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Primarlehrern und Geistlichen, Technikern und Tierärzten werden Stipendien ausbezahlt.
20. Wohltætigkeitsanstalten.
In frühern Zeiten war die Armenpflege in Unterwalden eine grösstenteils private. Die Armen konnten an dem sog. «Gebtag» je einmal in der Woche in den bessern Häusern milde Gaben in Empfang nehmen. Der Staat oder die Gemeinden taten etwas weniges durch Unterbringung im Siechenhaus oder Spittel und durch Austeilen des Spitalmuses und des «Nördlingergeldes» (so genannt, weil früher statt des Geldes Tuch zu Kleidern, sog. Nördlingertuch, verteilt wurde). Das meiste aber geschah durch die Wohltätigkeit der Klöster und durch fromme Vermächtnisse, wie die Stiftungen des St. Galler Abtes Pankratius und des Chorherrn Stulz aus Strassburg, die Austeilung des Armenbrotes bei kirchlichen Gedächtnissen für Verstorbene u. s. w. Jetzt sind Armenwesen und Waisenpflege überall staatlich geregelt und durch die Bürgergemeinden verwaltet.
Das Vermögen zu Armenzwecken ist nicht gross, so dass die daherigen Auslagen grösstenteils durch die Armensteuern gedeckt werden. In Obwalden existiert in Sarnen und in Nidwalden in Stans ein Kantonsspital; für Unterbringung von heilbaren Irren bestehen Verträge mit ausserkantonalen Anstalten, auch sind die einleitenden Schritte getan zur Schaffung einer gemeinsamen Irrenanstalt für die drei Urkantone. Obwalden besitzt auch einen Stiftungsfonds, dessen Zinsen jährlich für Versorgung armer Irren verwendet werden. Da Waisenkinder so viel als möglich in Familien untergebracht werden, haben nicht alle Obwaldner Gemeinden Waisenhäuser.
Solche bestehen nur in Sarnen, Kerns, Sachseln und Engelberg, welch letzterer Ort zudem noch ein besondres Armenhaus hat. Die Fonds für diese Waisenhäuser wurden grösstenteils durch private Wohltätigkeit gestiftet. In Nidwalden besitzen alle Gemeinden Waisenhäuser, Stans überdies ein neu erbautes Armenhaus. Sozial sehr wohltätig wirken die Krankenvereine und jene geselligen Vereinigungen, die nebst andern Zwecken auch ihre Mitglieder im Krankheitsfall oder im Sterbefall deren Hinterbliebenen unterstützen. Solcher Vereine zählt jede Gemeinde einen oder mehrere. Auch die schon erwähnten alten Siftungen lindern immer noch manche Not. Für ärmere und weit entfernt wohnende Schulkinder bestehen in den meisten Gemeinden Schulsuppenanstalten, die sämtlich auf dem Wege privater Wohltätigkeit gegründet und bis in die letzten Jahre auch ausschliesslich auf diese Weise unterhalten wurden.
[Ed. Etlin.]
21. Geschichtlicher Ueberblick.
Vereinzelte archäologische Funde, vereinzelte Berg- und Ortsnamen, Ausdrücke in der Alpwirtschaft und viele Alpensagen deuten auf eine spärliche - rätoromanische - Urbevölkerung Unterwaldens hin. Dagegen hat die Römerherrschaft in diesen Bergen wohl nie faktischen Boden gewonnen. Die Alemannen scheinen erst in verhältnismässig später Zeit, nachdem das ebene Land von ihnen längst okkupiert war, in die Thäler der Sarner und Engelberger Aa hinaufgedrungen zu sein.
Die Sage deutet die Zugsrichtung ihrer Einwanderung an: von Schwyz aus ergoss sich der Strom der Eroberer durch Unterwalden bis nach dem Berner Oberland. Die kultur- und rechtsgeschichtliche Detailforschung wird diese Tradition bestätigen. Ganz richtig bringt diese nur Schwyz, Unterwalden und das Haslethal, bezw. den obern Teil des Oberlandes in nächsten Stammeszusammenhang und schliesst Uri davon aus. Die späteren urkundlichen Quellen geben dazu ein völlig übereinstimmendes Bild.
Freilich fliessen diese Quellen ungewöhnlich spät. Das angeblich älteste, ungefähr ins Jahr 900 versetzte Schriftstück, welches Giswil, Sarnen und Alpnach nennt, ist als eine Fälschung des 12. Jahrhunderts erwiesen. Die älteste echte Urkunde, die unterwaldische Ortsnamen, und zwar Sarnen, Alpnach und Kerns aufzählt, datiert vom Jahr 1036. Sarnen hatte damals schon eine Kirche; ebenso finden wir ums Jahr 1122, wo der Ort Stans zum erstenmal genannt wird, daselbst bereits eine Kirche vor. Es folgen 1157 die Kirche von Buochs, 1173 die Kirchen von Alpnach und Kerns, 1275 die von Sachseln, Giswil und Lungern.
Bei keiner derselben fällt die erste urkundliche Erwähnung mit der Gründung zusammen, stets wird die betreffende Kirche als längst bestehend vorausgesetzt. Stans ist als die Mutterkirche Nidwaldens und vielleicht ganz Unterwaldens anzusehen; Sarnen ist die älteste Kirche Obwaldens, von der sich Kerns, Alpnach, Sachseln und Giswil ablösten. Als ursprüngliche Filiale der letztern ist Lungern zu betrachten. Von Stans löste sich um 1122 Engelberg und viel später (1439) Wolfenschiessen ab, von Buochs 1454 Emmetten und 1631 Beckenried.
Die ältesten Bezeichnungen des Landes als inter Silvas (12. Jahrh.) und seiner Bewohner als «Waldlüte» (13. Jahrh.) erlauben den sichern Rückschluss, dass es die alemannischen Einwanderer zum grossen Teil als waldige Wildnis vorgefunden. Das weit vorwiegende Verhältnis germanischer Lokalnamen bestätigt im Einzelnen diese Ansicht. Zur Zeit aber, wo die ersten urkundlichen Lichtstrahlen auf diese Thäler fallen, war die Kultivierung des Bodens schon weit vorgeschritten. Es gibt in Unterwalden kaum ein noch so abgelegenes Berggut der Gegenwart, das nicht schon im 13. und 14. Jahrhundert nachweisbar wäre, wobei sich freilich geltend macht, dass die Urbarmachung des Landes von den geschützteren Höhen ausgegangen ist. Den Thalboden durchfurchten die ungebändigten Flüsse; erst zu Anfang des 15. Jahrhunderts wurde die Engelberger Aa, die bisher in ein Delta geteilt in fünf Armen dem Stansstader und dem Buochser Seebecken zufloss, endgiltig in ihr heutiges Bett eingedämmt.
Die ursprünglichen alemannischen Eroberer sind jedenfalls Freie gewesen, aber an der Urbarmachung des Landes kommt unfreien Elementen ein ebenso grosser Anteil zu. Wir finden von Anfang an so ausgedehnten Grossgrundbesitz geistlicher und weltlicher Herren, dass für freie Bauerngüter nur ein beschränkter Raum übrig geblieben sein kann. Unter den Grundherren in Unterwalden erscheinen die Grafen von Lenzburg, welche ihren Besitz in Obwalden vom Jahr 1036 an ihrem Familienstift Beromünster vergabten, während ihre Nidwaldner Güter später an die Grafen von Froburg fielen. Neben Beromünster haben das Gotteshaus Murbach Luzern schon seit den ältesten Zeiten, Muri vor dem 13. Jahrhundert und St. Blasien im Schwarzwald 1173 Grossgrundbesitz in diesen Thälern. Den grössten Teil des Grundes und Bodens von Nidwalden aber absorbierte später das einheimische Kloster Engelberg, das ums Jahr 1120 von dem in Unterwalden ebenfalls reich begüterten Freiherrn Konrad von Seldenbüren gegründet worden ist.
Der Grundstock solcher Klosterbesitzungen war in Fron- oder Dinghöfen organisiert, die durch Meier oder Ammänner verwaltet würden und um welche sich die Zinsgüter gruppierten. Dadurch nun, dass die meisten dieser geistlichen Stifte Immunitätsprivilegien besassen, kraft welcher ihre Güter und die darauf sitzenden Leute der weltlichen Gerichtsbarkeit entrückt waren, bildeten sich eigentliche Grundherrschaften aus. ¶
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Beromünster-Höfe waren in Sarnen und Kerns, Murbachische Höfe in Giswil, Alpnach und Stans, Engelberger Höfe in Buochs und Wolfenschiessen vorhanden. Die niedere Polizei- und Zivilgerichtsbarkeit über diese topographisch nicht geschlossenen, von fremdem Besitz durchsetzten Immunitätsbezirke wurde vom Kloster selbst oder von seinen Amtsleuten, die hohe Gerichtsbarkeit, der Blutbann, vom Kastvogt des betreffenden Stiftes bezw. vom Landgrafen ausgeübt.
Im 12. Jahrhundert lag die erbliche Kastvogtei über Murbach-Luzern und Muri in den Händen der Habsburger, und nach dem Aussterben der Kiburger 1264 ging die Vogtei über Beromünster ebenfalls an sie über. Schon 1173, nach dem Erlöschen der Grafen von Lenzburg, war auch die erbliche Landgrafschaft im Zürichgau, zu dem Unterwalden gehörte, d. h. die hohe Gerichtsbarkeit über die Freien und die keiner Immunität zugeteilten Leute und Güter an das Haus Habsburg gefallen. Als nun gar die Krone an dasselbe kam und damit ein Schirmrecht über das Reichsstift Engelberg, da schienen alle Vorbedingungen für die Ausbildung eigentlicher habsburg-österreichischer Landeshoheit in Unterwalden gegeben zu sein.
In diese Zeit aber fallen die Anfänge der innern staatlichen Entwicklung des heutigen Kantons. Diese politische Entwicklung Unterwaldens ist in ihren Ursachen und Phasen viel schwieriger festzustellen, als die der beiden andern Urkantone. Die diesbezügliche Forschung darf noch keineswegs als abgeschlossen betrachtet werden, und gerade jetzt scheinen sich ihr neue Bahnen zu öffnen. Sicher ist, dass die Freien den Kitt bildeten beim Zusammenschluss der einzelnen Kirchgemeinden, dass die Gefährdung der Sicherheit und Ordnung im Innern in jenen Tagen, da der Kampf zwischen den höchsten Gewalten der Christenheit entbrannte, den Anlass hiezu bot und dass das Beispiel von Schwyz und Uri hiebei aneifernd wirkte. Es scheint sich auch soviel zu ergeben, dass die beiden Thalschaften ob und nid dem Kernwald einen selbständigen Bildungsprozess durchmachten, bevor sie sich gegen Ende des 13. Jahrhunderts zu einem Land vereinigten. Noch der ewige Bund von 1291 nennt unter den Kontrahenten nur die Gemeinde Nidwaldens. Erst das später angehängte Siegel bezeugt den nachmaligen Beitritt des obern Thales. Derselbe muss jedenfalls vor 1304 erfolgt sein, in welchem Jahr der erste «gemeinsame» Landammann von Unterwalden in der Person des Obwaldners Rudolf von Oedisriet (Ettisried) erscheint.
In diesem Jahr kommt auch der Name Unterwalden zum erstenmal vor, der eine nicht besonders gelungene Uebersetzung und Verbindung der Namen " Intramontani» (d. h. «zwischen den Bergen Wohnende») und «Waldlüte» ist, mit welchen man im 13. Jahrhundert die Bewohner der beiden Thäler zu bezeichnen pflegte.
Mit dem Bund von 1291 war der politische Gedanke der Eidgenossenschaft ins Leben getreten. Mit dem Schwert mussten die Länder schon damals ihre Selbständigkeit verteidigen; als aber Herzog Albrecht von Oesterreich 1298 die Krone erlangte, mussten sie sich ergeben.
In diese Zeit hat Tschudi die Sagen eingereiht, die der Obwaldner Landschreiber Hans Schriber ums Jahr 1470 im «Weissen Buch» aufgezeichnet hatte. Wenn wir aber die einzelnen Züge dieser Befreiungssage auf einen bestimmten Zeitpunkt fixieren wollen, so darf die Regierungszeit Albrecht I. jedenfalls nicht genannt werden; eher wäre Platz dafür ums Jahr 1246, wo wir wenigstens die Leute von Sarnen und Schwyz in offenem Aufruhr gegen Habsburg erblicken. Merkwürdigerweise blieben speziell in Unterwalden unter Albrechts Regierung die neugeschaffenen Verhältnisse bestehen, und ruhig waltete statt der sagenhaften Vögte der Landammann seines Amtes in dem (wie wir sahen) gerade damals erst geeint auftretenden Lande.
Gleichwohl musste es den Waldstätten erwünscht sein, als nach Albrechts Ermordung die Krone dem Hause Habsburg entglitt. Dem scharfen Blick ihrer Führer entging es nicht, wie günstig der Augenblick für die Erreichung ihrer Ziele war. Und der neugewählte König Heinrich von Luxemburg bekräftigte am auf ihre Bitten nicht nur die längst bestehende Reichsunmittelbarkeit Uris und die Freiheitsbriefe der Schwyzer, er nahm auch keinen Anstand, den Unterwaldnern in allgemeinen Ausdrücken angebliche Privilegien seiner Vorgänger zu bestätigen, die sie in Wirklichkeit nie empfangen hatten.
Gleichzeitig befreite er alle drei Länder von aller auswärtigen Gerichtsbarkeit ausser der kaiserlichen und unterstellte sie dem Grafen Wernher von Homberg als «Pfleger des römischen Reiches». Damit hörte die österreichische Herrschaft plötzlich auf, und Unterwalden ward ein Reichsland, wie es Uri seit 1231 gewesen und Schwyz seit 1240 zu sein prätendiert hatte. Die später drohende Gefahr einer Restauration der habsburgischen Rechte verschwand nach dem Tod Heinrichs VII., und naturgemäss schlossen sich die Länder bei der folgenden zwiespältigen Königswahl an Ludwig von Baiern an. Am Tag von Morgarten empfing die Schweizerfreiheit die Bluttaufe; am selben ward auch Graf Otto von Strassberg, der mit einem österreichischen Heer bereits Obwalden eingenommen hatte, wieder über den Brünig zurückgeschlagen.
König Ludwig, für den dieser Sieg einem persönlichen Erfolg gleichkam, erzeigte sich dankbar. Er bestätigte den drei Ländern ihre Freiheiten in umfassendstem Masse, indem er sämtliche Privilegien der Schwyzer auch auf Unterwalden übertrug, und liess zudem am durch einen förmlichen Spruch seines Hofgerichtes den Herzogen von Oesterreich alle Güter und Rechte in den Waldstätten ab- und dem Reiche zuerkennen. Durch diesen Akt erhielt die Freiheit Unterwaldens die wahre reichsrechtliche Grundlage, und das Haus Habsburg musste froh sein, einen Rest privatrechtlicher Ansprüche sich zu retten, die aber in den weitern, den Eidgenossen durchwegs günstigen Kämpfen auch verloren gingen.
Der innere Zusammenschluss von Ob- und Nidwalden war stets ein lockerer gewesen. Nun da die Freiheit gesichert war, begann er sich wieder zu lösen. Die gemeinsamen Landammänner verschwinden noch vor der Mitte des 14. Jahrhunderts, und es trat eine völlige Selbstregierung der beiden Hälften ein. Eine gänzliche Trennung liessen die inzwischen eingetretenen Bundesverhältnisse nicht mehr zu, denn eine Spaltung des einen in zwei gleichberechtigte Bundeskontrahenten hätte die andern Bundesglieder benachteiligt. So erwies sich das alte lose Band, das zu schwach gewesen, um eine Verschmelzung der beiden Landesteile herbeizuführen, doch so stark, dass beidseitiges Bestreben der Parteien es nimmer ganz zu ¶