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Nummulitenkalk besteht und mit den Alluvionen der die NW.- und N.-Flanke von Wandelen- und Arnigrat durchfurchenden zahlreichen Wildwasser überführt ist.
Die Kreideregion zwischen Melchthal und Engelbergerthal beginnt nördl. vom Storeggpass mit dem Schluchiberggrat (2027 und 2108 m) und Gräfimattgrat (2032 m), von wo an sich das jurassische Klippengebiet von Arvigrat (2018 m), Heitliswald und (jenseits des Aecherlipasses) Stanserhorn nordwärts zieht. Die Kreideunterlage erscheint zu einem schmalen Band reduziert und bildet das zum Engelbergerthal sich senkende Gehänge mit dem Gummen (1617 m) und der Wissfluh.
Zwischen die NW.-Flanke von Arvigrat und Stanserhorn einerseits und das Thal von Sarnen-Alpnach andrerseits schiebt sich das mit Sturzschutt und Anschwemmungsmaterial überführte Hügelland von Kerns und Ennetmoos ein, das durch den schmalen Kamm des Muetterschwanderbergs (862 m) und des jenseits vom Rotzloch sich erhebenden Rotzberges (670 m) von der Alpnacherbucht getrennt ist. Jenseits dieser letztern ragt wiederum die Pilatuskette auf, so dass das ganze weite Flyschgebiet an dieser Stelle stark verschmälert und vollständig vom See überflutet erscheint. Jenseits der Ebene von Stansstad setzen sich Pilatus- und Muetterschwanderberg-Rotzbergkette vereint im Bürgenberg (mit Bürgenstock und Hammetschwand; 870 und 1131 m) fort, der die Grenze zwischen Luzern und Unterwalden bildet und zu der Zeit, als die Alluvialböden von Stansstad, Stans und Buochs noch unter Wasser lagen, als Insel aus dem See aufstieg.
Auch die das Engelbergerthal vom Urnersee trennende Bergmasse besteht aus Kreidegesteinen. Ihrem N.-Abfall sind die jurassischen Klippen Buochserhorn, Chlewen und Musenalp anormal aufgelagert. Die Kreidekalke selbst bilden ob Wolfenschiessen den NO. ziehenden Kamm Brisen (2406 m)-Schwalmis (2248 m)-Bauenstock (2120 m), dessen N.-Flanke sich zur Terrasse von Seelisberg und von da zum Sporn bei Treib am Vierwaldstättersee senkt.
Weniger reich gegliedert als die Kreideregion erscheint das Gebiet der Jurasedimente, das nur von einem einzigen Thal, dem der Engelberger Aa, ganz durchschnitten wird. Der Abschnitt zwischen Aare- und Engelbergerthal umschliesst ausgedehnte Alpweiden (Ballis-, Mägis-, Thalalp etc., alle zwischen 1600-1900 m) und trägt stolze Berggestalten: Giebel (2037 m), Brünigshaupt (2314 m), Hohstollen (2481 m) und Glockhaus (2536 m). Zu Füssen der Steilwände von Hohstollen und Glockhaus dehnt sich der Bergkessel des Melchsees mit der Aa-, Melchsee- und Tannenalp (alle zwischen 1700-2000 m) aus.
Die Kette Graustock-Hutstock (2663 und 2679 m) trennt das Gebiet um den Melchsee vom obern Engelbergerthal. Auf der rechten Seite dieses letztern endlich lagert die stolze Gruppe des Uri Rotstocks (2932 m) mit dem Engelberger Rotstock (2820 m), Ruchstock (2812 m) und dem Hahnen (2611 m) ob Engelberg. Den höchsten Punkt der Gruppe stellt jedoch der Blackenstock (2952 m) dar, der mit seinen mächtigen Wänden den Surenenpass beherrscht und sich nach NO. über die Gitschenstöcke bis zum Bärenstock fortsetzt, wo die Jurakalke zwischen dem Gitschen- und Isenthal über dem Flysch Halt machen.
Das letztgenannte Thal greift mit seinen drei Verzweigungen ins Gebiet des Brisen, Engelberger Rotstocks und Uri Rotstocks hinauf. Zum Schluss erübrigt uns die Erwähnung des stolzen Titlis (3239 m), des höchsten Gipfels der Unterwaldner Alpen, dessen Kalkmassen den Kamm der Gadmerflühe im NO. abschliessen. Einerseits beherrscht er das obere Engelbergerthal und andrerseits den aus dem Gadmenthal nach Engelberg hinüberführenden Wendenpass. Ins kristalline Gebiet endlich reicht nur ein kleiner Abschnitt des Kantons mit dem Grassen (2946 m) und Wichelplankstock (2976 m) hinein.
Die Thäler Unterwaldens stehen über zahlreiche Pässe miteinander in Verbindung. Schon genannt haben wir den Brünig (1011 m), den niedrigsten von allen, der das Thal von Sarnen-Lungern mit Meiringen und dem Aarethal verbindet (Eisenbahn). Von Lungern gelangen wir über die Melchalp ins Klein Melchthal und weiterhin über die Seefeldalp ins eigentliche Melchthal. Dieses wiederum steht mit dem Thal von Engelberg über den Juchlipass (2170 m) und den Storeggpass (1740 m) in Verbindung. Aus dem Engelbergerthal führen der Schoneggpass (1925 m) ins Isenthal, der Jochpass (2215 m) über die Engstlenalp ins Genthal und der Surenenpass (2305 m) ins Gitschenthal und nach dem Urner Reussthal hinüber.
3. Hydrographie.
Der Kanton Unterwalden gehört grösstenteils dem Einzugsgebiet des Vierwaldstättersees an, in welchen die Sarner und Engelberger Aa, sowie einige Wasseradern von geringerer Bedeutung (Isenthalerbach und Kohlbach von Emmetten) sich ergiessen. Die beiden Aa halten sich mit Bezug auf Lauflänge und Wasserführung so ziemlich die Wage. Die Sarner Aa entwässert fast das gesamte Gebiet zwischen der Pilatuskette und den Kreidekämmen im SO. und O. (vom Brünig bis zum Stanserhorn).
Die aus dem Flysch im NW. herabkommenden Bäche sind böse Wildwasser, die den leicht verwitternden Boden stark angreifen und zahlreiche Rutschungen veranlassen. Um dem vorzubeugen, sind im Gebiet dieser Wildbäche (besonders der beiden Schlieren und des Lauibachs) umfangreiche und kostspielige Schutzbauten zur Ausführung gelangt. Aus SO. kommen neben zahlreichen minder wichtigen Wildbächen die Kleine und Grosse Melchaa. Letztere mündete einst in der Alluvialebene zwischen Sarnersee und Alpnach und verursachte hier häufige Ueberschwemmungen, worauf man sie in den Sarnersee abgeleitet hat, in dem sie nunmehr ihr Geschiebe ohne alle Gefahr für das Umgelände ablagert.
An stehenden Gewässern besitzt der Kanton ausser der Alpnacherbucht des Vierwaldstättersees in erster Linie den 6 km langen Sarnersee (s. diesen Art.). Dazu kommt noch eine Anzahl von Gebirgsseen. Deren flächengrösster, der Lungernsee, verdankt seine Entstehung (wenigstens teilweise) einem Bergsturz, worauf auch der Mensch durch Tieferlegung des Seespiegels noch ändernd eingegriffen hat (vergl. den Art. Lungernsee). Der Melchsee (1880 m) und der unter dem Gipfel des Brünigshaupt gelegene Seefeldsee fliessen durch Trichter unterirdisch ab. Der Trübsee (1765 m) am Weg von Engelberg zum Jochpass verdankt seinen Namen der Zufuhr von milchig getrübten Gletscherschmelzwassern. Von Bedeutung ist in diesen Kalkbergen die unterirdische Wasserzirkulation, infolge deren zumeist im Niveau der Thalsohlen zahlreiche Quellen von grosser Wasserfülle zutage treten. Wir erwähnen bloss die am Fuss des Hahnen nahe Engelberg sprudelnde Quelle, die Schwarzeggquelle unter dem Arvigrat und Heitliswald, die das Dorf Kerns
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mit Trinkwasser und Triebkraft versorgt, sowie endlich die stets getrübte Quelle des Mehlbaches.
4. Geologie.
Der Kanton Unterwalden deckt sich fast vollkommen mit dem als Aagruppe bezeichneten Abschnitt der Schweizer Alpen. Einzig im NW. greift er etwas auf die Emmengruppe und im SO. ein klein wenig auf die Dammagruppe über. Mit Ausnahme dieser kristallinen SO.-Ecke des Kantons bestehen die Alpen Unterwaldens ausschliesslich aus mesozoischen und tertiären Sedimenten, die an der Bodenoberfläche oft mit quaternärem Glazialschutt, mit Flussanschwemmungen, Verwitterungs- und Sturzschutt überführt erscheinen. Wir geben zunächst eine Uebersicht über alle diese stratigraphischen Glieder:
a) Sturzschutt und Bergstürze. Neben den durch die stetsfortige Verwitterung und Abbröckelung der Felsgesteine geschaffenen Schutthalden und Schuttkegel am Fuss der Gehänge kennen wir in Unterwalden auch einige Schuttablagerungen, die ihr Dasein einem plötzlichen Abbruch verdanken. In erster Linie muss in dieser Hinsicht das mächtige Trümmerfeld genannt werden, das den ganzen Kernwald zwischen Kerns und Rohren umfasst und sich noch am Gehänge bis zum Fuss des Arvigrates und des diesen vom Stanserhorn trennenden Aecherlipasses hinaufzieht.
Nach Kaufmann soll diese eine Fläche von nahe an 800 ha deckende Trümmermasse von einem postglazialen aber immer noch prähistorischen Felssturz vom Arvigrat her stammen. Ein besonders günstiger Umstand für den Abbruch von mächtigen Felsblöcken war hier die im Sinn des Gehänges fallende Auflagerung der Kalkmasse des Arvigrates auf einer aus Gips bestehenden Unterlage. Es handelt sich in unserm Fall sehr wahrscheinlich um eine Reihe von aufeinanderfolgenden Abbrüchen dieser Art. Die Natur der über das Trümmergebiet ausgestreuten Felsblöcke lässt über deren Herkunft keinen Zweifel zu. Sie stammen von einem vorspringenden Sporn des Arvigrates her, der sich einst nordwärts über die Fuhrmatt bis zum Stanserhorn fortgesetzt haben muss. Bedeutende Bergsturztrümmer liegen ferner am Kaiserstuhl bei Lungern, wo sie wahrscheinlich den Wall aufgedämmt haben, hinter dem sich der Lungernsee bildete. Vom Glockhaus und Hohenstollen stammt der Sturzschutt um den Melchsee her. Ein Bergsturz aus neuester Zeit ist derjenige, der 1880 von der Vorderweissenfluh ob Wolfenschiessen niederging.
b) Anschwemmungen. Die Wildbäche und übrigen Wasserläufe haben der Sohle der das Gebirge zerschneidenden tiefen Thäler ganze Haufen von Kies, Sand und Schlamm zugeführt und damit sowohl grössere und kleinere Alluvialebenen geschaffen als auch vor ihrer Mündung eigentliche Deltas in den Seen aufgeschüttet. Sehr zahlreich sind auch die Wildbachschuttkegel. Die Aufschüttungsebene von Engelberg verdankt ihre Entstehung der Ausfüllung eines durch Glazialerosion gebildeten ehemaligen Seebeckens, während die Ebene hinter Grafenort durch Schuttkegel und Bergsturztrümmer, die das Thal abgedämmt haben, entstanden ist.
Einen entscheidenden Anteil an der Mitbestimmung des Landschaftscharakters nehmen die alluvialen Schuttgebilde aber besonders im tiefer gelegenen Landesteil. Hier fällt uns zunächst die Ebene von Stans auf, die die Buochserbucht von der Hergiswiler- und Alpnacherbucht des Vierwaldstättersees trennt und von den Geschieben der Engelberger Aa aufgeschüttet worden ist, wodurch die einstige Insel des Bürgenstocks landfest wurde. Zu diesem Verlandungsprozess hat vermutlich auch der ursprünglich in die Engelberger Aa mündende Mehlbach beigetragen, der dann später durch Moränen nach der Klus des Rotzlochs abgelenkt worden ist.
Die Alluvialebene von Sarnen bis Alpnach verdankt ihre Entstehung teilweise der sehr lebhaften aufschüttenden Tätigkeit der Grossen Schlieren, deren Geschiebe zunächst den Sarner- vom Alpnachersee abschnitten, um dann die so geschaffene Schwelle beständig zu erhöhen. Die Zuschüttung des Sees oberhalb der Schwelle ist in erster Linie von der Melchaa besorgt worden. So erklärt sich der Höhenunterschied von nahezu 34 m zwischen den Spiegeln des Sarner- und des Alpnachersees.
Infolge künstlicher Ablenkung ergiesst sich heute die Melchaa direkt in den Sarnersee. Die kleine Ebene von Kerns bildete einst einen See, dessen Aufschüttung der Voribach und Rufibach, zwei ehemalige Nebenadern des Mehlbaches und durch den Bergsturz des Kernwaldes von ihm abgelenkt, besorgt haben. Von grösserer Bedeutung erscheint die Alluvialebene von Giswil, an deren beständiger Vergrösserung neben andern, kleinern Wildwassern hauptsächlich die Kleine Melchaa und der Lauibach arbeiten. Ein andrer Lauibach, der sich aus dem Zusammenfluss einer Reihe von Quellsträngen am Arnifirst bildet, hat durch Zuschüttung eines Teiles des Lungernsees die Ebene von Lungern geschaffen.
c) Glazialschutt. Von grosser Bedeutung sind die Geschiebe der diluvialen Gletscher namentlich im untern Abschnitt des Landes, wo der Reussgletscher die Ablagerung vermittelt hatte. Aehnliche Schuttmassen finden sich in der Umgebung von Buochs und Stans. Im Innern der Thäler gehören die glazialen Geschiebe dagegen den lokalen Gletschern an, die zeitweise Thalboden und Gehänge überfluteten. Im Sarnerthal macht sich noch die Wirkung eines Armes des diluvialen Aargletschers fühlbar, der über den Brünigpass nordwärts vorgestossen hatte. Am NO.-Ende des Lungernsees liegen bei Bürglen und am Kaiserstuhl zahlreiche erratische Blöcke von oft grossen Dimensionen, die seit langem abgebaut werden und geschätzte Granite zu Bauzwecken liefern.
d) Tertiäre Gebilde. 1. Miozäne Kalknagelfluh, sowie Sandsteine und Mergel der untern Süsswassermolasse finden sich ausschliesslich in der Umgebung von Hergiswil und auch hier nur in sehr geringer Ausdehnung. - 2. Der Flysch umfasst nördl. vom Sarnerthal ausgedehnte Flächen. Er bildet hier das bewaldete und mit Alpweiden bestandene wellige Bergland, das sich der Kette Pilatus-Schrattenfluh anlehnt. Der vorwiegend tonig-schiefrige Flysch verwittert ausserordentlich leicht und veranlasst ungezählte Gehängerutschungen.
Seine Geschiebe werden von den Wildwässern (der Grossen und Kleinen Entlen, der Grossen und Kleinen Schlieren etc.) zu Thal transportiert. Die von Prof. F. J. Kaufmann im Flysch dieser Gegend ausgeschiedenen einzelnen Stufen dürften (z. T. wenigstens) wohl eher blosse Faziesunterschiede darstellen. Der obere oder Sylvanflysch stellt den normalen Flyschtypus dar mit seiner Wechsellagerung von Sandsteinbänken und mergelig schiefrigen Schichten, sowie dem Vorkommen von zahlreichen Fukoiden als Leitfossilien. Ziemlich verschieden davon erscheint der untere Flysch, der hier zum Teil die Nummulitenbildungen vertreten dürfte und in welchem von Kaufmann Lithothamnien- und Globigerinenschichten, sowie Sandsteine und schiefrige Mergel mit Fukoiden unterschieden werden. Dem geologischen Alter nach entsprechen oberer und unterer Flysch dem Oligozän, dieser zum Teil vielleicht noch dem obern Eozän. - 3. Nummulitenbildung. Eozäne Kalke und Kalkschiefer mit zahlreichen Nummuliten, in denen wir zwei Stufen unterscheiden. Die Pektinitenschiefer genannte obere Stufe enthält Nummuliten, Operkulinen, Orbitoiden und einige Zweischaler, während die in ihrer Zusammensetzung abwechslungsreichere untere Stufe hauptsächlich durch die Nummulites complanata und eine reiche Molluskenfauna charakterisiert erscheint.
e) Kreidebildungen. Die obere Kreide umfasst die zusammen dem Senon entsprechenden Wang- und Seewerschichten. Während die Wangschichten im mittlern und westl. Abschnitt auftreten, finden wir im N. Seewerkalk und Seewerschiefer, im S. dagegen einzig Seewerkalk. Die mittlere Kreide (Genoman) ist neben den untersten Horizonten der Seewerschichten noch vertreten durch die glaukonitischen Sandsteine und die Echinodermen-Mergel und -kalke des Gault, der verschieden mächtig ist und manchmal auch ganz fehlt. Er ist sehr reich an Fossilien.
Die mit dem Sammelbegriff «Neokom» bezeichnete untere Kreide besteht aus drei Stufen. Deren erste bildet das Urgon, das hier den Namen Schrattenkalk trägt, sehr widerstandsfähig ist und sich in zwei durch eine Orbitolinenschicht voneinander getrennte Horizonte gliedern lässt. Das Hauterivien, die mittlere Neokomstufe, besteht hier aus dünnen Bänken von manchmal schiefrigen, sehr oft kieseligen und dunkel gefärbten Kalken. Das Valangien als unterste Neokomstufe endlich bildet zwei Horizonte, deren oberer ausserordentlich mannigfaltige Ausbildung,
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Legende: Sturzschutt, Alluvionen, Miozäne Nagelfluh, Untere Molasse (Ralligsandst.) Nummulitenformation & Flysch (Eozän), Obere & mittlere Kreide, Urgon, Hauterivien & Valangien (Untere Kreide), Neokom (inkl. Urgon), (Untere Kreide), Oberer Malm, Unterer Malm (Argovien & Divésien), Dogger, Lias, Trias, Dogger-Trias-Perm (Zwischenbildungen), Gneis kristalline Schiefer, Gleitfläche der überschobenen Decken & Verwerfungen. Nach den Arbeiten von Moesch, Kaufmann, Arbenz, Tobler & Buxtorf.
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zeigt (gelbe, graue und mehr oder weniger dunkle Kalkmergel, dichte Korallen- oder oolithische Kalke), während der untere, die sog. Berriasschichten, in der Hauptsache schiefrig, nur selten kalkig und fast immer von dunkler Farbe sind.
f) Juragebilde. Der Malm oder obere Jura erscheint durch zwei gut geschiedene Stufen vertreten: das auch unter dem Namen Hochgebirgskalk bekannte Tithon und den Schiltkalk samt Argovien- und Divésienschiefer, welches Gebilde manchmal als «Oxford» zusammengefasst wird. Der Dogger oder mittlere Jura besteht zuoberst aus Schiefern und Kalken, die zuweilen (an der Erzegg) Linsen von Eisenerz enthalten, und tiefer unten aus dunkeln, gelb anwitternden Echinodermenkalken. Der Lias oder untere Jura endlich ist durch dunkle Schiefer, sowie sandige, fast quarzitische und manchmal echinodermische Kalke vertreten.
g) Trias. Am Jochpass steht ein Band von Rätkalken an, unter welchem bunte Quartenschiefer und Quarzsandsteine, sowie als Liegendes der Rötidolomit erscheinen.
h) Das obere Karbon ist in der schmalen Zone der «Zwischenbildungen» am Fuss des Titlis, die den Hochgebirgskalk vom Gneis scheiden, als Sandsteinbank von wechselnder Mächtigkeit vertreten.
i) Gneis und kristalline Schiefer finden sich auf einem kleinen Gebiet südl. vom Titlis und gehören hier dem N.-Rand des Aarmassives an.
Die im vorstehenden kurz skizzierten Formationen, Serien und Stufen weisen eine sehr verschiedene horizontale Verbreitung auf. Die von der Schrattenfluh über den Pilatus zum Bürgenstock ziehende Kette besteht ausschliesslich aus Eozän- und Kreidebildungen. Zwischen ihr und der vom Brienzergrat über den Schinberg, Arvigrat, Brisen und Bauenstock bis zum Seelisberg ziehenden Kette, die ebenfalls aus Kreidegesteinen (mit einigen wenigen Vorkommnissen von Malm) aufgebaut ist, liegt ein weites Flysch- und Eozängebiet.
Nun trägt aber dieses zwischen zwei Kreideketten eingelagerte Tertiärbecken auf seiner Flyschfüllung eine Reihe von sehr bedeutenden Fetzen triadischer, jurassischer und kretazischer Bildungen in anormaler Lagerung und von ihrer Wurzel losgelöst auf jüngern Formationen schwimmend. Wir meinen die Giswilerstöcke, den Arvigrat, das Stanserhorn und Buochserhorn, den Chlewen und die Musenalp. Die Gesteine dieser sog. Klippen weichen von den gleichalterigen, normal beschaffenen Schichten des Gebietes wesentlich ab und haben ihresgleichen erst wieder im Gebiet des Stockhorns überm Aarethal drüben.
Der Jurakalk der Unterwaldner Alpen sieht sich nach S. zurückgedrängt und steht bloss zwischen der Kette Brienzergrat-Brisen-Bauen und einem zuerst schmalen Flyschband an, das dem Genthal folgt und sich über den Jochpass und Surenenpass bis ins Gitschenthal verfolgen lässt, indem es sich zugleich infolge fortschreitender Abtragung der auflagernden Schichten durch Erosion und Verwitterung stetig verbreitert. Diese Flyschzone ihrerseits wird von den Gneisen des Aarmassives durch eine Reihe von Juraschichten getrennt, in denen der sehr mächtig entwickelte Hochgebirgskalk des Malm vorherrscht. Eine schwache Einlagerung von sog. Zwischenbildungen, in denen sich Dogger, Lias, Trias und sogar Karbon nachweisen lässt, scheidet diesen Malm vom Gneis.
Die verschiedenen Kalkzonen der Alpen Unterwaldens sind lange Zeit als autochthone, d. h. an Ort und Stelle entstandene Faltungen der Erdrinde betrachtet worden. Doch erschien es immer seltsam, dass z. B. in der Pilatuskette die Kreide- und Tertiärschichten in Gestalt von bis auf dreifach übereinandergelegten Schlingen so energisch gefaltet sich zeigen, während die Juraformation ganz fehlt und sogar die älteste Neokomstufe (die Berriasschiefer) nicht mehr zutage ansteht.
Das nämliche gilt für die vom Brienzergrat zum Brisen ziehende Kette. Südl. einer schmalen Flyschzone in der Gegend von Grafenort sieht man über einer verkehrt gelagerten Serie von Neokom Berge sich erheben, die aus übereinander gelegten Jurafalten (mit einigen untergeordneten Einfaltungen von unterstem Neokom oder Berrias) aufgebaut erscheinen. Es sind dies die Jurakerne der Kreidefalten, die sich nach erfolgter Lostrennung von der Juraunterlage in langgezogenen Schlingen entwickelt haben.
Die Flyschzone Genthal-Jochpass-Surenen-Gitschenthal besteht aus den nämlichen Schichtgliedern wie die Zone Grafenort-Schoneggpass-Isenthal, die ihrerseits wieder unter der Tertiärmulde Habkern-Buochs hindurch mit dem Flysch am N.-Rand der Pilatuskette in Verbindung steht. Dabei bleibt sie aber von dem die erwähnte Mulde ausfüllenden Flysch durch die die Pilatuskette mit der Kette Brienzergrat-Brisen unterirdisch verbindenden Kreideschichten getrennt. Es wurzeln demnach weder die Kreideketten noch die Jurafalten nördl. der Zone Genthal-Jochpass-Surenen in der Tiefe; sie schwimmen vielmehr gleichsam auf der tertiären Grundlage und erscheinen vollständig von ihren Wurzeln losgerissen, die sich südl. vom Aar- und Gotthardmassiv befinden müssen.
Einzig der Jura der Titliszone kann als autochthoner, d. h. an Ort und Stelle «gewachsener» Fels bezeichnet werden. Alles übrige ist von S. her eingewandert. Die beigegebenen drei geologischen Querprofile sollen unsere neuen Ansichten über die Tektonik des Gebietes verdeutlichen, so weit es die heutigen Kenntnisse zu tun gestatten. Aus diesen Profilen ist ersichtlich, wie das gesamte gefaltete Mesozoikum der Unterwaldner Alpen einer Unterlage aus Flysch aufsitzt. Es bildet zwei grosse Hauptdeckfalten mit mehreren Verzweigungen, die gleichsam durch Abgleiten an ihre heutige Stelle gelangt sind. Dieses Abgleiten erklärt auch die Bogenform der Ketten, besonders derjenigen von Schrattenfluh-Pilatus-Bürgenstock.
Etwas anders erklärt sich das Vorhandensein der bereits erwähnten Klippen (Giswilerstöcke, Arvigrat, Stanserhorn, Buochserhorn, Chlewen und Musenalp). Diese ebenfalls dem Flysch auflagernden Schichtenpakete sind die letzten von der Erosion verschonten Ueberreste einer weiten ehemaligen Deckfalte, die sich über alle vorhergehenden Falten gelegt hatte. Nach der Herausmodellierung durch die Erosion erlitten dann diese Rudimente durch den Transport auf dem Rücken der von S. nach N. abgleitenden tiefern Deckfalten noch weitere Dislokationen, aus welchem Umstand sich ihre regellose Struktur leicht erklärt. Die Faziesunterschiede zwischen den Klippengebilden und den Schichten der tiefern Deckfalten sind eine natürliche Folge der grossen horizontalen
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Distanzen zwischen den Schichtgliedern beider Gebiete vor ihrer Faltung.
Bibliographie. Kaufmann, F. J. Geolog. Beschreibung des Pilatus. (Beiträge zur geolog. Karte der Schweiz. 5, 1867). - Kaufmann, F. J. Emmen- und Schlierengegenden nebst Umgebungen. (Beiträge. 24 I, 1886). - Stutz, Ulr. Das Keuperbecken am Vierwaldstättersee. (Neues Jahrb. für Mineralogie und Geol. 1890). - Mœsch, C. Die Kalk- und Schiefergebirge zwischen dem Reuss- und Kienthal. (Beiträge. 24 III, 1894). - Tobler, A., und A. Buxtorf. Programm und Berichte über die Exkursionen in die Klippenregion am Vierwaldstättersee 1905. (Eclogae geolog. Helvetiae. IX 1, 1906). - Arbenz, P. Zur Geologie des Gebietes zwischen Engelberg und Meiringen, (Eclogae geolog. Helvetiae. IX 4, 1907). - Schardt, H. Die modernen Anschauungen über den Bau und die Entstehung des Alpengebirges. (Verhandl. der schweizer. Naturf. Gesellsch. 89, 1907).
[Prof. H. Schardt.]
5. Klima.
Aus dem Gebiete des Kantons Unterwalden, das im grossen Ganzen zusammenfällt mit dem Einzugsgebiet der Sarner und Engelberger Aa, besitzen wir nur von relativ wenigen Orten Niederschlagsmessungen; da diese wenigen aber günstig verteilt sind, lassen sich die Niederschlagsverhältnisse unsres Gebietes doch gut übersehen. Es betragen die jährlichen Regenmengen (reduziert auf die 40jährige Periode 1864-1903):
Höhe üb. M. m | Regenmengen mm | |
---|---|---|
Sarnen | 490 | 1037 |
Brünig | 1010 | 1650 |
Stans | 456 | 1370 |
Engelberg | 1018 | 1700 |
Pilatus | 2070 | 1470 |
Das im Lee der Pilatusketten gelegene Nidwalder Hauptthal ist verhältnismässig trocken; vergleiche Sarnen (1037 mm) mit Luzern (1170 mm) und Stans (1370 mm). Natürlich gilt dies nur für die Quantität der Niederschläge, während die Häufigkeit ungefähr die selbe ist. Mit dem Ansteigen des Terrains am südl. Ende des Sarnersees nimmt die Regenmenge am Kaiserstuhl dann rasch zu, um auf dem Brünig etwa 1650 mm zu erreichen. Stans auf der Luvseite des Stanserhorns hat über 300 mm mehr Niederschlag als Sarnen; das hochgelegene Engelberg kommt auf 1700 mm. Die Messungen auf dem Pilatus ergeben entschieden zu kleine Resultate (Unmöglichkeit, den Regenmesser windgeschützt aufzustellen). Für Engelberg, das die längste Beobachtungsreihe hat, mögen die Niederschlagsmengen der einzelnen Monate folgen.
Engelberg: Monatliche Regenmengen 1864-1903:
mm | mm | ||
---|---|---|---|
Januar | 68.9 | Juli | 240.1 |
Februar | 74.3 | August | 236.1 |
März | 100.1 | September | 161.9 |
April | 124.2 | Oktober | 152.7 |
Mai | 151.1 | November | 89.2 |
Juni | 211.1 | Dezember | 90.3 |
: | Jahr | 1700.0 |
Die Monatsmittel der Temperatur (reduziert auf die Periode 1864-1900) betragen:
Monat [°C.] | Sarnen | Engelberg | Brünig | Pilatus |
---|---|---|---|---|
Januar | -1,7 | -3,9 | -2,4 | -6,2 |
Februar | 0.2 | -1,9 | -0,9 | -5,7 |
März | 3.3 | 0.3 | 1.6 | -5,5 |
April | 8.4 | 4.8 | 5.6 | -2,0 |
Mai | 12.4 | 8.9 | 9.8 | 1.7 |
Juni | 16.1 | 12.4 | 13.0 | 5.3 |
Juli | 18.1 | 14.2 | 15.3 | 8.1 |
August | 16.9 | 13.3 | 14.4 | 7.9 |
September | 13.8 | 10.7 | 11.8 | 6.3 |
Oktober | 8.1 | 5.6 | 6.5 | 1.3 |
November | 3.4 | 0.8 | 1.8 | -2,3 |
Dezember | -0,9 | -3,1 | -1,7 | -5,4 |
Jahr: | 8.2 | 5.1 | 6.2 | 0.3 |
Sarnen hat - auf die gleiche Meereshöhe reduziert - annähernd die Temperatur von Luzern. Der Brünig ist als freigelegene Station im Winter beträchtlich wärmer als das Engelberger Hochthal; auch im Sommer beträgt die Differenz noch etwa 1 Grad, um welchen das inmitten hoher Berge gelegene, niederschlagsreiche Engelberg kühler ist. Die mittlern Jahresextreme der langjährigen Station Engelberg sind -17,9° und 25,8 °C.
Im Thal der Sarner Aa sind die Bewölkungsverhältnisse annähernd diejenigen des Mittellandes;
Jahresmittel der Bewölkung von Sarnen (1896-1905) = 6,7;
Winter (Dezember-Februar) 7,3;
der Winter ist also recht trübe.
Dagegen hat das Engelberger Hochthal schon einen hellen Winter (5,2) und beginnt sich deshalb auch als Winterkurort und Wintersportsplatz zu entwickeln. Zahl der hellen Tage in Engelberg: Winter 26,8;
Frühjahr 18,8;
Sommer 17,8;
Herbst: 23,3;
Jahr 86,7.
[Dr. R. Billwiller.]
6. Flora.
(Nomenklatur auf Wunsch des Verfassers genau nach seinem Manuskript. [Redaktion].)
Unterwaldens Thäler gehören der Föhnzone an. Engelberg ist einer derjenigen Orte der Schweiz, an denen der Föhn, der hier hauptsächlich der Linie Gadmen-Jochpass-Engelberg-Stans folgt, am häufigsten und mit der grössten Stärke weht. Ein bedeutender Einfluss kommt dem Föhn auf die Vegetation zu, die in Unterwalden (nach Rhiner) 1166 Arten umfasst. Am deutlichsten äussert sich dieser Einfluss in dem (ehemaligen) Auftreten von Kastaniengruppen in Kersiten und Ennetbürgen.
Von weitern Charakterpflanzen der Föhnregion seien genannt: Viola odorata und V. alba, Sedum maximum und S. hispanicum, Primula acaulis und Asperula taurina (in den tiefern Thälern überall vorkommend), Evonymus latifolius (von Stans bis Grafenort), Tamus communis (Grafenort, Lungern), Muscari racemosum, Carex humilis und C. alba, Andropogon Lasiagrostis (bis Lungern hinauf), Linaria cymbalaria und Echinospermum Lappula (Stans), Eragrostis pilosa (Sarnen), Hypericum Coris (Emmetten und Seelisberg), Cyclamen europaeum (Seelisberg). Im nämlichen Gebiet gedeihen zahlreiche Rosen, wie Rosa agrestis, R. tomentosa, R. tomentella und R. rubiginosa, sowie namentlich R. abietina (im untern Landesteil und im Sarnerthal). Das Sumpfland der untern Region bietet Peucedanum palustre, Scrofularia Neesii, Salix aurita, Orchis Traunsteineri, Spiranthes
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aestivalis, Potamogeton plantagineus und andre Laichkräuter, Sparganium natans, dann Binsen, Zypergräser und Wollgräser, Oryza clandestina, Lycopodium inundatum und Aspidium, Thelypteris; seltener und an bestimmte Standorte gebunden sind Helosciadium repens (Stansstad), Cyperus longus und Acorus calamus (bei Sarnen), Crepis praemorsa (Kerns), Rhynchospora fusca (Stans). Die Wälder der untern Zone beherbergen u. a. Lunaria rediviva, Circaea intermedia und C. alpina, Pirola uniflora, Monotropa hypopitys, Veronica montana, Asarum europaeum, Listera cordata. Cypripedium calceolus, Carex maxima, Festuca silvatica, Aspidium, lobatum und A. Lonchitis.
Einige Standorte an der SO.-Grenze, d. h. im Gebiet von Titlis und Grassen, bieten uns auf ihrer Gneisunterlage eine Anzahl von Pflanzentypen der kristallinen Alpen, wie Aquilegia alpina, Potentilla frigida, Saxifraga Cotyledon und S. bryoides, Gentiana punctata, Androsace glacialis, Primula viscosa und Carex lagopina. Sonst ist die alpine Flora Unterwaldens diejenige der Kalkalpen überhaupt. Erica carnea ist überall gemein, und Rhododendron hirsutum (am Stanserhorn mit weissen Blüten) steigt bis nach Hergiswil am Vierwaldstättersee herunter.
Felsige Standorte bieten Arabis pumila, Silene rupestris, Coronilla vaginalis, Potentilla caulescens, Saxifraga caesia, Seseli libanotis, Veronica fruticulosa, Globularia cordifolia, Primula auricula (den seltenen Bastard Primula viscosa×auricula am Trübsee), Carex Firma und C. tenuis, Aspidium rigidem, das schöne Delphinium elatum (Surenen und Melchsee), Petrocallis pyrenaica (am Pilatus und Krisen), Oxytropis Halleri (mehrfach) und Viola collina (Arnigrat).
Von interessanten Hochalpenpflanzen seien genannt: Viola lutea (sehr häufig namentlich am Melchsee), Cerastium alpinum;
Draba Johannis, D. frigida und D. tomentosa (Juchlipass, Widderfeld), Phaca australis, Alchimilla subsericea, Bupleurum simplex, Leontopodium alpinum, Hypochaeris uniflora, Soyeria montana, Crepis alpestris, zahlreiche Habichtskräuter, Phyteuma betonicifolium und Ph. hemisphaericum, zahlreiche Enziane, Pedicularis recutita, P. tuberosa und P. versicolor, Androsace helvetica;
die bis zum Melchsee vordringende ostalpine Primula integrifolia, Soldanella pusilla, Rumex nivalis (Erzegg und Surenen), Empetrum nigrum, die alpinen Weiden (Salix), Juncus trifidus und J. Jacquini, Elyna spicata Carex curvula, Trisetum subspicatum;
Fesluca alpina, F. rupicaprina und F. Halleri.
Die obersten Schutthalden beherbergen Ranunculus glacialis, Viola cenisia, Geum reptans, Galium helveticum, Aronicum scorpioides, Crepis hyoseridifolia, Campanula cenisia, Linaria alpina, Oxyria digyna, Callianthemum rutaefolium (Schöngiebel).
Viele Arten endlich sind an bestimmte Standorte gebunden: Papaver alpinum (Pilatus, Schwalmis), Potentilla minima und Sedum annuum (Pilatus), das prachtvolle Eryngium alpinum («Distelband» am Jochpass), Meum athamanticum (Buochserhorn), Saxifraga stenopetala (Sureneneck), Inula Vaillantii (Giswil), Willemetia hieracioides (Hürithal), Orobanche flava (Herrenrüti), Gentiana tenella und Artemisia spicata (Hochstollen), Sweertia perennis und Allium sibiricum (am Fuss des Giswilerstocks), Potamogeton rufescens (Lutersee und Melchsee), Lilium croceum (Lopperberg), Carex bicolor (Melchsee, Tannenalp), Asplenium Adiantum nigrum (Grafenort, Pilatus).
Noch seltener sind Malaxis monophylla (Brünig, Kesselerwald), Aspidium Braunii mit dem Bastard A. Braunii×lobatum (Herrenrüti, Arnitobel); endlich das äusserst seltene Botrychium simplex, das ob Engelberg seinen einzigen Standort in der Schweiz hat. Von Unterwaldens Flora als ganzes sagt H. Christ (Unterwaldner Alpen; Itinerar des S. A. C. für 1875): «Dieser nicht durch Reichtum an seltenen Arten sich auszeichnende Alpenflor ist dagegen ausnehmend üppig, blumenreich und frisch, und selten wird man schönere Gruppen von hochalpinen Blüten finden als auf der weiten Flur der Melchseealpen oder an den Hängen des Engelberger Reviers».
[Prof. H. Jaccard.]
7. Fauna.
Die Tierwelt Unterwaldens zeigt keine grossen Abweichungen von derjenigen des übrigen schweizerischen Alpen- und Voralpenlandes. Am frühesten von den historischen Jagdtieren starb der Steinbock aus, immerhin erwähnt ein gesetzgeberischer Erlass aus dem 16. Jahrhundert noch sein Vorkommen. Länger hielt sich der Bär. 1753 wurde der letzte Bär in der Gemeinde Alpnach erlegt, 1820 der letzte in Nidwalden gesehen und längere Zeit verfolgt, aber nicht erlegt. Häufiger war der Wolf, deren im 19. Jahrhundert noch über ein Dutzend erlegt wurden, der letzte 1834 in der Alp Gerlismatt (Gemeinde Sarnen).
Das Erscheinen eines grossen Raubtieres brachte in alten Zeiten jeweilen die ganze Gegend in Aufruhr: es wurde «über das Unthier gestürmt», und dann mussten alle männlichen Bewohner über 14 Jahre, «die es lübs halben vermögen» zur Treibjagd ausrücken. Darauf wurde der erlegte Wolf unter Trommler- und Pfeiferbegleitung von der ganzen Jagdgesellschaft dem Landammann ins Haus gebracht und das Ereignis durch einen frohen Trunk gefeiert. Weil aber 1734, wie der Chronist meldet, bei diesem Anlass «etwas Unzukömmlichkeit und Unglück entstanden», wurde verordnet, dass in Zukunft nur mehr 12 Mann den erlegten Wolf «einbegleiten» dürften.
Ziemlich häufig war früher auch der Luchs; der letzte wurde in Nidwalden 1759 erlegt. Auffälligerweise wurde dieses blutdürstige Raubtier meistens in der Falle gefangen. Wildkatzen waren stets seltene Gäste; 1906 wurde die letzte in Kersiten erbeutet. Der Otter kommt ganz sporadisch vor, und es vergehen 20-30 Jahre, ohne dass einer gespürt wird. 1876-1892 stellte er sich dagegen häufig ein, wurde Standwild und in einer Anzahl von rund 30 Stück erlegt. Dachs und die verschiedenen Marderarten kommen nicht häufig, aber doch überall vor.
Viel häufiger ist der Fuchs, und Unterwalden liefert jährlich auf den «alten Markt» (den Pelzmarkt) in Luzern jeweilen 200-300 Stück. Die letzten Jahre, während welcher für einen Balg 15 und mehr Fr. bezahlt wurden, haben unter diesem roten Räuber ziemlich aufgeräumt. Das Wildschwein war stets selten und wanderte nur von aussen ein; 1864 wurde eines im Kernwald erlegt. Der Hirsch kam früher stets in Unterwalden vor. Dass es ihm hier gut behagte, zeigen die auf dem Rathaus in Stans befindlichen prächtigen Geweihe von 14 und 15 Enden.
Seit Mitte des 18. Jahrhunderts wird sein Vorkommen nicht mehr erwähnt; um so erfreulicher ist es daher, dass er unter den jetzigen geordneten Jagdverhältnissen sich wieder einstellt, was durch persönliche Beobachtungen und Abwurfstangen zweifellos festgestellt ist. Das Reh war früher stets selten, trotzdem es nahezu immer gebannt war. Nach Gehörnen aus früherer Zeit zu schliessen, entwickelte es sich aber in einzelnen Exemplaren vorzüglich. Anfangs des 19.
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Jahrhunderts verschwand es gänzlich; erst unter dem Schutz der neuen Jagdgesetzgebung stellte es sich wieder ein und ist nun, trotzdem es ganz unweidmännisch mit Braken gejagt wird, als ziemlich häufig anzusprechen. Es werden jährlich, hauptsächlich in Obwalden, etwa 6-10 Stück erbeutet. Wilderer und zu verbotener Zeit jagende Hunde vertilgen zweifelsohne noch mehr. Viel häufiger noch als das Reh ist die Gemse, die einen jährlichen Abschuss von 30-50 Stück aufweist.
Nachdem in Unterwalden schon in frühern Jahrhunderten stets grössere Schonreviere (Bannberge) bestanden hatten, wurde nach Einführung des neuen eidg. Jagdgesetzes in den 1870er Jahren wieder ein Bannbezirk geschaffen. Er umfasst jetzt das Gebiet Geissberg-Walenstöcke-Urirotstock, reicht von den Ufern der Melchaa im Melchthal bis Isleten am Urnersee und umfasst Unterwaldner und Urner Gebiet. Es mögen in diesem Schongebiet 200-250 Gemsen stehen.
Feld- und Alpenhasen werden alljährlich ziemlich viel erlegt. Der Adler ist jetzt noch als Nist- und Standvogel anzusehen. 1904 wurde ein Horst in Engelberg geplündert, 1906 das Ausnehmen eines solchen in der Risletenfluh (Gemeinde Sachseln) glücklicherweise verpasst und 1907 dem gleichen Horst ein Junges entnommen. Es ist wirklich sehr zu bedauern, dass diesem grössten Vogel unserer Berge so rücksichtslos zu allen Zeiten der Vernichtungskrieg gemacht wird.
Auf solche Weise wird diese Zierde der Alpen in absehbarer Zeit vernichtet sein, was um so mehr zu bedauern ist, als der Schaden, den der Vogel bei seiner grossen Seltenheit und seinem weitausgedehnten Jagdrevier in Wirklichkeit anstiftet, zweifelsohne ein sehr minimer ist. Schon längst verschwunden ist aus Unterwalden der Lämmergeier, während noch in neuerer Zeit am Pilatus ein Geier erlegt wurde. Der grosse Uhu ist, wenn auch nicht häufig, doch noch ständiger Brutvogel.
Die Sperlingseule wurde ein einzigesmal beobachtet als Nistvogel. Auer- und Birkhühner verschwinden leider immer mehr; das Rackelwild ist ein seltenes, doch sicher beobachtetes Vorkommnis. Als seltene, aber ebenfalls sicher beobachtete Gäste sind überdies noch anzuführen: der Schreiadler, der Bienenfresser, der Seidenschwanz, die grosse Trappe, der Kranich und die weisswangige Meergans. Der Storch, nach alten Ueberlieferungen früher hier nicht selten, ist ganz verschwunden, wie sich überhaupt ein starkes numerisches Zurückgehen der gesamten Vogelwelt auffällig erkennbar macht.
An Reptilien zählt Unterwalden sieben Arten, unter denen die Kreuzotter äusserst selten und zwar nur an der Bernergrenze in der Gegend des Jochpasses bis hinunter nach Gerschni und Herrenrüti beobachtet wurde. Häufiger als man gewöhnlich glaubt, findet sich unter den Lurchen die Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans), hierzulande wegen ihrer metallisch klingenden Stimme «Glöcklikrot» genannt. Als sicher vorkommend und sich fortpflanzend wurde im Alpnacherarm des Vierwaldstättersees schon mehrmals die Sumpfschildkröte (Emys europaea) konstatiert. An Fischen ist Unterwalden, das ausser dem Vierwaldstätter-, Sarner- und Lungernsee noch mehrere kleinere Alpenseen nebst vielen Bachläufen und zwei Flüssen in seinem Gebiet zählt, ziemlich reich, indem sich 27 verschiedene Arten nachweisen lassen. Im Vierwaldstättersee kommen mehrere Felchenarten vor, so der gewöhnliche Balchen (Coregonus Schinzii helvelicus), dann Weiss- und Edelfisch und sporadisch auch der Zugerrötel.
Zeitweise bilden hier die Coregonen das Hauptfangobjekt. Längs dem Bürgen- und Lopperberg sind sehr stark besuchte Balchenlaichplätze vorhanden. Den Sarnersee belebt, aber nicht häufig, der Balchen, sowie eine dem Edelfisch (Coregonus Wartmanni nobilis) des Vierwaldstättersees nahestehende, aber nach Fatio doch wieder etwas verschiedene Form. Nach dem gleichen Forscher beherbergt der Lungernsee den Albock (Coregonus Wartmanni alpinus), welcher der im Thuner- und Brienzersee vorkommenden Art sehr nahesteht. Im Seefeldseelein (1900 m) auf Boden der Gemeinde Sachseln haben die Trüschen wahrscheinlich den höchsten Standort in der Schweiz. Es werden aber keine grössern als höchstens 800 gr schwere gefangen. Sie unterscheiden sich von den Trüschen der Thalseen einzig dadurch, dass sie im Vorsommer mit Vorliebe an ganz seichten Stellen sich tagelang sonnen. Zu bemerken bleibt, dass der Seefeldsee wenigstens während 6 Monaten ununterbrochen zugefroren ist.
8. Bevœlkerung.
Unterwaldens Bevölkerung ist alemannischen Ursprungs. Einzelne Wortformen, speziell auf dem Gebiet der Viehzucht und Milchwirtschaft, könnten vielleicht darauf hindeuten, dass vor den Alemannen schon ein Volk romanischen Stammes in Unterwaldens Gauen sesshaft gewesen war oder doch seinen Einfluss bis hieher geltend machte. Die jetzt gesprochene Mundart ist ein Zweig des Alemannischen und unterscheidet sich im Kanton selbst nahezu in jeder Gemeinde wieder auffällig, so dass ein geübtes Ohr in Obwalden wenigstens 5, in Nidwalden 3 Dialektformen unterscheiden kann.
Natürlich verwischt die neue Zeit diese Details immer mehr. Unterwalden als ein hauptsächlich und früher ausschliesslich Viehzucht treibendes Land war von jeher nur mässig bevölkert, und es ist anzunehmen, dass die Vermehrung der Bevölkerung stets eine langsame war. Stark zugenommen hat die Bevölkerung in den Dörfern, gleich geblieben oder eher zurückgegangen ist sie auf dem Land, besonders nach der obern Grenze hin, wo sozusagen alle die jetzt existierenden Heimwesen schon vor Jahrhunderten bewohnt waren, die entlegendsten sogar zahlreicher als jetzt. Auch rafften Kriege und Seuchen in vergangenen Zeiten öfters so viele Opfer dahin, dass man annehmen muss, die Bevölkerung sei schon dazumal nicht sehr erheblich geringer gewesen als jetzt. Die früheste Volkszählung datiert von 1815 und ergab eine Bevölkerung von 21000 Seelen. Spätere Zählungen ergaben:
Jahr | Obwalden | Nidwalden | Total |
---|---|---|---|
1835 | 13120 | 10480 | 23600 |
1860 | 13376 | 11526 | 24902 |
1888 | 15043 | 12538 | 27581 |
1900 | 15247 | 13053 | 28300 |
1905 | 15343 | 13272 | 28615 |
Eine Erklärung zu diesem langsamen Bevölkerungszuwachs gibt uns auch die eidg. Statistik über Ehe und Geburt für den Zeitraum 1871-1890. Auf je 1000
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unverheiratete Männer im Alter der Ehefähigkeit heirateten in Nidwalden 44 (19. Rang der Kantone) und in Obwalden 37 (23. Rang). Nur Wallis und Uri zeigen noch geringere Zahlen. Auf je 1000 lebende Personen entfallen jährlich Geburten: in Nidwalden 30,8 (13. Rang der Kantone) und in Obwalden 27. Hinter diesen Zahlen stehen nur noch Graubünden und Genf zurück. Auf je 1000 lebende Personen sind verheiratete Frauen: in Nidwalden 105 (20. Rang) und in Obwalden 96 (letzter Rang).
Dafür aber dauern die Ehen lange: in Obwalden durchschnittlich 28,1 Jahre (länger nur im Tessin mit 28,4 Jahren) und in Nidwalden 22,8 Jahre. Ebenso sind die Ehen ziemlich kinderreich, und es stehen in dieser Beziehung Nidwalden mit 5,2 Kindern im 9. Rang und Obwalden mit durchschnittlich 5 Kindern im 13. Rang. Ebenso scheinen die Kinder lebenskräftig zu sein, denn Nidwalden steht mit 1% Totgebornen an 1. Stelle und Obwalden mit 1,6% an 2. Stelle unter allen Kantonen. Die spärlichen Eheschliessungen sind nicht etwa nur auf Mangel an gutem Willen zurückzuführen, sondern hier macht sich auch der Umstand geltend, dass gerade unter den jungen Männern die Auswanderung (nicht nur nach Amerika, sondern besonders auch nach Deutschland als «Stallschweizer») unheimliche Dimensionen angenommen hat. Aus Amerika kommt ein verhältnismässig kleiner Prozentsatz wieder heim; viele beschliessen dort ihre Tage, besonders in Brasilien, wohin sich viele Obwaldner wandten.
Im Ganzen ist das Unterwaldner Volk ein gesunder Stamm. Man trifft viele alte Leute noch relativ rüstig und gesund. Verheerende, bezw. ansteckende Krankheiten sind jetzt sehr selten. Im 16. und 17. Jahrhundert wütete der schwarze Tod wie überall in der Schweiz; im 18. und 19. Jahrhundert trat hier und überhaupt in der Zentralschweiz unter dem Namen «Alpenstich» öfters eine sehr ansteckende und sehr bösartige Pleuropneumonie (Lungenentzündung) auf. Im Jahr 1834 überwogen in Unterwalden hauptsächlich infolge dieser Krankheit die Sterbefälle die Geburten um 147. Besonders stark herrschte der Alpenstich auch 1846, in welchem Jahr in Engelberg allein über 70 Personen daran starben.
Dr. Troxler in Luzern schrieb damals: «Obschon in Unterwalden eine Verachtung der Todesfurcht herrscht wie bei alten Völkern, so blieb dennoch die Verzweiflung nicht aus; man suchte durch feierliche Umzüge und öffentliche Gebete den Zorn des Himmels zu beschwören».
Seit dieser Zeit ist die Krankheit nie mehr epidemisch beobachtet worden. Das früher in Giswil, Alpnach und Stansstad endemische Wechselfieber ist seit mehr als 40 Jahren gänzlich erloschen.
Die Unterwaldner Volkstracht, einst eine der schönsten der Schweiz, verschwindet immer mehr und wird durch geschmacklose moderne Kostüme ersetzt. Obwalden und Nidwalden haben sich von jeher in der Tracht besonders des weiblichen Teils scharf unterschieden. Gemeinsam war im letzten Jahrhundert für die ledigen Personen nur der Haarpfeil, dessen eine Hälfte in breit-lanzenförmiger Form mit Filigran und Schmucksteinen reich verziert war. In diesen Filigranverzierungen hatten die Goldschmiede viel Geschmack entwickelt, und man sieht da zuweilen ganz zierliche und reizende Muster.
Die Obwaldnerin trug zu diesem Haarpfeil weisse und die Nidwaldnerin rote Haarschnüre. Kam die Obwaldnerin unter die Haube und wurde sie Frau, so trug sie bis gegen 1850 wortgemäss die «Haube», einen doppelteiligen, aus weissen Spitzen gewobenen und ziemlich grossen Kopfschmuck; später ein aus schwarzen Spitzen ohne ausgesprochenen Charakter verfertigtes, den Kopf bedeckendes Häubchen. Die Frau in Nidwalden hingegen trug nun einen Silberschmuck, den man «Haarnadel» nannte, der aber keine Nadel ist, sondern aus zwei grossen ovalen, der Hinterseite des Kopfes anliegenden Silberblechen besteht.
Wenn auch nicht so schnell wie jetzt, wechselte die Mode doch stets. Anfangs des 19. Jahrhunderts trugen Mädchen und Frauen riesige, ganz flache und oben mit Blumen verzierte Strohhüte, sog. «Schwefelhüte», und dazu ein Nestelmieder und um den Hals ein vielfach gefälteltes, farbenreiches seidenes Halstuch, das sich mit etwelcher Formveränderung bis in die zweite Hälfte des Jahrhunderts hielt. Ende des 18. Jahrhunderts war ein aus Filz gefertigtes sog. Dreiröhrenhütchen Mode.
Die Tracht der Männer war immer einfacher, aber ebenfalls malerisch. Kurze Hosen, Kniestrümpfe und Schnallenschuhe, ein Bauchgurt aus verziertem Leder, eine «Länderli» genannte farbige (meistens grellrote) Weste, für das Festkleid ein langer, für gewöhnlich aber ein ganz kurzer Rock (der sog. Mutzentschoppen), der dem gerade waltenden Geschmack da oder dort etwas angepasst erschien, behaupteten sich bis gegen Mitte des 19. Jahrhunderts. Merkwürdigerweise trugen Anfangs des 19. Jahrhunderts auch die Männer am Sonntag einen mit Bändern und Blumen verzierten Strohhut. Jetzt hat die Tracht der internationalen Mode alle Konzessionen gemacht: der weibliche Teil richtet sich mehr oder weniger nach dem Modejournal und einer zweifelhaften Schneiderinnenphantasie, der männliche folgt dem Geschmack des nächsten Kleidermagazins. Bauernburschen tragen bei festlichen Anlässen noch eine mit Stickerei verzierte Bluse und einen flachen runden Tätschhut.
Abgesehen von den Dorfschaften ist ganz Unterwalden sehr zerstreut besiedelt. Nach altalemannischem Brauch wohnt der Bauer nahezu immer auf seiner Liegenschaft, und so kommt es, dass das ganze Land bis auf die Höhe von durchschnittlich 800 Meter mit Einzelgehöften übersät ist. Das höchstgelegene bewohnte Heimwesen, der «Dossen» in der Gemeinde Alpnach, liegt in 1400 Meter Höhe. Ein vollständiges Gehöfte bestand früher aus Haus und Scheuer, jedes unter eigenem Dach; meistens kamen dazu noch ein kleiner Speicher von oft sehr eleganter Bauart, ein Dörrofen, in dem während des Herbstes das gesammelte Obst gedörrt wurde, und ein Schweinestall.
Jetzt steht der Dörrofen meistens verödet, dafür rumpelt im Tenn eine kleine Mosttrotte. Der älteste bekannte Typus des Unterwaldnerhauses war ein flacher und schindelgedeckter Holzbau; später kam ein gemauertes und weiss getünchtes Kellergeschoss dazu. Auch wurde das früher nur mit Steinen beschwerte sog. «Schwaardach» nach Aufkommen des genagelten Schindeldaches etwas steiler und damit das ganze Haus freier, während die zu beiden Seiten breit ausladenden Vorlauben dem Ganzen doch einen behäbigen und soliden Charakter geben. Damit bietet das Unterwaldner Bauernhaus ein ungemein liebliches und stimmungsvolles Bild und trägt mit seinem
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dunkelgebeizten warmen Holzton und der weissgetünchten hellleuchtenden Kellermauer in die sattgrüne Unterlage hineingestreut sehr viel zur Belebung und Verschönerung des Landschaftsbildes bei.
Geselliges Leben und öffentliche Lustbarkeiten in Unterwalden unterscheiden sich nur wenig von denen anderer Kantone. Im Winter bilden Liebhabertheater und -konzerte einen Vereinigungspunkt. Auf diesem Gebiete wurde in Unterwalden, speziell Nidwalden von jeher Bedeutendes geleistet. Die Theatergesellschaften von Stans und Buochs haben einen guten Klang bis weit über die Kantonsgrenzen. Besonders die Aufführungen der patriotisch-volkstümlichen Stücke des verstorbenen Pfarrers Jos. Ign. von Ah von Kerns brachten ihnen weit-herum verdiente Anerkennung. Im Herbst bieten Anlass zu froher Festlichkeit die verschiedenen Kirchweihen, vor Allem die Schützen- und Aelplerkirchweihen.
Besonders die letztern mit ihren zahlreichen Beamten und dem altmodischen Aufputz nebst «Wildmann» und «Wildwib» bringen die Festwogen in kräftiges und oft bis 2 Tage währendes Branden. Dem Schwingen und den Schwingfesten, einer alten aber zeitweise etwas vernachlässigten Volksbelustigung, wird seit etwa 15 Jahren hauptsächlich durch die Bemühungen des Schwingerverbandes wieder grosse Sympathie entgegengebracht. Unterwalden stellt fast für jedes ausserkantonale Schwingfest einige Vertreter, und im Kanton selbst werden alljährlich einige Schwingfeste abgehalten, die immer eine zahlreiche Zuschauerschaft herbeiziehen.
Von Festanlässen vergangener Zeiten haben sich nebst andern auch noch in die neue Zeit hinübergerettet: in Obwalden das «Bot» in Kerns, der Ueberrest der alten Meisterzunft von Sarnen und Kerns, die bei ihrer Auflösung 1875 ihr Zunftvermögen dem Krankenverein übergab, aber die Erinnerung an die alte Meisterherrlichkeit noch durch ein alljährlich stattfindendes Nachtessen mit Tanz aufrecht erhielt; in Nidwalden die Gesellschaft des «grossen und unüberwindlichen Rathes», eine fröhliche Vereinigung, die ihren Ursprung vom Söldnerzug des «Tollen Lebens» im 15. Jahrhundert herdatiert und unter ihrem selbstgewählten Magistrat nach uraltem Zeremoniell alljährlich am fetten Donnerstag in Stans bei Nachtessen und Tanz ihre Festfeier abhält.
9. Landwirtschaft und Viehzucht.
Unterwalden war früher sozusagen ein ausschliesslich Landwirtschaft treibender Kanton und noch heutigen Tages ist die Landwirtschaft auf dem Erwerbsgebiet der wichtigste Faktor, fallen doch in Obwalden auf 4941 in einem Beruf tätige Männer 3051 in Viehzucht und Landwirtschaft Tätige und in Nidwalden auf 3972 Berufstätige deren 1933. Der Ackerbau, der vor 300-400 Jahren noch sehr bedeutend war, ist jetzt sozusagen ganz verschwunden, nachdem er Anfangs der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts nach Verteilung der Allmenden an die Korporationsbürger noch etwelches Aufleben gezeigt. An seine Stelle ist nun nahezu reine Wiesen- und Weidewirtschaft getreten.
Grosse zusammenhängende Liegenschaften sind hier selten, indem das Höchstmass 50 ha nirgends übersteigen mag; dagegen gibt es viele kleine, zerstückelte Grundbesitze. Der Graswuchs ist ein vorzüglicher und kräftiger. Hermann Christ, der bekannte Botaniker, sagt in seinem Buch Ob dem Kernwald schon 1869, er erinnere sich nirgends schönere, grünere Matten gesehen zu haben als in Obwalden. Bessere Wiesen als im Stanserboden existieren in der Schweiz jedenfalls nirgends; von den besten werden jährlich 4 Erträge eingeheimst, von den mittelmässigen 3, und nur ganz hoch gelegene oder sonst schlechte Wiesen geben bloss 1-2 Erträge. Der Preis ist denn auch ein hoher und steigt in den besten Lagen bis auf 2 Fr. per Quadratmeter. Ein ziemlich bedeutendes Nebenerträgnis ab den Wiesen liefert der Obstbau, der in Unterwalden sehr intensiv betrieben wird und infolge des milden Klimas ausgezeichnet gedeiht. So entwickelt sich hier z. B. der weisse Winterkalvill in günstigeren Lagen zu prachtvollen Exemplaren.
Unterwalden hatte schon früher vorzügliche Obstsorten, und in der neuen Zeit wird dem Tafelobst besondere Aufmerksamkeit geschenkt und der Anbau von Mostobst eher etwas eingeschränkt.
Von der grössten Bedeutung für das Land sind die Alpweiden. Obwalden besitzt deren 290 mit einem Kapitalwert von rund 5500000 Fr.;
224 davon gehören Korporationen oder «Teilsamen» und 66 Privatbesitzern an.
Nidwalden besitzt 166 Alpen mit einem Kapitalwert von rund 3900000 Fr.;
hievon gehören 55 Korporationen oder Genosssamen und 111 Privatbesitzern an.
Auf dem Gebiete der Alpwirtschaft wurde in den letzten Jahren vieles verbessert;
immerhin ist für eine weitere verbessernde Tätigkeit noch auf lange Zeit hinaus ein weites Feld offen.
Die Unterwaldner Alpen liegen zwischen 1000 und 1900 m Höhe und sind in ihrer grossen Mehrheit gutgräsig, was schon daraus hervorgeht, dass etwa 1½ ha eigentliches Weideland für einen Stoss von etwa 90 Weidetagen genügen. (Stoss oder, wie sie in Unterwalden genannt wird, eine Kuhschweere ist die Bezeichnung der Einheit einer erwachsenen Kuh in der Weide; 3 kleine oder zwei ältere Rinder oder auch sieben Ziegen = eine Kuhschweere). In den obern Alpen wird aber überall über eine merkliche Verwilderung und Verschlechterung der Weiden geklagt. Für sämtliches Rindvieh sind auf den Alpen Stallungen vorhanden. Während der Weidezeit von Anfangs Juni bis Ende September wird die Weide 2-5mal gewechselt.
Einen wichtigen Faktor in der Unterwaldner Landwirtschaft bedeutet auch die Allmend. Früher ausschliesslich gemeinsame Weide, dient sie jetzt nur mehr teilweise diesem Zweck. Ihr grösserer Teil ist in Parzellen von 200-350 Aren abgeteilt und wird unter die männlichen und weiblichen Mitglieder zu lebenslänglicher Nutzung verlost. Diese Parzellen sind jetzt fast durchgehends mit Gras angesät, nur ein kleiner Teil noch mit Ackerfrüchten. Bergheimwesen liegen zwischen Thalgut und Alp, sind nicht ständig bewohnt und dienen teils vor der Alpfahrt zur Weide, teils wird der Heuertrag im Winter dort verfüttert. Während diese sog. Bergheimen früher sehr beliebt waren und jeder grössere Bauer eines zu erwerben strebte, sind selbe jetzt im Wert ungemein gesunken. Das selbe gilt auch für die vom Zentrum ganz weit abliegenden das ganze Jahr bewohnten Heimwesen. Im gleichen Verhältnis ist der Preis der nahe am Dorf liegenden Heimwesen sehr stark gestiegen.
Den Hauptanteil an der Viehzucht hat die
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Rindviehzucht, wie aus den jeweiligen Viehzählungen zur Genüge hervorgeht. Der gesamte Viehstand betrug:
Im Jahr 1836 | |||||
---|---|---|---|---|---|
Pferde | Rindvieh | Ziegen | Schafe | Schweine | |
Obwalden | 260 | 9130 | 3700 | 2500 | - |
Nidwalden | 90 | 4500 | 2000 | 700 | - |
Total | 350 | 13630 | 5700 | 3200 | - |
1866 | |||||
Obwalden | 433 | 8988 | 5334 | 3906 | 2881 |
Nidwalden | 174 | 6026 | 1434 | 1206 | 1547 |
Total | 607 | 15014 | 6768 | 5112 | 4428 |
1896 | |||||
Obwalden | 371 | 11161 | 5568 | 1933 | 3900 |
Nidwalden | 174 | 6036 | 1323 | 464 | 2553 |
Total | 545 | 17197 | 6891 | 2397 | 6453 |
1906 | |||||
Obwalden | 382 | 14234 | 3352 | 846 | 5055 |
Nidwalden | 232 | 9466 | 1244 | 263 | 3317 |
Total | 614 | 23700 | 4596 | 1109 | 8372 |
Aus diesen Zahlen ergibt sich, dass Rindvieh und Schweine besonders in den letzten 10 Jahren sehr stark zugenommen, dagegen Ziegen eine grosse und Schafe eine sehr grosse Verminderung erlitten haben. Die Anzahl der Pferde weist seit 40 Jahren keine bedeutende Veränderung auf. Die gleichen Verhältnisse zeigen sich überall in den Gebirgsgegenden. Die Ziegen gehen hauptsächlich zurück, weil infolge allgemein besserer Verhältnisse statt derselben vielerorts Kühe gehalten werden können; sicher nicht so sehr, wenn auch schon etwas ist an ihrem Rückgang die strenge Waldpolizei schuld.
Die Schafe vermindern sich hauptsächlich, weil selbstgesponnenes und selbstgewobenes Zeug nicht mehr gebräuchlich ist. Bei den gegenwärtigen Fleischpreisen wäre aber ihre Haltung sicher lohnend. Glücklicherweise hat sich beim Rindvieh nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität stark verbessert. Unterwalden züchtet ausschliesslich Braunvieh und zwar in einer Qualität, die zwar das Stammland dieser Rasse, den Kanton Schwyz, noch nicht auf der ganzen Linie erreicht, ihm aber doch sehr nahe kommt.
Obwalden züchtet mehr Jungvieh und betreibt ausgedehnte Nachzucht, Nidwalden intensivere Milchwirtschaft. Wenn schon weniger als früher, so werden doch noch viel Jungrinder nach Italien verkauft. Milchkühe gehen sehr zahlreich nach Spanien; auch deutsche Milchkuranstalten und die Milchwirte der Schweiz kaufen mit Vorliebe das robuste und milchreiche Unterwaldnervieh. An der Verbesserung des Viehschlages wurde schon vor bald hundert Jahren durch Verabreichung von Viehprämien von Staats- und Gemeindewegen gearbeitet; so zahlte Kerns schon im Jahr 1810 Viehprämien aus. 1853 schrieb die obwaldnerische Verordnung über Viehprämien vor, dass der erstprämierte Hengst einen Wert von 550 Fr. haben müsse. Gegenwärtig wird die eidg. Deckstation in Sarnen mit Hengsten besetzt, wovon einzelne 20000 und noch mehr Fr. kosten.
Den Hauptanteil an der Verbesserung der Rindviehzucht verdankt man hier wie überall den Zweigverbänden der schweizerischen Braunviehzuchtgenossenschaft, deren Unterwalden gegenwärtig 10 besitzt. Für diese Zuchtgenossenschaften und für allgemeine Prämierungen werden an Bundes- und kantonalen Beiträgen jährlich ausbezahlt: in Obwalden 9000-10000 und in Nidwalden 7000-8000 Fr. Auch in Unterwalden mehrt sich der Konsum der frischen Milch erfreulicherweise von Jahr zu Jahr, aber doch wird jährlich noch ein grosses Quantum Milch zu Käse verarbeitet.
Aus den alten Zinsrodeln geht hervor, dass im 15. und 16. Jahrhundert nebst «Süsskäse» hauptsächlich Zieger aus der Milch hergestellt wurde. Später gewann dann die Käsefabrikation eine immer grössere Bedeutung, und zwar wurde hauptsächlich der sogenannte Spalen- oder Sprinzkäse im Gewicht von 20-28 kg per Laib hergestellt, ein gut gesalzener Fettkäse von vorzüglichem Geschmack. Er hält sich Jahre lang, wird bis ins vierte Jahr immer besser und wird grösstenteils nach dem Ausland, hauptsächlich nach Italien exportiert.
Magadino am Langensee war früher der Hauptstapelplatz, wo zu Zeiten der zwei grossen Märkte jeweilen bis auf 40000 Stück von diesem Käse aufgestapelt lagen. Woher der Name Sprinzkäse kommt, ist unklar; Spalenkäse wurden sie deswegen genannt, weil man sie in Fässern, sog. Spalen, über den Gotthard spedierte. Nebst diesem Käse scheint besonders Beckenried früher noch als Spezialität einen Schabzieger oder Kräuterkäse verfertigt zu haben. Auch jetzt noch wird eine andre Spezialität ziemlich viel hergestellt, der sog. Bratkäse, ein ganz fetter und weicher, 2-4 kg schwerer Käse, der am Kohlenfeuer geschmort und verzehrt wird, sobald die oberste Schicht weich geworden. Das Hauptprodukt aber ist der Spalenkäse, der sowohl als Handkäse gegessen als auch zum Kochen und Würzen von Speisen verwendet wird.
Ein grosses Quantum Milch absorbiert auch Nachzucht und Kälbermast. Es werden an Zuchtkälber für etwa 600000 Fr. und an Mastkälber für 900000 Fr. Milch verfuttert. Das Gesamterträgnis aus der Milchwirtschaft mag sich für Unterwalden auf rund 5¼ Mill. Fr. belaufen. Der Wert des gesamten Viehstandes belief sich 1901 auf 7664617 Fr., nämlich Obwalden 4495267 Fr. (auf den Kopf der Bevölkerung 294 Fr.) und Nidwalden 3169350 Fr. (auf den Kopf der Bevölkerung 242,5 Fr.). Einzig Luzern, Freiburg und Graubünden verzeichnen einen grössern Wert per Kopf der Bevölkerung.
10. Wald- und Baumwirtschaft.
Trotz seines Namens ist Unterwalden an Wald nicht übermässig reich. Bei einer Gesamtbodenfläche von 765,3 km2 nehmen die Waldungen 191,45 km2, d. h. etwa 25% ein. Hiervon entfallen auf Obwalden 121,95 km2 und auf Nidwalden 69,50 km2. Wenn nun schon erst die neuere Zeit eine wirkliche Forstpolizei und gehörige Waldpflege kennt, so wurden doch schon in frühern Jahrhunderten den Wäldern grosse Aufmerksamkeit und auch eine gewisse Pflege zuteil. Schon vor 250 Jahren findet man in den Forstprotokollen Bemerkungen, wie «dass meine gnädigen Herrn es bedenklich finden, dass so unachtsam geholzt werde, wegen einbrächenden Wassergüssen und Rübenen»; oder sie befürchten, «dass die Nachkommen Holzmangel haben könnten, wenn mann fürderhin so brüchlich verfahre in den Wäldern». Viel und oft wird der Holzschlag wenigstens auf dem Papier geregelt und der Weidgang im Wald verboten. Ja, Lungern befiehlt 1673, «dass allen Ziegen zur Verhütung von Waldschaden»
Landwirtschaftliche Karte des Kantons Unterwalden
Lief. 254.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 6° 0’ O; 46° 55’ N; 1:200000]
░ Ackerland
▒ Bergackerbau
▓ Weide
▐ Wald
▒ Unproduktiver Boden
▴ 50 Pferde
● 200 Rinder
❙ 100 Schweine
v 100 Ziegen
⥾ 100 Schafe
^ 100 Bienenkbe.
Mce. Borel & Cie.
V. Attinger sc.
LANDWIRTSCHAFTLICHE KARTE DES KANTONS UNTERWALDEN
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«im Unterküfel die Zähn ausgezogen werden» (gewiss ein radikales Vorgehen). Als Universalmittel wird je und je der «Bann» angewendet, d. h. es wurde in gewissen, namentlich den höher gelegenen Wäldern der Holzschlag gänzlich untersagt. Bis 1750 war überhaupt in Obwalden all und jeder Holzverkauf ausserhalb des Landes verboten und in Nidwalden die Ausfuhr nur ganz gering. 1760 hält die Gemeinde Giswil «bittlich» an, man möchte den Glasbrennern im Flühli einen Waldkomplex zu verkaufen gestatten, aber «meine gnädigen Herrn» finden das sehr bedenklich und es wird rundweg aberkannt.
Erst mit Anfang des 19. Jahrhunderts schlägt dieses exzessive Sparsystem ins Gegenteil um: grosse Verkäufe finden statt, und es wird schonungslos massenhaft Holz geschlagen. Eine Schiffsbaufirma in Marseille kaufte 1833 den Wengenwald am Pilatus und transportierte die besten Stämme daraus auf einer damals als etwas unmögliches angestaunten Rutschbahn über tiefe Schluchten und Abhänge ins Thal. Am Alpnachersee wurde das Holz dann in kleine Flösse verbunden und nun die Reuss und den Rhein hinunter spediert.
Schon 1811 hatte ein Holzhändler aus Württemberg den Neubrüchliwald durch eine aus Balken hergestellte und über 8 km lange Rutschbahn ausgebeutet. Eine Gemeinde verkaufte gleich 10000 Klafter Holz miteinander. 1857 wurde in Obwalden ein Gesetz zur Verhütung schädlichen Holzschlages erlassen und darin das Prinzip aufgestellt, dass zu jedem grössern Schlag eine regierungsrätliche Bewilligung notwendig sei. Nidwalden erliess später eine gleiche Verordnung. Unter dem Einfluss des eidg. Forstgesetzes ist jetzt für alle Gemeinden Unterwaldens ein Wirtschaftsplan aufgestellt, der Holzschlag streng geregelt und für ausgibige Aufforstung und Anpflanzung gesorgt. Obwalden und Nidwalden haben je einen Kantonsförster mit der nötigen Anzahl Bezirksförster und Bannwarte.
Unter den Laubhölzern des Waldes ist am wichtigsten die Buche und unter dem Nadelholz die Rottanne (Fichte). Die Buche geht bis auf 1200, die Fichte ausnahmsweise bis auf 1700 m Höhe; erstere gedeiht am freudigsten auf Kalkunterlage, aber beide gedeihen auch noch auf Flysch recht gut. Nicht allein die Ueberlieferung sondern auch direkte Tatsachen sprechen dafür, dass vor Zeiten der Waldgürtel höher hinauf ging als heute. Auf Melchsee z. B. kamen früher sogar noch sehr starke Tannen vor, wie es deren Wurzelstöcke im Boden jetzt noch beweisen.
Jetzt ist in diesem Hochthal schon längst aller Baumwuchs verschwunden. Das Zurückgehen der Waldgrenze lässt sich besonders deutlich beobachten auf dem Grenzgebiet zwischen Unterwalden und Luzern, den obersten Gräten des Schwendiberges, wo der oberste Teil des Waldes stellenweise nur mehr aus absterbenden und abgestorbenen, verkümmerten Tannen besteht. Es soll dies noch zusammenhängen mit jenem furchtbaren Hagelschlag, der diese Gegend im Jahr 1861 heimsuchte und von dem sich die höchstgelegenen und am meisten ausgesetzten Wälder nie mehr ganz erholten.
Ueberall aber wo der Wald noch gedeiht, zeigt er sich, besonders im Gebirge, in seiner imposantesten Majestät, indem gerade in Unterwalden wahre Riesenbäume vorkommen. Jene gigantischen Buchen und Tannen, wie sie Dr. Christ in seinem Buch Ob dem Kernwald noch 1869 nach Beobachtungen im Sakramentswald bei Giswil schilderte, sind zwar verschwunden, aber einzelne beachtenswerte Bäume kommen immer noch da und dort vor. So steht eine gewaltige Buche im Wald nahe oberhalb dem Zollhaus am obern Ende des Sarnersees.
Einige prächtige Exemplare von Tannen finden sich noch in den Wäldern der Korporation Schwendi, ebenso ein Riesenexemplar in der Alp Blumatt ob Stans. Nur vereinzelt, aber doch sehr zahlreich und in oft prachtvollen Vertretern kommt der Bergahorn vor; bekannt ist der grosse Ahorn in der Alp Ohr im Melchthal, der in einer Höhe von einem Meter über der Erde einen Stammumfang von 11 m zeigt und als einer der grössten Bäume der Schweiz gilt. Ein ähnliches, etwas kleineres Exemplar steht in Nieder Rickenbach (Nidwalden). Während die Eibe noch relativ häufig vorkommt, ist die Arve sozusagen nirgends selbständig vorhanden, obwohl sie in den künstlichen Aufforstungen, bei Bachverbauungen u. s. w. vorzüglich gedeiht. Gleich in der Nachbarschaft Unterwaldens steht am Engstlensee (Ober Hasle) ein Wäldchen sehr schöner Arven.
Von weitern Nutzbäumen beherrscht das Pflanzenbild besonders der Nussbaum, dieser typische Vertreter eines milden Klimas, der früher noch häufiger als jetzt in Unterwalden vorkam. Haben auch Möbelschreinerei und vor allem Gewehrschaftfabrikation barbarisch mit diesem langsam wachsenden, teuern Holz aufgeräumt, so findet man
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doch noch immer ansehnliche Ueberreste. In unmittelbarer Nähe des Dorfes Stans z. B. wurden für die Nussbäume einer einzigen Wiese 12000 Fr. geboten, und Angebote von 400-500 Fr. für den einzelnen Baum sind gar nicht selten. In einem guten «Nussjahr» werden immer noch für 40000-50000 Fr. Nüsse gesammelt. Ein der Föhnzone und dem milden Klima überhaupt ausschliesslich angehörender Baum, die zahme Kastanie, ist innerhalb relativ kurzer Zeit aus Unterwalden verschwunden. Vor 30-25 Jahren kam sie in Kersiten noch ziemlich zahlreich vor. Jetzt ist dort kein Exemplar mehr zu finden, während sie bei Vitznau und Weggis am andern Seeufer noch vorzüglich gedeiht. Das Abgehen dieses Baumes ist sicher weniger auf klimatische als auf andre Umstände zurückzuführen. Alle übrigen Obstarten gedeihen vorzüglich, durchschnittlich bis auf 800 m, an geschützten Standorten (Engelberg) auch bis auf 1000 m Höhe.
11. Kulturtechnik.
Erwähnung verdienen die in Unterwalden ausgeführten Fluss- und Bachverbauungen und in deren Anschluss die Aufforstungen in den bezüglichen Einzugsgebieten. Ebenso kann man auch auf die gänzliche und teilweise Trockenlegung zweier Seen hinweisen. Obwalden mit seinen steilern Abhängen und den als Einzugsgebiet dienenden grossen Hochthälern musste auf diesem Gebiet notgedrungen mehr leisten als das in dieser Beziehung günstiger gelegene Nidwalden. Schon 1761 wurde der Aasee zwischen Lungern- und Sarnersee, der damals die Gegend hinter der Kirche in Giswil (das jetzige Aaried) bedeckte, durch einen 10 m tiefen Einschnitt abgelassen; doch gelang das Unternehmen nur sehr mangelhaft, indem an Stelle eines Sees ein Sumpf entstand.
Erst 1850 wurde dann die Trockenlegung, hauptsächlich auf Initiative von Dr. Halter in Giswil, wieder frisch aufgegriffen, der Ablaufkanal um 2 m vertieft und dadurch etwa 80 ha gut kulturfähiges Land gewonnen. 1836 wurde der Lungernsee zum Teil durch einen Stollen abgelassen und damit etwa 170 ha Land gewonnen. Es war das ein für die damalige Zeit gewaltiges und schwieriges Unternehmen. Während diese Arbeiten nur Vermehrung des Kulturlandes bezweckten, drängten die vielen Bergbäche mit ihren periodisch wiederkehrenden Ueberschwemmungen gebieterisch dazu, dass etwas zum Schutze des anstossenden und darunter liegenden Gebietes getan werde.
Ueberschwemmungen kamen schon in den ältesten Zeiten vor, als das Einzugsgebiet noch reichlich bewaldet war. 1626 überschwemmte die Laui in Giswil die ganze Gegend, zerstörte Kirche und Friedhof und verursachte grossen Schaden an Häusern und Wiesen. Aehnliches wiederholte sich 1739. Seit der intensiven Abholzung um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Ueberschwemmungen entschieden häufiger und gefahrdrohender. Die Verbauungen nahm man hauptsächlich nach dem System der Thalsperren, teilweise auch mit Ausschalung des Bachbettes vor. Der Erfolg hat leider lange nicht überall den Erwartungen entsprochen, hauptsächlich deshalb nicht, weil man anfänglich der Sicherung des Einzugsgebietes und dessen Aufforstung zu wenig Aufmerksamkeit schenkte, sowie auch die Maximalwassermenge unterschätzte. In Obwalden wurden bis 1907 hauptsächlich folgende Bachkorrektionen ausgeführt:
Jahr | Kosten Fr. | |
---|---|---|
1. Dreiwässerkanal in Giswil | 1875-1876 | 38280 |
2. Eibach-Verbauung in Lungern | 1888-1894 | 275739 |
3. Melchaa-Korrektion in Sarnen | 1879-1880 | 352236 |
4. Kleine Schliere in Alpnach | 1879-1907 | 421400 |
5. Lauikorrektion in Lungern | 1886-1900 | 187437 |
6. Eichbühl-, Rüti- und Rosenbach in Giswil | 1894-1907 | 215653 |
7. Grosse Schliere in Alpnach | 1897-1907 | 504000 |
8. Dorfbach in Sachseln | 1897-1904 | 168443 |
9. Wolfort- und Widibach in Alpnach | 1898-1900 | 30000 |
10. Lauibach und Rotmoosgraben in Giswil | 1897-1904 | 493305 |
11. Blattibach in Sannen | 1903-1907 | 34603 |
12. Mühlebach in Engelberg | 1903-1907 | 8319 |
13. Rufibach in Kerns | 1904 | 3551 |
Diese Ausgaben bedeuten für einen Kanton, dessen steuerbares Vermögen kaum 40 Mill. Fr. beträgt, eine gewaltige Summe. Die Durchführung dieser Arbeiten wäre ohne eine ausgibige Bundesunterstützung ganz unmöglich gewesen. Alle jene Unternehmungen, die bis 1907 noch nicht vollendet waren, brauchen bis zu ihrer gänzlichen Durchführung noch immer annähernd 2 Mill. Fr. Zur Sicherstellung dieser Arbeiten wurden bis jetzt für Wiederaufforstungen im Einzugsgebiet rund 145000 Fr. ausgegeben. Nidwalden ist mit seinen Gebirgsbächen, etwas weniger gefährdet, hat aber immerhin bis jetzt folgende Verbauungen ausführen müssen:
Jahr | Kosten Fr. | |
---|---|---|
1. Lieli- und Drästlibach in Beckenried | 1884-1906 | 542150 |
2. Steinibach in Hergiswil | 1886-1906 | 297790 |
3. Rübe- und Dorfbach in Buochs | 1897-1906 | 81510 |
4. Kohlerbach in Hergiswil | - | 9250 |
Für Aufforstungen im Einzugsgebiet dieser Bäche wurden rund 70000 Fr. ausgegeben.
12. Jagd und Fischerei.
Unterwalden hat das Patentsystem zu sehr niedrigen Taxen. Selbstverständlich kann hiebei kein guter Wildstand aufkommen, doch hat sich trotzdem der Gemsen- und Rehstand gehoben, teilweise sogar stark. Die Rehe waren bis 1904 gebannt, und auch jetzt noch dürfen nur Böcke geschossen werden. Die Gemsen wechseln hauptsächlich aus dem Schutzgebiet in die umliegenden Grenzgebiete aus und zerstreuen sich von da in früher unbewohnte Gebiete, so z. B. in die Gegend zwischen Giswilerstock und Pilatus gegen das Entlebuch hin, wo sie jetzt überall wieder heimisch sind.
Im Jahr 1906 wurden in Obwalden 138 und in Nidwalden 97 Jagdpatente gelöst und hiefür an Gebühren eingenommen: in Obwalden 2134 und in Nidwalden 1047 Fr. Unterwalden unterhält mit Unterstützung des Bundes in seinem Banngebiet 3 Wildhüter, die aber immer noch nicht genügen, um allem Wildfrevel in diesem Bezirk vorzubeugen. Der Bannbezirk Hutstock-Uri Rotstock erstreckt sich vom Melchthal bis an das Ufer des Urnersees und ist gemeinsam mit Uri; das in Unterwalden gelegene Gebiet des Bezirkes umfasst 115 km2, wovon auf Obwalden 75 km2 und auf Nidwalden 40 km2 entfallen.
Die Fischerei wird nur mehr als Nebengewerbe betrieben, denn in ganz Unterwalden lebt kein Fischer, der sie als ausschliesslichen Broterwerb betriebe. Die Balchenfischerei, in frühern Zeiten äusserst einträglich, ist aus unbekannten Gründen sehr stark zurückgegangen; im Sarnersee wurde sie bis vor 5 Jahren über 40 Jahre gar nicht mehr betrieben. Am ausgibigsten ist noch der Fang der tieflaichenden Edel- und Weissfische. Eine verhältnismässig ordentliche Summe wirft jährlich noch der Fang der Bachforelle ab, die trotz allen Nachstellungen noch immer merkwürdig oft vorkommt. Der eigentliche Brotfisch der Fischer jedoch ist der Hecht, der in
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Exemplaren von bis zu 12 kg Gewicht vorkommt und zu allen Jahreszeiten gefangen wird. Um die ausgefischten Gewässer wieder etwas schneller zu bevölkern, setzt Unterwalden jährlich viele tausend Stück künstlich ausgebrüteter Fischbrut ein, besonders Forellen und Balchenarten. 1907 wurden Fischereipatente abgegeben: in Obwalden 102 für zusammen 770 Fr., in Nidwalden 48 für zusammen 605 Fr.
13. Gewerbe und Industrie.
Während die Kunst in Unterwalden, besonders in Nidwalden von jeher einer relativ sehr guten Pflege sich erfreute (in Stans entwickelte sich ja in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter Paul Deschwanden eine eigentliche Malerschule, hauptsächlich für kirchliche Malerei), so lässt sich das von Industrie und Gewerbe weniger sagen. Wenn man aber betrachtet, was die Meister früherer Jahrhunderte auf dem Gebiete ländlicher Baukunst, des Hausgerätes und des Bauernschmuckes geschaffen haben, muss man immerhin ihren natürlichen Schönheitssinn, ihr Verständnis für harmonisches Zusammenstimmen und ihre technische Fähigkeit bewundern und nur bedauern, dass der Fortschritt im Laufe der Zeit nicht grösser gewesen ist.
Das Kunstgewerbe steht jetzt in Unterwalden auf einer entschieden viel tiefern Stufe als in verflossenen Jahrhunderten. Der schon im 17. Jahrhundert im Melchthal ausgebeutete Marmorbruch vermochte sich nie gehörig zu entwickeln; er lieferte einen guten schwarzen Marmor, dem auch die prächtigen Säulenmonolithen in der Kirche zu Sachseln angehören. Das Marmorlager in der Kniri zu Stans, das seinerzeit den Marmor zur Stanser Pfarrkirche lieferte, wurde neuestens wieder aufgedeckt und soll versuchsweise in Abbau genommen werden.
Das zu Anfang des 15. Jahrhunderts zuerst erwähnte, aber zweifelsohne schon viel früher betriebene Eisenbergwerk im Melchthal wurde im Jahr 1693 aufgegeben, ohne dass es je zu eigentlicher Blüte gekommen wäre. Das Erz wurde ohne Stollenbau oberflächlich geschürft an der Erzegg beim Melchsee, von dort nach dem Melchthal hinunter transportiert und hier in sehr primitiver Weise verhüttet. Nach Professor Schmidt in Basel ist das Erz als Chamoisitoolith mit einem Eisengehalt von 31% anzusprechen. In neuerer Zeit sind wieder verschiedene Pläne aufgetaucht und Konzessionen nachgesucht worden, um dieses Erzlager auf elektrolytischem Wege auszubeuten, aber diese Projekte liegen noch sehr im Dunkeln. Um der armen Bevölkerung etwas Verdienst zu verschaffen, wurde Ende des 18. Jahrhunderts durch den damaligen Abt Leodegar Salzmann (1769-1798) in Engelberg die Seidenkämmlerei eingeführt, die sich dann auch bald in verschiedenen Gemeinden Nidwaldens ausbreitete. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts kam die Seidenweberei auf, die zur Zeit ihrer höchsten Blüte in Unterwalden gegen 800 Stühle beschäftigte und für Zürcher Häuser arbeitete.
Fast zu gleicher Zeit wurde von Wohlen aus die Strohhandstickerei eingeführt, aus der sich dann später die Strohhutknüpferei entwickelte. Letztere Industrie beschäftigte in Unterwalden (besonders in Obwalden) zur Zeit ihrer höchsten Entwicklung bis auf 1000 Personen und lieferte jährlich etwa 30000 Dutzend Strohhüte. Das Fabrikat wurde nach allen Teilen der Welt versandt. Leider verzeigen beide Industrien seit den letzten Jahren einen alljährlich wachsenden Rückgang.
Während diese beiden Erwerbszweige ihr Rohmaterial ausschliesslich von auswärts bezogen, verarbeitet die ums Jahr 1860 aufgekommene Parkettfabrikation, an die sich bald die mechanische Schreinerei anschloss, einheimisches Material und gelangte zu hoher Blüte. Obwalden beschäftigt in 14 derartigen Geschäften rund 220 Arbeiter, Nidwalden in 5 Geschäften 60 Arbeiter. Schon seit Jahrhunderten bestanden mehrere Kalk- und Ziegelbrennereien, in Alpnach und Rotzloch auch Gipsmühlen, von denen diejenige im Rotzloch noch jetzt von der schweizerischen Gipsunion weiter betrieben wird. Zu grosser Blüte entwickelte sich in Nidwalden die Fabrikation von Zement und hydraulischem Kalk, die in Stans, Beckenried und Rotzloch in 6 Fabriken mit 250 Arbeitern jährlich etwa 5000 Waggons zu liefern imstande wäre. Rotzloch hatte früher während Jahrhunderten eine Papierfabrik. Der unternehmende Bauherr K. Blättler errichtete dort 1860 sogar eine Konstruktionswerkstätte, in welcher unter anderm zwei kleinere Dampfboote und die einstige Hebebrücke über den Seearm von Acheregg erbaut wurden. Hergiswil besitzt seit mehr als 100 Jahren eine grosse Glashütte und eine Kartonfabrik.
Unterstützt wird die Industrie in neuerer Zeit durch die in Unterwalden entstandenen verschiedenen elektrischen Werke. Das Elektrizitätswerk Luzern-Engelberg in der Obermatt (Gemeinde Engelberg) produziert 6000 PS, wovon 1600 in Unterwalden zur Verwendung gelangen und der Rest nach Luzern und in die an der Linie liegenden Orte geht. Das Elektrizitätswerk Kerns produziert 400 PS und gibt an sämtliche 6 alten Gemeinden Obwaldens Kraft und Licht ab. Das Elektrizitätswerk Beckenried mit 500 PS versorgt hauptsächlich Beckenried mit Kraft und Licht. Einige grössere Projekte, die zusammen auch noch einige 1000 PS liefern könnten, bleiben in ihrer Ausführung vorläufig der Zukunft vorbehalten.