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Jahrhunderts verschwand es gänzlich; erst unter dem Schutz der neuen Jagdgesetzgebung stellte es sich wieder ein und ist nun, trotzdem es ganz unweidmännisch mit Braken gejagt wird, als ziemlich häufig anzusprechen. Es werden jährlich, hauptsächlich in Obwalden, etwa 6-10 Stück erbeutet. Wilderer und zu verbotener Zeit jagende Hunde vertilgen zweifelsohne noch mehr. Viel häufiger noch als das Reh ist die Gemse, die einen jährlichen Abschuss von 30-50 Stück aufweist.
Nachdem in Unterwalden schon in frühern Jahrhunderten stets grössere Schonreviere (Bannberge) bestanden hatten, wurde nach Einführung des neuen eidg. Jagdgesetzes in den 1870er Jahren wieder ein Bannbezirk geschaffen. Er umfasst jetzt das Gebiet Geissberg-Walenstöcke-Urirotstock, reicht von den Ufern der Melchaa im Melchthal bis Isleten am Urnersee und umfasst Unterwaldner und Urner Gebiet. Es mögen in diesem Schongebiet 200-250 Gemsen stehen.
Feld- und Alpenhasen werden alljährlich ziemlich viel erlegt. Der Adler ist jetzt noch als Nist- und Standvogel anzusehen. 1904 wurde ein Horst in Engelberg geplündert, 1906 das Ausnehmen eines solchen in der Risletenfluh (Gemeinde Sachseln) glücklicherweise verpasst und 1907 dem gleichen Horst ein Junges entnommen. Es ist wirklich sehr zu bedauern, dass diesem grössten Vogel unserer Berge so rücksichtslos zu allen Zeiten der Vernichtungskrieg gemacht wird.
Auf solche Weise wird diese Zierde der Alpen in absehbarer Zeit vernichtet sein, was um so mehr zu bedauern ist, als der Schaden, den der Vogel bei seiner grossen Seltenheit und seinem weitausgedehnten Jagdrevier in Wirklichkeit anstiftet, zweifelsohne ein sehr minimer ist. Schon längst verschwunden ist aus Unterwalden der Lämmergeier, während noch in neuerer Zeit am Pilatus ein Geier erlegt wurde. Der grosse Uhu ist, wenn auch nicht häufig, doch noch ständiger Brutvogel.
Die Sperlingseule wurde ein einzigesmal beobachtet als Nistvogel. Auer- und Birkhühner verschwinden leider immer mehr; das Rackelwild ist ein seltenes, doch sicher beobachtetes Vorkommnis. Als seltene, aber ebenfalls sicher beobachtete Gäste sind überdies noch anzuführen: der Schreiadler, der Bienenfresser, der Seidenschwanz, die grosse Trappe, der Kranich und die weisswangige Meergans. Der Storch, nach alten Ueberlieferungen früher hier nicht selten, ist ganz verschwunden, wie sich überhaupt ein starkes numerisches Zurückgehen der gesamten Vogelwelt auffällig erkennbar macht.
An Reptilien zählt Unterwalden sieben Arten, unter denen die Kreuzotter äusserst selten und zwar nur an der Bernergrenze in der Gegend des Jochpasses bis hinunter nach Gerschni und Herrenrüti beobachtet wurde. Häufiger als man gewöhnlich glaubt, findet sich unter den Lurchen die Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans), hierzulande wegen ihrer metallisch klingenden Stimme «Glöcklikrot» genannt. Als sicher vorkommend und sich fortpflanzend wurde im Alpnacherarm des Vierwaldstättersees schon mehrmals die Sumpfschildkröte (Emys europaea) konstatiert. An Fischen ist Unterwalden, das ausser dem Vierwaldstätter-, Sarner- und Lungernsee noch mehrere kleinere Alpenseen nebst vielen Bachläufen und zwei Flüssen in seinem Gebiet zählt, ziemlich reich, indem sich 27 verschiedene Arten nachweisen lassen. Im Vierwaldstättersee kommen mehrere Felchenarten vor, so der gewöhnliche Balchen (Coregonus Schinzii helvelicus), dann Weiss- und Edelfisch und sporadisch auch der Zugerrötel.
Zeitweise bilden hier die Coregonen das Hauptfangobjekt. Längs dem Bürgen- und Lopperberg sind sehr stark besuchte Balchenlaichplätze vorhanden. Den Sarnersee belebt, aber nicht häufig, der Balchen, sowie eine dem Edelfisch (Coregonus Wartmanni nobilis) des Vierwaldstättersees nahestehende, aber nach Fatio doch wieder etwas verschiedene Form. Nach dem gleichen Forscher beherbergt der Lungernsee den Albock (Coregonus Wartmanni alpinus), welcher der im Thuner- und Brienzersee vorkommenden Art sehr nahesteht. Im Seefeldseelein (1900 m) auf Boden der Gemeinde Sachseln haben die Trüschen wahrscheinlich den höchsten Standort in der Schweiz. Es werden aber keine grössern als höchstens 800 gr schwere gefangen. Sie unterscheiden sich von den Trüschen der Thalseen einzig dadurch, dass sie im Vorsommer mit Vorliebe an ganz seichten Stellen sich tagelang sonnen. Zu bemerken bleibt, dass der Seefeldsee wenigstens während 6 Monaten ununterbrochen zugefroren ist.
8. Bevœlkerung.
Unterwaldens Bevölkerung ist alemannischen Ursprungs. Einzelne Wortformen, speziell auf dem Gebiet der Viehzucht und Milchwirtschaft, könnten vielleicht darauf hindeuten, dass vor den Alemannen schon ein Volk romanischen Stammes in Unterwaldens Gauen sesshaft gewesen war oder doch seinen Einfluss bis hieher geltend machte. Die jetzt gesprochene Mundart ist ein Zweig des Alemannischen und unterscheidet sich im Kanton selbst nahezu in jeder Gemeinde wieder auffällig, so dass ein geübtes Ohr in Obwalden wenigstens 5, in Nidwalden 3 Dialektformen unterscheiden kann.
Natürlich verwischt die neue Zeit diese Details immer mehr. Unterwalden als ein hauptsächlich und früher ausschliesslich Viehzucht treibendes Land war von jeher nur mässig bevölkert, und es ist anzunehmen, dass die Vermehrung der Bevölkerung stets eine langsame war. Stark zugenommen hat die Bevölkerung in den Dörfern, gleich geblieben oder eher zurückgegangen ist sie auf dem Land, besonders nach der obern Grenze hin, wo sozusagen alle die jetzt existierenden Heimwesen schon vor Jahrhunderten bewohnt waren, die entlegendsten sogar zahlreicher als jetzt. Auch rafften Kriege und Seuchen in vergangenen Zeiten öfters so viele Opfer dahin, dass man annehmen muss, die Bevölkerung sei schon dazumal nicht sehr erheblich geringer gewesen als jetzt. Die früheste Volkszählung datiert von 1815 und ergab eine Bevölkerung von 21000 Seelen. Spätere Zählungen ergaben:
Jahr | Obwalden | Nidwalden | Total |
---|---|---|---|
1835 | 13120 | 10480 | 23600 |
1860 | 13376 | 11526 | 24902 |
1888 | 15043 | 12538 | 27581 |
1900 | 15247 | 13053 | 28300 |
1905 | 15343 | 13272 | 28615 |
Eine Erklärung zu diesem langsamen Bevölkerungszuwachs gibt uns auch die eidg. Statistik über Ehe und Geburt für den Zeitraum 1871-1890. Auf je 1000
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unverheiratete Männer im Alter der Ehefähigkeit heirateten in Nidwalden 44 (19. Rang der Kantone) und in Obwalden 37 (23. Rang). Nur Wallis und Uri zeigen noch geringere Zahlen. Auf je 1000 lebende Personen entfallen jährlich Geburten: in Nidwalden 30,8 (13. Rang der Kantone) und in Obwalden 27. Hinter diesen Zahlen stehen nur noch Graubünden und Genf zurück. Auf je 1000 lebende Personen sind verheiratete Frauen: in Nidwalden 105 (20. Rang) und in Obwalden 96 (letzter Rang).
Dafür aber dauern die Ehen lange: in Obwalden durchschnittlich 28,1 Jahre (länger nur im Tessin mit 28,4 Jahren) und in Nidwalden 22,8 Jahre. Ebenso sind die Ehen ziemlich kinderreich, und es stehen in dieser Beziehung Nidwalden mit 5,2 Kindern im 9. Rang und Obwalden mit durchschnittlich 5 Kindern im 13. Rang. Ebenso scheinen die Kinder lebenskräftig zu sein, denn Nidwalden steht mit 1% Totgebornen an 1. Stelle und Obwalden mit 1,6% an 2. Stelle unter allen Kantonen. Die spärlichen Eheschliessungen sind nicht etwa nur auf Mangel an gutem Willen zurückzuführen, sondern hier macht sich auch der Umstand geltend, dass gerade unter den jungen Männern die Auswanderung (nicht nur nach Amerika, sondern besonders auch nach Deutschland als «Stallschweizer») unheimliche Dimensionen angenommen hat. Aus Amerika kommt ein verhältnismässig kleiner Prozentsatz wieder heim; viele beschliessen dort ihre Tage, besonders in Brasilien, wohin sich viele Obwaldner wandten.
Im Ganzen ist das Unterwaldner Volk ein gesunder Stamm. Man trifft viele alte Leute noch relativ rüstig und gesund. Verheerende, bezw. ansteckende Krankheiten sind jetzt sehr selten. Im 16. und 17. Jahrhundert wütete der schwarze Tod wie überall in der Schweiz; im 18. und 19. Jahrhundert trat hier und überhaupt in der Zentralschweiz unter dem Namen «Alpenstich» öfters eine sehr ansteckende und sehr bösartige Pleuropneumonie (Lungenentzündung) auf. Im Jahr 1834 überwogen in Unterwalden hauptsächlich infolge dieser Krankheit die Sterbefälle die Geburten um 147. Besonders stark herrschte der Alpenstich auch 1846, in welchem Jahr in Engelberg allein über 70 Personen daran starben.
Dr. Troxler in Luzern schrieb damals: «Obschon in Unterwalden eine Verachtung der Todesfurcht herrscht wie bei alten Völkern, so blieb dennoch die Verzweiflung nicht aus; man suchte durch feierliche Umzüge und öffentliche Gebete den Zorn des Himmels zu beschwören».
Seit dieser Zeit ist die Krankheit nie mehr epidemisch beobachtet worden. Das früher in Giswil, Alpnach und Stansstad endemische Wechselfieber ist seit mehr als 40 Jahren gänzlich erloschen.
Die Unterwaldner Volkstracht, einst eine der schönsten der Schweiz, verschwindet immer mehr und wird durch geschmacklose moderne Kostüme ersetzt. Obwalden und Nidwalden haben sich von jeher in der Tracht besonders des weiblichen Teils scharf unterschieden. Gemeinsam war im letzten Jahrhundert für die ledigen Personen nur der Haarpfeil, dessen eine Hälfte in breit-lanzenförmiger Form mit Filigran und Schmucksteinen reich verziert war. In diesen Filigranverzierungen hatten die Goldschmiede viel Geschmack entwickelt, und man sieht da zuweilen ganz zierliche und reizende Muster.
Die Obwaldnerin trug zu diesem Haarpfeil weisse und die Nidwaldnerin rote Haarschnüre. Kam die Obwaldnerin unter die Haube und wurde sie Frau, so trug sie bis gegen 1850 wortgemäss die «Haube», einen doppelteiligen, aus weissen Spitzen gewobenen und ziemlich grossen Kopfschmuck; später ein aus schwarzen Spitzen ohne ausgesprochenen Charakter verfertigtes, den Kopf bedeckendes Häubchen. Die Frau in Nidwalden hingegen trug nun einen Silberschmuck, den man «Haarnadel» nannte, der aber keine Nadel ist, sondern aus zwei grossen ovalen, der Hinterseite des Kopfes anliegenden Silberblechen besteht.
Wenn auch nicht so schnell wie jetzt, wechselte die Mode doch stets. Anfangs des 19. Jahrhunderts trugen Mädchen und Frauen riesige, ganz flache und oben mit Blumen verzierte Strohhüte, sog. «Schwefelhüte», und dazu ein Nestelmieder und um den Hals ein vielfach gefälteltes, farbenreiches seidenes Halstuch, das sich mit etwelcher Formveränderung bis in die zweite Hälfte des Jahrhunderts hielt. Ende des 18. Jahrhunderts war ein aus Filz gefertigtes sog. Dreiröhrenhütchen Mode.
Die Tracht der Männer war immer einfacher, aber ebenfalls malerisch. Kurze Hosen, Kniestrümpfe und Schnallenschuhe, ein Bauchgurt aus verziertem Leder, eine «Länderli» genannte farbige (meistens grellrote) Weste, für das Festkleid ein langer, für gewöhnlich aber ein ganz kurzer Rock (der sog. Mutzentschoppen), der dem gerade waltenden Geschmack da oder dort etwas angepasst erschien, behaupteten sich bis gegen Mitte des 19. Jahrhunderts. Merkwürdigerweise trugen Anfangs des 19. Jahrhunderts auch die Männer am Sonntag einen mit Bändern und Blumen verzierten Strohhut. Jetzt hat die Tracht der internationalen Mode alle Konzessionen gemacht: der weibliche Teil richtet sich mehr oder weniger nach dem Modejournal und einer zweifelhaften Schneiderinnenphantasie, der männliche folgt dem Geschmack des nächsten Kleidermagazins. Bauernburschen tragen bei festlichen Anlässen noch eine mit Stickerei verzierte Bluse und einen flachen runden Tätschhut.
Abgesehen von den Dorfschaften ist ganz Unterwalden sehr zerstreut besiedelt. Nach altalemannischem Brauch wohnt der Bauer nahezu immer auf seiner Liegenschaft, und so kommt es, dass das ganze Land bis auf die Höhe von durchschnittlich 800 Meter mit Einzelgehöften übersät ist. Das höchstgelegene bewohnte Heimwesen, der «Dossen» in der Gemeinde Alpnach, liegt in 1400 Meter Höhe. Ein vollständiges Gehöfte bestand früher aus Haus und Scheuer, jedes unter eigenem Dach; meistens kamen dazu noch ein kleiner Speicher von oft sehr eleganter Bauart, ein Dörrofen, in dem während des Herbstes das gesammelte Obst gedörrt wurde, und ein Schweinestall.
Jetzt steht der Dörrofen meistens verödet, dafür rumpelt im Tenn eine kleine Mosttrotte. Der älteste bekannte Typus des Unterwaldnerhauses war ein flacher und schindelgedeckter Holzbau; später kam ein gemauertes und weiss getünchtes Kellergeschoss dazu. Auch wurde das früher nur mit Steinen beschwerte sog. «Schwaardach» nach Aufkommen des genagelten Schindeldaches etwas steiler und damit das ganze Haus freier, während die zu beiden Seiten breit ausladenden Vorlauben dem Ganzen doch einen behäbigen und soliden Charakter geben. Damit bietet das Unterwaldner Bauernhaus ein ungemein liebliches und stimmungsvolles Bild und trägt mit seinem
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dunkelgebeizten warmen Holzton und der weissgetünchten hellleuchtenden Kellermauer in die sattgrüne Unterlage hineingestreut sehr viel zur Belebung und Verschönerung des Landschaftsbildes bei.
Geselliges Leben und öffentliche Lustbarkeiten in Unterwalden unterscheiden sich nur wenig von denen anderer Kantone. Im Winter bilden Liebhabertheater und -konzerte einen Vereinigungspunkt. Auf diesem Gebiete wurde in Unterwalden, speziell Nidwalden von jeher Bedeutendes geleistet. Die Theatergesellschaften von Stans und Buochs haben einen guten Klang bis weit über die Kantonsgrenzen. Besonders die Aufführungen der patriotisch-volkstümlichen Stücke des verstorbenen Pfarrers Jos. Ign. von Ah von Kerns brachten ihnen weit-herum verdiente Anerkennung. Im Herbst bieten Anlass zu froher Festlichkeit die verschiedenen Kirchweihen, vor Allem die Schützen- und Aelplerkirchweihen.
Besonders die letztern mit ihren zahlreichen Beamten und dem altmodischen Aufputz nebst «Wildmann» und «Wildwib» bringen die Festwogen in kräftiges und oft bis 2 Tage währendes Branden. Dem Schwingen und den Schwingfesten, einer alten aber zeitweise etwas vernachlässigten Volksbelustigung, wird seit etwa 15 Jahren hauptsächlich durch die Bemühungen des Schwingerverbandes wieder grosse Sympathie entgegengebracht. Unterwalden stellt fast für jedes ausserkantonale Schwingfest einige Vertreter, und im Kanton selbst werden alljährlich einige Schwingfeste abgehalten, die immer eine zahlreiche Zuschauerschaft herbeiziehen.
Von Festanlässen vergangener Zeiten haben sich nebst andern auch noch in die neue Zeit hinübergerettet: in Obwalden das «Bot» in Kerns, der Ueberrest der alten Meisterzunft von Sarnen und Kerns, die bei ihrer Auflösung 1875 ihr Zunftvermögen dem Krankenverein übergab, aber die Erinnerung an die alte Meisterherrlichkeit noch durch ein alljährlich stattfindendes Nachtessen mit Tanz aufrecht erhielt; in Nidwalden die Gesellschaft des «grossen und unüberwindlichen Rathes», eine fröhliche Vereinigung, die ihren Ursprung vom Söldnerzug des «Tollen Lebens» im 15. Jahrhundert herdatiert und unter ihrem selbstgewählten Magistrat nach uraltem Zeremoniell alljährlich am fetten Donnerstag in Stans bei Nachtessen und Tanz ihre Festfeier abhält.
9. Landwirtschaft und Viehzucht.
Unterwalden war früher sozusagen ein ausschliesslich Landwirtschaft treibender Kanton und noch heutigen Tages ist die Landwirtschaft auf dem Erwerbsgebiet der wichtigste Faktor, fallen doch in Obwalden auf 4941 in einem Beruf tätige Männer 3051 in Viehzucht und Landwirtschaft Tätige und in Nidwalden auf 3972 Berufstätige deren 1933. Der Ackerbau, der vor 300-400 Jahren noch sehr bedeutend war, ist jetzt sozusagen ganz verschwunden, nachdem er Anfangs der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts nach Verteilung der Allmenden an die Korporationsbürger noch etwelches Aufleben gezeigt. An seine Stelle ist nun nahezu reine Wiesen- und Weidewirtschaft getreten.
Grosse zusammenhängende Liegenschaften sind hier selten, indem das Höchstmass 50 ha nirgends übersteigen mag; dagegen gibt es viele kleine, zerstückelte Grundbesitze. Der Graswuchs ist ein vorzüglicher und kräftiger. Hermann Christ, der bekannte Botaniker, sagt in seinem Buch Ob dem Kernwald schon 1869, er erinnere sich nirgends schönere, grünere Matten gesehen zu haben als in Obwalden. Bessere Wiesen als im Stanserboden existieren in der Schweiz jedenfalls nirgends; von den besten werden jährlich 4 Erträge eingeheimst, von den mittelmässigen 3, und nur ganz hoch gelegene oder sonst schlechte Wiesen geben bloss 1-2 Erträge. Der Preis ist denn auch ein hoher und steigt in den besten Lagen bis auf 2 Fr. per Quadratmeter. Ein ziemlich bedeutendes Nebenerträgnis ab den Wiesen liefert der Obstbau, der in Unterwalden sehr intensiv betrieben wird und infolge des milden Klimas ausgezeichnet gedeiht. So entwickelt sich hier z. B. der weisse Winterkalvill in günstigeren Lagen zu prachtvollen Exemplaren.
Unterwalden hatte schon früher vorzügliche Obstsorten, und in der neuen Zeit wird dem Tafelobst besondere Aufmerksamkeit geschenkt und der Anbau von Mostobst eher etwas eingeschränkt.
Von der grössten Bedeutung für das Land sind die Alpweiden. Obwalden besitzt deren 290 mit einem Kapitalwert von rund 5500000 Fr.;
224 davon gehören Korporationen oder «Teilsamen» und 66 Privatbesitzern an.
Nidwalden besitzt 166 Alpen mit einem Kapitalwert von rund 3900000 Fr.;
hievon gehören 55 Korporationen oder Genosssamen und 111 Privatbesitzern an.
Auf dem Gebiete der Alpwirtschaft wurde in den letzten Jahren vieles verbessert;
immerhin ist für eine weitere verbessernde Tätigkeit noch auf lange Zeit hinaus ein weites Feld offen.
Die Unterwaldner Alpen liegen zwischen 1000 und 1900 m Höhe und sind in ihrer grossen Mehrheit gutgräsig, was schon daraus hervorgeht, dass etwa 1½ ha eigentliches Weideland für einen Stoss von etwa 90 Weidetagen genügen. (Stoss oder, wie sie in Unterwalden genannt wird, eine Kuhschweere ist die Bezeichnung der Einheit einer erwachsenen Kuh in der Weide; 3 kleine oder zwei ältere Rinder oder auch sieben Ziegen = eine Kuhschweere). In den obern Alpen wird aber überall über eine merkliche Verwilderung und Verschlechterung der Weiden geklagt. Für sämtliches Rindvieh sind auf den Alpen Stallungen vorhanden. Während der Weidezeit von Anfangs Juni bis Ende September wird die Weide 2-5mal gewechselt.
Einen wichtigen Faktor in der Unterwaldner Landwirtschaft bedeutet auch die Allmend. Früher ausschliesslich gemeinsame Weide, dient sie jetzt nur mehr teilweise diesem Zweck. Ihr grösserer Teil ist in Parzellen von 200-350 Aren abgeteilt und wird unter die männlichen und weiblichen Mitglieder zu lebenslänglicher Nutzung verlost. Diese Parzellen sind jetzt fast durchgehends mit Gras angesät, nur ein kleiner Teil noch mit Ackerfrüchten. Bergheimwesen liegen zwischen Thalgut und Alp, sind nicht ständig bewohnt und dienen teils vor der Alpfahrt zur Weide, teils wird der Heuertrag im Winter dort verfüttert. Während diese sog. Bergheimen früher sehr beliebt waren und jeder grössere Bauer eines zu erwerben strebte, sind selbe jetzt im Wert ungemein gesunken. Das selbe gilt auch für die vom Zentrum ganz weit abliegenden das ganze Jahr bewohnten Heimwesen. Im gleichen Verhältnis ist der Preis der nahe am Dorf liegenden Heimwesen sehr stark gestiegen.
Den Hauptanteil an der Viehzucht hat die
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Rindviehzucht, wie aus den jeweiligen Viehzählungen zur Genüge hervorgeht. Der gesamte Viehstand betrug:
Im Jahr 1836 | |||||
---|---|---|---|---|---|
Pferde | Rindvieh | Ziegen | Schafe | Schweine | |
Obwalden | 260 | 9130 | 3700 | 2500 | - |
Nidwalden | 90 | 4500 | 2000 | 700 | - |
Total | 350 | 13630 | 5700 | 3200 | - |
1866 | |||||
Obwalden | 433 | 8988 | 5334 | 3906 | 2881 |
Nidwalden | 174 | 6026 | 1434 | 1206 | 1547 |
Total | 607 | 15014 | 6768 | 5112 | 4428 |
1896 | |||||
Obwalden | 371 | 11161 | 5568 | 1933 | 3900 |
Nidwalden | 174 | 6036 | 1323 | 464 | 2553 |
Total | 545 | 17197 | 6891 | 2397 | 6453 |
1906 | |||||
Obwalden | 382 | 14234 | 3352 | 846 | 5055 |
Nidwalden | 232 | 9466 | 1244 | 263 | 3317 |
Total | 614 | 23700 | 4596 | 1109 | 8372 |
Aus diesen Zahlen ergibt sich, dass Rindvieh und Schweine besonders in den letzten 10 Jahren sehr stark zugenommen, dagegen Ziegen eine grosse und Schafe eine sehr grosse Verminderung erlitten haben. Die Anzahl der Pferde weist seit 40 Jahren keine bedeutende Veränderung auf. Die gleichen Verhältnisse zeigen sich überall in den Gebirgsgegenden. Die Ziegen gehen hauptsächlich zurück, weil infolge allgemein besserer Verhältnisse statt derselben vielerorts Kühe gehalten werden können; sicher nicht so sehr, wenn auch schon etwas ist an ihrem Rückgang die strenge Waldpolizei schuld.
Die Schafe vermindern sich hauptsächlich, weil selbstgesponnenes und selbstgewobenes Zeug nicht mehr gebräuchlich ist. Bei den gegenwärtigen Fleischpreisen wäre aber ihre Haltung sicher lohnend. Glücklicherweise hat sich beim Rindvieh nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität stark verbessert. Unterwalden züchtet ausschliesslich Braunvieh und zwar in einer Qualität, die zwar das Stammland dieser Rasse, den Kanton Schwyz, noch nicht auf der ganzen Linie erreicht, ihm aber doch sehr nahe kommt.
Obwalden züchtet mehr Jungvieh und betreibt ausgedehnte Nachzucht, Nidwalden intensivere Milchwirtschaft. Wenn schon weniger als früher, so werden doch noch viel Jungrinder nach Italien verkauft. Milchkühe gehen sehr zahlreich nach Spanien; auch deutsche Milchkuranstalten und die Milchwirte der Schweiz kaufen mit Vorliebe das robuste und milchreiche Unterwaldnervieh. An der Verbesserung des Viehschlages wurde schon vor bald hundert Jahren durch Verabreichung von Viehprämien von Staats- und Gemeindewegen gearbeitet; so zahlte Kerns schon im Jahr 1810 Viehprämien aus. 1853 schrieb die obwaldnerische Verordnung über Viehprämien vor, dass der erstprämierte Hengst einen Wert von 550 Fr. haben müsse. Gegenwärtig wird die eidg. Deckstation in Sarnen mit Hengsten besetzt, wovon einzelne 20000 und noch mehr Fr. kosten.
Den Hauptanteil an der Verbesserung der Rindviehzucht verdankt man hier wie überall den Zweigverbänden der schweizerischen Braunviehzuchtgenossenschaft, deren Unterwalden gegenwärtig 10 besitzt. Für diese Zuchtgenossenschaften und für allgemeine Prämierungen werden an Bundes- und kantonalen Beiträgen jährlich ausbezahlt: in Obwalden 9000-10000 und in Nidwalden 7000-8000 Fr. Auch in Unterwalden mehrt sich der Konsum der frischen Milch erfreulicherweise von Jahr zu Jahr, aber doch wird jährlich noch ein grosses Quantum Milch zu Käse verarbeitet.
Aus den alten Zinsrodeln geht hervor, dass im 15. und 16. Jahrhundert nebst «Süsskäse» hauptsächlich Zieger aus der Milch hergestellt wurde. Später gewann dann die Käsefabrikation eine immer grössere Bedeutung, und zwar wurde hauptsächlich der sogenannte Spalen- oder Sprinzkäse im Gewicht von 20-28 kg per Laib hergestellt, ein gut gesalzener Fettkäse von vorzüglichem Geschmack. Er hält sich Jahre lang, wird bis ins vierte Jahr immer besser und wird grösstenteils nach dem Ausland, hauptsächlich nach Italien exportiert.
Magadino am Langensee war früher der Hauptstapelplatz, wo zu Zeiten der zwei grossen Märkte jeweilen bis auf 40000 Stück von diesem Käse aufgestapelt lagen. Woher der Name Sprinzkäse kommt, ist unklar; Spalenkäse wurden sie deswegen genannt, weil man sie in Fässern, sog. Spalen, über den Gotthard spedierte. Nebst diesem Käse scheint besonders Beckenried früher noch als Spezialität einen Schabzieger oder Kräuterkäse verfertigt zu haben. Auch jetzt noch wird eine andre Spezialität ziemlich viel hergestellt, der sog. Bratkäse, ein ganz fetter und weicher, 2-4 kg schwerer Käse, der am Kohlenfeuer geschmort und verzehrt wird, sobald die oberste Schicht weich geworden. Das Hauptprodukt aber ist der Spalenkäse, der sowohl als Handkäse gegessen als auch zum Kochen und Würzen von Speisen verwendet wird.
Ein grosses Quantum Milch absorbiert auch Nachzucht und Kälbermast. Es werden an Zuchtkälber für etwa 600000 Fr. und an Mastkälber für 900000 Fr. Milch verfuttert. Das Gesamterträgnis aus der Milchwirtschaft mag sich für Unterwalden auf rund 5¼ Mill. Fr. belaufen. Der Wert des gesamten Viehstandes belief sich 1901 auf 7664617 Fr., nämlich Obwalden 4495267 Fr. (auf den Kopf der Bevölkerung 294 Fr.) und Nidwalden 3169350 Fr. (auf den Kopf der Bevölkerung 242,5 Fr.). Einzig Luzern, Freiburg und Graubünden verzeichnen einen grössern Wert per Kopf der Bevölkerung.
10. Wald- und Baumwirtschaft.
Trotz seines Namens ist Unterwalden an Wald nicht übermässig reich. Bei einer Gesamtbodenfläche von 765,3 km2 nehmen die Waldungen 191,45 km2, d. h. etwa 25% ein. Hiervon entfallen auf Obwalden 121,95 km2 und auf Nidwalden 69,50 km2. Wenn nun schon erst die neuere Zeit eine wirkliche Forstpolizei und gehörige Waldpflege kennt, so wurden doch schon in frühern Jahrhunderten den Wäldern grosse Aufmerksamkeit und auch eine gewisse Pflege zuteil. Schon vor 250 Jahren findet man in den Forstprotokollen Bemerkungen, wie «dass meine gnädigen Herrn es bedenklich finden, dass so unachtsam geholzt werde, wegen einbrächenden Wassergüssen und Rübenen»; oder sie befürchten, «dass die Nachkommen Holzmangel haben könnten, wenn mann fürderhin so brüchlich verfahre in den Wäldern». Viel und oft wird der Holzschlag wenigstens auf dem Papier geregelt und der Weidgang im Wald verboten. Ja, Lungern befiehlt 1673, «dass allen Ziegen zur Verhütung von Waldschaden»
Landwirtschaftliche Karte des Kantons Unterwalden
Lief. 254.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 6° 0’ O; 46° 55’ N; 1:200000]
░ Ackerland
▒ Bergackerbau
▓ Weide
▐ Wald
▒ Unproduktiver Boden
▴ 50 Pferde
● 200 Rinder
❙ 100 Schweine
v 100 Ziegen
⥾ 100 Schafe
^ 100 Bienenkbe.
Mce. Borel & Cie.
V. Attinger sc.
LANDWIRTSCHAFTLICHE KARTE DES KANTONS UNTERWALDEN
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«im Unterküfel die Zähn ausgezogen werden» (gewiss ein radikales Vorgehen). Als Universalmittel wird je und je der «Bann» angewendet, d. h. es wurde in gewissen, namentlich den höher gelegenen Wäldern der Holzschlag gänzlich untersagt. Bis 1750 war überhaupt in Obwalden all und jeder Holzverkauf ausserhalb des Landes verboten und in Nidwalden die Ausfuhr nur ganz gering. 1760 hält die Gemeinde Giswil «bittlich» an, man möchte den Glasbrennern im Flühli einen Waldkomplex zu verkaufen gestatten, aber «meine gnädigen Herrn» finden das sehr bedenklich und es wird rundweg aberkannt.
Erst mit Anfang des 19. Jahrhunderts schlägt dieses exzessive Sparsystem ins Gegenteil um: grosse Verkäufe finden statt, und es wird schonungslos massenhaft Holz geschlagen. Eine Schiffsbaufirma in Marseille kaufte 1833 den Wengenwald am Pilatus und transportierte die besten Stämme daraus auf einer damals als etwas unmögliches angestaunten Rutschbahn über tiefe Schluchten und Abhänge ins Thal. Am Alpnachersee wurde das Holz dann in kleine Flösse verbunden und nun die Reuss und den Rhein hinunter spediert.
Schon 1811 hatte ein Holzhändler aus Württemberg den Neubrüchliwald durch eine aus Balken hergestellte und über 8 km lange Rutschbahn ausgebeutet. Eine Gemeinde verkaufte gleich 10000 Klafter Holz miteinander. 1857 wurde in Obwalden ein Gesetz zur Verhütung schädlichen Holzschlages erlassen und darin das Prinzip aufgestellt, dass zu jedem grössern Schlag eine regierungsrätliche Bewilligung notwendig sei. Nidwalden erliess später eine gleiche Verordnung. Unter dem Einfluss des eidg. Forstgesetzes ist jetzt für alle Gemeinden Unterwaldens ein Wirtschaftsplan aufgestellt, der Holzschlag streng geregelt und für ausgibige Aufforstung und Anpflanzung gesorgt. Obwalden und Nidwalden haben je einen Kantonsförster mit der nötigen Anzahl Bezirksförster und Bannwarte.
Unter den Laubhölzern des Waldes ist am wichtigsten die Buche und unter dem Nadelholz die Rottanne (Fichte). Die Buche geht bis auf 1200, die Fichte ausnahmsweise bis auf 1700 m Höhe; erstere gedeiht am freudigsten auf Kalkunterlage, aber beide gedeihen auch noch auf Flysch recht gut. Nicht allein die Ueberlieferung sondern auch direkte Tatsachen sprechen dafür, dass vor Zeiten der Waldgürtel höher hinauf ging als heute. Auf Melchsee z. B. kamen früher sogar noch sehr starke Tannen vor, wie es deren Wurzelstöcke im Boden jetzt noch beweisen.
Jetzt ist in diesem Hochthal schon längst aller Baumwuchs verschwunden. Das Zurückgehen der Waldgrenze lässt sich besonders deutlich beobachten auf dem Grenzgebiet zwischen Unterwalden und Luzern, den obersten Gräten des Schwendiberges, wo der oberste Teil des Waldes stellenweise nur mehr aus absterbenden und abgestorbenen, verkümmerten Tannen besteht. Es soll dies noch zusammenhängen mit jenem furchtbaren Hagelschlag, der diese Gegend im Jahr 1861 heimsuchte und von dem sich die höchstgelegenen und am meisten ausgesetzten Wälder nie mehr ganz erholten.
Ueberall aber wo der Wald noch gedeiht, zeigt er sich, besonders im Gebirge, in seiner imposantesten Majestät, indem gerade in Unterwalden wahre Riesenbäume vorkommen. Jene gigantischen Buchen und Tannen, wie sie Dr. Christ in seinem Buch Ob dem Kernwald noch 1869 nach Beobachtungen im Sakramentswald bei Giswil schilderte, sind zwar verschwunden, aber einzelne beachtenswerte Bäume kommen immer noch da und dort vor. So steht eine gewaltige Buche im Wald nahe oberhalb dem Zollhaus am obern Ende des Sarnersees.
Einige prächtige Exemplare von Tannen finden sich noch in den Wäldern der Korporation Schwendi, ebenso ein Riesenexemplar in der Alp Blumatt ob Stans. Nur vereinzelt, aber doch sehr zahlreich und in oft prachtvollen Vertretern kommt der Bergahorn vor; bekannt ist der grosse Ahorn in der Alp Ohr im Melchthal, der in einer Höhe von einem Meter über der Erde einen Stammumfang von 11 m zeigt und als einer der grössten Bäume der Schweiz gilt. Ein ähnliches, etwas kleineres Exemplar steht in Nieder Rickenbach (Nidwalden). Während die Eibe noch relativ häufig vorkommt, ist die Arve sozusagen nirgends selbständig vorhanden, obwohl sie in den künstlichen Aufforstungen, bei Bachverbauungen u. s. w. vorzüglich gedeiht. Gleich in der Nachbarschaft Unterwaldens steht am Engstlensee (Ober Hasle) ein Wäldchen sehr schöner Arven.
Von weitern Nutzbäumen beherrscht das Pflanzenbild besonders der Nussbaum, dieser typische Vertreter eines milden Klimas, der früher noch häufiger als jetzt in Unterwalden vorkam. Haben auch Möbelschreinerei und vor allem Gewehrschaftfabrikation barbarisch mit diesem langsam wachsenden, teuern Holz aufgeräumt, so findet man
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doch noch immer ansehnliche Ueberreste. In unmittelbarer Nähe des Dorfes Stans z. B. wurden für die Nussbäume einer einzigen Wiese 12000 Fr. geboten, und Angebote von 400-500 Fr. für den einzelnen Baum sind gar nicht selten. In einem guten «Nussjahr» werden immer noch für 40000-50000 Fr. Nüsse gesammelt. Ein der Föhnzone und dem milden Klima überhaupt ausschliesslich angehörender Baum, die zahme Kastanie, ist innerhalb relativ kurzer Zeit aus Unterwalden verschwunden. Vor 30-25 Jahren kam sie in Kersiten noch ziemlich zahlreich vor. Jetzt ist dort kein Exemplar mehr zu finden, während sie bei Vitznau und Weggis am andern Seeufer noch vorzüglich gedeiht. Das Abgehen dieses Baumes ist sicher weniger auf klimatische als auf andre Umstände zurückzuführen. Alle übrigen Obstarten gedeihen vorzüglich, durchschnittlich bis auf 800 m, an geschützten Standorten (Engelberg) auch bis auf 1000 m Höhe.
11. Kulturtechnik.
Erwähnung verdienen die in Unterwalden ausgeführten Fluss- und Bachverbauungen und in deren Anschluss die Aufforstungen in den bezüglichen Einzugsgebieten. Ebenso kann man auch auf die gänzliche und teilweise Trockenlegung zweier Seen hinweisen. Obwalden mit seinen steilern Abhängen und den als Einzugsgebiet dienenden grossen Hochthälern musste auf diesem Gebiet notgedrungen mehr leisten als das in dieser Beziehung günstiger gelegene Nidwalden. Schon 1761 wurde der Aasee zwischen Lungern- und Sarnersee, der damals die Gegend hinter der Kirche in Giswil (das jetzige Aaried) bedeckte, durch einen 10 m tiefen Einschnitt abgelassen; doch gelang das Unternehmen nur sehr mangelhaft, indem an Stelle eines Sees ein Sumpf entstand.
Erst 1850 wurde dann die Trockenlegung, hauptsächlich auf Initiative von Dr. Halter in Giswil, wieder frisch aufgegriffen, der Ablaufkanal um 2 m vertieft und dadurch etwa 80 ha gut kulturfähiges Land gewonnen. 1836 wurde der Lungernsee zum Teil durch einen Stollen abgelassen und damit etwa 170 ha Land gewonnen. Es war das ein für die damalige Zeit gewaltiges und schwieriges Unternehmen. Während diese Arbeiten nur Vermehrung des Kulturlandes bezweckten, drängten die vielen Bergbäche mit ihren periodisch wiederkehrenden Ueberschwemmungen gebieterisch dazu, dass etwas zum Schutze des anstossenden und darunter liegenden Gebietes getan werde.
Ueberschwemmungen kamen schon in den ältesten Zeiten vor, als das Einzugsgebiet noch reichlich bewaldet war. 1626 überschwemmte die Laui in Giswil die ganze Gegend, zerstörte Kirche und Friedhof und verursachte grossen Schaden an Häusern und Wiesen. Aehnliches wiederholte sich 1739. Seit der intensiven Abholzung um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Ueberschwemmungen entschieden häufiger und gefahrdrohender. Die Verbauungen nahm man hauptsächlich nach dem System der Thalsperren, teilweise auch mit Ausschalung des Bachbettes vor. Der Erfolg hat leider lange nicht überall den Erwartungen entsprochen, hauptsächlich deshalb nicht, weil man anfänglich der Sicherung des Einzugsgebietes und dessen Aufforstung zu wenig Aufmerksamkeit schenkte, sowie auch die Maximalwassermenge unterschätzte. In Obwalden wurden bis 1907 hauptsächlich folgende Bachkorrektionen ausgeführt:
Jahr | Kosten Fr. | |
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1. Dreiwässerkanal in Giswil | 1875-1876 | 38280 |
2. Eibach-Verbauung in Lungern | 1888-1894 | 275739 |
3. Melchaa-Korrektion in Sarnen | 1879-1880 | 352236 |
4. Kleine Schliere in Alpnach | 1879-1907 | 421400 |
5. Lauikorrektion in Lungern | 1886-1900 | 187437 |
6. Eichbühl-, Rüti- und Rosenbach in Giswil | 1894-1907 | 215653 |
7. Grosse Schliere in Alpnach | 1897-1907 | 504000 |
8. Dorfbach in Sachseln | 1897-1904 | 168443 |
9. Wolfort- und Widibach in Alpnach | 1898-1900 | 30000 |
10. Lauibach und Rotmoosgraben in Giswil | 1897-1904 | 493305 |
11. Blattibach in Sannen | 1903-1907 | 34603 |
12. Mühlebach in Engelberg | 1903-1907 | 8319 |
13. Rufibach in Kerns | 1904 | 3551 |
Diese Ausgaben bedeuten für einen Kanton, dessen steuerbares Vermögen kaum 40 Mill. Fr. beträgt, eine gewaltige Summe. Die Durchführung dieser Arbeiten wäre ohne eine ausgibige Bundesunterstützung ganz unmöglich gewesen. Alle jene Unternehmungen, die bis 1907 noch nicht vollendet waren, brauchen bis zu ihrer gänzlichen Durchführung noch immer annähernd 2 Mill. Fr. Zur Sicherstellung dieser Arbeiten wurden bis jetzt für Wiederaufforstungen im Einzugsgebiet rund 145000 Fr. ausgegeben. Nidwalden ist mit seinen Gebirgsbächen, etwas weniger gefährdet, hat aber immerhin bis jetzt folgende Verbauungen ausführen müssen:
Jahr | Kosten Fr. | |
---|---|---|
1. Lieli- und Drästlibach in Beckenried | 1884-1906 | 542150 |
2. Steinibach in Hergiswil | 1886-1906 | 297790 |
3. Rübe- und Dorfbach in Buochs | 1897-1906 | 81510 |
4. Kohlerbach in Hergiswil | - | 9250 |
Für Aufforstungen im Einzugsgebiet dieser Bäche wurden rund 70000 Fr. ausgegeben.
12. Jagd und Fischerei.
Unterwalden hat das Patentsystem zu sehr niedrigen Taxen. Selbstverständlich kann hiebei kein guter Wildstand aufkommen, doch hat sich trotzdem der Gemsen- und Rehstand gehoben, teilweise sogar stark. Die Rehe waren bis 1904 gebannt, und auch jetzt noch dürfen nur Böcke geschossen werden. Die Gemsen wechseln hauptsächlich aus dem Schutzgebiet in die umliegenden Grenzgebiete aus und zerstreuen sich von da in früher unbewohnte Gebiete, so z. B. in die Gegend zwischen Giswilerstock und Pilatus gegen das Entlebuch hin, wo sie jetzt überall wieder heimisch sind.
Im Jahr 1906 wurden in Obwalden 138 und in Nidwalden 97 Jagdpatente gelöst und hiefür an Gebühren eingenommen: in Obwalden 2134 und in Nidwalden 1047 Fr. Unterwalden unterhält mit Unterstützung des Bundes in seinem Banngebiet 3 Wildhüter, die aber immer noch nicht genügen, um allem Wildfrevel in diesem Bezirk vorzubeugen. Der Bannbezirk Hutstock-Uri Rotstock erstreckt sich vom Melchthal bis an das Ufer des Urnersees und ist gemeinsam mit Uri; das in Unterwalden gelegene Gebiet des Bezirkes umfasst 115 km2, wovon auf Obwalden 75 km2 und auf Nidwalden 40 km2 entfallen.
Die Fischerei wird nur mehr als Nebengewerbe betrieben, denn in ganz Unterwalden lebt kein Fischer, der sie als ausschliesslichen Broterwerb betriebe. Die Balchenfischerei, in frühern Zeiten äusserst einträglich, ist aus unbekannten Gründen sehr stark zurückgegangen; im Sarnersee wurde sie bis vor 5 Jahren über 40 Jahre gar nicht mehr betrieben. Am ausgibigsten ist noch der Fang der tieflaichenden Edel- und Weissfische. Eine verhältnismässig ordentliche Summe wirft jährlich noch der Fang der Bachforelle ab, die trotz allen Nachstellungen noch immer merkwürdig oft vorkommt. Der eigentliche Brotfisch der Fischer jedoch ist der Hecht, der in
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Exemplaren von bis zu 12 kg Gewicht vorkommt und zu allen Jahreszeiten gefangen wird. Um die ausgefischten Gewässer wieder etwas schneller zu bevölkern, setzt Unterwalden jährlich viele tausend Stück künstlich ausgebrüteter Fischbrut ein, besonders Forellen und Balchenarten. 1907 wurden Fischereipatente abgegeben: in Obwalden 102 für zusammen 770 Fr., in Nidwalden 48 für zusammen 605 Fr.
13. Gewerbe und Industrie.
Während die Kunst in Unterwalden, besonders in Nidwalden von jeher einer relativ sehr guten Pflege sich erfreute (in Stans entwickelte sich ja in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter Paul Deschwanden eine eigentliche Malerschule, hauptsächlich für kirchliche Malerei), so lässt sich das von Industrie und Gewerbe weniger sagen. Wenn man aber betrachtet, was die Meister früherer Jahrhunderte auf dem Gebiete ländlicher Baukunst, des Hausgerätes und des Bauernschmuckes geschaffen haben, muss man immerhin ihren natürlichen Schönheitssinn, ihr Verständnis für harmonisches Zusammenstimmen und ihre technische Fähigkeit bewundern und nur bedauern, dass der Fortschritt im Laufe der Zeit nicht grösser gewesen ist.
Das Kunstgewerbe steht jetzt in Unterwalden auf einer entschieden viel tiefern Stufe als in verflossenen Jahrhunderten. Der schon im 17. Jahrhundert im Melchthal ausgebeutete Marmorbruch vermochte sich nie gehörig zu entwickeln; er lieferte einen guten schwarzen Marmor, dem auch die prächtigen Säulenmonolithen in der Kirche zu Sachseln angehören. Das Marmorlager in der Kniri zu Stans, das seinerzeit den Marmor zur Stanser Pfarrkirche lieferte, wurde neuestens wieder aufgedeckt und soll versuchsweise in Abbau genommen werden.
Das zu Anfang des 15. Jahrhunderts zuerst erwähnte, aber zweifelsohne schon viel früher betriebene Eisenbergwerk im Melchthal wurde im Jahr 1693 aufgegeben, ohne dass es je zu eigentlicher Blüte gekommen wäre. Das Erz wurde ohne Stollenbau oberflächlich geschürft an der Erzegg beim Melchsee, von dort nach dem Melchthal hinunter transportiert und hier in sehr primitiver Weise verhüttet. Nach Professor Schmidt in Basel ist das Erz als Chamoisitoolith mit einem Eisengehalt von 31% anzusprechen. In neuerer Zeit sind wieder verschiedene Pläne aufgetaucht und Konzessionen nachgesucht worden, um dieses Erzlager auf elektrolytischem Wege auszubeuten, aber diese Projekte liegen noch sehr im Dunkeln. Um der armen Bevölkerung etwas Verdienst zu verschaffen, wurde Ende des 18. Jahrhunderts durch den damaligen Abt Leodegar Salzmann (1769-1798) in Engelberg die Seidenkämmlerei eingeführt, die sich dann auch bald in verschiedenen Gemeinden Nidwaldens ausbreitete. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts kam die Seidenweberei auf, die zur Zeit ihrer höchsten Blüte in Unterwalden gegen 800 Stühle beschäftigte und für Zürcher Häuser arbeitete.
Fast zu gleicher Zeit wurde von Wohlen aus die Strohhandstickerei eingeführt, aus der sich dann später die Strohhutknüpferei entwickelte. Letztere Industrie beschäftigte in Unterwalden (besonders in Obwalden) zur Zeit ihrer höchsten Entwicklung bis auf 1000 Personen und lieferte jährlich etwa 30000 Dutzend Strohhüte. Das Fabrikat wurde nach allen Teilen der Welt versandt. Leider verzeigen beide Industrien seit den letzten Jahren einen alljährlich wachsenden Rückgang.
Während diese beiden Erwerbszweige ihr Rohmaterial ausschliesslich von auswärts bezogen, verarbeitet die ums Jahr 1860 aufgekommene Parkettfabrikation, an die sich bald die mechanische Schreinerei anschloss, einheimisches Material und gelangte zu hoher Blüte. Obwalden beschäftigt in 14 derartigen Geschäften rund 220 Arbeiter, Nidwalden in 5 Geschäften 60 Arbeiter. Schon seit Jahrhunderten bestanden mehrere Kalk- und Ziegelbrennereien, in Alpnach und Rotzloch auch Gipsmühlen, von denen diejenige im Rotzloch noch jetzt von der schweizerischen Gipsunion weiter betrieben wird. Zu grosser Blüte entwickelte sich in Nidwalden die Fabrikation von Zement und hydraulischem Kalk, die in Stans, Beckenried und Rotzloch in 6 Fabriken mit 250 Arbeitern jährlich etwa 5000 Waggons zu liefern imstande wäre. Rotzloch hatte früher während Jahrhunderten eine Papierfabrik. Der unternehmende Bauherr K. Blättler errichtete dort 1860 sogar eine Konstruktionswerkstätte, in welcher unter anderm zwei kleinere Dampfboote und die einstige Hebebrücke über den Seearm von Acheregg erbaut wurden. Hergiswil besitzt seit mehr als 100 Jahren eine grosse Glashütte und eine Kartonfabrik.
Unterstützt wird die Industrie in neuerer Zeit durch die in Unterwalden entstandenen verschiedenen elektrischen Werke. Das Elektrizitätswerk Luzern-Engelberg in der Obermatt (Gemeinde Engelberg) produziert 6000 PS, wovon 1600 in Unterwalden zur Verwendung gelangen und der Rest nach Luzern und in die an der Linie liegenden Orte geht. Das Elektrizitätswerk Kerns produziert 400 PS und gibt an sämtliche 6 alten Gemeinden Obwaldens Kraft und Licht ab. Das Elektrizitätswerk Beckenried mit 500 PS versorgt hauptsächlich Beckenried mit Kraft und Licht. Einige grössere Projekte, die zusammen auch noch einige 1000 PS liefern könnten, bleiben in ihrer Ausführung vorläufig der Zukunft vorbehalten.
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Der kleinere Handwerksbetrieb ist nicht von Bedeutung und genügt nicht einmal dem inländischen Bedürfnis.
Nur die Schreinerei mit mechanischem Betrieb hat sich auf eine höhere Stufe heraufgearbeitet und produziert aus dem feingängigen, langsam gewachsenen Holz der Bergwälder gesuchte Möbelwaaren und Bauschreinereiartikel. Wenn schon deren Absatzgebiet nicht ein so ausgedehntes wie das der Parkettfabriken ist, die tatsächlich nach allen Weltteilen liefern, so umfasst es doch immerhin das Gebiet nahezu der ganzen Schweiz. In früherer Zeit (und in Nidwalden zum Teil jetzt noch) stand das Goldschmiedegewerbe auf einer ziemlich hohen Stufe; es wurden da Haarnadeln und Halsketten, speziell in Filigranarbeit hergestellt, die in ihren besten Formen eigentlich künstlerischen Wert haben.
Mit dem Verschwinden der originellen Landestrachten geht natürlich auch der Rückschritt dieses Gewerbezweiges Hand in Hand. Erst aus neuerer Zeit datiert der ungeahnte Aufschwung des Hotelwesens, in dessen Betrieb Unterwalden mehr Kapital als in irgend einem andern Gewerbe niedergelegt hat und das im Sommer unter allen Gewerben (ausgenommen die Landwirtschaft) am meisten Hände beschäftigt. Unterwalden verdankt es seiner leichten Zugänglichkeit, den vorzüglichen und billigen Verkehrsmitteln, seiner herrlichen Lage, seinen bezaubernden Landschaftsbildern und seinem vorzüglichen Klima, dass innerhalb seiner Grenzen der Fremdenverkehr ein aussergewöhnlich grosser ist.
Einzelne seiner Fremdenzentren, wie Engelberg, Pilatus, Bürgenstock, Schönegg-Emmetten erfreuen sich eines Weltrufes, und es ist auch sonst keine Ortschaft in Unterwalden, in der sich über den Sommer nicht Kuranten für kürzere oder längere Zeit aufhalten. Einzelne der Fremdenzentren, wie besonders Engelberg, haben bereits eine zahlreiche Winterklientel. In ganz Unterwalden mögen sich im Juli und August zur Zeit des stärksten Besuches sicherlich bis auf 6500 Kurgäste aufhalten. Sehr gross, aber einer genauen Kontrolle sich entziehend ist die Anzahl der Touristen. Sie ist von Jahr zu Jahr im Steigen begriffen. Der Pilatus hatte z. B. im Jahr 1906 über 50000 Besucher, während noch im 16. Jahrhundert die Besteigung des Berges bei Todesstrafe verboten war!
14. Kreditinstitute und Geldwesen.
Obwalden besitzt eine Kantonalbank (mit ehemaliger Notenemission), die im Jahr 1906 einen Jahresumsatz von 15278133 Fr. mit einem Gewinn von 77078 Fr. auswies, wovon 22500 Fr. zur Verzinsung des Dotationskapitals im Betrag von 500000 Fr. verwendet und der Reingewinn von 54578 Fr. zur Hälfte an die Staatskasse und zur Hälfte in den Baufonds für ein neu zu erstellendes Bankgebäude kam.
Nidwalden besitzt zwei öffentliche Geldinstitute, wovon die kantonale Spar- und Leihkasse im Jahr 1879 vom Kanton gegründet wurde und im Jahr 1906 einen Umsatz von 55667416 Fr. zeigte. Der Gewinnanteil zu Handen der Staatskasse betrug 26964 Fr. Die Nidwaldnerische Sparkasse ist die Gründung (1827) einer kantonalen Gesellschaft und verwendet ihren Reingewinn alljährlich zum grössten Teil zur Förderung humanitärer und sozialer Zwecke.
Wie die übrigen Kantone der Schweiz hatte auch Unterwalden bis 1850 sein eigenes Münzrecht, machte aber davon einen verhältnismässig bescheidenen Gebrauch. Obwalden fing mit seinen Prägungen erst 1725 an und prägte Dukaten, Taler, Halbtaler, 40, 30 und 20 Kreuzerstücke, Batzen, Halbbatzen, Groschen, Kreuzer, Halbkreuzer und Rappen. Nidwalden prägte nur im Jahr 1811 und zwar Fünfbätzner, Batzen und Halbbatzen. Viel beschäftigt hat die Medailleure und Stempelschneider die Verehrung, die dem Landespatron Bruder Klaus erwiesen wurde. Es existieren von ihm etwa 70 verschiedene Medaillen, darunter mehrere von der Hand des berühmten Medailleurs Hedlinger in Schwyz.
15. Verkehr.
Bis 1861 fehlte Unterwalden jegliche fahrbare Strassenverbindung nach Aussen. Doch bildete der Vierwaldstättersee von jeher mehr ein verbindendes als trennendes Element. Der Saumweg über den Brünig ist uralt und wurde von jeher benutzt. Im 16. Jahrhundert z. B. bezog Bern von Luzern Schiesspulver und liess es über den Brünig transportieren. 1861 wurde dieser Saumweg in eine fahrbare Strasse umgebaut, diese bis nach Luzern weitergeführt und damit eine stark frequentierte Verkehrsader zwischen den damaligen Hauptfremdenzentren Luzern und Berner Oberland geschaffen. Im Anschluss an die Brünigstrasse überspannte man den schmalen Seearm am Acheregg mit einer eisernen, für den Dampferverkehr senkrecht zu hebenden Brücke. Damit war eine Abzweigung nach Stansstad und also auch für Nidwalden eine Verbindung über Land mit der äussern Schweiz geschaffen. Doch benutzte Nidwalden von jeher und auch heute noch als seine Hauptverbindung nach Aussen den Schiffsverkehr (Dampfboot, Motornauen, Ruderboot). Die Hauptverkehrsader für Obwalden ist die Brünigbahn, die den Kanton auf einer Strecke von 34 km
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durchfährt und hiebei acht Stationen und eine Haltestelle bedient. Mehr dem Fremdenverkehr dient die Pilatusbahn, eine der kühnsten und meist frequentierten Bergbahnen der Schweiz, 4 km lang und 1885 mit einem Kostenaufwand von rund 2400000 Fr. erbaut. Ob- und Nidwalden gemeinsam ist die elektrische Bahn Stansstad-Engelberg, die auf einer Länge von 22 km 6 Stationen und 4 Haltestellen bedient und 1895-1896 mit einem Kostenaufwand von rund 2600000 Fr. erstellt worden ist. Die Drahtseilbahn Stans-Stanserhorn ist nur Touristenbahn (erbaut 1889; Kosten rund 1480000 Fr.). Die Bürgenstockbahn ist eine elektrische Drahtseilbahn zwischen der Dampfschiffstation Kersiten-Bürgenstock und dem Hotel Bürgenstock (erbaut 1878; Kosten rund 270000 Fr.).
Zwischen den einzelnen Gemeinden besteht überall ein ziemlich gut ausgebautes Strassennetz. Nebst mehreren Bergübergängen im Landesinnern wird Unterwalden nach Aussen verbunden durch Seewenegg und Sattelpass mit dem Marienthal und Entlebuch, durch den Jochpass mit Meiringen und dem Aarethal, durch den Surenen- und Schoneggpass mit Uri.
[Ed. Etlin.]
16. Verfassung.
a) Obwalden. Der Kanton Unterwalden ob dem Wald (Obwalden) ist ein rein demokratischer Freistaat und bildet als solcher ein Bundesglied der schweizerischen Eidgenossenschaft. In Verbindung mit dem Kanton Unterwalden nid dem Wald (Nidwalden) macht er den Gesamtkanton Unterwalden aus. Die staatsrechtlichen Beziehungen zwischen den beiden Halbkantonen beschränken sich jedoch darauf, dass sie bei Abstimmungen über Revision der Bundesverfassung nur je eine halbe Standesstimme abgeben und dass jeder von ihnen nur je ein Mitglied in den schweizerischen Ständerat entsendet. Die «alten Landleute», d. h. die Angehörigen derjenigen Geschlechter, welche im Jahr 1740 in einem der beiden Landesteile das Landrecht besassen, werden heute noch als Doppelbürger in dem Sinn angesehen, dass ihnen auch das Landrecht im andern Landesteil zukommt. Allerdings findet dieses Verhältnis nur auf das Kantonsbürgerrecht und nicht auch auf das Gemeindebürgerrecht seine Anwendung.
Die Souveränetät wird direkt vom Volk ausgeübt und zwar zunächst durch das Organ der Landsgemeinde, welche die Versammlung der stimmfähigen Bürger und Einwohner des Landes bildet und sich ordentlicher Weise alljährlich am letzten Sonntag im April und ausserordentlicher Weise dann besammelt, wenn sie vom Kantonsrat wichtiger und dringender Geschäfte wegen einberufen wird. Besammlungsort der Landsgemeinde ist der Landenberg ob Sarnen. Die Landsgemeinde ist die oberste Wahlbehörde.
Als solche wählt sie die sieben Mitglieder des Regierungsrates und aus deren Mitte den Landammann und den Landstatthalter, sowie die neun Mitglieder und die drei Ersatzmänner des Obergerichtes und aus den Erstern den Präsidenten und den Vizepräsidenten. Von der Landsgemeinde werden ferner gewählt das Mitglied in den schweizerischen Ständerat und die Landschreiber, sowie der Landweibel. Landschreiber und Landweibel können nur aus den vom Regierungsrat fähig befundenen Bewerbern gewählt werden.
Die Mitglieder des Regierungsrates, sowie diejenigen des Obergerichtes werden auf eine vierjährige Amtsdauer gewählt. Je das zweite Jahr kommen drei, bezw. vier Mitglieder des Regierungsrates und wieder je das zweite Jahr vier, bezw. fünf Mitglieder und ein oder zwei Ersatzmänner des Obergerichtes in periodischen Austritt. Der Landammann und der. Landstatthalter werden jedes Jahr gewählt. Ersterer ist im unmittelbar folgenden Jahr nicht wieder wählbar. Der Präsident und der Vizepräsident des Obergerichtes werden auf zwei Jahre, das Mitglied in den schweizerischen Ständerat auf drei Jahre und die Landschreiber und der Landweibel auf vier Jahre gewählt. Wer das aktive Wahlrecht besitzt, dem kommt, auch das passive Wahlrecht zu. Eine Ausnahme besteht aber für die Landschreiber und den Landweibel, indem die Kandidaten für diese Stellen nur dann wählbar sind, wenn sie ein vom Regierungsrat ausgestelltes Wahlfähigkeitszeugnis besitzen.
Die Landsgemeinde ist die gesetzgebende Behörde des Kantons. Sie entscheidet in dieser Eigenschaft über Annahme oder Verwerfung totaler oder partieller Revisionen der Kantonsverfassung. Ihr kommt der Entscheid zu über die vom Kantonsrat oder im Wege der Initiative aus den Reihen der Stimmberechtigten an sie gelangenden Gesetzesvorlagen. Sie hat eine Staatssteuer zu bewilligen und über einmalige Ausgaben von mehr als Fr. 15000 und über wiederkehrende Ausgaben, sofern sie je für einen bestimmten Zweck Fr. 3000 übersteigen, zu beschliessen. Die Landsgemeinde erteilt das Kantonsbürgerrecht und setzt den Salzpreis fest.
Es besteht ein sehr weit gehendes Recht der Initiative. Jeder Stimmfähige kann bis zum 1. Januar jeweilen dem Landammann Anträge, welche ihrer Natur nach in den Bereich der Landsgemeinde gehören, zu Handen der letztern einreichen. Die Eingabe muss schriftlich abgefasst, von Erwägungsgründen begleitet und vom Antragsteller unterzeichnet sein. Sofern eine solche Eingabe nicht gegen die Bundes- oder die Kantonsverfassung verstösst und keine Verletzung von Privatrechten in sich schliesst, muss sie der Landsgemeinde unterbreitet werden. Der Kantonsrat hat sie mit seinem Gutachten zu begleiten.
Die Mitglieder des Kantonsrates werden von den Einwohnergemeinden gewählt. Auf je 200 Seelen kommt ein Mitglied. Der Kantonsrat hat die Gesetzeserlasse vorzuberaten, welche an die Landsgemeinde gelangen. Er ist auch befugt, von sich aus Gesetze zu erlassen, wenn ihm in einem gegebenen Fall das Gesetzgebungsrecht von der Landsgemeinde delegiert wird. Alsdann können aber 400 Stimmfähige innert zwei Monaten nach der Veröffentlichung eines derartigen Gesetzes dessen Vorlage an die Landsgemeinde verlangen, und es wird bis zum Entscheid dieser letztern die Vollziehung des Gesetzes eingestellt.
Der Kantonsrat erlässt Verordnungen über die allgemeine Landesverwaltung und über einzelne Zweige derselben. Er setzt das Budget der Landesverwaltung fest. Er beschliesst über Ausgaben, welche nicht in den Bereich der Landsgemeinde fallen. Er nimmt die Rechnungen über die Landesverwaltungen entgegen. Er behandelt den Bericht über die Staatsverwaltung und die Rechtspflege. Er übt das Recht der Begnadigung aus. Er ist Wahlbehörde für eine ganze Reihe kantonaler Beamtungen.
Dem Regierungsrat stehen alle diejenigen Attribute zu, welche durch seine Stellung als oberstes kantonales Verwaltungs- und Vollziehungsorgan bedingt sind. Der Regierungsrat teilt sich in folgende Departemente: Justiz und Politisches, Staatswirtschaft, Finanzen, Bauwesen, Militärwesen, Polizei, Vormundschafts- und Armenwesen und Gemeindewesen.
Dem Regierungsrat untergeordnete Verwaltungsbehörden sind: der Erziehungsrat und der Sanitätsrat. Dem erstern liegt die Oberaufsicht und die Obsorge über das Schulwesen und dem letztern die Pflege des öffentlichen Gesundheitswesens ob. Diese beiden Behörden zählen je fünf Mitglieder. Der Erziehungsrat hat auch (unter angemessener Mitwirkung der Geistlichkeit) die stiftungsgemässe Verwaltung der kantonalen kirchlichen Fonds zu besorgen, und es steht ihm (in seiner angegebenen Zusammensetzung) die Vorberatung kirchlich-religiöser Angelegenheiten gemischter Natur zu.
Das Gerichtswesen ist folgendermassen geordnet: In jeder Gemeinde besteht ein Friedensrichteramt, welchem die Anbahnung eines Sühneversuches in allen Zivilrechtsstreitigkeiten obliegt. Ferner besteht in jeder Gemeinde ein dreigliedriges Vermittlungsgericht mit einer endgiltigern Spruchkompetenz bis auf Fr. 100. In allen wichtigern Fällen bildet die erste Instanz das vom Kantonsrat gewählte und sieben Mitglieder zählende Kantonsgericht. In Forderungsstreitigkeiten bis zu einem Wert von Fr. 300 urteilt dasselbe inappellabel.
Alle andern Rechtsstreitigkeiten können an das Obergericht gezogen werden, über dessen Zusammensetzung und Wahlart wir uns schon ausgesprochen haben. Diese Behörde bildet auch die Revisions- und Kassationsinstanz. Ein Ausschuss des Obergerichtes ist dessen Justizkommission, welche über Rehabilitationen etc. zu entscheiden hat. In Strafsachen ist die Untersuchungs- und Ueberweisungsbehörde das Organ, welches - in wichtigern Fällen unter Mitwirkung des Verhörrichters - die Untersuchung durchführt und welchem auch die Befugnis zukommt, einen Angeschuldigten
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in Anklagezustand zu versetzen. Sie hat in minder wichtigen Fällen auch das Recht, Bussen auszufällen. Gegen ein derartiges Urteil ist aber der Weiterzug an den Gerichtsausschuss zulässig. Derselbe besteht aus fünf Mitgliedern des Kantonsgerichtes und nimmt die Stellung eines Polizeigerichtes ein. Das Kantonsgericht ist zugleich Kriminalgericht. Vom Gerichtsausschuss werden die Vergehen und vom Kantonsgericht die Verbrechen beurteilt. Beide Behörden bilden die erste Instanz. Alle Straffälle wichtigerer Natur können an das Obergericht gezogen werden. Der Staatsanwalt spielt die Rolle eines Amtsklägers.
Das Gemeindewesen ist folgendermassen geordnet: Der Kanton Unterwalden ob dem Wald besteht aus den sieben Gemeinden Sarnen, Kerns, Sachseln, Alpnach, Giswil, Lungern und Engelberg. Jede Gemeinde teilt sich in Einwohner- und Bürgergemeinde. Erstere besteht aus sämtlichen Gemeindebewohnern und letztere aus den Bürgern, welche in ihrer Heimatgemeinde ihren Wohnsitz haben. Der Einwohnergemeinde liegt im Allgemeinen die Sorge für das Kirchen-, Schul- und Polizeiwesen und der Bürgergemeinde die Sorge für das Vormundschafts- und Armenwesen ob. Als Verwaltungsorgane in diesen beiden Gemeinden funktionieren der Einwohner- und der Bürgergemeinderat.
Dieselben werden von den betr. Gemeindeversammlungen gewählt. Die Amtsdauer jedes Mitgliedes beträgt 4 Jahre. Je das zweite Jahr kommt die Hälfte der Mitglieder in Austritt. Auf je 250 Seelen oder einen Bruchteil von 125 wird ein Mitglied in eine jede dieser Behörden gewählt. Neben der Bürgergemeinde bestehen die Korporations- oder Theilengemeinden. Diese benutzen und verwalten das Korporations- oder Theilengut nach Massgabe ihrer Statutarrechte. Verwaltungsbehörde ist in einzelnen Gemeinden der Bürgergemeinderat und in andern eine auf Grundlage des «Einungs» erwählte und konstituierte selbständige Behörde. Die Heranziehung des Theilengutes zur Tragung der öffentlichen Lasten ist in den verschiedenen Gemeinden verschieden geordnet.
Die Verfassung kann jederzeit ganz oder teilweise revidiert werden. Die Initiative zu einer Verfassungsrevision kann vom Kantonsrate oder von stimmfähigen Landleuten ausgehen. Eine Zahl von 500 aus den letztern kann entweder eine Totalrevision verlangen oder einzelne schon ausgearbeitete Verfassungsartikel an die Landsgemeinde bringen. In jedem Fall aber hat die letztere zu entscheiden.
[Landammann Adalbert Wirz.]
b) Nidwalden. Der Kanton Unterwalden nid dem Wald ist ein demokratischer Freistaat und als solcher ein Glied der schweizerischen Eidgenossenschaft. Die Souveränetät beruht im Volk, indem es sich seine Verfassung und die Gesetze selbst gibt. Unterwalden nid dem Wald bildet mit Unterwalden ob dem Wald den Gesamtkanton Unterwalden. Das staatsrechtliche Verhältnis und die politischen Beziehungen zwischen den beiden Kantonshälften sind bereits bei Unterwalden ob dem Wald erörtert worden.
Das Volk übt seine Souveränetät zunächst an der Landsgemeinde aus, welche die höchste gesetzgebende und Wahlbehörde ist. In kantonalen Angelegenheiten ist jeder Kantonsbürger und rechtlich seit 3 Monaten im Kanton niedergelassene Schweizerbürger, der das 18. Altersjahr zurückgelegt hat und nicht im Aktivbürgerrecht eingestellt ist, stimmfähig. Die Landsgemeinde wird unter freiem Himmel zu Wil an der Aa und, wie in Obwalden, am letzten Sonntag im April abgehalten. Wenn die Witterung ungünstig ist, wird die Pfarrkirche zu Stans als Landsgemeindelokal vorgesehen. Seit der «Bajonnetlandsgemeinde» (im Dezember 1847 unter der Aufsicht der eidg. Okkupationstruppen) wurde sie aber nur zweimal zu diesem Zweck benutzt.
Als Wahlbehörde ernennt die Landsgemeinde die 11 Mitglieder der Regierungsrates auf drei Jahre und aus deren Mitte den Landammann und Landesstatthalter (je auf ein Jahr) und Landsäckelmeister, sowie ein Mitglied in den schweizerischen Ständerat (auf ein Jahr). Ferner wählt sie die Landschreiber, den Landweibel und den Landläufer (Boten) auf 6 Jahre. Gewählt werden kann jeder unbevormundete, stimmfähige Kantons- und Schweizerbürger, der das 20. Altersjahr zurückgelegt hat.
Die Landsgemeinde ist auch die einzige gesetzgebende Behörde des Kantons. Sie stimmt ab über die teilweise oder totale Revision der Kantonsverfassung. 400 Stimmfähige können grundsätzlich die Revision der Kantonsverfassung verlangen und die zu revidierenden Artikel der Landsgemeinde vorlegen. Desgleichen können Kantons- und Gemeindebehörden, Vereine oder auch ein stimmfähiger Kantonseinwohner Gesetzesvorschläge an die Landsgemeinde einbringen; doch hat das jeweilen schriftlich und vor dem 15. Februar an das Landammannamt zu geschehen. Dieses muss sie dann vor dem 1. März dem Landrat vorlegen, der ihre verfassungsgemässe Zulässigkeit untersucht und sie rechtzeitig im Amtsblatt publiziert, damit Gegenvorschläge und Abänderungsanträge eingebracht werden können. Die Landsgemeinde bestimmt ferner die Staatssteuer, erkennt Anleihen, die Fr. 6000 überschreiten, beschliesst über Veräusserung von Staatsgut und erteilt das Kantonsbürgerrecht.
Der Landrat ist nach der Landsgemeinde die oberste Wahl- und die oberste Verwaltungsbehörde. Er besteht aus den Mitgliedern des Regierungsrates und den «Ratsherren», welche im Verhältnis von einem Mitglied auf je 250 Seelen von den Bezirksgemeinden auf eine Amtsdauer von 6 Jahren gewählt werden. Der Landrat wählt das Obergericht und das Kantonsgericht, die Departementsvorsteher des Regierungsrates, den Erziehungs- und Sanitätsrat, den Kantonalschulinspektor und die Gerichtsärzte, den Verhörrichter, den Staatsanwalt, das Forstpersonal, die Polizeidiener u. s. w.
Der Landrat hat ferner diejenigen Geschäfte zu behandeln, welche ihm von der Landsgemeinde übertragen werden; weiters erläutert er die Kantonsverfassung und Gesetze, erlässt die Einführungs- und Vollziehungsverordnungen zu den eidg. und kantonalen Gesetzen und schliesst Verträge und Konkordate mit andern Kantonen, er setzt jährlich den Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben fest, gestattet ausserordentliche Staatsausgaben bis auf Fr. 6000, bestimmt den Salzpreis, erlässt polizeiliche Verordnungen, ist Rekursinstanz gegen Beschlüsse des Regierungsrates, sofern dadurch Verfassung oder Gesetze verletzt worden sind, und ist Begnadigungsbehörde etc.
Der Regierungsrat ist die vollziehende und untere
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Verwaltungsbehörde des Kantons. Demgemäss handhabt und vollzieht er die Gesetze und die landrätlichen Verordnungen, wacht über die öffentliche Sicherheit und polizeiliche Ordnung; er ist die Untersuchungsbehörde in Straffällen, vollzieht die Urteile, ist Obervormundschaftsbehörde und führt die Oberaufsicht über das Betreibungs- und Konkurswesen, über Zivilstandswesen und alle Landesverwaltungen, Gemeinden und Korporationen.
Präsident der Landsgemeinde, des Land- und des Regierungsrates ist der Landammann. Dem Regierungsrat untergeordnet ist der Erziehungsrat, der das Primarschulwesen im Kanton leitet, und der Sanitätsrat, der die Oberaufsicht über das öffentliche Gesundheitswesen führt.
Unterwalden nid dem Wald hat folgende Gerichtsbehörden: a) Den Friedensrichter, der den Sühneversuch zu machen hat und Streitsachen, deren Wert Fr. 20 nicht übersteigt, endgiltig beurteilt. b) Das Kantonsgericht, bestehend aus 7 Mitgliedern. Es beurteilt alle Zivilstreitigkeiten 1) durch einen Ausschuss von 3 Mitgliedern diejenigen von 20-100 Fr. Wert und 2) im Plenum alle Streitfälle über Fr. 100, endgiltig diejenigen bis auf Fr. 300. Es ist ferner Strafbehörde.
Das Urteil, welches eine Freiheitsstrafe über 2 Monate oder eine Geldstrafe über 500 Fr. oder Einstellung im Aktivbürgerrecht über 5 Jahre erkennt, ist appellabel ans Obergericht. c) Das Obergericht besteht aus 9 Mitgliedern und beurteilt die appellierten Zivilstreitigkeiten, welche den Betrag von Fr. 300 übersteigen, ferner immerwährende Rechte und Ehrenhändel, sowie die appellierten Straffälle. Ein Ausschuss des Obergerichts beurteilt Provokationsklagen und amtet zugleich als Konkursgericht.
Mit Bezug auf das Gemeindewesen ist folgendes zu erwähnen: Der Kanton zerfällt 1) in die 7 Kirchgemeinden Stans, Buochs, Wolfenschiessen, Beckenried, Hergiswil, Emmetten und Ennetbürgen, welchen die Wahlen der römisch-katholischen Seelsorgegeistlichen und die Verwaltung der Pfarrkirchen zusteht;
2) in die 11 Bezirksgemeinden Stans, Ennetmos, Dallenwil, Stansstad, Oberdorf, Buochs, Ennetbürgen, Wolfenschiessen, Beckenried, Hergiswil und Emmetten, denen die Wahl der Landratsmitglieder und die politischen Geschäfte und polizeilichen Massregeln zustehen;
3) in die 15 Schulgemeinden Stans mit Oberdorf, Dallenwil, Wiesenberg, Stansstad, Obbürgen, Kersiten, Büren, Buochs, Ennetbürgen, Wolfenschiessen, Altzellen, Ober Rickenbach, Beckenried, Hergiswil und Emmetten, welchen die Sorge für die Primarschule laut Bundesverfassung obliegt;
4) in die 6 Armengemeinden Stans, Buochs mit Ennetbürgen, Wolfenschiessen, Beckenried, Hergiswil und Emmetten, welche das Vormundschafts- und Armenwesen der Gemeindebürger zu besorgen haben. Die Bezirks- und Kirchenräte werden auf 6 Jahre, die Schul- und Armenräte nur auf 3 Jahre gewählt.
Das Korporationswesen wird von den Genossen- oder «Uertegemeinden» verwaltet. Während sie früher die politischen Wahl- und Verwaltungsgemeinden bildeten, sind sie seit 1850 mehr Privatgesellschaften geworden, die ihr Vermögen verwalten und an Staat und Gemeinden versteuern. Den Korporationen ist jedoch ein eigenes Strafgericht zugestanden, das die Uebertretungen der Gesetze und die Frevel am Gut der Korporation bestraft. Appellation an den ordentlichen Richter ist vorbehalten.
[Landammann Wyrsch.]
17. Militærwesen.
Der Kanton Unterwalden stellt mit ganz geringer Ausnahme seine sämtlichen Truppen zur Gottharddivision. Dort bilden sie das Infanteriebataillon 47 Auszug ganz, und zwar stellt hiezu Obwalden die 1.-3., Nidwalden die 4. Kompagnie. Ferner Bataillon 129 Landwehr ebenfalls ganz in der gleichen Einteilung. Ausserhalb des Verbandes der Gottharddivision stellt Nidwalden zum Schützenbataillon 4 die 4. Kompagnie. Die Gebirgsartillerie ist der 2. Abteilung des Gebirgsartillerieregimentes zugeteilt. Auf stellte der Kanton Unterwalden zur eidg. Armee folgende Truppen:
Auszug | Obwalden | Nidwalden |
---|---|---|
Infanterie | 633 | 630 |
Kavallerie | 4 | 9 |
Artillerie | 54 | 39 |
Genie | 33 | 24 |
Sanität | 14 | 27 |
Verwaltung | 5 | 11 |
Stäbe | 6 | 35 |
Total | 749 | 775 |
Landwehr | ||
Infanterie 1. Aufgeb. | 272 | 350 |
Infanterie 2. Aufgeb. | 165 | 227 |
Kavallerie | 2 | 1 |
Artillerie | 40 | 27 |
Genie | 15 | 21 |
Sanität | 19 | 5 |
Verwaltung | 4 | 2 |
Stäbe | 1 | 13 |
Total | 518 | 646 |
Es stellt also Obwalden in Auszug und Landwehr 1267, Nidwalden 1421 Mann. Da Ob- und Nidwalden ungefähr den gleichen Prozentsatz (jeweilen einen der besten in der ganzen Schweiz) militärtauglicher Rekruten haben, sollte Obwalden gemäss der Bevölkerungsziffer einen bedeutend grössern Mannschaftsbestand aufweisen als Nidwalden. Das gegenwärtige umgekehrte Verhältnis wird hauptsächlich bewirkt durch die in Obwalden viel stärkere Auswanderung. Im Jahr 1903 z. B. befanden sich aus Obwalden nahezu 700 Militärpflichtige auswärts, darunter mehr als die Hälfte in Amerika.
In Sarnen und Stans befindet sich je eine Kaserne. Während aber jene nur noch als Waffen- und Ausrüstungsdepot dient, erhält diese noch von Zeit zu Zeit militärische Einquartierung. Das Schiesswesen pflegen in Obwalden 13 und in Nidwalden 9 Schützenvereine.
18. Kirchliches.
Als die ältesten christlichen Kultstätten in Unterwalden werden durch die Ueberlieferung Maria zum Sonnenberg in der Schwende ob Sarnen, St. Niklausen am Schattenberg ob Kerns und St. Jakob zu Ennetmoos bei Stans bezeichnet. Die Ueberlieferung ist so allgemein und bestimmt, und es sprechen die in St. Niklausen und in Ennetmoos bei Restaurationsarbeiten aufgedeckten und von Dr. Rob. Durrer in Stans als ins 14. und 15. Jahrhundert gehörig bezeichneten Wandgemälde dafür, dass dort vielleicht schon in einer frühere Zeit als die Urkunden melden, Kirchen bestanden haben.
Die ältesten nachgewiesenen Pfarreien in Unterwalden sind: Sarnen 1036, Stans 1122, Buochs 1157, Kerns 1173. Fast sicher aber sind alle diese Kirchen noch älter als ihre erste urkundliche Erwähnung. Früher zum Priesterkapitel der Vierwaldstätte und zum Bistum Konstanz gehörig, stellte sich Unterwalden 1814 unter die Leitung des Generalvikars Göldlin in Münster (Kt. Luzern) und schloss sich nach dessen Tod provisorisch an das Bistum Chur an. Bei diesem Provisorium ist es bis heute geblieben. Die Geschäfte mit dem bischöflichen Ordinariat werden durch je einen bischöflichen Kommissar für Obwalden und für Nidwalden besorgt. Grosse Verdienste um das kirchliche Leben Unterwaldens haben sich im 16. Jahrhundert Kardinal Karl Borromäus und dessen Freund und Gesinnungsgenosse Ritter Melchior Lussi von Stans, der Vertreter der katholischen Schweiz auf dem Konzil zu Trient,
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erworben. Kardinal Borromäus bereiste als päpstlicher Delegat Unterwalden, stellte viele Missbräuche ab und tat für Hebung des Klerus das Möglichste; so vermittelte er für Theologiestudierende Unterwaldens mehrere Freiplätze am Seminar zu Mailand, die bis auf den heutigen Tag benutzt werden. Gegenwärtig bestehen in Obwalden die sieben katholischen Pfarreien Sarnen, Kerns, Sachseln, Alpnach, Giswil, Lungern und Engelberg. In Alpnach besteht eine 1873 durch den protestantisch-kirchlichen Hilfsverein der Schweiz gegründete reformierte Pfarrei, die auch eine reformierte Schule, sowie überhaupt die Pastoration sämtlicher Protestanten Unterwaldens besorgt.
Nidwalden hat 7 katholische Pfarreien: Stans, Buochs, Wolfenschiessen, Beckenried, Hergiswil, Emmetten und Ennetbürgen. In ganz Unterwalden zusammen sind überdies bei den Filialkapellen noch rund 12 Filialkapläne angestellt. Klöster bestehen in Unterwalden folgende:
1) Das Benediktinerkloster Engelberg, gestiftet 1120;
2) das Benediktinerinnenkloster St. Andreas zu Sarnen, gestiftet 1254 in Engelberg und 1615 nach Sarnen verlegt;
3) das Kapuzinerkloster zu Sarnen, 1646 gestiftet;
4) das Benediktinerinnenkloster im Melchthal, 1871 gestiftet;
5) das Kapuzinerkloster zu Stans, gestiftet 1581;
6) das Klarissinnenkloster St. Anna zu Stans, gestiftet 1621;
7) das Benediktinerinnenkloster zu Nieder Rickenbach, gestiftet 1862.
19. Schulwesen.
Seit Gründung des Benediktinerstiftes Engelberg (im 12. Jahrhundert) wurde dort eine Schule unterhalten. Eine eigentliche Volksschule entwickelte sich aber erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts, angeregt durch die Beschlüsse des Konziles von Trient. Anfänglich wurde nur in den beiden Hauptorten durch die «Landesschulmeister» Schule gehalten. Aber schon Mitte des 17. Jahrhunderts besass so ziemlich jede Gemeinde ihre Schule. Deren Besuch wurde aber erst vom Ende des 18. Jahrhunderts an allmählig obligatorisch.
Damals machte die helvetische Regierung Anstrengungen, das Obligatorium einzuführen; mehr wirkte aber die Weigerung der Pfarrämter, Kinder, welche nicht lesen konnten, zur ersten Kommunion zuzulassen. 1829 erklärte Nidwalden und 1848 Obwalden durch ein Schulgesetz das allgemeine Obligatorium. Die Entwicklung des höhern Unterrichtswesens begann in Obwalden durch das Eingreifen der 1841 aus Muri vertriebenen Benediktiner, welche das um die Mitte des 18. Jahrhunderts vom Exjesuiten Dillier gestiftete Kollegium nach und nach zu hoher Blüte brachten.
Auch die Gymnasien der Benediktiner zu Engelberg und der Kapuziner zu Stans sind mittlerweile andern ähnlichen Anstalten der Schweiz ebenbürtig geworden. Die Kinder treten mit vollendetem 7. Altersjahr in die Primarschule ein, welche 6 Jahreskurse zu 42 Schulwochen und wenigstens 20 Wochenstunden umfasst. Nachher besuchen sie noch eine obligatorische Fortbildungsschule von jährlich 100-120 Stunden, welche aber in Obwalden grösstenteils durch einen vollen Winterhalbjahreskurs von 5 Monaten ersetzt ist. Folgende Zahlen geben Aufschluss über Bestand und Finanzierung der Schulen für das Jahr 1905:
Schulgemeinden | Schulen | Gemischte Klassen | Knaben Klassen | Mädchen Klassen | Lehrer | Lehrerinnen | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Obwalden | 7 | 48 | 50 | 46 | 45 | 12 | 36 |
Nidwalden | 16 | 18 | 30 | 10 | 11 | 8 | 43 |
: | 23 | 66 | 80 | 56 | 56 | 20 | 79 |
.
Knaben | Mädchen | Ausgaben (inkl. Bundesbeitrag) Fr. | Ernährung und Bekleidung armer Kinder Fr. | |
---|---|---|---|---|
Obwalden | 976 | 1028 | 94708 | 4000 |
Nidwalden | 923 | 923 | 83485 | 7000 |
: | 1899 | 1951 | 178193 | 11000 |
In diesen Ausgaben sind die Zinsen für das in Schulhäusern und Mobiliar angelegte Kapital nicht inbegriffen. Die Zahlen über Ernährung und Bekleidung armer Schulkinder sind unvollständig, da besonders in Obwalden durch Gaben anlässlich der Weihnachtsfeier zu diesem Zweck viel geleistet wird, ohne dass darüber offiziell Rechnung geführt wird. Die Lehrmittel sind nicht unentgeltlich; sie werden aber ärmern Schulkindern aus Geschenken, kirchlichen Fonds u. s. w. angeschafft.
Aus den bestehenden staatlichen Lehrmitteldepôts werden übrigens an die Gemeindeschulen Lehrmittel unter dem Selbstkostenpreis abgegeben. Die Besoldungen der Primarlehrer bewegen sich zwischen 1200 und 2200 Fr.; diejenigen der Lehrerinnen (fast ausschliesslich Schwestern) betragen mindestens Fr. 500. Die Lehrer haben in Obwalden Anwartschaft auf eine Alters- und Invalidenrente von 400 Fr. und auf ein Kapital von Fr. 2000 zu Gunsten der Hinterlassenen. In Nidwalden ist neuestens eine Lehrerunterstützungskasse gegründet worden.
Zwei öffentliche Sekundarschulen und die Privatsekundarschule des Klosters Melchthal unterrichten in Obwalden zusammen 60 Knaben und Mädchen. Nidwalden besitzt 5 Sekundarschulen mit rund 100 Schülern. In den Frauenklöstern Stans und Melchthal bestehen Lehrerinnenseminare. Beide Halbkantone haben Zeichen- und gewerbliche Fortbildungsschulen, die von Kanton, Gemeinden und gemeinnützigen Vereinen finanziert und vom Bund unterstützt werden:
Gemeinden | Schüler und Schülerinnen | Ausgaben Fr. | |
---|---|---|---|
Obwalden | 6 | 90 | 4500 |
Nidwalden | 3 | 312 | 4000 |
: | 9 | 402 | 8500 |
Im Rekrutierungsalter hat jeder Jüngling eine Fortbildungsschule von 90-100 Stunden zu besuchen. In Obwalden wird (im Schützenhaus auf dem Landenberg) alljährlich ein Kochkurs abgehalten, der von 20-25 Töchtern besucht wird. In Nidwalden dienen ein Haushaltungskurs und gelegentliche Kochkurse ähnlichem Zweck. Obwalden besitzt in Sarnen eine kantonale Mittelschule mit Vorbereitungskurs, Realschule, Gymnasium und Lyzeum mit Berechtigung für die eidg.
Medizinalmaturität und im Kloster Engelberg ein gleich organisiertes Privatgymnasium. Beide Anstalten sind von Benediktinern geleitet. Ein Privat-Gymnasium besteht im Kapuzinerkloster in Stans. Alle drei Anstalten werden auch aus der übrigen Schweiz und dem Ausland stark besucht und sind mit Konvikten verbunden. Die Ueberwachung des Primarschulwesen liegt den Gemeinden ob. Diese wählen die Ortsschulbehörden und die Lehrer. Ein Erziehungsrat, dessen Organ der Schulinspektor ist, beaufsichtigt in jedem Kantonsteil das gesamte Unterrichtswesen. Zwecks Ausbildung von
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Primarlehrern und Geistlichen, Technikern und Tierärzten werden Stipendien ausbezahlt.
20. Wohltætigkeitsanstalten.
In frühern Zeiten war die Armenpflege in Unterwalden eine grösstenteils private. Die Armen konnten an dem sog. «Gebtag» je einmal in der Woche in den bessern Häusern milde Gaben in Empfang nehmen. Der Staat oder die Gemeinden taten etwas weniges durch Unterbringung im Siechenhaus oder Spittel und durch Austeilen des Spitalmuses und des «Nördlingergeldes» (so genannt, weil früher statt des Geldes Tuch zu Kleidern, sog. Nördlingertuch, verteilt wurde). Das meiste aber geschah durch die Wohltätigkeit der Klöster und durch fromme Vermächtnisse, wie die Stiftungen des St. Galler Abtes Pankratius und des Chorherrn Stulz aus Strassburg, die Austeilung des Armenbrotes bei kirchlichen Gedächtnissen für Verstorbene u. s. w. Jetzt sind Armenwesen und Waisenpflege überall staatlich geregelt und durch die Bürgergemeinden verwaltet.
Das Vermögen zu Armenzwecken ist nicht gross, so dass die daherigen Auslagen grösstenteils durch die Armensteuern gedeckt werden. In Obwalden existiert in Sarnen und in Nidwalden in Stans ein Kantonsspital; für Unterbringung von heilbaren Irren bestehen Verträge mit ausserkantonalen Anstalten, auch sind die einleitenden Schritte getan zur Schaffung einer gemeinsamen Irrenanstalt für die drei Urkantone. Obwalden besitzt auch einen Stiftungsfonds, dessen Zinsen jährlich für Versorgung armer Irren verwendet werden. Da Waisenkinder so viel als möglich in Familien untergebracht werden, haben nicht alle Obwaldner Gemeinden Waisenhäuser.
Solche bestehen nur in Sarnen, Kerns, Sachseln und Engelberg, welch letzterer Ort zudem noch ein besondres Armenhaus hat. Die Fonds für diese Waisenhäuser wurden grösstenteils durch private Wohltätigkeit gestiftet. In Nidwalden besitzen alle Gemeinden Waisenhäuser, Stans überdies ein neu erbautes Armenhaus. Sozial sehr wohltätig wirken die Krankenvereine und jene geselligen Vereinigungen, die nebst andern Zwecken auch ihre Mitglieder im Krankheitsfall oder im Sterbefall deren Hinterbliebenen unterstützen. Solcher Vereine zählt jede Gemeinde einen oder mehrere. Auch die schon erwähnten alten Siftungen lindern immer noch manche Not. Für ärmere und weit entfernt wohnende Schulkinder bestehen in den meisten Gemeinden Schulsuppenanstalten, die sämtlich auf dem Wege privater Wohltätigkeit gegründet und bis in die letzten Jahre auch ausschliesslich auf diese Weise unterhalten wurden.
[Ed. Etlin.]
21. Geschichtlicher Ueberblick.
Vereinzelte archäologische Funde, vereinzelte Berg- und Ortsnamen, Ausdrücke in der Alpwirtschaft und viele Alpensagen deuten auf eine spärliche - rätoromanische - Urbevölkerung Unterwaldens hin. Dagegen hat die Römerherrschaft in diesen Bergen wohl nie faktischen Boden gewonnen. Die Alemannen scheinen erst in verhältnismässig später Zeit, nachdem das ebene Land von ihnen längst okkupiert war, in die Thäler der Sarner und Engelberger Aa hinaufgedrungen zu sein.
Die Sage deutet die Zugsrichtung ihrer Einwanderung an: von Schwyz aus ergoss sich der Strom der Eroberer durch Unterwalden bis nach dem Berner Oberland. Die kultur- und rechtsgeschichtliche Detailforschung wird diese Tradition bestätigen. Ganz richtig bringt diese nur Schwyz, Unterwalden und das Haslethal, bezw. den obern Teil des Oberlandes in nächsten Stammeszusammenhang und schliesst Uri davon aus. Die späteren urkundlichen Quellen geben dazu ein völlig übereinstimmendes Bild.
Freilich fliessen diese Quellen ungewöhnlich spät. Das angeblich älteste, ungefähr ins Jahr 900 versetzte Schriftstück, welches Giswil, Sarnen und Alpnach nennt, ist als eine Fälschung des 12. Jahrhunderts erwiesen. Die älteste echte Urkunde, die unterwaldische Ortsnamen, und zwar Sarnen, Alpnach und Kerns aufzählt, datiert vom Jahr 1036. Sarnen hatte damals schon eine Kirche; ebenso finden wir ums Jahr 1122, wo der Ort Stans zum erstenmal genannt wird, daselbst bereits eine Kirche vor. Es folgen 1157 die Kirche von Buochs, 1173 die Kirchen von Alpnach und Kerns, 1275 die von Sachseln, Giswil und Lungern.
Bei keiner derselben fällt die erste urkundliche Erwähnung mit der Gründung zusammen, stets wird die betreffende Kirche als längst bestehend vorausgesetzt. Stans ist als die Mutterkirche Nidwaldens und vielleicht ganz Unterwaldens anzusehen; Sarnen ist die älteste Kirche Obwaldens, von der sich Kerns, Alpnach, Sachseln und Giswil ablösten. Als ursprüngliche Filiale der letztern ist Lungern zu betrachten. Von Stans löste sich um 1122 Engelberg und viel später (1439) Wolfenschiessen ab, von Buochs 1454 Emmetten und 1631 Beckenried.
Die ältesten Bezeichnungen des Landes als inter Silvas (12. Jahrh.) und seiner Bewohner als «Waldlüte» (13. Jahrh.) erlauben den sichern Rückschluss, dass es die alemannischen Einwanderer zum grossen Teil als waldige Wildnis vorgefunden. Das weit vorwiegende Verhältnis germanischer Lokalnamen bestätigt im Einzelnen diese Ansicht. Zur Zeit aber, wo die ersten urkundlichen Lichtstrahlen auf diese Thäler fallen, war die Kultivierung des Bodens schon weit vorgeschritten. Es gibt in Unterwalden kaum ein noch so abgelegenes Berggut der Gegenwart, das nicht schon im 13. und 14. Jahrhundert nachweisbar wäre, wobei sich freilich geltend macht, dass die Urbarmachung des Landes von den geschützteren Höhen ausgegangen ist. Den Thalboden durchfurchten die ungebändigten Flüsse; erst zu Anfang des 15. Jahrhunderts wurde die Engelberger Aa, die bisher in ein Delta geteilt in fünf Armen dem Stansstader und dem Buochser Seebecken zufloss, endgiltig in ihr heutiges Bett eingedämmt.
Die ursprünglichen alemannischen Eroberer sind jedenfalls Freie gewesen, aber an der Urbarmachung des Landes kommt unfreien Elementen ein ebenso grosser Anteil zu. Wir finden von Anfang an so ausgedehnten Grossgrundbesitz geistlicher und weltlicher Herren, dass für freie Bauerngüter nur ein beschränkter Raum übrig geblieben sein kann. Unter den Grundherren in Unterwalden erscheinen die Grafen von Lenzburg, welche ihren Besitz in Obwalden vom Jahr 1036 an ihrem Familienstift Beromünster vergabten, während ihre Nidwaldner Güter später an die Grafen von Froburg fielen. Neben Beromünster haben das Gotteshaus Murbach Luzern schon seit den ältesten Zeiten, Muri vor dem 13. Jahrhundert und St. Blasien im Schwarzwald 1173 Grossgrundbesitz in diesen Thälern. Den grössten Teil des Grundes und Bodens von Nidwalden aber absorbierte später das einheimische Kloster Engelberg, das ums Jahr 1120 von dem in Unterwalden ebenfalls reich begüterten Freiherrn Konrad von Seldenbüren gegründet worden ist.
Der Grundstock solcher Klosterbesitzungen war in Fron- oder Dinghöfen organisiert, die durch Meier oder Ammänner verwaltet würden und um welche sich die Zinsgüter gruppierten. Dadurch nun, dass die meisten dieser geistlichen Stifte Immunitätsprivilegien besassen, kraft welcher ihre Güter und die darauf sitzenden Leute der weltlichen Gerichtsbarkeit entrückt waren, bildeten sich eigentliche Grundherrschaften aus.