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und Kainit. Es bestehen einige Stationen für Wiesendüngungsversuche. Die Resultate der interessanten Versuche sprechen sehr zu Gunsten der Thomasmehl-Kainitdüngung. Eine Kunstdüngerfabrik existiert in Märstetten, doch wird eine Menge Kunstdünger importiert, und zwar meist genossenschaftlich. Auch in der Fütterungslehre sind neue Bahnen betreten. Heu, Emd und andere Futterstoffe werden ergänzt durch sog. Kraftfutter (Kleien, Erdnuss und Sesam, Malzkeime, Mais, Treber, Abfallprodukte der Mehlmüllerei).
Den bessern landwirtschaftlichen Geräten und Maschinen ist man sehr zugänglich. Ueberhaupt zeigen sich die Bauern seit ihrer Organisation und seit Errichtung einer landwirtschaftlichen Winterschule (mit drei Hauptlehrern) ungemein regsam für Förderung ihrer Interessen. Zentralstelle ist der thurgauische landwirtschaftliche Verein. Gegründet 1835 von Seminardirektor Wehrli, zählte er im Jahr 1906 in 50 Sektionen beinahe 3000 Mitglieder und über 200 Einzelmitglieder. Der Zweck des Vereins ist Förderung von Land- und Volkswirtschaft in technischer und wirtschaftspolitischer Richtung. Er sucht ihn zu erfüllen:
1) Durch Veranstaltung und Unterstützung von Kursen und Wandervorträgen über land- und volkswirtschaftliche Fragen. - 2) Durch Herausgabe eines Vereinsblattes und Unterhaltung einer landwirtschaftlichen Bibliothek. - 3) Durch Förderung des Genossenschaftswesens, insbesondere durch Anhandnahme der Vermittlung landwirtschaftlicher Bedarfsartikel und Verwertung landwirtschaftlicher Produkte bezw. Verbesserung des Absatzes derselben. Zu diesem Zwecke bildet der Hauptverein die Sonderabteilung Genossenschaftswesen. - 4) Durch die Abhaltung und Unterstützung landwirtschaftlicher Ausstellungen und Produktenmärkte, Geräteproben und Kulturversuchen. - 5) Durch Unterstützung der dem Hauptverein beigetretenen Zweigvereine, wie der Bestrebungen des schweizerischen landwirtschaftlichen Vereins und des schweizerischen Bauernverbandes.
Die Menge der durch den Genossenschaftsverband des thurgauischen landwirtschaftlichen Vereins im Jahre 1904/05 an dessen Sektionen gelieferten Düngemittel beträgt 2584355 kg, an Futtermitteln 42000 kg, der Wert der Düngemittel Fr. 198100. Die landwirtschaftliche Winterschule war zwei Winter über provisorisch in der Kaserne Frauenfeld untergebracht und hat seit dem Winter 1906/07 ein nach Lage und Einrichtung ausgezeichnetes Heim in Arenenberg gefunden, welches Schlossgut von der Exkaiserin Eugenie im Frühjahr 1906 dem Kanton geschenkt worden ist. Der Schule ist jetzt auch eine milchwirtschaftliche Versuchsstation angegliedert. Neuestens sucht der landwirtschaftliche Verein den Getreidebau wieder zu heben durch Abhaltung von Samenmärkten mit Prämierung für vorzügliches Saatgut. Es existiert auch ein kantonaler Obstbauverein.
Der Weinbau ist zur Zeit noch in allen Bezirken vertreten; in den Bezirken Arbon, Diessenhofen, Bischofszell und Münchwilen allerdings nur in geringem Umfange. Höchstgelegene Lagen sind die bei Bettwiesen und Eschlikon (620 m). Berühmtere Thurgauer Weine sind diejenigen von Ittingen (Karthäusler), Ottenberg (Bachtobler), Bissegg, Götighofen, Stettfurt (Sonnenberger), Herdern, Steinegg und Katharinenthal. Die Qualität des Traubensaftes wird durch sorgfältige Absonderung des weissen Gewächses vom roten und durch Vor- und Nachlese des letztem in zwei bis drei Qualitäten gehoben.
Die für das Jahr 1906 aufgenommene Statistik der Weinernte ergibt folgende Zahlen:
Bezirke | Fläche des Reblandes | Quantität in Hektolitern | Geldwert (Mittl. Preis) per Hektoliter in Franken | ||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
ha | Rotes Gewächs hl | Weisses Gewächs hl | Gemischtes Gewächs hl | Rotes Gewächs Fr. | Weisses Gewächs Fr. | Gem. Gewächs Fr. | |
Arbon | 8.21 | 42.00 | - | 8.80 | 73.33 | - | 70.- |
Bischofszell | 36.25 | 83.35 | - | - | 66.- | - | - |
Diessenhofen | 55.00 | 25.00 | 330.00 | 30.00 | 50.- | 30.33 | 40.- |
Frauenfeld | 324.82 | 765.10 | 2463.30 | 362.65 | 50.94 | 31.44 | 36.25 |
Kreuzlingen | 113.69 | 234.00 | 884.00 | 75.80 | 43.60 | 25.80 | 36.- |
Münchwilen | 47.34 | 47.00 | 38.00 | 25.00 | 53.33 | 35.- | 40.- |
Steckborn | 317.07 | 679.20 | 3615.30 | 189.80 | 47.85 | 29.97 | 29.25 |
Weinfelden | 176.90 | 1532.50 | 516.00 | 305.40 | 44.33 | 32.62 | 31.75 |
Total | 1079.28 | 3408.15 | 7846.93 | 997.45 | 53.67 | 30.86 | 40.46 |
Geldwert Fr. | 182895.41 | 242146.07 | 40266.82 |
Ein zuverlässiger buchführender Winzer am Untersee berechnete das Durchschnittsergebnis einer Juchart Reben von 5000 Stöcken (wovon ⅔ weisses und ⅓ rotes Gewächs) in den 20 Jahren von 1881 bis 1901 und erhielt:
Fr. | |
---|---|
Brutto-Ertrag pro Juchart | 401.20 |
Unkosten | 378.- |
Bleiben | 23.20 |
Hieraus folgt, dass bei Annahme einer Verzinsung von 4% die Juchart Reben dort bloss noch 580 Fr. und die Hektare 1580 Fr. wert ist. Daneben gibt es aber Weinlagen im Kanton (besonders an steilen Halden), die nicht mehr als einen Taglohn von 20-30 Rappen rentieren, also völlig wertlos sind. Es ist daher wohl begreiflich, wenn bei Abstimmungen über ein Gesetz von finanzieller Tragweite die Weinbauern des Thurgaues gerne negieren.
Für das Pflanzen und Pflegen von Obstbäumen, namentlich Kernobstbäumen, haben die Thurgauer von jeher eine grosse Vorliebe gehabt, was nicht Wunder nehmen muss in einer Gegend, wo der Boden und das Klima für die Entwicklung kräftiger, mächtiger Obstbäume und für reichen Ertrag an gutem Wirtschafts- und Tafelobst so günstig sind. Seitdem für Absatz gesorgt und Aepfel, sowie Apfelwein und Birnensaft ein reger Handelsartikel geworden sind, wird der Obstkultur noch vermehrte Beachtung geschenkt. In zahlreichen Vorträgen und Kursen (teils im Kanton, teils an der Schule zu Wädenswil) über Zucht und Wartung des Obstbaumes, Sortenkunde, Bekämpfung der Schädlinge, Verpackung und Versand von Obst, sowie über Mostbereitung und Kelterung sucht man den Obstbau zu heben. Die Thurgauer Bauern sind erklärte Pomologen und Freunde des Obstbaumes.
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Namentlich das thurgauische Mostobst erfreut sich eines ausgezeichneten Rufes. Eine Obstbaustatistik mit Zählung sämtlicher Obstbäume ist im Jahr 1884 aufgenommen worden. Darnach betrug die Zahl sämtlicher Obstbäume im Acker- und Wiesland 968839, die der Gartenobstbäume 30093, zusammen 998932 Stück. Davon waren 806356 Kernobstbäume und 147491 Steinobstbäume. Es entfielen: pro ha Gesamtfläche 11,5 und pro ha Obstbauareal 16,1 Bäume, sowie auf je 1 Ew. rund 10 Bäume.
Von 1859 bis 1884 vermehrte sich die Zahl der Obstbäume um 91229 Stück. 1884 war der Prozentanteil der Apfelbäume 50,4%, der Birnbäume 32,9%, der Kirschbäume 3,0%, der Zwetschgen- und Pflaumenbäume 12,3% und der Nussbäume 1,4%. Der Hauptexport geht immer noch nach Stuttgart, wohin innert 11 Jahren 16379 Wagenladungen aus Oesterreich und 16375 solcher aus der Schweiz (meist aus dem Thurgau) gegangen sind. Erst in grossen Abständen von 1800-4700 Wagenladungen folgen Holland, Belgien, Hessen, Frankreich und Baden.
In neuerer Zeit haben sich Genossenschaften für Obstexport, sowie für rationelle Herstellung und Kelterung des Obstweins gebildet; so in Egnach, Bischofszell, Märstetten, Oberaach etc. Die Obstverwertungsgenossenschaft Bischofszell zählt z. B. etwa 60 Landwirte aus Bischofszell und den Nachbargemeinden als Mitglieder. Es wird laut Statuten zunächst das verfügbare Obst der Genossenschafter und, je nach Bedarf, nachher auch dasjenige anderer Bauern verarbeitet und abgesetzt.
Grosse, von Motoren getriebene Obstmühlen in der obern Etage des Gebäudes mahlen täglich 500-600 Meterzentner Obst; dieses fällt in die im Parterre befindlichen Pressen-Beete (auf Rollwagen), wird hier mittels hydraulischer Pressen ausgepresst und der Saft durch Schläuche in die prächtigen ovalen (bis 5 m hohen und 100-120 hl fassenden) Lagerfässer im Keller geleitet. Nach aussen ist der Verkehr sehr kulant. Hunderte von Transportfässern in allen möglichen Grössen werden den Konsumenten leihweise zur Verfügung gestellt.
Egnach besitzt eine Dampfzentralheizung in den Kellern, um durch gleichmässige Temperatur einen raschen Gährungsprozess und damit glanzhelle, haltbare Produkte zu erzielen. Eine selbsttätige Wasserdruckpumpe befördert die Säfte in die Lagerfässer. Die Genossenschaft Egnach hat 1905/06 nicht weniger als 800000 Liter Saft und Most verkauft. Das Jahr 1906 hatte bisher im Thurgau wahrscheinlich den stärksten Handel in Obst und Obstsäften aufzuweisen. Die Zufahrtsstrassen zu den Obstmärkten, zu den Genossenschaftsmostereien und den Eisenbahnstationen waren zeitweise von Obstfuhrwerken förmlich gesperrt. Der Export über Romanshorn und Singen dürfte 1500 Eisenbahnwagenladungen betragen haben (in Romanshorn allein während 14 Tagen täglich 100-120 Wagenladungen).
[F. Ribi.]
Die Hauptobstgegend ist das Egnach mit seinen riesigen Birnbäumen; hier allein gedeiht auch noch der Kirschbaum in grösseren Mengen auf Kalkboden im sog. «Chriesichratten» Obstbaumwälder haben auch die Seeufer von Horn bis unterhalb Steckborn, der flache O.-Teil des Seerückens und der Bezirk Bischofszell. Das Thurthal mit seinem Kiesboden ist dem Obstbaum weniger günstig. Leider werden noch immer viel zu viele Sorten gepflanzt (nach Schwyzer-Reber 264 Aepfel- und 172 Birnensorten), weshalb keine Gleichmässigkeit in der Handelsware und im Obstwein vorhanden ist.
Als beste Mostobstsorten erfreuen sich weiter Verbreitung: unter den Aepfeln Waldhöfler, Uttwiler oder Spätlauber, Gelbjoggler, Rotenhauser Holzapfel, Palmoder Nägeliapfel, Hessenreuter, Salomonsapfel etc.;
unter den Birnen: Sülibirne, Bergler, Gelbmöstler, Grünmöstler, Guntershauser, Knollbirne, Spätweinbirne und.
Wasser- oder Kugelbirne. Als Tafeläpfel erzielen hohe Preise: Fraurotacher, Baumanns und Kasseler Reinette, Gravensteiner, Goldparmaine, Breitacher, Pariser Rambour, Lederapfel, Sommerer (roter Sommerkalvill) u. a. Unter den Birnen spielt fast nur die Pastorenbirne eine Rolle als Lagerfrucht; der Baum ist sehr tragbar. Einige wertvolle alte Sorten gehen immer mehr zurück: Fraurotacher- und Gelbjogglerbäume wollen nicht mehr recht gedeihen, und auch die Langstieler- oder Chriesibirne wird nur noch selten angetroffen. Beim Steinobst spielt die Zwetschge die wichtigste Rolle; einzelne Gemeinden führen in günstigen Jahren 1200-1500 Zentner aus, meist zum Brennen. Als Dörrfrucht kann sie mit den billigen Balkanzwetschgen nicht konkurrieren. Die Hauptsorte ist die gewöhnliche Hauszwetschge, doch sind auch die
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italienische oder welsche und die Fellenbergzwetschge allgemein verbreitet und beliebt. Die früher häufigen Nussbäume sind überall selten geworden.
Im eingehagten Krautgarten pflanzt die Bäuerin nicht mehr wie vor Zeiten ausschliesslich Kraut, d. h. Mangold (Beta cicla). Die Ansprüche an ihre Küche sind bedeutend gestiegen. Sie zieht Bohnen (Höckerli und Stangenbohnen), Zuckererbsen, gelbe Rüben und Spinat, Kohlarten, Zwiebeln, Salat und Rettig, Lauch und Sellerie, Petersilie und Schnittlauch. In neuerer Zeit bürgert sich auch der im Frühling ein Obstgemüse liefernde Rhabarber ein, während das Butterkraut (Gartenmelde) verschwunden und die Wegluege (Cichorium intybus) durch käufliche Kaffeesurrogate verdrängt ist.
Jeder Garten hat eine Abteilung für Blumen, und wie schon vor Jahrhunderten schmücken ihn vorzüglich weisse und gelbe Narzissen und Tulpen, Grasnelken (Dianthus plumarius), Goldlack und Levkojen, Ringelblume, Rittersporn und Resede, Händscheli (Primula acaulis und P. elatior), Salbei und Lavendel. Häufig enthalten die Blumenbeete auch Hyazinthen, Kaiserkrone, weisse Lilie, Pfingstrose, Stockrose (Althaea rosea), Bartnelke, Nachtviole und Winteraster (Chrysanthemum indicum), - alles durch Zwiebel, Knolle oder Wurzelstock im Freien ausdauernde oder durch Selbstaussaat sich erhaltende einjährige Pflanzen.
Mehr Sorgfalt erfordern Majoran, Dahlie, Aster und Balsamine. Nirgends fehlen einige Rosen; häufig sind Zimmtröschen (Philadelphus coronarius), spanischer Flieder und der Blütenschmuck des Balusters (Cydonia japonica); da und dort wird auch ein Hollunderstrauch (Sambucus nigra) der Latwerge liefernden Beeren wegen geduldet. Mehr und mehr aber beansprucht in den Hausgärten edles Spalierobst den verfügbaren Raum, und die Hauswände überziehen sich mit «Trüetern» von feinen Trauben, Pfirsichen, Aprikosen und Birnen. Schönheitssinn und Bedürfnis für gedeckte Ausschau schmücken überall die Fenster mit Pelargonien, Fuchsien, Nelken, Blattkaktus, Primeln u. a.
Die Villengärten haben kein dem Thurgau eigenes Gepräge. Sie zeigen Spalierobst, Ziersträucher, Bäume und Blumen, wie es die Mode mit sich bringt und das Klima es erlaubt.
Die Obstbäume leiden unter dem Schorf, der die Entwicklung der Blätter beeinträchtigt und die Früchte unansehnlich und minderwertig macht; ferner unter den Fäulepilzen, die Apfelbäume speziell unter dem Krebs. Der früher so häufige Gitterrost des Birnbaums ist fast völlig verschwunden, seit dem Sevistrauch (Juniperus Sabina) der Gärten zielbewusst der Krieg erklärt ist. Das Getreide wird häufig von Rost, Stein- und Flugbrand, die Kohlarten von Zeit zu Zeit durch die Hernie heimgesucht. Der Kartoffelkrankheit steuert man durch Einführung widerstandsfähiger Sorten.
[Prof. H. Wegelin.]
9. Wald und Waldwirtschaft.
Die Waldungen nehmen noch etwa 1/5 des produktiven Areals ein. Wie die Mitteilungen über die geologische Beschaffenheit gezeigt, ist der Boden auch für diese Kultur geeignet, stellenweise sogar in hohem Grade. Die Waldungen bekleiden hauptsächlich die Kuppen und Rücken der Hügel; weniger dagegen die Gehänge, es sei denn, dass diese gegen N. liegen. Die stolzesten und ausgedehntesten Waldbestände treffen wir im Gebiet bezw. Besitz der Gemeinden Tägerwilen, Neuwilen, Ermatingen, Güttingen, Bischofszell und Frauenfeld, sodann in den Staatswald-Revieren Feldbach, Kreuzlingen-Münsterlingen, Kalchrain-Steinegg und Katharinenthal, endlich im Hinterthurgau.
Der stark parzellierte Wald ist vorherrschend Nadelwald, während noch vor 200 Jahren das Laubholz überwog, und zwar dominiert die Rottanne. Die Weisstanne bildet selten ausgedehnte Bestände, und die Föhre ist an trockene, sandige S.-Hänge und auf Kiesböden beschränkt. Nach P. Vogler sind an der N.-Abdachung des Wellenbergzuges und des Seerückens, sowie im Hinterthurgau noch zahlreiche Eiben vorhanden. Nur längs des Unter- und Bodensees finden sich ausgedehnte, in Mittelwaldbetrieb stehende Laubholzwaldungen. Einen prächtigen Buchenwald hat Ittingen. Die Auenwälder längs der Flüsse sind vorzugsweise aus Weiden, Pappeln, Erlen und Eschen zusammengesetzt.
Dem Wald sind verderblich der Hallimasch (Agaricus melleus) und der Fichtennadelrost (Chrysomyxa Abietis). Melampsorella Caryophyllacearum erzeugt die sehr häufigen Hexenbesen der Weisstanne, und die Föhrennadelschütte vernichtet ganze, selbst noch 8-10 jährige Saaten.
Auf die schweizerische landwirtschaftliche Ausstellung in Frauenfeld 1903 hin wurden Erhebungen über die thurgauischen Waldungen gemacht, denen Folgendes entnommen sei:
Gesamtfläche ha | Betriebsart Hochwald ha | Mittelwald und Niederwald ha | Wert Fr. | |
---|---|---|---|---|
I. Staatswaldungen | 1159.71 | 1091.04 | 68.67 | 1874250 |
II. Bürgergemeinde-Waldungen | 5166.85 | 2791.87 | 2368.98 | 7290182 |
III. Korporationswaldungen | 667.66 | 61.79 | 605.87 | 1162568 |
IV. Pfrund- und Kirchgemeinde-Wald | 211.09 | 196.04 | 15.05 | 304564 |
V. Grössere Privatwaldungen | 499.85 | 418.77 | 81.08 | 580734 |
VI. Waldungen auswärtiger Besitzer | 485.63 | 404.21 | 81.42 | 753693 |
: | 8190.79 | 4963.72 | 3221.07 | 11965991 |
Uebrige (meist stark parzellierte) Privatwaldungen | 11062.00 | 12522783 | ||
Total | 19252.79 | 24488774 |
Im allgemeinen stehen Waldbau und Waldnutzung unter der Oberaufsicht des Staates bezw. des Finanzdepartements, dem zu diesem Zweck 3 Kreisförster zur Seite stehen. Ihren Wohnsitz haben sie möglichst in der Mitte ihres Kreises zu nehmen. Es liegt ihnen die Verwaltung der Staatswaldungen, sowie die Überwachung der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom und der kantonalen Vollziehungs-Verordung vom mit Bezug auf die öffentlichen und Privatwaldungen ob. In den Bürgerwaldungen verwalten Gemeindeförster und Bürgerausschüsse den Waldbesitz; in den Staatswaldungen wird der Wirtschaftsbetrieb seit mehr als 50 Jahren durch technisch gebildetes Personal geleitet.
Ueber den Wirtschaftsbetrieb und die Nutzungsverhältnisse in den Gemeinde-Waldungen sagt der Rechenschaftsbericht des Regierungsrates pro 1904 u. a.: «Vom Gemeindewaldareal stehen zirka 50% im Mittel- und Niederwaldsbetrieb, und 50% gehören dem Hochwald an dieses Verhältnis ändert sich aber fortwährend zu Gunsten des Hochwaldes, da in den grössern Waldungen am Untersee und im Bezirk Diessenhofen mit den Umwandlungen schon seit einiger Zeit begonnen worden ist und dieselben von Jahr zu Jahr zunehmen. Die Umtriebszeit beträgt für den Mittelwald 30-40 Jahre, für die Buschholzwaldungen an der Thur 6-15 Jahre; im Hochwald wird durchgehends an einem 70-90jährigen Umtrieb festgehalten.
Die Waldpflege, bestehend in Säuberungshieben und Durchforstungen, lässt noch zu wünschen übrig; doch wird seit zirka 10 Jahren hierin mehr als früher geleistet, namentlich weil jetzt das geringe Material besser verwertet werden kann.
Hinsichtlich des Kulturbetriebes ergibt sich aus den eingegangenen Berichten, dass in den Gemeinde- und Korporationswaldungen zirka 260480 Nadel- und Laubholzpflanzen gesetzt und 32 kg Samen ausgesät wurden. Die Pflanzgärten haben einen Umfang von 640 a.
Die Holznutzungen der Bürger- und Kirchgemeinden betragen 25537 m3 und in den Waldungen der Privatkorporationen 4063 m3 also zusammen 29600 m3. Davon fallen auf die Zwischennutzungen
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(Durchforstungserträge) 5020 m3 = 17% der Gesamtnutzung. Diese Angaben basieren grösstenteils auf Schatzungen, da das Material nur in 25 von den 66 Gemeinden aufgearbeitet und gemessen zur Abgabe an die Nutzungsberechtigten oder zum Verkauf kommt."
In den Staatswaldungen war der Materialertrag der Hiebe 8577 m3 Holz (nämlich Hauptnutzung 6354 m3 und Durchforstungserträge 2223 m3), was auf 1 ha 6,81 m3 ausmacht.
Geldertrag: Einnahmen für versteigertes Bau- und Sägholz, sowie Verkauf von Setzlingen, Flechtweiden etc. Fr. 157856.40. Ausgaben für Hauerlöhne, Strassen, Pflanzungen, Besoldungen und Reiseauslagen Fr. 57377.86. Ueberschuss der Einnahmen Fr. 100478.54.
Für die Aufforstung von 12,15 ha Schlagflächen und Nachbesserung in frühern Pflanzungen sind 52628 Setzlinge verschiedener Nadel- und Laubhölzer, sowie 1 kg Föhrensamen verwendet worden. Im ganzen Kanton hat man 1901 zu Aufforstungen 155020 Fichten, 26200 Weisstannen, 8800 Lärchen, 20550 Buchen und etwa 100000 andere Pflanzen verwendet.
[H. Wegelin und F. Ribi.]
10. Liegenschaften.
Zufolge Annahme des neuen Steuergesetzes vom durch das Volk ist für den Steuerkataster eine neue Einschätzung der Liegenschaften, und zwar nach dem Ertragswert (immerhin unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse) für sämtliche Munizipalgemeinden vorgenommen worden. Nach den Ergebnissen derselben beträgt der Wert der Liegenschaften Fr. 112372705. Fügen wir hier gleich bei, dass die Gebäulichkeiten des Kantons auf brandversichert waren für Fr. 305787900.
[F. Ribi.]
11. Fauna.
Die thurgauische Tierwelt weicht kaum ab von der des übrigen schweizerischen Mittellandes. Von Raubtieren sind es ausser dem ziemlich häufigen Fuchs nur Mitglieder der Marderfamilie, die sich den Nachstellungen der zahlreichen Jäger und der immer mehr überhandnehmenden intensiven Boden- und Waldkultur erwehren können. Der Edelmarder ist nicht sehr selten, fällt aber mehr den Fallen der Schleichjäger als dem Blei des patentierten Schützen zum Opfer. Steinmarder und Hermelin sind überall verbreitet, während Iltis und Mauswiesel zu den selteneren Vorkommnissen gehören.
Auch Dachs und Fischotter sind noch nicht ausgerottet. Die Fledermäuse sind bis jetzt in 5 Arten (Ohr-, Mops-, Zwerg-, Bart- und gemeine Fledermaus), die Spitzmäuse in 3 Arten (Wasser-, Wald- und Haus-Spitzmaus) nachgewiesen. Gemein sind Igel und Maulwurf. Unter den Nagern, die sich durch rasche Vermehrung ihrer vielen Feinde erwehren, ist der Hase noch häufig, ebenso das Eichhorn. Die zierlichen Schlafmäuse (Haselmaus und Siebenschläfer) scheinen im stärker bewaldeten Hinterthurgau mehr als in den übrigen Teilen aufzutreten.
Unter den Mäusen ist die schwarze Hausratte nicht seltener als die braune Wanderratte, die erstmals 1812 beobachtet wurde und die erstere völlig zu verdrängen schien; Wald- und Hausmaus sind überall gemein. Im Aufwerfen der Erdhaufen wetteifert die Schärmaus (Arvicola amphibius) mit dem Maulwurf; nicht selten sind auch Rötelmaus (Hypudaeus glareolus), Feldmaus (Arvicola arvalis) und Erdmaus (Arvicola agrestis). Die Wiederkäuer sind auf wenige Rehe beschränkt; der Hirsch ist nur noch fossil in Torfmooren, sowie in Orts- und Flurnamen erhalten.
Beschränkt sich so die Zahl der wildlebenden Säuger auf etwa 30, so ist diejenige der Vögel bedeutend grösser (gegen 200 Arten), da nicht nur zahlreiche Nistvögel, sondern auch sehr viele Durchzügler und Wintergäste in Betracht kommen, die besonders auf Boden- und Untersee die Wasserfläche beleben. Allüberall treiben sich die frechen Spatzen und die Rabenkrähen herum; vor der Amsel sind in den Gärten weder die Zierbeeren, noch Erdbeere und Traube sicher, und die Staare und Drosseln brandschatzen im Herbst in grossen Scharen die Weinberge.
Buchfink und Goldammer, Kohl-, Sumpf- und Blaumeise, oft auch Berg-, Grün- und Graufink kommen im Winter an die Futterplätze, Garten- und Hausrötel, Rot- und Braunkehlchen, Mönchs- und Dorngrasmücke, Goldhähnchen, Tann-, Hauben- und Schwanzmeise, Zaunkönig, Spechtmeise und Baumläufer, Bachstelze, Feldlerche und rotrückiger Würger, Dohle, Elster, Eichelhäher und Ringeltaube sind überall häufig. Der schöne Pirol nistet in den Auenwäldern an der Thur.
Dagegen ist der prächtige Seidenschwanz nur eine ausnahmsweise Erscheinung. Der Wiedehopf kommt noch da und dort, jedoch nur in vereinzelten Paaren vor, hauptsächlich in den mit Weiden bewachsenen Niederungen. Die Rauch- und Stadtschwalben haben abgenommen - die modernen Häuser scheinen ihnen nicht mehr zuzusagen -, und die in Uferwänden und Kiesgruben nistenden Uferschwalben sind sogar selten geworden. Die Klettervögel sind hauptsächlich vertreten durch den grossen und kleinen Buntspecht, den Grau- und Grünspecht, den Wendehals und den Kuckuck. In den grösseren Waldpartien kann man noch als grosse Seltenheit den Schwarzspecht an der Arbeit sehen. Die grössten Raubvögel sind Gabelweihe (Milvus regalis) und Bussard
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(Buteo vulgaris und B. lagopus), die häufigsten Sperber und Turmfalke. Der Uhu ist fast ausgerottet, die Schleiereule selten, dagegen hört man im nächtlichen Walde den Ruf des Steinkäuzchens und des Waldkauz. Im Streue- und Wiesland längs der Thur ist die Sumpfeule häufig.
Von Hühnervögeln nisten Wachtel und Rebhuhn, dagegen ist das Haselhuhn selten.
Der Storch hat eine Ansiedelung in Frauenfeld; in Fluss und See fischen die grauen Reiher, schwimmen die Wildenten und Blässhühner (am Untersee als «Belechen» gejagt und gegessen); im Röhricht brüten grosser und kleiner Steissfuss und das grünfüssige Teichhuhn. Ferner sind Rohrdommel und Zwergreiher hie und da zu treffen. Speziell auf Unter- und Bodensee stellen sich alljährlich zahlreiche Entenarten und Möven als Wintergäste ein, zwischen ihnen ausnahmsweise Schwan, Gans, Kormoran und Seetaucher. Auch der Fischadler kommt vor. An Flüssen oder Bächen sind Eisvogel, Wasseramsel und gelbe Bachstelze noch ziemlich häufig.
An Reptilien ist der Thurgau arm. Er besitzt nur die gemeine Eidechse, die Blindschleiche, die Ringel- und die glatte Natter. Letztere wird meistenorts für die dem Gebiet fehlende Kreuzotter gehalten, weil sie beim Ergreifen zischt und (ganz ungefährlich!) beisst. Wenn hie und da Sumpfschildkröten beobachtet werden, so handelt es sich wohl stets um importierte, ihren Besitzern entlaufene Exemplare.
Der grüne Wasserfrosch verschönt durch seinen Gesang die Idylle der lauen Sommernächte. Häufig sind auch der braune Grasfrosch, der Laubfrosch, die Unke und die Feldkröte, selten der Fessier. Von Schwanzlurchen trifft man in Gräben und Teichen häufig die Wassermolche (Triton palmatus und T. cristatus), während der auch nicht seltene Feuersalamander durch sein nächtliches Leben weniger auffällt.
Ueber die Fische des Bodensees siehe den Artikel Bodensee. Nach E. Wehrli (Fischleben der kleinen thurg. Gewässer in den Mitteil. der thurg. Nat. Ges. X) bergen die Thur und ihre Zuflüsse 27 Arten. Stachlelflosser: Der Barsch (Kretzer, Egli) ist zahlreich im Hüttwiler- und Bichelsee, vereinzelt in der Thur. Die Groppe wird der Fischbrut gefährlich. An Weichflossern (namentlich im Hüttwiler- und Bichelsee) finden sich: Karpfen, Schleihe, Brachsen, Blicke, Laugeli, Rotfeder und Rotauge;
in Thur und Murg Barbe, Alet, Strömer, Nase.
Ellritze und Grundel bewohnen selbst die kleinsten Wassergräben, sofern diese nicht austrocknen. Die Forelle erreicht in den Bächen ein Gewicht von bis ½ kg, in der Thur bis 1½ kg. Lachse sind selten, doch werden in der Thur alljährlich einige Stück (zu 3-10 kg) gefangen. Im stehenden und fliessenden Wasser ist der Hecht gemein, der Aal nicht gerade eine Seltenheit. Der Vertreter der Rundmäuler, das Bachneunauge, entzieht sich der Beobachtung durch die Gewohnheit, im tiefen Sand und Schlamm eingewühlt das Leben zu fristen. Beim Säubern der Fabrikkanäle kommt es oft in grosser Menge zum Vorschein, wird dann aber meist als junger Aal oder grosser Wurm angesehen.
Die Molluskenfauna ist durch A. Ulrich (Mitteil. d. thurg. Nat. Ges. XII) bekannt geworden. Sie umfasst 77 Arten Landschnecken, 31 Wasserschnecken und 12 Muscheln. Die Weinbergschnecke (Helix pomatia) wird hie und da gezüchtet; die graue Salatschnecke (Limax agrestis) ist in den Gärten eine allgemeine Plage, und nicht minder auch die weniger beachtete, weil während des Tages im Boden verborgene, dickhäutige Gartennacktschnecke (Arion hortensis). An trockenen Halden bei Diessenhofen findet sich neben der Heideschnecke (Helix ericetorum) die jurassische weisse Turmschnecke (Zebrina detrita). Die zahlreichen Teichmuscheln in den Giessen der Thur werden vom Volke «Austern» genannt.
Die Welt der Insekten ist erst zum kleinen Teil bekannt. In den Gärten schaden dem Gemüse die Raupen der beiden Kohlweisslinge und der Kohleule, sowie die Erdflöhe, Engerlinge und Werren. Der Obstbaum leidet unter dem Frass der Gespinnst- und Miniermotten, des Apfelwicklers (Apfelwurm), des Blütenstechers, des grossen und des kleinen Frostspanners, des ungleichen Borkenkäfers, der Blattlaus u. s. f. Die Waldkultur verzeichnet als Schädling namentlich die Lärchennadelmotte (Tinea laricinella), deren nadelnminierende Raupe die Lärchenbestände schon im Frühling entfärbt; ferner den Engerling als Geissel der Pflanzgärten, den Stockrüssler (Hylobius abietis), welcher zusammen mit dem Fichtenbuchdrucker (Bostrychus typographus) und dem noch schädlicheren 4äugigen Bastkäfer (Polygraphus pubescens) die Rottannen verdirbt.
Die Maikäfer befolgen im obern Thurgau das Urner (1901, 1904, 1907 etc.), im untern das Berner Flugjahr (1900, 1903, 1906 etc.). Der Käfer selbst tritt selten in solchen Mengen auf, dass er gesammelt werden muss; um so mehr leiden Garten, Wiese, Feld und Wald vom Engerling. Die Reblaus (erstmals 1897 bemerkt) hat bereits etwa 300000 Stöcke vernichtet (Immenberg, Landschlacht, Gerlikon, Aadorf). In den Wohnungen ist die ehemals häufige Hausgrille verschwunden, die Bettwanze sehr selten geworden. Die Kopflaus, welche noch vor 50 Jahren vielerorts als etwas selbstverständliches angesehen wurde, ächtet heute den Träger, dagegen sind die «Schwabenkäfer» (Blatta germanica und B. orientalis) in Bäckereien und alten Bauernhäusern noch
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häufig, sowie Kleidermotte und Floh allgemein verbreitet. Von den übrigen menschlichen Schmarotzern ist die Krätzmilbe bei Einheimischen kaum mehr zu finden, der Bandwurm (Taenia saginata) nicht häufig, dagegen Spulwurm (Ascaris lumbricoides) und Madenwurm (Oxyuris vermicularis) eine allgemeine Plage, besonders bei Kindern. Der Flusskrebs ist noch ziemlich zahlreich in den Bächen, im Tägelbach z. B. in wahren Riesenexemplaren; Flohkrebse und Wasserasseln beleben Sümpfe und Wassergräben, und in Fluss und See bilden die Planktonkrebse aus den Familien der Blatt- und Spaltfüssler, der Wasserflöhe und Muschelkrebse die Grundlage für die Existenz der Fischwelt.
[H. Wegelin.]
12. Jagd und Fischerei.
Das Jagdregal gehört ausschliesslich dem Staate. Laut gegenwärtigem Gesetz gilt bei der Jagd des Patentsystem. Die Frage einer Aenderung in diesen Dingen ist aber sozusagen permanent auf der Tagesordnung. Am meisten steht einer Revision entgegen, dass die Jäger selber nicht einig sind. Einzelne Jäger pachten Reviere im benachbarten Badischen, wo die Jagd noch lohnender ist. Im Uebrigen hat sich im Thurgau das Jagdwesen nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz vom der bundesrätlichen und kantonalen Vollziehungsverordnung zu demselben, sowie nach dem jeweiligen Jagderöffnungs-Beschluss des Regierungsrates zu richten. Die Ausstellung der Jagd- und Fischereipatente ist Sache der Bezirksstatthalter.
Die offene Jagdzeit wird in der Regel wie folgt festgesetzt: a) für die Flugjagd auf 2 Wochen im September (1906: 17.-29. September) und b) für die ordentliche Jagd auf 15. Oktober bis 30. November. Die Patenttaxe beträgt 70 Fr. für Flug- und allgemeine Jagd zusammen, Fr. 50 für die allgemeine Jagd allein. Für die Flugjagd allein werden keine Patente abgegeben. Für die Monate Januar und Februar ist die Jagd auf Enten und andere Schwimmvögel auf dem thurgauischen Anteil des Bodensees gegen Lösung einer Bewilligung bei den Statthaltern der Bezirke Kreuzlingen und Arbon und eine Taxe von 20 Fr. gestattet.
Ueber das jagdbare Wild ist bereits im Abschnitt «Fauna» näheres mitgeteilt worden. Die Beteiligung an der Jagd und den Ertrag mögen folgende Zahlen erläutern: Für die allgemeine Jagd wurden im Jahr 1905 269 Patente (damals noch zu 35 Fr.) gelöst;
die Einnahme des Staates im selben Jahr betrug Fr. 9415. Für Abschuss von Raubwild bezahlt der Staat an patentierte Jäger Prämien bis auf Fr. 30 (für Fischotter).
Die gleiche Prämie musste 1905 auch für die Erlegung eines Wildschweins bei Güttingen entrichtet werden.
Das Fischereiregal trug 1905 Fr. 1171 an Patenttaxen und Fr. 700 an Pachtzinsen ein. Der Reichtum der Gewässer an Fischen hat zwar abgenommen, aber die Fischerei spielt doch immer noch eine Rolle, namentlich in Ermatingen, Gottlieben, Landschlacht, Romanshorn und Horn. Damit die Gewässer nicht fischarm werden, bestehen zur Zeit 6 Fischzuchtanstalten (in Ermatingen, Romanshorn, Arbon, Münchwilen, Bischofszell und Langgreut), die sowohl hinsichtlich der Zahl der eingesetzten Eier (Brutperiode 1903/04: 14172100) als der Zahl der ausgebrüteten Fischchen (9857800; Felchen, Aeschen, Bach- und Flussforellen, Hechte) die Leistungen der Fischbrutanstalten aller andern Kantone übertreffen. Im Uebrigen wird auf den Artikel Bodensee, sowie den vorhergehenden Abschnitt über die Fauna verwiesen.
[F. Ribi.]
13. Viehzucht.
Welche Aenderung sich in der Tierwelt vollzogen, erhellt vielleicht am besten aus der Tatsache, dass vor 100-200 Jahren (als noch keine Durchforstung der Wälder Platz gegriffen und Hecken die Grundstücke umgaben) die Vogelwelt so zahlreich war, dass viele Leute aus dem Fang der Vögel sich einen Beruf machten und Joh. Escher, der damalige Herr auf Schloss Wellenberg, im Jahr 1671 folgendes berichtete: «Die Wölfe sind in letzter Zeit auf Pistolenschussweite ans Schloss herangekommen. Sie haben in der Herrschaft zwei Jungpferde und einige Stück Vieh niedergerissen. Allen Anzeichen nach haben sie im Schlosstobel Junge gesetzt.» Seither ist die wilde Tierwelt in steter Abnahme begriffen; dagegen hat die zahme, d. h. die Haustiere aller Art, zugenommen. Das ist der Gang der steigenden Kultur.
Nach der eidg. Viehzählung vom Jahr 1906 hatte der Thurgau neben 6 Eseln 5619 Pferde. Seit 1896 hat sich deren Zahl um 1743 Stück vermehrt. An Rindvieh besass er 63439 Stück (6647 mehr als im Jahr 1896), darunter waren 5928 Kälber, 13966 Stück Jungvieh (d. h. Rinder von ½-2 Jahren), 38064 Kühe, 1643 Zuchtstiere und 3838 Ochsen. Die Zahl der Schweine belief sich auf 23453, (6147 mehr als im Jahr 1896), darunter 52 Zuchteber und 998 Mutterschweine zur Zucht. Ferner 6788 Ziegen, 709 Schafe und 10190 Bienenstöcke (letztere im Jahr 1901).
Vor allem möchte in dieser Statistik die seit 1896 um volle 1743 Stück vermehrte Zahl der Pferde auffallen, während man doch angesichts der Eisenbahnen, der
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Automobile und sonstiger Verkehrsmittel auf deren Verminderung dächte schliessen zu müssen. Allein es zeigt sich da deutlich, wie der Verkehr im grossen (mit der Eisenbahn etc.) den Verkehr im kleinen nicht bloss fördert, sondern eigentlich zu seiner Ernährung bedarf. In Weinfelden besitzt der Kanton eine Fohlenweide, die jährlich durchschnittlich mit etwa 40 Fohlen beschickt wird. In der Rindviehzucht des Kantons sind beide Hauptrassen vertreten, das Braun- und das Fleckvieh, jenes vorwiegend im obern und hintern Kantonsteil. In der Seegegend und im Unterthurgau sorgen die Juden von Wangen, Gailingen und Konstanz durch Import von schwäbischem Vieh für den nötigen Ersatz an Kühen.
Durch Kreuzung mit den vielfach auch nicht reinen Zuchtstieren entstehen dann zahlreiche Abarten. Vorherrschend sind die Rotschecken und Gelbschecken. Im hintern Teil des Landes wird die Gebirgsrasse des Toggenburgs und von Graubünden eingeführt. Grosse Verdienste um die Pflege des Rassenviehs haben besonders die Gutsverwaltungen des Staates in Kalchrain, Tobel und Münsterlingen, die von den aufgehobenen Klöstern herrühren und den dortigen Staatsanstalten (Zwangsarbeitsanstalt in Kalchrain, Zuchthaus in Tobel und Spital in Münsterlingen) angegliedert worden sind, sowie die thurgauischen Tierärzte grosse Verdienste.
Tobel und Münsterlingen züchten ausschliesslich Braunvieh. Für ihr Jungvieh haben sie in Ottenegg hinter Fischingen, am Ostabhang des Hörnli, eine Sommerweide, die ebenfalls Eigentum des Kantons ist und wo jede der beiden Gutsverwaltungen an die 20 Stück sömmert. Kalchrain hat seine eigenen Weiden auf dem Seerücken. Es gibt auch Gemeinden (wie Eschlikon), die ihre eigene Jungviehweide haben. Im obern und hintern Thurgau sodann ist kaum ein Gehöft, das nicht abwechselnd einen Wiesenkomplex einzäunt und während des ganzen Sommers als Viehweide benutzt.
Die Idee der Gründung von Viehzuchtgenossenschaften, sowie der Anschaffung und Zucht von reinem Rassenvieh (vorab Simmenthaler) gewinnt an Boden. Bereits sind über ein Dutzend solcher Genossenschaften entstanden. Anspornend wirken dabei die Bundes- und kantonalen Prämien anlässlich der Viehschauen. Im Uebrigen sind die Viehbesitzer der 212 thurgauischen Ortsgemeinden in 155 Viehversicherungskorporationen organisiert. Daneben bestehen freiwillige Assekuranzen für Ziegen, Schweine, Pferde.
Die Zahl der versicherten Tiere betrug im Jahr 1906: 61349 Stück. Bei der Zählung vom Jahr 1906 wurden zum Schlachten 2166, zur Aufzucht 3762 Kälber mit Milch ernährt. Der Schweinehaltung (Mastung und Zucht) und dem Schweinehandel liegen in neuerer Zeit vornehmlich die Käsereien ob, von denen einige bis zu 150 und mehr Schweine halten. Die Zahl der Bienenstöcke steigt und fällt zum Teil je nach den günstigen oder ungünstigen Jahren. Gegen 1896 zählte man im Jahr 1901 3181 Bienenstöcke weniger.
Nach guten Honigjahren dürfte ein Steigen ihrer Zahl eintreten. Indessen ist zu bemerken, dass vielen Landwirten die für die Wartung der Bienenvölker nötige freie Zeit abgeht. Die meisten und die Hauptimker finden sich denn auch nicht unter den Landwirten, sondern in andern Ständen. Der heutige Stand der thurgauischen Bienenzucht ist immerhin ein schöner. Am meisten Bienenstöcke zählt man in Wellhausen, Engwang, Bischofszell, Bichelsee, Hüttwilen, Eschenz und am Nollen.
[a. Pfarrer Wælli.]
Die angeführten Zahlen zeigen, dass die Bauern das Hauptgewicht auf Milchproduktion und Milchindustrie legen. Sie sind organisiert im Verband thurgauischer Käsereigesellschaften und Milchproduzenten, von dem verschiedene Sektionen der nordostschweizerischen Käserei- und Milchgenossenschaft angehören. Eine Hauptaufgabe dieser Organisationen ist die Regulierung der Milchpreise für die Winter- und Sommermilch. Dabei setzt es oft harte Kämpfe ab mit dem gegnerischen Lager, dem Verein der Käser, Käsehändler et Milchhändler. Um die wichtige Rolle zu zeigen, welche die Milchwirtschaft im wirtschaftlichen Leben des Kantons spielt, lassen sich leider einige Zahlen wieder nicht umgehen.
Setzen wir als Durchschnittsertrag per Kuh und per Tag nur 7 Liter Milch an, so erhalten wir von den 38064 Kühen 266448 Liter im Tag; setzen wir ferner den von den Produzenten für die Wintermilch 1907/08 erkämpften schönen Preis von 15½ Rappen per Liter an, so resultiert der Betrag von Fr. 41299 per Tag. Für das ganze Jahr stellen sich die Ziffern auf etwa 97 Mill. Liter Milch mit einem Erlös von Fr. 15035000. Benutzt wird die Milch zunächst für die Selbstversorgung, ferner zum direkten Verbrauch in Familien, die kein Vieh halten.
Letztere Milch wird entweder von den Käsereien abgegeben (1902: 14027 Liter täglich) oder von Produzenten und Milchhändlern in die städtischen und industriellen Ortschaften geführt. Dann ist die Milch auch Exportartikel, indem täglich etwa 7000 Liter nach Konstanz verkauft und ferner ab etlichen Stationen (z. B. Felben, Märstetten) je mit dem letzten Abend- und dem ersten Morgenzug ein grösseres Quantum Milch in die Städte Zürich und Winterthur geliefert wird.
Sämtliche Milch von Schlattingen kommt nach Schaffhausen. Ein gewisser Prozentsatz dient zur Aufzucht von Kälbern. Weitaus der grösste Teil, mehr als die Hälfte aller Milch, wandert aber in die Sennereien und wird dort zu Käse oder Butter verarbeitet. Die Käseindustrie hat im Thurgau noch eine sehr hohe Bedeutung, während sie z. B. im Nachbarkanton Zürich im Verschwinden begriffen ist. Die Käsereien sind teils Eigentum von Käsereigesellschaften, teils Privateigentum.
Der Käse wird vorzugsweise nach Emmenthaler Art fabriziert; da und dort widmet man sich aber auch der Herstellung anderer Käsesorten, wie Tilsiter, Zentrifugen-Käse, Magerkäse, Zieger, Romadurkäse. 47 von den 156 Käsereien und Molkereien, welche im Jahr 1902 gezählt wurden, sind mit Zentrifugen eingerichtet und verwenden sämtliche oder einen Teil der Milch zur Erzeugung feiner Butter. In den Bauernfamilien selber ist infolge des modernen Molkereiwesens der Butterkonsum selten geworden, während ehedem, als noch die Bereitung eigener Butter (das «Rühren») ein regelmässig wiederkehrendes Geschäft im Hause war, auch das «Schmalzbrot» häufiger auf dem Tisch erschien.
Geben wir im weitern noch dem Bericht der Käsereiinspektoren pro 1902 (im Amtsblatt des Kantons Thurgau pro 1903) das Wort:
«Das täglich in die Käsereien gelieferte Milchquantum beträgt 154320 kg oder jährlich 56326800 kg, welches zu dem Durchschnittspreis von 13¾ Rp. per kg einen Wert von 7744935 Fr. ausmacht. Im Kanton stehen im Betrieb: 2 Käsereien mit täglich über 3000, 3 mit über 2000, 59 mit über 1000, 8 mit 1000, 72 mit 500-1000 und 12 mit täglich unter 500 kg. In weitaus den meisten Käsereien wird ein tägliches Milchquantum von 800-1200 kg verarbeitet.
In 126 Käsereien sind Hochdruckleitungen vorhanden, während im Jahre 1896/97 erst 47 zu finden waren; mit Kraftanlagen sind 116 Käsereien versehen mit einer Gesamtstärke von 350 HP, gegenüber 10 solchen Anlagen vor fünf Jahren. 49 Käsereien haben seither an den Feuerungsanlagen treffliche Verbesserungen vorgenommen, so dass das System „fester Kessel“ mit „beweglichem Feuer“ an 130 Orten vorhanden ist. In verschiedenen Käsereien sind auch sog. „Rührwerke“ vorhanden, welche das
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Rühren im Kessel auf mechanischem Wege vornehmen. In Bezug auf die Neubauten für die Schweinestallungen ist ebenfalls ein grosser Fortschritt zu verzeichnen, indem an die Stelle der üblichen Holzställe fast überall massive, geräumige und gut ventilierbare Anlagen getreten sind. Die in sämtlichen Käsereien des Kantons gehaltenen Schweine belaufen sich auf 12196 Stück und repräsentieren, zu 80 Fr. gerechnet, einen Wert von 975680 Fr.; seit 1896/97 hat sich die Stückzahl um über 3600 vermehrt.
Was die Käsefabrikation anbelangt, so gelangen die Inspektoren zu dem Schlusse, dass dieselbe in den letzten Dezennien erfreuliche Fortschritte gemacht hat, wenn auch noch viele und zum Teil bedeutende Mängel im Interesse eines gesunden Gedeihens dieser Industrie beseitigt werden müssen."
Wir können beifügen, dass die anlässlich der schweizerischen landwirtschaftlichen Ausstellung in Frauenfeld 1903 eingerichteten Musterkäsereien mit ihren modernsten Maschinen, Geräten, Feuerungen, Boden- und Wandverkleidungen jedenfalls gute Früchte zeitigen werden.
[F. Ribi.]
14. Bevölkerung.
Die einheimischen Bewohner des Kantons sind alemannischen Ursprungs. Sie stammen von den Einwanderern, die nach der Verdrängung der römischen Herrschaft von Schwaben her ins Land kamen und es bevölkerten. Ihr ungebundener Freiheitssinn hasste die Städte und ihre Mauern. Darum zerstörten sie, was von solchen aus der Römerzeit vorhanden war. Sie selbst bauten sich ihre Gehöfte zerstreut und vereinzelt im Lande, also dass Jeder der unbeschränkte Gebieter in dem ihm zustehenden Gebiete war.
Infolge dieser Art der Besiedelung hat der Thurgau ursprünglich nirgends grössere Dörfer und Ortschaften gehabt und bis auf den heutigen Tag eine grosse Menge von Weilern und Dörfchen beibehalten, die aus den Gehöften der alten Zeit herausgewachsen sind. Für die Landwirtschaft, die ausschliessliche Beschäftigung der frühere Zeiten, war das die passendste Art der Besiedelung. Erst die neuere Zeit mit ihrer Industrie und ihren veränderten Zuständen und Bedürfnissen hat die Leute mehr zusammengeführt und damit die Entwicklung von grössern Dörfern und Flecken gefördert.
Diese sind alle neuern Datums und reichen kaum mehr denn 50-80 Jahre zurück. Wir nennen nur Sirnach, Münchwilen und Wängi, dann wieder Romanshorn, Amriswil und Kreuzlingen, in neuester Zeit Arbon und Bürglen. Bis 1798 schieden sich die Bewohner des Thurgaues in Adelige und Leibeigene. Nur wenige Geschlechter gehörten dem erstern, die weit überwiegende Mehrzahl dem letztern Stand an. Ein grosser Teil der Inhaber von Herrschaften und Gerichtsherrlichkeiten war ausländischer Herkunft: die Landenberg aus Zürich; die Eglin, Muntprat, Blarer etc. aus Konstanz;
die von Ulm und Mötteli aus Ravensburg;
die Montfort, Fürstenberg, Gemmingen, Fugger u. a. aus Deutschland.
Sie haben sich nie dem Volke assimiliert, sondern sind nach Anschauungen, Sitten und Gebräuchen ein isolierter Teil der Bevölkerung geblieben.
Die vorwiegend landwirtschaftliche Beschäftigung, am See verbunden mit Fischfang und Schiffahrt, übte auf die körperliche und geistige Entwicklung des Volkes einen günstigen Einfluss. Die männliche Bevölkerung ist von mittlerer Grösse, mager und sehnicht, ein ausdauerndes Soldatenmaterial und schon zur Zeit des Reislaufens allezeit willkommene Söldner. Sie ist geistig geweckt und für vernünftige Neuerungen stets empfänglich. Zur Zeit des Untertanenverhältnisses standen die Thurgauer längere Zeit im Rufe schlauer und verschmitzter Leute.
Aber nicht ihre natürlichen Geistesanlagen haben sie in diesen Ruf gebracht, sondern die ungünstigen politischen und sozialen Zustände, in denen sie sich Jahrhunderte hindurch zurechtzufinden hatten und in denen alles darauf angelegt war, sie auszusaugen und zu missbrauchen. Die neuere Geschichte der Eidgenossenschaft zeigt, dass das thurgauische Volk in Einsicht, Freiheits- und Vaterlandsliebe und in charaktervollem Gebahren hinter keinem andern Volksstamm zurücksteht.
Einen üblen Einfluss übten namentlich im 17. und 18. Jahrhundert die konfessionellen Unterschiede und die daraus entstehenden Wirren. In der Reformation hatte sich nahezu die ganze Landgrafschaft der evangelischen Lehre zugewandt. In der Folge waren die 5 katholischen unter den 7 regierenden Orten bemüht, diesen Zustand zu ändern und möglichst viele Gemeinden dem katholischen Bekenntnis zurückzuerobern, während Zürich mit ebenso viel Eifer diesem Treiben entgegentrat.
Das brachte harte Kämpfe mit sich, und einmal ums andere drohte darob der Ausbruch des Krieges. Das Resultat war, dass in einer Menge von Gemeinden die Kirchen paritätisch wurden. Das brachte viel Anstand und gegenseitige Reiberei, bis der Vertrag von Diessenhofen vom Jahr 1728 die Anstände hob und jeder der beiden Konfessionen das Ihre zuteilte. Seitdem haben beide gelernt, sich gegenseitig zu vertragen, und konfessionelle Streitigkeiten in den Gemeinden gehören zu den grössten Seltenheiten.
Von den Thurgauerinnen sagt der Bürgermeister Vadian von St. Gallen, ein Zeitgenosse und Freund Zwinglis, dass sie zart und wohlgebildet, zuweilen selbst durch Schönheit ausgezeichnet seien. Was vor 380 Jahren der Fall war, dürfte auch heute noch zutreffen. Kretinismus und Missgeburten sind im Lande nahezu unbekannte Dinge. Der Gesundheitszustand war von je ein günstiger. Dazu haben Beschäftigung, Nahrung, Wohnung und Kleidung das Ihrige beigetragen. Die Beschäftigung war vorwiegend die Landwirtschaft, die sich in einigen Gegenden mit der Leinwandfabrikation verband. Arbon war der hauptsächlichste Sitz der letztern. Die Nahrung war einfach und ergab sich aus den Erzeugnissen des Landes, unter denen Obst und Obstwein schon in vergangenen Jahrhunderten ihre grosse Bedeutung hatten. Die Wohnungen des
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hintern Kantonsteils sind vorwiegend aus Holz und tragen in Aussehen und Einrichtung den Charakter der Häuser des Toggenburgs und von Appenzell. Teilweise Steinbauten finden sich im übrigen Kanton. Gefälliges Aussehen und Sauberkeit zeichnen sie aus; kaum eines ist ohne seine weissen Gardinen, ohne Blumenschmuck auf den Gesimsen und ohne einen Zier- oder Nutzgarten vor den Fenstern. Die Kleidung hat im Lauf der Zeiten Wandlungen durchgemacht, besonders unter dem Einfluss des Reislaufens, das allerlei Auswüchse, bald spanischer bald französischer Herkunft ins Land brachte.
Sie haben es aber nicht gehindert, dass in den nun freilich vergangenen Tagen eine eigentümliche Tracht sich einbürgerte. Die Männer hatten im Egnach ihre Räderhosen, in den andern Landesteilen ihre kurzen ledernen oder sammtnen Hosen mit weissen Strümpfen und Schnallenschuhen, dazu den dreifach aufgekrämpten Filzhut, den sog. «Nebelspalter», und ein stattliches Kamisol. Die Frauen trugen ein durch Fischbein und Holzschienen gesteiftes Mieder, ein ebenso gesteiftes Brusttuch darüber, das mit metallenen Haften und Kettchen festgemacht war.
Ein vielfarbiges Göller schmückte den Hals, und zwei Hüftenstücke am Mieder trugen den Rock von Wollentuch. Die Jungfrauen trugen eine Kappe aus schwarzer Seide mit zwei wie Flügel auf den Seiten hinausstehenden gesteiften Spitzen und drei über die Stirne herabfallenden gerundeten Spitzenlappen. Die Haube der Weiber deckte den Zopf, schmiegte sich wie ein abgerundeter Kegel dem Hinterkopf an und schirmte das Gesicht mit einer von einem Ohr zum andern über die Stirne laufenden steifen Spitze. Ueber die Stirne lief ferner ein schmales Seidenband, Haarfresserin genannt, das die Locken von der Stirne abzuwehren hatte.
Auch in der Sprache bildete das Volk sich seine eigentümlichen Dialekte, so sehr, dass bei dem allem Verkehr nahezu verschlossenen Zustand der Ortschaften eine jede wieder ihre Besonderheiten aufwies. Kenner waren imstande, nach diesen Besonderheiten den Heimatsort einer Person herauszufinden. Am Bodensee, besonders in der Nähe von Konstanz, in Kreuzlingen etc. haben sich infolge des vielfachen Wechselverkehrs Eigentümlichkeiten des schwäbischen Idioms in die Sprache eingemischt. Auf Einzelheiten kann an dieser Stelle nicht eingetreten werden.
Auch an eigentümlichen Gebräuchen und Volkssitten mangelte es in vergangenen Zeiten nicht. Doch sind die meisten ausser Gebrauch gekommen. Geblieben sind das Abbrennen der sog. Fastnachtfunken am Fastnachtsonntag auf den Anhöhen, zu denen die Jugend ganze Holzstösse zusammenträgt und bei denen sie Raketen steigen lässt; sodann die Maskeraden der Jugend in der Fastnachtszeit. Hieher gehört auch die Feier des Berchtoldtages in Frauenfeld, die auf den dritten Montag des Januar verlegt ist. Da sammeln sich die Bürger und die zahlreich Eingeladenen aus den kantonalen Behörden und den Niedergelassenen im Saale des Rathauses zu einem Bürgermahl, bestehend in einer besonders schmackhaft zubereiteten Wurst mit Salat und 3 halben Litern Wein für jeden Teilnehmenden. Die Kosten trägt ein besonderer Fonds.
Die Eigentümlichkeiten des Volkslebens in Tracht, Sprache und Sitten verlieren sich in neuerer Zeit mehr und mehr, seitdem infolge der freien Niederlassung, des nach allen Seiten gesteigerten Verkehrs und der mächtig sich ausdehnenden Fabrikindustrie die Bevölkerung namentlich an den Fabrikorten (in Arbon, Frauenfeld, Sirnach, Romanshorn etc.) zu einem Gemisch aus allen Kantonen, ja fast aller Herren Länder geworden ist. Kaum erkennbar ist daher noch der Unterschied zwischen Einheimischen und Fremden, Stadt- und Landbewohnern, Bauern und Fabrikarbeitern, Dienstboten und Herrschaften. So wills und wirkts die Kulturentwicklung der Gegenwart.
Das thurgauische Volk hat schon schwere Heimsuchungen über sich ergehen lassen müssen. Im Jahr 1611 starben 33584 Personen (mehr als die Hälfte der damaligen Bewohner) an der Pest. Schwere Lücken riss diese Seuche wieder 1629 und in den folgenden Jahren. Pfarrer Bartholomäus Anhorn in Sulgen hat darüber Aufzeichnungen hinterlassen. In den Jahren 1770 und 1771 suchte der Druck einer schweren Teuerung das Land heim, dessen Bewohner scharenweise am Hungertyphus und ähnlichen Krankheiten starben. Dekan Scherb in Sitterdorf hat darüber eine Menge von Angaben gesammelt. Auch die französische Revolution und die folgenden Kriege lagen schwer auf dem Land mit ihren Einquartierungen, Requisitionen und Lasten aller Art. Aber immer hat das tatkräftige Thurgauer Volk sich von den Heimsuchungen wieder erholt.
In frühem Jahrhunderten fanden Volkszählungen nur etwa durch die Geistlichen statt. Nach ihren Angaben zählte der Thurgau (ohne Diessenhofen, aber Ellikon dazu gerechnet) im Jahr 1640 etwa 30700 Ew. und im Jahr 1711 deren 59000. Im Jahr 1801 ergab eine Volkszählung 70878 Seelen, wonach auch der Kanton in die eidg. Bundesskala eingereiht ward. Im Jahr 1835 war die Bevölkerung auf 85372 Seelen gestiegen. Die Zunahme war nur eine mässige. Ein wesentlicher Grund lag in der Auswanderung. Da der Thurgau keine grösseren industriellen Orte zählte, zog ein namhafter Teil seiner arbeitsfähigen jüngern Bewohner nach St. Gallen, Zürich, Basel. So lebten im Jahr 1834 im Kanton St. Gallen 585 angesiedelte Familien (also etwa 2000 Seelen) aus dem Thurgau, wozu noch 600-900 vereinzelte Personen (Dienstboten etc.) kamen. Im Kanton Zürich wurden im nämlichen Jahr 378 Thurgauer gezählt, wovon etwa 300 Familien haben mochten, zusammen also etwa 1200 Köpfe; in Basel waren es 229 Seelen.
Bei der Volkszählung vom Jahr 1900 hatte der Kanton 113221 Ew., wovon 56315 männlichen und 56906 weiblichen Geschlechtes. Davon lebten 36529 in der Heimatgemeinde, 35343 in anderen Gemeinden des Heimatkantons, und 42049 waren Bürger anderer Kantone oder Ausländer. 110845 Ew. waren deutscher, 332 französischer, 1867 italienischer, 77 romanischer und 100 anderer Muttersprache. Die Mischung der Bevölkerung ist eine Folge des industriellen Aufschwungs. Erst bestand der ausländische Zuzug besonders aus Bewohnern der süddeutschen Staaten Baden, Württemberg und Baiern. In neuerer Zeit rekrutiert er sich vorzüglich aus einzelnen Personen und ganzen Familien aus Italien und Welschtirol, so in Arbon, Bürglen, Frauenfeld etc. Dieser Zuzug ist stellenweise so bedeutend, dass die italienisch sprechenden Kinder bereits zu einer Verlegenheit für einzelne Schulen geworden sind.
Von den Einwohnern zählen 77210 zur protestantischen und 35824 zur katholischen Konfession. Sie leben in 24660 Haushaltungen und bewohnen 18807 Häuser. Die Wohnverhältnisse sind äusserst günstige. Auf den Dorfschaften des Landes hat mit geringen Ausnahmen jede Familie ihr eigenes Wohnhaus, und nur in den Städten und industriellen Zentren sind mehrere Familien in ein Haus zusammengedrängt. Der Thurgau hat im ganzen 1534 Häusergruppen, Weiler, Dörfer und Städte.
[a. Pfarrer Wælli.]
15. Industrie und Gewerbe.
Es musste schon im Abschnitt Landwirtschaft darauf hingewiesen werden, dass Industrie und Gewerbe eine Ausdehnung und Bedeutung
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Bezirke und Gemeinden | Fabrikindustrie | Hausindustrie | Hülfs-Arbeiter | Total Arbeiter | ||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Handmaschinen | Schifflimaschinen | Handmaschinen | ||||||
Masch. | Arb. | Masch. | Arb. | Masch. | Arb. | |||
Bez. Arbon | ||||||||
Arbon | 4 | 8 | 208 | 761 | 5 | 10 | 2 | 781 |
Dozwil | - | - | - | - | 19 | 33 | - | 33 |
Egnach | 21 | 38 | 10 | 30 | 58 | 113 | 22 | 203 |
Hefenhofen | - | - | - | - | 32 | 64 | - | 64 |
Hemmerswil | - | - | - | - | 8 | 16 | 2 | 18 |
Horn | - | - | - | - | 1 | 2 | 3 | 5 |
Kesswil | - | - | - | - | 17 | 34 | 1 | 35 |
Roggwil | 27 | 50 | - | - | 8 | 16 | 12 | 78 |
Romanshorn | 10 | 18 | - | - | 14 | 24 | 6 | 48 |
Salmsach | 4 | 6 | - | - | 4 | 8 | 3 | 17 |
Sommeri | 8 | 16 | - | - | 12 | 24 | - | 40 |
Uttwil | - | - | - | - | 8 | 16 | 10 | 26 |
: | 74 | 136 | 218 | 791 | 186 | 360 | 61 | 1348 |
Bez. Bischofszell | ||||||||
Amriswil | 61 | 107 | 52 | 195 | 63 | 120 | - | 422 |
Bischofszell | 36 | 71 | 37 | 119 | 23 | 45 | 79 | 314 |
Erlen | 17 | 28 | - | - | 46 | 88 | 6 | 122 |
Hauptwil | - | - | - | - | 16 | 29 | 5 | 34 |
Hohentannen | - | - | 6 | 18 | 14 | 28 | 12 | 58 |
Neukirch | - | - | - | - | 21 | 42 | 2 | 44 |
Sulgen | 16 | 32 | 22 | 81 | 47 | 90 | 3 | 206 |
Zihlschlacht | - | - | 22 | 54 | 35 | 63 | 38 | 155 |
: | 130 | 238 | 139 | 467 | 265 | 505 | 145 | 1355 |
Bez. Frauenfeld | ||||||||
Aadorf | 33 | 60 | 4 | 20 | 51 | 98 | 60 | 238 |
Felben | - | - | 36 | 88 | 6 | 12 | - | 100 |
Frauenfeld | 6 | 13 | 2 | 7 | 7 | 13 | 3 | 36 |
Gachnang | - | - | 4 | 16 | 4 | 7 | - | 23 |
Hüttlingen | - | - | - | - | 5 | 8 | - | 8 |
Matzingen | - | - | - | - | 10 | 19 | 3 | 22 |
Neunforn | - | - | - | - | - | - | - | - |
Stettfurt | - | - | - | - | 4 | 7 | 1 | 8 |
Thundorf | 22 | 46 | 6 | 24 | 15 | 30 | 3 | 103 |
Uesslingen | - | - | - | - | - | - | - | - |
: | 61 | 119 | 52 | 155 | 102 | 194 | 70 | 538 |
Bez. Kreuzlingen | ||||||||
Alterswilen | 4 | 7 | - | - | 52 | 101 | - | 108 |
Altnau | 14 | 33 | - | - | 19 | 38 | - | 71 |
Emmishofen | - | - | - | - | - | - | 4 | 4 |
Ermatingen | - | - | - | - | 9 | 18 | 12 | 30 |
Gottlieben | - | - | - | - | 1 | 1 | - | 1 |
Güttingen | - | - | - | - | 14 | 28 | 10 | 38 |
Illighausen | 20 | 40 | - | - | 29 | 57 | 1 | 98 |
Kreuzlingen | 7 | 12 | - | - | 13 | 23 | - | 35 |
Langrickenbach | 23 | 43 | - | - | 75 | 146 | 6 | 195 |
Scherzingen | - | - | 7 | 20 | 28 | 45 | 7 | 72 |
Tägerwilen | - | - | 4 | 17 | 4 | 6 | 30 | 53 |
Wäldi | - | - | - | - | 18 | 34 | - | 34 |
: | 68 | 135 | 11 | 37 | 262 | 497 | 70 | 739 |
Bez. Münchwilen | ||||||||
Affeltrangen | 5 | 9 | 30 | 101 | 34 | 65 | 2 | 177 |
Bichelsee | 48 | 96 | - | - | 113 | 202 | - | 298 |
Fischingen | 18 | 31 | 5 | 21 | 212 | 388 | 34 | 474 |
Lommis | - | - | 21 | 79 | 32 | 57 | - | 136 |
Rickenbach | 5 | 11 | - | - | 28 | 54 | 6 | 71 |
Schönholzerswilen | 34 | 69 | 5 | 19 | 46 | 90 | - | 178 |
Sirnach | 45 | 89 | 73 | 252 | 131 | 250 | 45 | 636 |
Tobel | 4 | 7 | 6 | 25 | 55 | 92 | 7 | 131 |
Wängi | 18 | 31 | 14 | 52 | 58 | 114 | 8 | 205 |
Wuppenau | 6 | 10 | - | - | 55 | 111 | 5 | 126 |
: | 183 | 353 | 154 | 549 | 764 | 1423 | 107 | 2432 |
Bez. Steckborn | ||||||||
Berlingen | 5 | 8 | - | - | 19 | 36 | - | 44 |
Eschenz | - | - | - | - | 3 | 6 | - | 6 |
Herdern | 30 | 54 | - | - | 4 | 8 | 1 | 63 |
Homburg | - | - | - | - | 1 | 2 | 1 | 3 |
Hüttwilen | 9 | 23 | - | - | 15 | 30 | - | 53 |
Müllheim | - | - | - | - | 2 | 4 | - | 4 |
Pfin | - | - | - | - | 4 | 8 | - | 8 |
Raperswilen | - | - | - | - | 3 | 6 | - | 6 |
Salenstein | - | - | - | - | 1 | 2 | - | 2 |
Steckborn | - | - | - | - | 11 | 18 | 5 | 23 |
Wagenhausen | - | - | - | - | 1 | 2 | - | 2 |
: | 44 | 85 | - | - | 64 | 122 | 7 | 214 |
Bez. Weinfelden | ||||||||
Amlikon | 17 | 35 | - | - | 22 | 41 | 6 | 82 |
Berg | 89 | 177 | - | - | 64 | 131 | 4 | 312 |
Birwinken | 17 | 25 | 14 | 46 | 100 | 197 | 12 | 280 |
Bürglen | 5 | 10 | - | - | 68 | 131 | - | 141 |
Bussnang | 52 | 88 | - | - | 79 | 151 | 9 | 248 |
Hugelshofen | 4 | 7 | - | - | 48 | 96 | - | 103 |
Märstetten | - | - | - | - | 13 | 26 | 4 | 30 |
Weinfelden | - | - | 54 | 154 | 24 | 44 | 52 | 250 |
Wigoltingen | - | - | - | - | 4 | 8 | - | 8 |
: | 184 | 342 | 68 | 200 | 422 | 825 | 87 | 1454 |
Total | 744 | 1408 | 642 | 2199 | 2065 | 3926 | 547 | 8080 |
erlangt haben, welche derjenigen der Landwirtschaft nicht nachsteht. Welch gewaltiger Unterschied zwischen heute und der Zeit vor nur etwa 60 oder 70 Jahren! Während die Gewerbstätigkeit, die Fabrikation und der Handel sich damals auf wenige Zweige (Leinwandbereitung und -handel, Baumwollenspinnerei in ein paar Ortschaften, Bandweberei, Färberei und Gerberei) beschränkte und das Spinnrad die Maschinen der Hausindustrie repräsentierte, haben Gewerbe und Industrie sich seither ungeahnt entwickelt.
Heute ist ein ganzes Netz der verschiedenartigsten gewerblichen Betriebe und industriellen Etablissemente mit einer Unzahl kunstvoller Maschinen über das Land ausgebreitet. Im Ganzen ist auch die Industrie noch blühend und in gedeihlicher Entwicklung begriffen, trotzdem wie anderwärts das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mehr und mehr ein gespanntes geworden und wir z. B. im. Jahr 1908 im grössten Stickereietablissement einen Streik und Lohnkampf von 6 Monaten Dauer erlebten.
Eine weitere Belebung der Industrie erwartet man, wenn einmal die verschiedenen Elektrizitätswerke errichtet sein werden. Mit Bezug auf die Hauptindustrie, die Stickerei, muss allerdings bemerkt werden, dass der Geschäftsgang ungemein dem Wechsel unterworfen ist. 1905, 1906 und bis Mitte 1907 florierte sie wie noch selten zuvor. Die Nachfrage sowohl nach Erzeugnissen der Schifflimaschinen als der Handmaschinen war eine sehr grosse, und die Löhne der Stickereiarbeiter stiegen um 30-38%. Speziell auch die Fabrikanten von Stickgarnen (die Zwirnereien) hatten goldene Zeiten. Im Herbst 1907 aber kam der Krach infolge der finanziellen Krise in den Vereinigten Staaten (dem Hauptabnehmer von Stickereien), der fieberhaften Vermehrung der Maschinen und Produktion.
Der schlechte Geschäftsgang und die Arbeitslosigkeit in der Stickerei halten nun bereits ein Jahr lang an. Zu Zentralpunkten der Industrie haben sich hauptsächlich diejenigen Orte ausgewachsen, wo schon von Alters her Gewerbe und Handel heimisch waren, so Arbon, Bischofszell, Frauenfeld, Münchwilen, Aadorf, Wängi. Ihnen haben sich zugesellt Amriswil. Sirnach, Kreuzlingen-Egelshofen, Steckborn, Müllheim, Bürglen, Diessenhofen. Amriswil besitzt eine Stickerei-Fachschule. Die Maschinenstickerei ist über den ganzen Kanton verbreitet, besonders aber vertreten in den an den Kanton St. Gallen angrenzenden Bezirken Münchwilen, Bischofszell und Arbon, in ersterem sozusagen in jedem Haus.
Die grossen Industrien sind:
a) Die Textilindustrie, und zwar 1) Baumwolle: Spinnereien, Webereien, Strickereien, Färbereien, Bleicherei, mechanische Stickerei (in Arbon eine Fabrik mit über 1000 Arbeitern), Zwirnerei;
2) Wolle (z. B. Kammgarnspinnerei in Bürglen);
3) Seide: mechanische
Hauptsæchlichste Industrien des Kantons Thurgau
Lief. 244.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 6° 40’ O; 47° 30’ N; 1:300000]
▲ Stickerei | ○ Lebensmittel |
C Baummollindustrie | ╚ Schuhwaaren |
S Seidenindustrie | P Papierfab. |
▭ Wollindustrie | y Tabakfab. |
F Färberei | ♁ Chemische Prod. |
* Stickerei | ⟣ Müllerei |
↴ Metallindustrie | ● Käserei |
↴ Giesserei | ⌂ Ziegelei |
⑃ Elektrische Ind.rie | ❢ Brennerei |
↗ Holzindustrie | ⤚ Druckerei |
Industrielle Bevölkerung
% der Gesammtbevölk.
░ 15-20%
▒ 20-25
▓ 25-28
Mce. Borel & Cie.
V. Attinger sc.
HAUPTSÆCHLICHSTE INDUSTRIEN DES KANTONS THURGAU.
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Seidenstoffweberei in Schönenberg, Seidenzwirnerei in Kurzdorf.
b) Metallindustrie: Maschinenfabriken in Arbon (wovon eine mit 1000 Arbeitern), Frauenfeld, Steckborn, Wängi und Müllheim;
Giessereien in Kurzdorf, Steckborn, Arbon.
c) Schuhwarenindustrie in Frauenfeld (durchschnittlich 400-600 Arbeiter), Gaisberg, Kreuzlingen, Amriswil, Wigoltingen, Kefikon.
Als hervorragende Gewerbe müssen im weitern genannt werden: die vielen Baugeschäfte, die Ziegel- und Drainröhrenfabriken, die Portlandzementfabrik in Hasli-Müllheim, die Sandsteinfabriken, die Holzverarbeitungsgeschäfte, die grossen Mühlen, die Buchdruckereien, die mechanischen Schlossereien, die Teigwarenfabriken, die Bierbrauereien und die Zigarren- und Tabakfabrik Diessenhofen.
Im Jahr 1904 waren nicht weniger als 376 industrielle Etablissemente (1906: 397) der eidg. Fabrikaufsicht unterstellt, nämlich:
4 Baumwollspinnereien und Zwirnereien;
13 Baumwoll- und Wollwebereien;
2 Jacquardwebereien;
3 Seidenstoffwebereien;
8 Färbereien, Bleichereien und Wäschereien;
166 Stickereien (gewöhnliche und Schifflistickereien);
1 Seidenzwirnerei;
1 Kammgarnspinnerei;
11 Trikoterien, Seidenstoff- und Strumpfwirkereien, Konfektionsgeschäfte;
1 Verbandstofffabrik;
2 Rosshaarfabriken;
4 Gerbereien und Lederfabriken;
7 Schuh- und Schäftefabriken;
5 Teigwarenfabriken;
1 Konservenfabrik;
14 Mehlmühlen und Maismühlen;
2 Tabak- und Zigarrenfabriken;
1 Hadern- und Papiersortiererei;
2 Leim- und Düngerfabriken;
1 Schmirgelfabrik;
3 Seifen- und Stärkefabriken, Putz- und Waschpräparate;
2 Essig- und Wichsefabriken;
2 Papier-, Couvert- und Kartonnagefabriken;
2 Säcke- und Deckenfabriken;
10 Buchdruckereien, Buchbindereien, Lithographien;
10 Sägereien, Hobelwerke, Schreinereien und Baugeschäfte, Glasereien;
12 Möbel- und Bürstenholzfabriken, Parketterien;
26 Maschinenwerkstätten, Giessereien, Schlossereien und Spenglereien;
18 Tonwarenfabriken und Hafnereien;
3 Werkzeugfabriken, Schleifereien und Feilenhauereien;
7 Zement-, Zementwaren- und Schilfrohrgewebefabriken;
1 Rolladen- und Spindelhülsenfabrik;
1 Eisenbahnreparaturwerkstätte;
1 Kunstfeuerwerkerei;
1 Plüschfabrik;
1 Holzstoff- und Kartonfabrik;
2 Möbelgurtenwebereien und Kinderwagenfabriken;
11 Lingerien und Maschinennähereien, Nachstickereien;
1 Zichorien- und Presshefefabrik;
2 Waagenfabriken;
4 Wasser- und Elektrizitätswerke, Gasfabriken;
1 Alkoholdepot;
1 Holzbildhauerei;
4 Bierbrauereien;
1 Drahtstiftenfabrik.
Indem die eidg. Betriebszählung vom daneben auch die übrigen Gewerbe und Industrien, welche nicht als Fabrik im Sinne des Bundesgesetzes zu betrachten sind, berücksichtigte, ist sie zu einer Gesamtzahl von 9590 Betrieben für Gewerbe und Industrie und 3602 für Handel gelangt. Dagegen beläuft sich die Gesamtzahl der Betriebe mit Landwirtschaft etc. auf 11874. Von der Gesamtzahl der 25951 gezählten Betriebe waren 4246 hausindustrielle Betriebe. Beschäftigte Personen: Im ganzen 72860, davon 31495 in Gewinnung der Naturerzeugnisse, 32212 in Gewerbe und Industrie, 5911 in Handel etc.
Es bestehen: ein kantonaler Gewerbeverein mit Sektionen in allen grösseren Ortschaften, ein kantonaler Handels- und Industrieverein, das Institut des kantonalen Lehrlingspatronats und der kantonalen Lehrlingsprüfungen.
Im folgenden geben wir noch einige Ziffern aus der im Jahr 1900 vom Kaufmännischen Direktorium des Kantons St. Gallen aufgenommenen Industriestatistik der 3 Kantone St. Gallen, Appenzell und Thurgau. Nach dieser zählten im genannten Jahre die vorhandenen 5 Spinnereien 39468 Spindeln und beschäftigten 516 Arbeiter, die 3 Zwirnereien 6600 Spindeln (181 Arbeiter) und die 16 mechanischen Webereien 3045 Stühle (1943 Arbeiter und 358 Hilfspersonen). Stühle für Handweberei arbeiteten bloss noch 74 (mit 81 Arbeitskräften).
Für die Maschinenstickerei betrug in der Kategorie «Handmaschinen» die Gesamtzahl der Fabriken 92 und die Zahl der Maschinen 2809. Von den letztern waren bei Einzelstickern (mit 1-2 Maschinen) 2065 und in Fabriken 744 untergebracht. Die Zahl der Arbeiter belief sich auf 5411 nebst einem Hilfspersonal von 547 Personen. Die 5411 Arbeitskräfte verteilten sich auf 25 Angestelle, 7 Lehrlinge, 45 Fergger und 5334 eigentliche Arbeiter, nämlich 4988 Erwachsene (2705 männlichen und 2283 weiblichen Geschlechtes), 101 Jugendliche (im Alter von 16-18 Jahren) und 245 Kinder (im Alter von 14-16 Jahren). In der Kategorie Schifflimaschinen wurden gezählt: 39 Fabriken und 642 Maschinen. Von den letztern standen 636 in Fabriken und 6 bei Einzelstickern. Die Zahl der Arbeiter betrug 2284 nebst 41 Hilfspersonen, zusammen 2325 Personen. Von den 2281 Arbeitern waren 75 Angestellte, 8 Lehrlinge, 2 Zeichner und 2199 eigentliche Arbeiter, nämlich 1566 Erwachsene (570 männlichen und 996 weiblichen Geschlechts), 421 Jugendliche und 212 Kinder.
Die Verteilung der Maschinenstickerei auf die Munizipalgemeinden ergibt sich aus der Tabelle auf S. 104.
Mit Hinzurechnung der übrigen Industrien (z. B. 10 Färbereien, 12 mechanische Werkstätten, 5 Schuhfabriken, 18 Kleiderfabrikationsgeschäfte u. s. w.) belief sich laut der genannten Industriestatistik die Zahl aller in der Industrie beschäftigten Arbeiter im Jahr 1900 auf 16938.
[F. Ribi.]
16. Handel, Import und Export, Banken etc.
Der Handel der einstigen Landgrafschaft war in seiner frühesten Gestalt Transithandel. Als solcher reicht er schon in die früheste Zeit zurück. Aus dem Jahr 1259 wird uns erzählt, wie die Herren von Wellenberg zürcherische Kaufleute, die mit ihren Waren durchs Thurthal reisten, überfielen und beraubten. Zur Strafe überfiel Zürich das Schloss Wellenberg, zerstörte es und liess den Besitzer eine Verpflichtung unterschreiben, dass er dafür nie an zürcherischen Angehörigen sich rächen wolle.
Später kommt zum Transithandel der Export, zunächst von Wein. Einzelne Gerichtsherren, so die Breitenlandenberg auf Herdern, hielten in ihren Kellereien grosse Weinlager, die sie nach Konstanz, Lindau u. s. w. ausführten. Im obern Thurgau blühte der Leinwandhandel bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. Er sandte seine Erzeugnisse nach Frankreich, Spanien, Italien, Preussen. Die Handelshäuser in Arbon, Hauptwil, Bischofszell und Zihlschlacht hatten weithin bekannte Namen. Die Baumwollmanufaktur des 19. Jahrhunderts hat ihr Bestehen unmöglich gemacht.
Die veränderten Kulturverhältnisse der Gegenwart haben auch im Handels- und Kreditwesen Veränderungen und Neuerungen gebracht. Die Erzeugung von Getreide und anderer Lebensmittel genügt nicht, so dass darum immer mehr davon eingeführt werden muss. Das selbe ist der
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Fall mit all den Rohstoffen, welche die industriellen Etablissemente des Kantons verarbeiten. Dafür umfasst der Export ausser den Arbeiten all dieser Fabriken besonders Käse, Obst und Milch. Obenan im Import stehen: Getreide, Mehl, Eier, Vieh, Wein, Kohle.
Daneben ist der Transitverkehr, wie ihn namentlich die Dampfschiffe und Eisenbahnen vermitteln, zu riesigen Dimensionen angewachsen. Romanshorn ist dafür einer der wichtigsten Stapelplätze der ganzen Schweiz. Täglich befahren mehrere Güterzüge mit 30 und mehr Wagen und beladen mit allen möglichen Waren und Rohmaterialien die doppelspurige Linie Romanshorn-Zürich. Fast kein Zug ist ohne einige Wagen mit bairischem Bier. Trajektschiffe vermitteln den Verkehr mit Friedrichshafen, Lindau und Bregenz. In Romanshorn bestehen mächtige Lagerhäuser für Getreide und andere Waren, sowie ein eigenes eidgenössisches Alkoholdepot.
Die frühere Zeit mit ihren ausschliesslich bäuerlichen Verhältnissen bedurfte nur der Sparkassen. Der Kanton hatte deren zwei, die der Stadt Frauenfeld (gegründet 1822) und die der kantonalen gemeinnützigen Gesellschaft (bestehend seit 1823). Aber der steigende Handel und Verkehr rief immer dringender einem weitern Ausbau der Geldinstitute. So entstand ganz besonders auf Antrieb der Gemeinnützigen Gesellschaft zu Anfang der Fünfzigerjahre des 19. Jahrhunderts die Thurgauische Hypothekenbank in Frauenfeld mit Filialen in Weinfelden, Romanshorn, Kreuzlingen und Arbon, die zugleich als Sparkasse eingerichtet ist und ihre Einnehmerstellen in allen bedeutenderen Gemeinden des Kantons hat.
Die 1823 gegründete Sparkasse ist ihr einverleibt worden. Das Aktienkapital dieser Bank beträgt seit 1906 12 Mill. Fr.; ihr jährlicher Umsatz steigt auf 408932930 Fr. und ihr Reservefonds beträgt 2220000 Fr. Dazu kam im Jahr 1869 die Kantonalbank mit Sitz in Weinfelden und Filialen in Frauenfeld, Bischofszell, Amriswil, Romanshorn und Kreuzlingen, die unter Garantie des Kantons steht und den Zweck hat, gegen genügende Sicherheit der Landwirtschaft und dem Gewerbe die für Deckung ihrer Bedürfnisse erforderlichen Kapitalien (soweit möglich) herbeizuschaffen. Auch sie hat eine Sparkasse (mit Einnehmereien in 33 Gemeinden des Kantons).
Da aber einzelnen Gemeinden mit viel Industrie und gesteigertem Verkehr diese kantonalen Institute nicht genügten, entstanden an verschiedenen Orten, die keine Filialen derselben haben, örtliche Spar- und Leihkassen, die bis dahin nur erfreuliche Resultate zeitigten; so in Aadorf, Eschlikon, Steckborn, Diessenhofen, Ermatingen, Eschenz und Sirnach. Der Kreis der Wirksamkeit der Kassen in Steckborn und Eschenz geht über die Grenze hinüber in das badische Gebiet. Es bestehen auch etliche Fabriksparkassen, Konsumvereinsparkassen und Schulsparkassen. Im ganzen bestehen im Thurgau 20 Finanzinstitute und 79 Einnehmereien, die sich mit dem Sparkassawesen befassen.
[a. Pfarrer Wælli.]
17. Verkehrswege, Strassen, Eisen bahnen und Schifffahrt.
Bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts waren die Strassen in üblem Zustande; in den Zeiten, da der Thurgau Untertanenland war, ist nicht viel dafür getan worden. Selbst in städtischen Ortschaften füllte man die entstandenen Unebenheiten und Tümpel statt mit Kies mit Reisig aus. Da im Thal die Flüsse und Bäche mit ihren Hochwassern zeitweise den Verkehr unmöglich machten, führte man die mehr Saumpfaden als Strassen ähnlichen Wege über die Höhen. So namentlich im Thurthal. Da gings entweder auf dem rechten Ufer über die Anhöhe von Wigoltingen oder auf dem linken über Amlikon hinauf nach Leutmerken und von dort auf der Höhe des Bergrückens über Griessenberg nach Frauenfeld.
Das wurde anders mit dem Selbständigwerden des Kantons im Jahr 1803. Trotz der geringen Hilfsmittel, welche ihm zu Gebote standen, wusste der damalige Regierungsrat Freienmuth durch seine Einsicht und Tatkraft es dahin zu bringen, dass schon nach den ersten Dezennien die Staatsstrasse von Islikon nach Romanshorn, die den Kanton von W. nach O. durchschneidet und die Verbindung mit dem See vermittelt, erstellt und dazu eine solche vom See quer durch den Kanton in der Richtung auf St. Gallen hinzugefügt ward.
Seitdem fügte sich Stück an Stück, so dass das Strassennetz des Kantons heute eine Länge von 736,7 km hat. Die Strassen stehen unter der Aufsicht von 2 Inspektoraten und scheiden sich in Strassen erster (323,64 km) und solcher zweiter (413,06 km) Klasse. An Bau und Unterhalt der letztern haben die anliegenden Gemeinden bestimmte Beiträge zu leisten. Im ersten Inspektoratskreis, dem obern Teil des Kantons, wurden im Jahr 1906 vom Staate 49568 Fr., im zweiten Kreis, dem untern Kanton, 37212 Fr. für den Unterhalt ausgegeben. Der Bau der Eisenbahnen hat das Bedürfnis guter Strassen wesentlich vermehrt. In den letzten Jahren ist eine solche von Steg bei Fischenthal über die Hulftegg gebaut und in jüngster Zeit eine solche von Fischingen nach Mühlrüti in Angriff genommen worden. Der Bau und Unterhalt der Gemeindestrassen liegt den beteiligten Gemeinden ob.
Die erste Eisenbahn, welche im Kanton gebaut wurde (1855), war die Linie Winterthur-Romanshorn, durch die Romanshorn zu einem der wichtigsten Verkehrspunkte der Schweiz für Eisenbahn und Schiffahrt geworden ist. Der Ausgangspunkt der Bahn am See stand einige Zeit in Frage, da bis dahin Uttwil der wichtigste Sitz der Bodenseeschiffahrt auf schweizerischer Seite war. Die Wahl fiel nach mancherlei Erwägungen auf Romanshorn, wodurch das ärmliche Fischerdörflein in einen stadtähnlichen Flecken umgewandelt worden ist.
Im Jahr 1856 ward die Linie Winterthur-St. Gallen eröffnet, die den hintern Teil des Kantons von Aadorf bis an die Grenze bei Wil durchschneidet und den an ihr liegenden Stationen Aadorf, Eschlikon und Sirnach mit einer blühenden Industrie neues Leben und eine schöne Zukunft gebracht hat.
Die 60er Jahre des 19. Jahrhunderts brachten dem Murgthal seine Strassenbahn Frauenfeld-Wil. Für den Transitverkehr ist sie allerdings nicht eingerichtet; aber weil sie auch kleinere örtliche und private Bedürfnisse berücksichtigen kann, ist sie dem Thal und seinen Bewohnern fast nützlicher als eine Normalbahn mit ihren das Kleine übergehenden Rücksichten. In die 70er Jahre des 19. Jahrhunderts fällt die Erstellung der sog. Nationalbahn von Winterthur über Etzwilen nach Konstanz, die den Ufern des Untersees mit seinen Schlössern und Kurorten, Mammern, Glarisegg, Mannenbach und Ermatingen, zu gut kommt.
In den 80er Jahren schloss sich daran an die Fortsetzung dem Obersee entlang bis nach Rorschach, mit deren Ausführung eine Grenzberichtigung und ein kleiner Gebietsaustausch mit Baden in Konstanz sich verband (das Ufer des sog. Trichters bis zum Hörnli fiel an die Schweiz, der Landstreifen, auf dem das schweizerische Bahnhofgebäude sich befand, an Baden). Im Jahr 1896 wurde das Stück Schaffhausen-Etzwilen, das den Bezirk Diessenhofen durchschneidet, eröffnet und
mehr
damit die Verbindung auf Schweizerseite von Rorschach bis Schaffhausen und weiter bis Basel aufgetan, da zu gleicher Zeit die Linien Schaffhausen-Eglisau und Bülach-Zurzach-Stein dem Verkehr übergeben wurden.
Zur Zeit wird an einer Linie gearbeitet, die von Romanshorn nach St. Gallen geht und von dort über Herisau nach Wattwil und zum Rickentunnel sich fortsetzt. Gesichert ist ferner eine Linie Wil-Konstanz über Weinfelden und geplant eine Linie von Frauenfeld nach Singen über Etzwilen.
In den Jahren 1904 und 1905 kamen im Kanton zwei Kurse mit Automobilwagen zur Ausführung: derjenige zwischen Frauenfeld und Steckborn und der zwischen Münchwilen und Fischingen einer- und Münchwilen und Turbenthal andrerseits. An Frequenz mangelte es nicht; doch waren die Betriebskosten zu hoch, als dass die Kurse hätten beibehalten werden können. So gingen sie nach kaum anderthalbjährigem Bestand wieder ein.
[a. Pfarrer Wælli].
Durch die Erstellung von Eisenbahnen rings um den Obersee und den Untersee ist natürlich die Lebhaftigkeit und Regheit des Schiffverkehrs auf dem Bodensee beeinträchtigt und namentlich die Segelschiffahrt und die Zahl der von Dampfbooten befahrenen Strecken für die thurgauischen Uferorte reduziert worden. Das Total der Verkehrsziffern aber weist doch eine stete Zunahme sowohl im Waren- als im Personenverkehr auf. Das Unternehmen «Dampfbootgesellschaft für den Untersee und Rhein» (Sitz in Schaffhausen; 4 Schiffe: «Schweiz», «Arenaberg», «Neptun» und «Hohenklingen») erfreut sich allerdings keiner glücklichen Verhältnisse.
Die jährliche Betriebsrechnung schliesst gewöhnlich mit einem kleinen Defizit ab. Haben die Monate vom Frühling bis Herbst viel günstige Witterung für Reisen und Ausflüge, dann ist die Personenfrequenz gut. Die sonstigen Einnahmen sind nicht erheblich, und im Januar und Februar müssen die Schiffe gegen die Eisbildung kämpfen und oft auch die Fahrten ganz einstellen. Im Jahr 1905 sah sich der Verwaltungsrat veranlasst, den Aktionären die Liquidation der Gesellschaft zu beantragen. Da haben die Regierungen von Thurgau und Schaffhausen, sowie die interessierten thurgauischen und schaffhauserischen Stationen bezw. Gemeinden durch Zeichnung von Subventionen auf 5 Jahre diese einen grossen Reiz und Hochgenuss gewährende Schiffahrt vorläufig gerettet.
Die 7 thurgauischen Dampfschiffstationen der Unternehmung, in der Richtung von Schaffhausen nach Konstanz gezählt, sind: Diessenhofen, Mammern, Steckborn, Berlingen, Mannenbach, Ermatingen und Gottlieben. Am Obersee sind Landungsstellen für Motorboote, Segelschiffe und Gondeln noch vorhanden in Kesswil, Uttwil und Altnau: eine regelmässige Dampfschiffverbindung zwischen thurgauischen Ortschaften des Obersees aber gibt es nicht. Dagegen hat Arbon einen Hafen. Im Sommer kursieren an Sonn- und Feiertagen 2 schweizerische Schiffe auf der Strecke Arbon-Romanshorn und zurück.
Ferner wird im Sommer werktags und sonntags die Route Arbon-Rorschach befahren. Romanshorn endlich ist der Hauptverkehrsplatz am Bodensee; es besitzt den grössten und besten Hafen. Hier münden 3 Eisenbahnlinien aus, besonders die wichtige Linie Zürich-Romanshorn. Anderseits enden hier die Schiffslinien Friedrichshafen-Romanshorn, Lindau-Romanshorn und Bregenz-Lindau-Romanshorn, welche die Passagiere und Güter von Stuttgart, Nürnberg, München etc. bringen.
Bahnhof und Hafen liegen unmittelbar nebeneinander. Es wickelt sich also hier ein grosser Personenverkehr und das Löschen gewaltiger Güterladungen (täglich durchschnittlich etwa 90 Waggons), sowie die Zollabfertigung ab. Da die Zollergebnisse auf den 15 thurgauischen Zollämtern geeignet sind, uns einen Begriff von Warenverkehr und Schiffahrt auf dem Bodensee (Ober- und Untersee) zu vermitteln, wollen wir einen Auszug aus der bezügl. Statistik der eidg. Oberzolldirektion für das Jahr 1906 folgen lassen:
Zollämter | Einnahmen Fr. | Zahl der Abfertigungen |
---|---|---|
Romanshorn | 6797652 | 908589 |
Konstanz (eidg. Zollamt) | 944221 | 214283 |
Kreuzlingen | 162755 | 262621 |
Emmishofen | 149425 | 109241 |
Diessenhofen | 27693 | 72346 |
Die übrigen Zollämter (Arbon, Ermatingen, Tägerwilen, Steckborn, Gottlieben, Kesswil, Altnau, Mammern, Mannenbach, Horn und Berlingen) wiesen zusammen Fr. 30701 Zolleinnahmen auf und fertigten 86244 Zollstücke ab.
Mit dem Ankauf der schweizerischen Nordostbahn (1903) durch den Bund ist auch der schweizerische Dampfschiffbetrieb auf dem Bodensee an die Eidgenossenschaft übergegangen und steht nun unter der Kreisdirektion IV der SBB in St. Gallen. In Romanshorn beträgt die Zahl der bezüglichen Beamten und Angestellten etwa 60. Die Flotte besteht aus 8 prächtigen Dampfbooten, nebst einer Trajektdampffähre (mit über 300 t Tragkraft), eisernen