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Zwinglipass (Säntis), Mattstock-Walau; in den Churfirsten vom Frümsel bis zum Voralpsee.
6. Stratigraphische Uebersicht.
a) Miozäne Molasse. Wechsellagerung von Nagelfluhbänken mit Sandstein und Mergellagen; daher die ausgesprochene rippenförmige Auswitterung (sog. Riginen) der ganzen Molasselandschaft. Nach SO. ist die Molasse vom Kalkgebirge Säntis-Mattstock scharf abgegrenzt.
b) Eozän (Flysch mit Nummulitenschichten). Der Flysch ist meist Mergelschiefer, der leicht verwittert und zu Rutschungen neigt. Gefährliche Wildbäche im Flyschland sind der Flibach und der Dürrenbach. Mächtigkeit wohl über 1000 m. Teilweise mit exotischen Blöcken von Granit, Gneis usw.
c) Senon. Graue Mergel mit kleinen Ammoniten und Gastropoden, bis 300 m mächtig. Fehlen am N.-Rand der Kreideketten, sowie am Ufer des Walensees.
d) Seewerschichten. Dichter, flaseriger Seewerkalk, der nach oben in Seewerschiefer übergeht. Etwa 100 m mächtig. An der Basis Turrilitenschichten, die im S. fehlen.
e) Gault (im weiteren Sinne). Grünsande. Am N.-Rand des Säntis nur etwa 5 m (Albien), transgredierend auf Schrattenkalk. Gegen S. wachsende Mächtigkeit und Hinzukommen von Aptien-Gault an der Basis. Maximum etwa 70 m in den Churfirsten.
f) Schrattenkalk (unteres Aptien und oberes Barrémien). Weisse, korallogene, massige Kalke. Zunahme der Mächtigkeit von 150 m am N.-Rand des Säntis bis gegen 300 m in den Churfirsten. Abnahme gegen den Alvier, woselbst die Barrêmestufe ganz vermergelt ist.
g) Drusberg- u. Altmannschichten (Barrémien). Braune Mergel mit Kalklagen, mit Exogyra sinuata, am N.-Rand des Säntis etwa 50 m. Zunahme der Mächtigkeit gegen SO. bis etwa 250 m, woselbst der vermergelte Schrattenkalk inbegriffen ist. An der Basis einige Meter Grünsand mit Belemniten.
h) Kieselkalk (Hauterivien). Dunkler, oft glaukonitisch-sandiger Kalk. Am Walenseeufer etwa 20 m, am N.-Rand des Säntis 60 m; weiter südöstl. Zunahme der Mächtigkeit bis zu etwa 450 m am Alvier.
i) Valangien. Besteht am Walenseeufer und Säntisnordrand oben aus Echinodermenbreccie (Pygurusschicht), darunter aus spätigem hellem Kalk mit Kieselknollen. 15-80 m. Im südl. Säntis kommt an der Basis Valangienmergel hinzu. Im Alvier ist der Valangienkalk in Tiefmeer- oder Aptychenfazies entwickelt (Diphyoideskalk).
k) Berriasien. Oben rezifaler hellgrauer Nerineenkalk, unten Mergel. Der Kalk keilt gegen SO. aus; die Mergel sind umgekehrt gegen NW. reduziert, Mächtigkeit 80-500 m. Höchst auffallend ist die weite Terrassenfläche der Palfriesalp (Alviergruppe) aus «Palfriesschiefer».
l) Malm (oberer Jura). Kommt in der Säntis- und Mattstockgruppe nicht zum Vorschein. In der Churfirsten- und Alviergruppe oben Zementstein (Tithon), unten etwa 500 m grauer, inwendig schwarzer, dichter und spröder Hochgebirgskalk. An der Basis gelbliche Schiefer und fleckiger Schiltkalk mit Ammoniten (Argovien). Der ganze Malm zeigt fast durchweg bathyale Fazies.
m) Dogger. «Transgression» von Schiltkalk (Argovien) auf Eisenoolith. Dichter Kalk mit Roteisenkörnchen. Etwa 1 m mächtig. Darunter Echinodermenbreccie (etwa 50 m), dann Eisensandstein, knolliger rostig-rot verwitternder Sandstein (etwa 150 m) und an der Basis dunkler Opalinuston (wenig mächtig).
n) Lias. Kommt nur an der Basis der Alviergruppe zwischen Bärschis (St. Georgen) und Sargans vor. Oben dunkler Tonschiefer, unten mächtige rauhe Kalke mit groben Sandlagen und Belemniten (Pachyteuthis).
7. Tektonik (Gebirgsbau).
Nicht nur stratigraphisch, sondern auch tektonisch besteht die sog. Thurgruppe aus zwei grundverschiedenen Gebieten:
1) dem Molassegebiet (Nagelfluhgebirge) im nördl. und 2) dem Alpengebiet im südl. Ab schnitt. Das Nagelfluhgebirge ist ein einfach gebautes Kettengebirge (Faltengebirge), das wahrscheinlich am Ende der Miozänzeit durch Horizontalschub aufgefaltet wurde. Dann folgte Erosion am S.-Rande des neu gebauten Gebirges, und hierauf drängten sich die horizontal von SO. her bewegten gewaltigen Alpenmassen an den Rand des Nagelfluhgebirges, bäumten sich an diesem auf (Mattstock) und schlugen sich in Wellen (Säntisfalten). So sind die Alpen mit dem Molassevorland zusammengeschweisst worden. Alle Faltungen, die man im Säntisgebiet in so hervorragender Weise beobachten kann, erscheinen uns heute nur noch als untergeordnete Runzelungen innerhalb der nach N. vorschiebenden, gewaltigen sog. Ueberfaltungsdecken (Ueberschiebungen). Im Alpengebiet der Thurgruppe kann man zwei Hauptdecken unterscheiden, die übereinander liegen und sich auch in der Ausbildung ihrer Gesteine wesentlich voneinander unterscheiden:
1) Die Mürtschendecke an der Basis. Sie bildet den Sockel der Churfirstengruppe von Walenstadt bis Betlis bei Weesen. Die Kreide ist relativ schwach entwickelt und zeigt die nächsten Anklänge mit dem N.-Rand des Säntisgebirges.
2) Die Säntisdecke. Die unterste Kreide (Valangien) und der Jura (bei Walenstadt) sind auf die jüngeren Schichten (meist Eozän) der Mürtschendecke überschoben (vergl. Profil im Art. Churfirsten). So finden wir auf der S.-Seite der Churfirsten überall die Schichtreihe doppelt übereinanderliegend. Im Säntis erscheint die Säntisdecke zu einem Kettengebirge harmonisch gefaltet; ¶
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in der Mattstockgruppe ist sie in einzelne Stücke zerschellt; in den Churfirsten bildet sie eine mächtige einheitliche Platte, die sich nach N. gegen die Thur senkt.
Wir sehen überall den innern Bau in den Abwitterungsformen durchschimmern. Im Säntis liegen die Schichten und Falten meist nach N. über, daher dort der steile Abbruch nach N. in Form einer gewaltigen, gebänderten Mauer. In den Churfirsten und in der Alviergruppe sind die Schichten umgekehrt nach N. bezw. NO. geneigt, weshalb hier der N.-Abfall allmählig, der S.-Abfall dagegen quer zu den Schichtenköpfen schroff und felsig sich gestaltet.
Die Alviergruppe zeigt die merkwürdige Erscheinung, dass der Jurasockel in eine Reihe von scharfen, nach N. überliegenden Falten gelegt ist, während das Kreidegebirge (über der Palfriesschieferterrasse) kaum gefaltet (Alvier) oder weiter westl. (Sichelkamm) diskordant zu den Juraschichten gefaltet liegt.
Der auf jeder besseren Karte hervortretende Bogen, den die Churfirsten-Alvierkette im Grundriss beschreibt, ist den Geologen schon vor 50 Jahren aufgefallen. Er erklärt sich einwandfrei durch die allgemeine Senkung, die das gesamte Alpengebirge der St. Galleralpen gegen die Rheinlinie hin erfährt, und hat nichts mit Querfaltung zu tun. In der Tat verlaufen die Falten der Alviergruppe wie immer SW.-NO., also senkrecht zum topographischen Bogen des Gebirges.
Die Zeit der Alpenfaltung der Thurgruppe muss nach neuesten Untersuchungen als pliozän oder höchstens jüngst miozän (nicht als oligozän) aufgefasst werden.
8. Bibliographie.
Geolog. Karte der Schweiz in 1:100000 (auf Grundlage der Dufourkarte). Blatt IX. 1875. - Escher von der Linth, Arn. Geolog. Beschreibung der Säntisgruppe. (Beiträge zur geolog. Karte der Schweiz. 13, 1878). - Moesch, C. Geolog. Beschreibung der Kalkstein- und Schiefergebirge der Kant. St. Gallen, Appenzell und Glarus. (Beiträge. 143; 1881). - Burckhardt, C. Die Kontaktzone von Kreide und Tertiär am Nordrand der Schweizeralpen. (Beiträge. Neue Serie 2, 1893). - Ludwig, A. Die Alviergruppe. (Jahresber. der Nat. Ges. St. Gallen. 1895/96). - Heim, Alb. Das Säntisgebirge. (Beiträge. Neue Serie 16, 1905). - Heim, Arn. Die Brandung der Alpen ans Nagelfluhgebirge. (Vierteljahrsschr. der Nat. Ges. Zürich. 1906). - Heim, Arn. Das Walenseethal. (Exkurs. des Oberrhein. Geolog. Ver. 1907). - Heim, Arn., und J. Oberhölzer. Geologische Karte der Gebirge am, Walensee in 1:25000. Bern 1907.
[Dr. Arnold Heim.]