Die Flora des oberen
Tössthales erregt besonderes Interesse durch den grossen Reichtum an Alpenpflanzen. Ueber deren Herkunft
ist viel gestritten worden. Die einen fassen sie als Glazialrelikte aus der Eiszeit auf, wofür der Umstand
spricht, dass diese alpinen Pflanzen hauptsächlich auf den Gipfeln über 1000 m
Höhe vorkommen, die zur Glazialzeit eisfrei
geblieben waren. Andere halten dafür, diese Vertreter der alpinen Flora stammen aus der Zeit des Rückzuges der
Gletscher
der letzten Eiszeit.
Endlich besteht noch die Auffassung, die meisten dieser alpinen Vertreter seien erst in jüngster Zeit
durch
Wind, Tiere oder andere Transportmittel verschleppt worden, wie gelegentlich hochalpine Pflanzen an den verschiedensten
Orten in den Niederungen als Neuansiedler beobachtet worden sind. Allbekannte Alpenpflanzen von den Höhen des Zürcher
Oberlandes
sind: die rostfarbige
Alpenrose auf Rotengubel
(Fischenthal), Tweralp, Dägelsberg;
(Kt. Zürich,
Bez. Winterthur).
438 m. Gem. und rasch sich entwickelndes Dorf an der
Töss; 1,5 km sw.
Winterthur.
Station der Linie
Winterthur-Bülach. Postbureau, Telegraph, Telephon. Gemeinde, mit Bläsihof,
Dättnau, Hündler und
Rossberg: 465
Häuser, 4923 Ew.
(wovon 895 Katholiken): Dorf: 442
Häuser, 4762 Ew.
Töss verdankt seine Blüte dem benachbarten
Winterthur mit seinen zahlreichen
Industrien. Eine Baumwollspinnerei mit 12000 Spindeln; eine Maschinenfabrik mit 700 Arbeitern; zwei
Mühlen
und eine Backsteinfabrik.
Heimat des Schriftstellers J. C. Heer, des Kunstmalers Prof. Kaspar Ritter in Karlsruhe und des als Mathematiker und Geometer
verdienten Professors am eidg. Polytechnikum Jakob
Rebstein (1840-1907). Alemannische Ansiedelung. 853:
Toissa; 869:
Tossa =
tosender Fluss. Der Name ist keltisch. Ein edles Geschlecht dieses Namens existiert nicht. Die vom Toss
sind
SanktGaller. Die Oberhoheit über das Dorf, das im 13. Jahrhundert aus nur wenigen Bauernhäusern bestand, besassen frühe
die
Grafen von
Kiburg, mit deren
Grafschaft sie an die Stadt
Zürich kam (1424-1452). Das Dorf gehörte zum inneren Amt
der Kiburgischen Landvogtei.
Während der Bauernunruhen im Reformationszeitalter fand zu
Töss 1525 eine grosse Volksversammlung statt.
Die Bauern, die
alle Abgaben, Zinse und Zehnten abgeschafft haben wollten, drohten mit einem Sturm auf die Stadt
Zürich. Der kluge und allgemein
beliebte Landvogt auf
Kiburg, Hans Rudolf Lavater, vermochte das drohende Ungewitter zu beschwören und
veranlasste die Leute zum Auseinandergehen. Im Kriegsjahr 1799 litt das Dorf arg unter den Kämpfen zwischen Franzosen und
Oesterreichern.
Töss besass einst ein Dominikaner-Frauenkloster, das vielleicht aus einem alten Schwesternhaus hervorgegangen ist; urkundlich
freilich ist von einer vollständig neuen Gründung des
Klosters die Rede. Am gestattete
Bischof
Heinrich von Konstanz den
Grafen Hartmann dem Aelteren und Hartmann dem Jüngeren von
Kiburg, an der Tössbrücke ein Dominikanerinnenkloster
zu bauen. Schon 1240 nahm der
Bischof die von ihm geweihte Kirche und die ganze Klosteranlage in
Schutz.
Bald nachher vergabte die Familie der Edlen von
Liebenberg dem Kloster
Güter in Dorf,
Waltalingen,
Nussbaumen,
Neunforn,
Büttenhart,
Loo und Bremilo. Dieser Grundbesitz mehrte sich rasch durch Ankauf oder Vergabung; dazu gehörten die
meisten
Güter des Kiburgischen Ministerialen Peter von Wornhausen und fast sämtliche Besitztümer der Edlen von
Wart. Die
letzteren wurden zum Teil geschenkt, wohl weil Angehörige des Geschlechtes
im Kloster lebten, zum grössern
Teil aber wurden sie zu einer Zeit gekauft, da die von
Wart in finanzieller Bedrängnis waren.
Die
Güter wurden nicht, wie lange behauptet worden ist, nach Kaiser Albrechts Ermordung während der sog. Blutrache geraubt.
Schirmvögte des
Klosters waren die
Grafen von
Kiburg, die das Stift auf mannigfache Weise begünstigten.
Es besass die Kirchensätze von
Neunforn,
Veltheim und
Dättlikon und nannte im Ganzen in 56 Gemeinden
Güter, Zehnten und Zinse,
Häuser und
Mühlen sein Eigen, die meist im heutigen Bezirk
Winterthur lagen. Die Klosterfrauen gehörten in überwiegender
Mehrzahl den bürgerlichen Kreisen von
Winterthur, Zürich
und Konstanz an, doch auch hochadeligen Geschlechtern.
Die vornehmste Nonne war Prinzessin Elisabeth von Ungarn, die Stieftochter der Königin Agnes, eine Tochter König Andreas'
III. von Ungarn. Als blühendes Mädchen nahm sie 1309 den Schleier; sie starb 1337. Von ihr führte das Kloster das ungarische
Doppelkreuz im Wappen, und an sie erinnert die
Platte eines Tischgrabes, die im Landesmuseum zu Zürich
aufbewahrt
wird. Die bedeutendste Nonne war Elsbeth Stagel von Zürich,
bekannt durch ihre Erzählungen von den frommen Schwestern zu
Töss und
ihren geistigen Verkehr mit dem Mystiker Heinrich
Berger, genannt Suso, von Konstanz.
Während sich die Nonnen von
Töss lange durch Frömmigkeit und Selbstverleugnung auszeichneten, änderten
sie im 15. Jahrhundert ihre Lebensart. Wie andernorts nahm auch unter ihnen die Verweltlichung überhand, die durch den Reichtum
des Stiftes begünstigt wurde; freilich kam es nicht zu argen Exzessen. 1525, also zur Zeit der Reform wurde das Kloster
säkularisiert und in ein ökonomisches Amt verwandelt, das 1803 zum Amt
Winterthur geschlagen wurde.
Die Klosterkirche diente dann lange als Pfarrkirche, deren Kollatur seit 1525 dem
Rate zu Zürich
angehörte. Das Kloster war umfangreich
angelegt. Zu verschiedenen Malen erweitert und umgeändert, wurden die Gebäude seit 1462 künstlerisch ausgeschmückt. Eine
Zierde war namentlich der mit 80 grossen Freskogemälden ausgestattete Kreuzgang, von denen leider nur
ungenügende
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mehr
Kopien erhalten sind. 1833 gingen die Klosterräume, die als Amtsgebäude gedient hatten, auf einer Steigerung an J. J. Rieter
von Winterthur über, der darin den Grund zu der heute noch bestehenden grossen Maschinenfabrik legte. Noch bis 1853 dienten
das ehemalige Refektorium und der Chor als Kornspeicher, während im Schiff der Kirche noch regelmässig
Gottesdienst gehalten wurde. Dann aber wurde der Kreuzgang gänzlich abgebrochen, und nach der Erbauung eines neuen Gotteshauses
im Tössfeld (1854-1855) zog auch in die alte Kirche die Industrie ein. Bibliographie:WinterthurerNeujahrsblatt von 1820. -
Hafner. Das ehemalige Dominikanerkloster an der Tössbrücke.Winterthur 1879. - Neujahrsblatt der HülfsgesellschaftWinterthur 1903. - Mitteilungen der Antiquarischen GesellschaftZürich.
1904 und 1905. - Sulzer, Heinrich. Aus der Geschichte derKlösterimKanton Zürich.
(Separatabdruck aus der Sonntagspost des Landboten.Winterthur 1906).