischen Reliefs;
Landammann Dr. Simon Etlin von Sarnen († 1871), Verfasser einer Schweizergeschichte und verschiedener andrer Schriften;
Kommissar und Pfarrer Jos. Ignaz von Ah in Kerns († 1896), bedeutender Schriftsteller und Kanzelredner, Verfasser mehrerer Theaterstücke vorzüglich historischen Inhaltes;
Landammann Theodor Wirz († 1901), 1884-85 Präsident des schweizerischen Ständerates;
Bildhauer Abart († 1858), der ursprünglich aus Tirol stammte, aber über 40 Jahre in Kerns lebte und eine Menge vorzüglicher Arbeiten schuf;
Ingenieur-Topograph Xaver Imfeld von Sarnen (geb. 1854) in Zürich; Bahnbrecher auf dem Gebiet des topographischen Reliefs (Matterhorn, Berner Oberland, Zentralschweiz etc.) und Ehrenmitglied des S. A. C.
b) Nidwalden. Arnold von Winkelried, der Held von Sempach (1386);
Hauptmann Arnold Winkelried, der Held von Marignano, einer der berühmtesten schweizerischen Condottieri des 16. Jahrhunderts, † 1522 bei Bicocca;
Ritter Melchior Lussi (1529-1609);
die Maler Melchior Wyrsch von Buochs (geb. 1732, getötet im Kampf vom Josef Zelger (1812-1885), H. Keyser (1813-1900), Paul Melchior von Deschwanden (1811-1881) und Theodor von Deschwanden (1826-1861);
Abt Joseph Businger (17644836), Verfasser einer Geschichte Unterwaldens;
der Geschichtschreiber Abbé Alois Businger (1793-1867).