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in Anklagezustand zu versetzen. Sie hat in minder wichtigen Fällen auch das Recht, Bussen auszufällen. Gegen ein derartiges Urteil ist aber der Weiterzug an den Gerichtsausschuss zulässig. Derselbe besteht aus fünf Mitgliedern des Kantonsgerichtes und nimmt die Stellung eines Polizeigerichtes ein. Das Kantonsgericht ist zugleich Kriminalgericht. Vom Gerichtsausschuss werden die Vergehen und vom Kantonsgericht die Verbrechen beurteilt. Beide Behörden bilden die erste Instanz. Alle Straffälle wichtigerer Natur können an das Obergericht gezogen werden. Der Staatsanwalt spielt die Rolle eines Amtsklägers.
Das Gemeindewesen ist folgendermassen geordnet: Der Kanton Unterwalden ob dem Wald besteht aus den sieben Gemeinden Sarnen, Kerns, Sachseln, Alpnach, Giswil, Lungern und Engelberg. Jede Gemeinde teilt sich in Einwohner- und Bürgergemeinde. Erstere besteht aus sämtlichen Gemeindebewohnern und letztere aus den Bürgern, welche in ihrer Heimatgemeinde ihren Wohnsitz haben. Der Einwohnergemeinde liegt im Allgemeinen die Sorge für das Kirchen-, Schul- und Polizeiwesen und der Bürgergemeinde die Sorge für das Vormundschafts- und Armenwesen ob. Als Verwaltungsorgane in diesen beiden Gemeinden funktionieren der Einwohner- und der Bürgergemeinderat.
Dieselben werden von den betr. Gemeindeversammlungen gewählt. Die Amtsdauer jedes Mitgliedes beträgt 4 Jahre. Je das zweite Jahr kommt die Hälfte der Mitglieder in Austritt. Auf je 250 Seelen oder einen Bruchteil von 125 wird ein Mitglied in eine jede dieser Behörden gewählt. Neben der Bürgergemeinde bestehen die Korporations- oder Theilengemeinden. Diese benutzen und verwalten das Korporations- oder Theilengut nach Massgabe ihrer Statutarrechte. Verwaltungsbehörde ist in einzelnen Gemeinden der Bürgergemeinderat und in andern eine auf Grundlage des «Einungs» erwählte und konstituierte selbständige Behörde. Die Heranziehung des Theilengutes zur Tragung der öffentlichen Lasten ist in den verschiedenen Gemeinden verschieden geordnet.
Die Verfassung kann jederzeit ganz oder teilweise revidiert werden. Die Initiative zu einer Verfassungsrevision kann vom Kantonsrate oder von stimmfähigen Landleuten ausgehen. Eine Zahl von 500 aus den letztern kann entweder eine Totalrevision verlangen oder einzelne schon ausgearbeitete Verfassungsartikel an die Landsgemeinde bringen. In jedem Fall aber hat die letztere zu entscheiden.
[Landammann Adalbert Wirz.]
b) Nidwalden. Der Kanton Unterwalden nid dem Wald ist ein demokratischer Freistaat und als solcher ein Glied der schweizerischen Eidgenossenschaft. Die Souveränetät beruht im Volk, indem es sich seine Verfassung und die Gesetze selbst gibt. Unterwalden nid dem Wald bildet mit Unterwalden ob dem Wald den Gesamtkanton Unterwalden. Das staatsrechtliche Verhältnis und die politischen Beziehungen zwischen den beiden Kantonshälften sind bereits bei Unterwalden ob dem Wald erörtert worden.
Das Volk übt seine Souveränetät zunächst an der Landsgemeinde aus, welche die höchste gesetzgebende
und Wahlbehörde ist. In kantonalen Angelegenheiten ist jeder Kantonsbürger und rechtlich seit 3 Monaten im Kanton niedergelassene
Schweizerbürger, der das 18. Altersjahr
zurückgelegt hat und nicht im Aktivbürgerrecht eingestellt ist, stimmfähig. Die
Landsgemeinde wird unter freiem Himmel zu
Wil an der
Aa und, wie in Obwalden,
am letzten Sonntag im April abgehalten.
Wenn die Witterung ungünstig ist, wird die Pfarrkirche zu
Stans als Landsgemeindelokal vorgesehen. Seit der «Bajonnetlandsgemeinde»
(im Dezember
1847 unter der Aufsicht der eidg. Okkupationstruppen) wurde sie aber nur zweimal zu diesem Zweck benutzt.
Als Wahlbehörde ernennt die Landsgemeinde die 11 Mitglieder der Regierungsrates auf drei Jahre und aus deren Mitte den Landammann und Landesstatthalter (je auf ein Jahr) und Landsäckelmeister, sowie ein Mitglied in den schweizerischen Ständerat (auf ein Jahr). Ferner wählt sie die Landschreiber, den Landweibel und den Landläufer (Boten) auf 6 Jahre. Gewählt werden kann jeder unbevormundete, stimmfähige Kantons- und Schweizerbürger, der das 20. Altersjahr zurückgelegt hat.
Die Landsgemeinde ist auch die einzige gesetzgebende Behörde des Kantons. Sie stimmt ab über die teilweise oder totale Revision der Kantonsverfassung. 400 Stimmfähige können grundsätzlich die Revision der Kantonsverfassung verlangen und die zu revidierenden Artikel der Landsgemeinde vorlegen. Desgleichen können Kantons- und Gemeindebehörden, Vereine oder auch ein stimmfähiger Kantonseinwohner Gesetzesvorschläge an die Landsgemeinde einbringen; doch hat das jeweilen schriftlich und vor dem 15. Februar an das Landammannamt zu geschehen. Dieses muss sie dann vor dem 1. März dem Landrat vorlegen, der ihre verfassungsgemässe Zulässigkeit untersucht und sie rechtzeitig im Amtsblatt publiziert, damit Gegenvorschläge und Abänderungsanträge eingebracht werden können. Die Landsgemeinde bestimmt ferner die Staatssteuer, erkennt Anleihen, die Fr. 6000 überschreiten, beschliesst über Veräusserung von Staatsgut und erteilt das Kantonsbürgerrecht.
Der Landrat ist nach der Landsgemeinde die oberste Wahl- und die oberste Verwaltungsbehörde. Er besteht aus den Mitgliedern des Regierungsrates und den «Ratsherren», welche im Verhältnis von einem Mitglied auf je 250 Seelen von den Bezirksgemeinden auf eine Amtsdauer von 6 Jahren gewählt werden. Der Landrat wählt das Obergericht und das Kantonsgericht, die Departementsvorsteher des Regierungsrates, den Erziehungs- und Sanitätsrat, den Kantonalschulinspektor und die Gerichtsärzte, den Verhörrichter, den Staatsanwalt, das Forstpersonal, die Polizeidiener u. s. w.
Der Landrat hat ferner diejenigen Geschäfte zu behandeln, welche ihm von der Landsgemeinde übertragen werden; weiters erläutert er die Kantonsverfassung und Gesetze, erlässt die Einführungs- und Vollziehungsverordnungen zu den eidg. und kantonalen Gesetzen und schliesst Verträge und Konkordate mit andern Kantonen, er setzt jährlich den Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben fest, gestattet ausserordentliche Staatsausgaben bis auf Fr. 6000, bestimmt den Salzpreis, erlässt polizeiliche Verordnungen, ist Rekursinstanz gegen Beschlüsse des Regierungsrates, sofern dadurch Verfassung oder Gesetze verletzt worden sind, und ist Begnadigungsbehörde etc.
Der Regierungsrat ist die vollziehende und untere ¶
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Verwaltungsbehörde des Kantons. Demgemäss handhabt und vollzieht er die Gesetze und die landrätlichen Verordnungen, wacht über die öffentliche Sicherheit und polizeiliche Ordnung; er ist die Untersuchungsbehörde in Straffällen, vollzieht die Urteile, ist Obervormundschaftsbehörde und führt die Oberaufsicht über das Betreibungs- und Konkurswesen, über Zivilstandswesen und alle Landesverwaltungen, Gemeinden und Korporationen.
Präsident der Landsgemeinde, des Land- und des Regierungsrates ist der Landammann. Dem Regierungsrat untergeordnet ist der Erziehungsrat, der das Primarschulwesen im Kanton leitet, und der Sanitätsrat, der die Oberaufsicht über das öffentliche Gesundheitswesen führt.
Unterwalden nid dem Wald hat folgende Gerichtsbehörden: a) Den Friedensrichter, der den Sühneversuch zu machen hat und Streitsachen, deren Wert Fr. 20 nicht übersteigt, endgiltig beurteilt. b) Das Kantonsgericht, bestehend aus 7 Mitgliedern. Es beurteilt alle Zivilstreitigkeiten 1) durch einen Ausschuss von 3 Mitgliedern diejenigen von 20-100 Fr. Wert und 2) im Plenum alle Streitfälle über Fr. 100, endgiltig diejenigen bis auf Fr. 300. Es ist ferner Strafbehörde.
Das Urteil, welches eine Freiheitsstrafe über 2 Monate oder eine Geldstrafe über 500 Fr. oder Einstellung im Aktivbürgerrecht über 5 Jahre erkennt, ist appellabel ans Obergericht. c) Das Obergericht besteht aus 9 Mitgliedern und beurteilt die appellierten Zivilstreitigkeiten, welche den Betrag von Fr. 300 übersteigen, ferner immerwährende Rechte und Ehrenhändel, sowie die appellierten Straffälle. Ein Ausschuss des Obergerichts beurteilt Provokationsklagen und amtet zugleich als Konkursgericht.
Mit Bezug auf das Gemeindewesen ist folgendes zu erwähnen: Der Kanton zerfällt 1) in die 7 Kirchgemeinden Stans, Buochs, Wolfenschiessen, Beckenried, Hergiswil, Emmetten und Ennetbürgen, welchen die Wahlen der römisch-katholischen Seelsorgegeistlichen und die Verwaltung der Pfarrkirchen zusteht;
2) in die 11 Bezirksgemeinden Stans, Ennetmos, Dallenwil, Stansstad, Oberdorf, Buochs, Ennetbürgen, Wolfenschiessen, Beckenried, Hergiswil und Emmetten, denen die Wahl der Landratsmitglieder und die politischen Geschäfte und polizeilichen Massregeln zustehen;
3) in die 15 Schulgemeinden Stans mit Oberdorf, Dallenwil, Wiesenberg, Stansstad, Obbürgen, Kersiten, Büren, Buochs, Ennetbürgen, Wolfenschiessen, Altzellen, Ober Rickenbach, Beckenried, Hergiswil und Emmetten, welchen die Sorge für die Primarschule laut Bundesverfassung obliegt;
4) in die 6 Armengemeinden Stans, Buochs mit Ennetbürgen, Wolfenschiessen, Beckenried, Hergiswil und Emmetten, welche das Vormundschafts- und Armenwesen der Gemeindebürger zu besorgen haben. Die Bezirks- und Kirchenräte werden auf 6 Jahre, die Schul- und Armenräte nur auf 3 Jahre gewählt.
Das Korporationswesen wird von den Genossen- oder «Uertegemeinden» verwaltet. Während sie früher die politischen Wahl- und Verwaltungsgemeinden bildeten, sind sie seit 1850 mehr Privatgesellschaften geworden, die ihr Vermögen verwalten und an Staat und Gemeinden versteuern. Den Korporationen ist jedoch ein eigenes Strafgericht zugestanden, das die Uebertretungen der Gesetze und die Frevel am Gut der Korporation bestraft. Appellation an den ordentlichen Richter ist vorbehalten.
[Landammann Wyrsch.]
17. Militærwesen.
Der Kanton Unterwalden stellt mit ganz geringer Ausnahme seine sämtlichen Truppen zur Gottharddivision. Dort bilden sie das Infanteriebataillon 47 Auszug ganz, und zwar stellt hiezu Obwalden die 1.-3., Nidwalden die 4. Kompagnie. Ferner Bataillon 129 Landwehr ebenfalls ganz in der gleichen Einteilung. Ausserhalb des Verbandes der Gottharddivision stellt Nidwalden zum Schützenbataillon 4 die 4. Kompagnie. Die Gebirgsartillerie ist der 2. Abteilung des Gebirgsartillerieregimentes zugeteilt. Auf stellte der Kanton Unterwalden zur eidg. Armee folgende Truppen:
Auszug | Obwalden | Nidwalden |
---|---|---|
Infanterie | 633 | 630 |
Kavallerie | 4 | 9 |
Artillerie | 54 | 39 |
Genie | 33 | 24 |
Sanität | 14 | 27 |
Verwaltung | 5 | 11 |
Stäbe | 6 | 35 |
Total | 749 | 775 |
Landwehr | ||
Infanterie 1. Aufgeb. | 272 | 350 |
Infanterie 2. Aufgeb. | 165 | 227 |
Kavallerie | 2 | 1 |
Artillerie | 40 | 27 |
Genie | 15 | 21 |
Sanität | 19 | 5 |
Verwaltung | 4 | 2 |
Stäbe | 1 | 13 |
Total | 518 | 646 |
Es stellt also Obwalden in Auszug und Landwehr 1267, Nidwalden 1421 Mann. Da Ob- und Nidwalden ungefähr den gleichen Prozentsatz (jeweilen einen der besten in der ganzen Schweiz) militärtauglicher Rekruten haben, sollte Obwalden gemäss der Bevölkerungsziffer einen bedeutend grössern Mannschaftsbestand aufweisen als Nidwalden. Das gegenwärtige umgekehrte Verhältnis wird hauptsächlich bewirkt durch die in Obwalden viel stärkere Auswanderung. Im Jahr 1903 z. B. befanden sich aus Obwalden nahezu 700 Militärpflichtige auswärts, darunter mehr als die Hälfte in Amerika.
In Sarnen und Stans befindet sich je eine Kaserne. Während aber jene nur noch als Waffen- und Ausrüstungsdepot dient, erhält diese noch von Zeit zu Zeit militärische Einquartierung. Das Schiesswesen pflegen in Obwalden 13 und in Nidwalden 9 Schützenvereine.
18. Kirchliches.
Als die ältesten christlichen Kultstätten in Unterwalden werden durch die Ueberlieferung Maria zum Sonnenberg in der Schwende ob Sarnen, St. Niklausen am Schattenberg ob Kerns und St. Jakob zu Ennetmoos bei Stans bezeichnet. Die Ueberlieferung ist so allgemein und bestimmt, und es sprechen die in St. Niklausen und in Ennetmoos bei Restaurationsarbeiten aufgedeckten und von Dr. Rob. Durrer in Stans als ins 14. und 15. Jahrhundert gehörig bezeichneten Wandgemälde dafür, dass dort vielleicht schon in einer frühere Zeit als die Urkunden melden, Kirchen bestanden haben.
Die ältesten nachgewiesenen Pfarreien in Unterwalden sind: Sarnen 1036, Stans 1122, Buochs 1157, Kerns 1173. Fast sicher aber sind alle diese Kirchen noch älter als ihre erste urkundliche Erwähnung. Früher zum Priesterkapitel der Vierwaldstätte und zum Bistum Konstanz gehörig, stellte sich Unterwalden 1814 unter die Leitung des Generalvikars Göldlin in Münster (Kt. Luzern) und schloss sich nach dessen Tod provisorisch an das Bistum Chur an. Bei diesem Provisorium ist es bis heute geblieben. Die Geschäfte mit dem bischöflichen Ordinariat werden durch je einen bischöflichen Kommissar für Obwalden und für Nidwalden besorgt. Grosse Verdienste um das kirchliche Leben Unterwaldens haben sich im 16. Jahrhundert Kardinal Karl Borromäus und dessen Freund und Gesinnungsgenosse Ritter Melchior Lussi von Stans, der Vertreter der katholischen Schweiz auf dem Konzil zu Trient, ¶