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Literatur Humanität gegen Menschen und Vieh zu pflanzen. Ein Verein für Hebung der Sonntagsfeier entwickelt grossen Eifer. Auf religiösem und kirchlichem Gebiet hat der Thurgau die verschiedensten Vereine.
Unübersehbar wird die Zahl der Vereine, wenn wir uns zu den Gemeinden und den einzelnen Berufsarten wenden. Da gibt es Männervereine, welche alle möglichen öffentlichen Interessen zu besprechen sich zur Aufgabe gesetzt haben. In Frauenfeld und Umgebung besteht ein Konsumverein, der dem schweizerischen Verband sich angeschlossen hat und mit seinem ausgedehnten Warenverkehr auf die sozialen Gestaltungen und Wandlungen nicht ohne eingreifenden Einfluss ist. Auch an der Arbeiterbewegung der Neuzeit nehmen in den industriellen Ortschaften (Frauenfeld, Arbon, Romanshorn) Verbindungen aller Art teil. Zu alledem kommen dann noch die ungezählten, kleinere Kreise umfassenden Militär-, Schiess-, Sänger-, Turnvereine etc. in den Kreisen und Gemeinden, dann die Frauenvereine, die Orts- und Berufskrankenkassen u. s. f., so dass es wohl wenig erwachsene Bürger gibt, die nicht einem Verein irgendwelcher Art angehören.
[a. Pfarrer Wælli.]
26. Geschichtlicher Ueberblick.
Die ehemalige Gaugrafschaft Thurgau umfasste ursprünglich das ganze Gebiet von den Abhängen des Säntis bis zum Ausfluss der Thur in den Rhein und vom Bodensee bis an Reuss und Limmat und den Fuss der Hochgebirge. Um das Jahr 850, unter Ludwig dem Deutschen, ward der Zürichgau von ihm gelöst und die Wasserscheide zwischen Glatt und Töss zur Grenze bestimmt. Als die Grafschaft Kiburg an Zürich kam, wurde durch einen Schiedsspruch der Stadt Rapperswil vom Jahr 1427 die Grenze zwischen der Landgrafschaft und Kiburg bezw. Zürich so festgesetzt, wie sie es bis auf den heutigen Tag geblieben ist.
Der Thurgau war österreichisches Untertanenland, bis im Jahr 1460 Papst Pius II. den Herzog Sigismund von Oesterreich in den Bann tat und die Eidgenossen aufforderte, seiner Länder sich zu bemächtigen. Mit Ausnahme von Bern folgten diese dem Rufe und eroberten im September 1460 den Thurgau. Seit jener Zeit war er bis 1798 ein Untertanenland der VII Orte, das sie durch einen Landvogt verwalteten, der je auf zwei Jahre der Reihe nach von jedem der Orte ernannt wurde.
Es hält schwer, mit wenig Worten ein übersichtliches Bild der rechtlichen, kulturellen und sozialen Verhältnisse des Landes unter der Landvogtei zu entwerfen. Das Land war geteilt in eine ganze Menge von Gerichtsbarkeiten. Der Gerichtsherr urteilte über die kleinern Vergehen, der Landvogt über Blut und Leben und als Appellationsinstanz in verschiedenster Richtung. Weil aber die Grenzen zwischen der Kompetenz der Gerichtsherren und derjenigen des Landvogtes sich schwer bestimmen liessen, entstanden vielfach Konflikte zwischen den beiden, und die Zeche hatte das Volk zu bezahlen.
Die Gerichtsherren schlossen sich zu einer besondern Verbindung zusammen, um ihre Rechte zu verteidigen. Daneben gab es Landesteile, die auch in der niedern Gerichtsbarkeit dem Landvogt unterstanden. Diese Verhältnisse wurden noch schwieriger, als infolge der Reformation konfessionelle Streitigkeiten aller Art sich mit ihnen vermischten. Im Anfang hatte sich das Land mit wenig Ausnahmen dem evangelischen Bekenntnis zugewandt. Dem suchten die katholischen Orte und mit ihnen einzelne Gerichtsherrn (besonders die geistlichen wie die Aebte von St. Gallen, Fischingen etc. und der Bischof von Konstanz, dem Arbon und Bischofszell gehörte) auf jede Weise und mit allen Mitteln entgegenzuwirken.
Zürich und das evangelische Glarus suchten möglichst zu wehren, waren aber in der Minderheit. So kam es, dass im grössern Teil der Gemeinden die Parität eingeführt wurde. In den selben Kirchen ward der protestantische und katholische Gottesdienst abgehalten. Ohne vielfache Reibungen ging das nicht ab, und mehr als einmal schien die Gefahr eines Kriegsausbruches zwischen den evangelischen und katholischen Orten unabwendbar. Besonders viel Stoff zu Streitigkeiten gab die Einführung des neuen Kalenders, den die Katholischen annahmen, die Evangelischen als vom Papst kommend verwarfen, sowie die daherige verschiedene Bestimmung der Feiertage. Im sog. Diessenhofervertrag vom Jahr 1728 kamen die wichtigsten Streitursachen zu einer beiden Teilen annehmbaren Ausgleichung. Diese Zwistigkeiten hatten übrigens für das thurgauische Volk den Vorteil, dass die beiden Konfessionen sich vertragen und im Frieden zusammenwohnen lernten.
Man kann indes nicht sagen, dass die Zeiten der Landvogtei für das Volk des Thurgaues aussergewöhnlich schwere und drückende gewesen seien. Abhängig war es freilich und durfte sich nicht selbst regieren. Aber das Landvolk der städtischen Kantone war es noch viel mehr, beengt und bedrängt durch eine Menge von Vorrechten der Städte, welche der Thurgau nicht kannte. Darum wurden auch die Städtekantone von einer Unruhe, einem Aufstand um den andern heimgesucht und oft bis in die Grundfesten erschüttert, während der Thurgau von solchen Bewegungen verschont blieb. Sein Uebel in den Tagen der Landvogtei lag nicht in der Landvogtsregierung und der Abhängigkeit von ihr, sondern vielmehr in der Unmenge von Gerichtsherrlichkeiten, deren jede ihre besondern Rechte hatte und ihre besondern Ansprüche erhob, in den Verwicklungen derselben unter sich und mit der Landvogtei, welche dem Bürger das Leben nach allen Seiten erschwerte, so dass er mühsam genug und nur mit Aufwand aller Klugheit sich durchwinden konnte.
Das Jahr 1798 hat allen diesen Zuständen ein Ende gemacht. Der Feudalismus und die Gerichtsherrlichkeiten wurden aufgehoben. Der Thurgau ward eine Provinz der helvetischen Republik. Erst mit der Mediationsverfassung vom Jahr 1803 ward er dann zu einem eigenen, selbständigen Kanton, nachdem man ihn vorerst während einiger Monate mit Schaffhausen zu einem Kanton vereinigt hatte. Sein Eintritt in die Selbständigkeit und die ersten Schritte in ihr fielen ihm nicht leicht.
Ohne alle finanziellen Mittel sollte er den mannigfaltigsten Anforderungen eines modernen Kulturstaates gerecht werden. Es ist das Verdienst der ersten Regierung, namentlich eines Freienmuth, Hirzel, Morell und A., dem Kanton ein rationelles Strassennetz und ein gesundes Schulwesen gegeben und bei alledem den Grund zu einer günstigen finanziellen Entwicklung gelegt zu haben. Um die Lösung aus dem Untertanenverband haben sich besonders Enoch und Joachim Brunschwiler von Hauptwil, Messmer und Anderes von Erlen und Apotheker Reinhard von Weinfelden verdient gemacht.
Der Kanton wurde mit seinem Selbständigwerden in acht Bezirke geteilt, deren jeder sein Bezirksamt für die Polizei, seinen Bezirksrat für die Verwaltung und sein Bezirksgericht für richterliche Angelegenheiten in erster Instanz erhielt. Die 74 Munizipalgemeinden, in die der ¶
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Kanton ferner eingeteilt ward, hatten die Wahlen zum Grossen Rat und zu den Bezirksämtern zu treffen, sowie für sich selbst einen Friedensrichter als Sühn- und Konkursbeamten und einen Gemeindeammann samt Gemeinderäten zu wählen, denen die Besorgung der administrativen Angelegenheiten der Gemeinden oblag. An den meisten Orten scheidet sich die Munizipalgemeinde in verschiedene Ortsgemeinden, denen ausser der Besorgung der niedern Polizei auch die des Strassenwesens überbunden ist, soweit es nicht Sache des Kantons ist.
Daneben her gehen als selbständige Korporationen die Schul- und die Kirchgemeinden, die je nach den örtlichen Verhältnissen aus verschiedenen Ortsgemeinden sich zusammensetzen, ja bei den Kirchgemeinden sogar Ortschaften der Nachbarkantone umfassen. Eingreifende Verfassungsänderungen fanden im vorigen Jahrhundert zweimal statt (einmal in den Dreissigerjahren unter der Führung des Pfarrers Bornhauser und dann im Jahr 1869), ohne aber die genannten Einrichtungen in nennenswertem Mass abzuändern.
[a. Pfarrer Wælli.]
27. Hervorragende Männer.
Der intelligente und arbeitstüchtige Volksschlag des Thurgaues mit seinem ruhigen Temperament und dem nüchternen, allem Extremen abholden Wesen hat dem öffentlichen Leben sowohl auf dem Gebiete von Schule, Kirche und Wissenschaft wie auf demjenigen der Politik zahlreiche tüchtige Männer gegeben, auf die der Kanton stolz sein darf. Wir nennen: Heinrich von Klingenberg († 1306), Verfasser der in Wien aufbewahrten Klingenberger-Chronik;
Konrad von Ammenhausen († 1381), Verfasser des Schachzabelbuchs;
Theodor Bibliander († 1564), Professor der orientalischen Sprachen in Zürich; Ludwig Hetzer aus Bischofszell († 1529), einer der Apostel der Wiedertäufer;
Petrus Dasypodius († 1559), Professor der griechischen Sprache in Strassburg;
Tobias Eglinus Iconius († 1622 in Marburg), der den reformierten Kirchengesang in Zürich einführte;
Thomas Weber aus Frauenfeld († 1604), Professor in Heidelberg;
Joh. Konrad Brunner aus Diessenhofen, Leibarzt des Landgrafen von Hessen, und seine Söhne Erhard Brunner, Professor in Heidelberg, und Moritz Brunner, Rechtsgelehrter in Diensten des Landgrafen von der Pfalz;
Melchior Aepli aus Diessenhofen († 1813), berühmter Arzt;
Joh. Kasp. Mörikofer († 1761) und Joh. Heinr. Boltshauser († 1812), berühmte Kupferstecher;
Dekan Pupikofer, Geschichtsschreiber;
Oberst Egloff von Tägerwilen, bekannt aus dem Sonderbundskrieg;
J. Ulr. Benker, Rektor der thurgauischen Kantonsschule;
Bundesrat Anderwert;
Dr. J. C. Kern, eidg.
Minister in Paris; Dr. Kappeler, Präsident des eidg. Schulrates; Seminardirektor Jak. Wehrli; Dekan Künzler in Tägerwilen, Präsident des evangelischen Kirchenrates und berühmter Kanzelredner; Gotthardbahn-Direktor Dr. Sev. Stoffel († 1908); Bundesanwalt und Ständerat Scherb († 1908), Dr. Ad. Deucher (geb. 1831), Senior des schweizer. Bundesrates. Von Nichtbürgern, die aber lange im Thurgau gewirkt, seien Seminardirektor Rebsamen und Dr. Thomas Scherr als Präsident des Erziehungsrates erwähnt.
28. Bibliographie.
Mitteilungen der thurg. Naturforsch. Gesellschaft (seit 1857). - Früh, Jak. Beiträge zur Kenntnis der Nagelfluh in der Schweiz. (Denkschr. der schweiz. Naturf. Gesellsch. 30, 1890). - Früh, J. Die Drumlinslandschaft mit bes. Berücksichtigung des alpinen Vorlandes. (Jahrbuch der St. Gall. Naturwiss. Gesellsch. 1894/95.) - Früh, J. Wie die Oberflächenformen des Thurgaues entstanden sind. (Sonntagsblatt der Thurg. Zeitung. 1898, 44). - Früh, J. Zur Morphologie des untern Thurgau. (Mitt. der thurg. Naturf. Gesellsch. 17). - Früh, J. Erratische Blöcke und deren Erhaltung im Thurgau. (Ebenda; 18). - Gutzwiller, A., u. F. Schalch. Geolog. Beschreibung der Kant. St. Gallen, Thurgau u. Schaffhausen. (Beitr. zur geolog. Karte der Schweiz. 19, 1883). - Gutzwiller, A. Das Verbreitungsgebiet des Säntisgletschers. (Jahrb. der St. Gall. Naturwiss. Gesellsch. 1873/74). - Gutzwiller, A. Aeltere diluviale Schotter in der Nähe von St. Gallen und Bischofszell. (Eclogae geolog. Helvetiae. VI, 6). - Eberli, J. Ueber das Vorkommen der Molassekohle im Kant. Thurgau. (Mitt. der Thurg. Naturf. Gesellsch. 12). - Eberli, J. Aus der Geologie des Kant. Thurgau. (Ebenda; 14). - Eberli, J. Ueber einen Einschluss in der thurg. Molassekohle. (Ebenda; 15). - Würtenberger, Th. Phytopaläontologische Skizzen. (Ebenda; 13). - Würtenberger, Th. Die Tertiärflora des Kant. Thurgau. (Ebenda; 17). - Letsch, E. Die schweizer. Molassekohlen östl. der Reuss. (Beitr. zur geolog. Karte der Schweiz; geotechn. Serie. 1, 1899). - Legler, G. H. Denkschrift über die Abflussverhältnisse des Bodensees. Glarus 1862. - Legler, G. H. Bericht über die Abflussverhältnisse des Bodensees und Rheins. Glarus 1891. - Legler, G. H., und J. J. Fierz. Expertenbericht betr. die Abflussverhältnisse des Rheins bei Konstanz und Schaffhausen. Glarus 1872. - Engeli, J. Quellenkarte des Kant. Thurgau: Quellenverhältnisse am Seerücken. (Mitt. der thurg. Naturf. Gesellsch. 16). - Hess, Cl. Die Niederschlags- und Abflussverhältnisse im Auffangsgebiet der Thur. (Ebenda; 13). - Hess, Cl. Einiges über Gewitter in der Schweiz im allgem. und Gewitterzüge im Thurgau im speziellen. (Mitt. der thurg. Naturf. Gesellsch. 15). - Hess, Cl. Die Niederschläge im Thurgau 1879-1891. (Ebenda; 16). - Nägeli, Otto, und Eug. Wehrli. Beiträge zur Flora des Thurgaus. (Ebenda; 9 und 11). - Boltshauser. Beitrag zu einer Flora des Thurgaus. (Ebenda; 6). - Eberli, J. Beitrag zur thurg. Volksbotanik. (Ebenda; 16). - Nägeli, O. Ueber die Pflanzengeographie des Thurgaus. (Ebenda; 13 und 14). - Schwyzer-Reber. Die Obstsorten im Thurgau im Jahr 1903. (Ebenda; 16). Wegelin, H. Die alten Zierpflanzen der thurg. Bauerngärten. (Ebenda; 13). - Baumann, E. Beiträge zur Flora des Untersees. (Ebenda; 18). - Schroeter, C., und L. Kirchner. Die Vegetation des Bodensees. Lindau 1886-1902. - Früh, J., und C. Schroeter. Monographie der schweizer. Torfmoore. (Beitr. zur geolog. Karte der Schweiz; geotechn. Serie. 3, 1904). - Kollbrunner, E. Erhebungen über die Fischfauna des Kant. Thurgau. (Mitt. der thurg. Naturf. Gesellsch. 4). - Wehrli, E. Fischleben der kleinern thurg. Gewässer. (Ebenda 10). - Ulrich, A. Die lebenden Mollusken des Kant. Thurgau. (Ebenda; 12). - Eugster. Anfänge zu einer Lepidopterenfauna des Kant. Thurgau. (Ebenda; 4). - Wegelin, H. Die Grossschmetterlinge des Kant. Thurgau. (Ebenda; 18). - Eugster und Kugler. Beitrag zu einer Koleopterenfauna des Kantons Thurgau. (Ebenda; 7). - Wegelin, H. Verzeichnis der Hymenopteren des Kant. Thurgau. (Ebenda; 14 und 16). - Schweizer, W. Die Felchen des Bodensees und ihre natürl. u. künstl. Vermehrung. (Ebenda; 11). - Thurg. Agrarstatistik 1890. - Thurg. Obstbaustatistik 1885.
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