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und Arbeiter zählt; eine Kunstmühle, Möbelfabrik, Sägewerk, Kartonnagefabrik, drei Buchdruckereien, viele Verkaufsläden und Gastwirtschaften. Sehr reger Marktverkehr. Gas- und Elektrizitätswerk. Elektrische Beleuchtung. 1900 beendigte Stadtkanalisation. Wasserversorgung vom Homberg her (seit 1868), seit 1888 durch ein Pumpwerk ergänzt. Amtsersparniskasse, Spar- und Leihkasse, Filiale der bernischen Kantonalbank, sowie der Spar- und Leihkasse Steffisburg.
Amtsspital und Sanatorium. Ausstellung von Töpfereiwaren, die im nahen Heimberg fabriziert werden. Mehrere Gesangvereine, Kurorchester, Orchesterverein, Stadtorchester, Stadtmusik;
Turnvereine;
Kaufmännischer Verein;
Sektion Blümlisalp des S. A. C.;
Kadettenkorps, Knaben-Armbrustschützengesellschaft;
Schützengesellschaften.
Schiessstand und Scheibenhäuser auf der Allmend. Der jeweilen im Oktober stattfindende «Ausschiesset» ist ein von der ganzen Bevölkerung gefeiertes Volksfest. Oeffentliche Badanstalt und Militärbadanstalt in der Aare. Das 1908 eröffnete Ferienheim für die Schulkinder von Thun befindet sich bei Walkringen im Amtsbezirk Konolfingen.
Prähistorische und römische Funde in Thun und Umgebung beweisen die frühe Besiedelung der Gegend. Als Stapelort für den Warenverkehr auf Thunersee und Aare, sowie als wichtiger strategischer Punkt und Eingangspforte in das Oberland war Thun schon im frühen Mittelalter ein Platz von grosser Bedeutung. Um 595: Lacus Dunensis; 1125 und 1222: Tuna; 1250: Dunum. Der Name dunem soll keltischen Ursprungs sein und «Befestigung, fester Punkt» bedeuten. Thun war im Besitz der 1127 zum erstenmal erwähnten Edlen von Thun, deren Herrschaft einen Teil des Oberlandes einnahm und die Thäler der Lütschinen, das Bödeli, Unterseen, St. Beatenberg, Sigriswil, Hilterfingen, Steffisburg, Heimberg, Diesbach, Wichtrach und die Gebiete der Zulg und der Rothachen umfasste, aber schon früh in kleinere Herrschaften zerfiel.
Aus dem Hause Thun seien genannt Heinrich, Bischof von Basel (1215-1238), und Konrad, Abt von Einsiedeln (1213-1233). Dem nämlichen Haus gehören sehr wahrscheinlich auch die Edlen von Burgistein, von Heimberg, von Oberhofen und von Unspunnen an. Wohl infolge des für die oberländischen Dynasten ungünstigen Krieges gelangte Thun an ihren Besieger, Herzog Berchthold V. von Zähringen, und nach dessen Tod 1218 an seine Schwesterskinder, die älteren Grafen von Kiburg, dann an deren Erben, die Grafen von Habsburg-Laufenburg, welche als die jüngere kiburgische Linie bekannt sind.
Ein Konflikt zweier Brüder, der Grafen Hartmann und Eberhard von Kiburg, endigte mit der Ermordung des ersteren im Schloss von Thun am Der Sohn Eberhards verkaufte 1375 Thun an die Stadt Bern, welche aus der Stadt Thun und einem Teil der ehemaligen Herrschaft eine Vogtei bildete, deren Vogt den Titel Schultheiss führte und auf der Burg residierte. Die Stadt soll damals bevölkerter als heute gewesen sein und vielen angesehenen Geschlechtern als Wohnsitz gedient haben.
Nach der bernischen Erwerbung hört die selbständige Existenz der Stadt Thun auf. In den Burgunder- und Schwabenkriegen, sowie in den mailändischen Feldzügen fochten die Thuner mit Auszeichnung. Seit der Schlacht von Murten wurde ihnen gestattet, den schwarzen Stern im weissen Schrägbalken des roten Feldes ihres Wappens durch einen goldenen Stern zu ersetzen. Die Bürgerschaft besass ausgedehnte Güter (schöne Alpweiden im Simmenthal und Waldungen in der Umgebung) und übte die Herrschaftsrechte über die dem Spital Thun gehörenden Gerichte Uetendorf und Längenbühl aus.
Konflikte der Bürgerschaft mit den bernischen Amtsleuten waren nicht selten. Grosse Pestepidemien suchten die Stadt heim in den Jahren 1439, 1500, 1577-79, 1583, 1588, 1628-29. Schon vor dem Ausbruch des Bauernkrieges fand im Jahr 1642 ein partieller Bauernaufstand gegen die Stadt Thun statt. Während der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, namentlich seit der Aufhebung des Edikts von Nantes, hielten sich viele religiöse und politische Flüchtlinge aus der Pfalz, Ungarn, Piemont und Frankreich in Thun auf. Die Ableitung der Kander in den Thunersee (1714) brachte der Stadt zunächst grossen Nachteil und verursachte Ueberschwemmungen, unter welchen die des Jahres 1721 als besonders verderblich hervorzuheben ist. 1798-1803 wurde Thun Hauptstadt des neugebildeten Kantons Oberland. 1814 beteiligte sich ein Teil der Bevölkerung an den gegen das sich aufs neue ¶
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erhebende aristokratische Regiment gerichteten sog. oberländischen Unruhen. Schon im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts machen sich in Thun die Anfänge des Fremdenverkehrs bemerkbar: Besuch Goethes 1779, des Grossfürsten und spätern Kaisers Paul 1782, Heinrichs von Kleist 1801-1802. Zum Bekanntwerden der landschaftlichen Schönheit Thuns und seiner Umgebung hat das seinerzeit in Basel aufgestellte Rundgemälde des Malers M. Wocher († 1825) vieles beigetragen.
Seit 1833 nahmen vornehme englische Familien ihren Aufenthalt in dem später zu dem bekannten Gasthof Bellevue umgewandelten Landsitz der Familie Knechtenhofer. In den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts hielten sich der spätere Kaiser Napoleon III., der die Militärschule in Thun besuchte, und seine Mutter Hortense längere Zeit in Thun auf. Die Einführung der Dampfschiffahrt im Jahr 1835 brachte der Stadt grossen Aufschwung. 1840 wurde die englische Kapelle erbaut.
Unter den Gästen Thuns seien ausser Napoleon III., der die Stätte seiner Jugend 1865 als Kaiser nocheinmal besuchte, erwähnt die Herzoge von Aumale, Chartres und Joinville, die Könige von Schweden, Preussen und Holland, Prinz Eduard von Wales, Alexander von Humboldt, der Komponist Brahms u. a. 1875 wurde das Hotel Thunerhof und kürzlich der Kursaal erbaut. Für Hebung des Fremdenverkehrs sorgt ein Verkehrsverein, der Konzerte, Pferderennen, Seefeste etc. veranstaltet und ein während der Saison wöchentlich erscheinendes Fremdenblatt herausgibt. Gegenwärtig weist Thun 12 für den Fremdenbetrieb eingerichtete Gasthöfe mit 1200 Betten auf.
In kirchlicher Hinsicht gehörte die schon im 13. Jahrhundert bestehende Pfarrei Thun in das Dekanat Münsigen des Bistums Konstanz, umfasste aber nur den Stadtteil auf dem rechten Ufer. Das linke Ufer und die Aareinsel Bälliz, deren Name von palatiolum abgeleitet wird, gehörten zur Pfarrei Scherzligen und ins Bistum Lausanne. Das Patronatsrecht kam 1271 an das Kloster Interlaken und ging zur Reformationszeit mit diesem an Bern über, das die Pfarrei Thun mit Scherzligen vereinigte. 1738 wurde das Schiff der Kirche neu erbaut. Gegenwärtig umfasst die protestantische Kirchgemeinde Thun die Einwohnergemeinden Thun, Goldiwil, Schwendibach und Strättligen mit zusammen 10334 Ew. Je eine römisch- und christkatholische Pfarrei, sowie mehrere religiöse Privatgenossenschaften.
Von hervorragenden Bürgern Thuns seien genannt: Johann Rudolf Rebmann (1566-1604), Pfarrer in Thun und Verfasser des topographisch wichtigen Lehrgedichtes Poetisch Gastmahl und Gespräch zweier Berge, des Niesens und des Stockhorns (Bern 1606);
Dekan Joh. Fädminger († 1586);
Pfarrer Joh. Erb (1635-1702), einer der hervorragendsten Vertreter der Berner Geistlichkeit seines Jahrhunderts;
Joh. Rubin (1648-1720), Arzt und dramatischer Dichter;
der Maler Joh. Georg Koch (1702-1785);
der Botaniker und Naturforscher Joh. Heinrich Koch (17061787);
Jakob Rubin (1720-1785), Arzt und Historiker;
der preussische Kriegsrat Joh. Heinrich Beckh (1724-1751);
die beiden Orientalisten David Kocher († 1791) und Jakob Kocher († 1761), letzterer Professor an der Universität Groningen;
der Dekan Heinrich Stähli (1734-1803), der interessante Memoiren hinterliess;
der als Soldat und Staatsmann verdiente Oberst Karl Koch (1771-1844);
der Botaniker Jakob Trog (1781-1861);
der Theologe und Pädagoge August Hopf (1807-1888);
die Historiker Pfarrer Gottlieb Schrämli (1792-1841) und Landammann Karl Lohner (1786-1863).
Bibliographie: Rubin, J. Handveste der Stadt Thun. Bern 1779. - König, Fr. Nikl. Beschreibung von Thun und Umgebung. Basel 1815. - Studer, G. Fr. Zwei Tage in Thun. Bern 1822. - Burgener, Chr. «Thun» im 2. Band von Die Schweiz in ihren Ritterburgen. Bern 1830. - Burgener, Chr. Thun und seine Umgebung. Thun 1840. - Roth, A. Thun und seine Umgebung. Bern 1873. - Thun und Thunersee. (Europ. Wanderbilder. 6). - Führer durch Thun; herausgeg. vom Verkehrsverein. - Eine Fülle von bis jetzt noch ungedrucktem geschichtlichen Material über die Stadt Thun enthalten die umfangreichen und gründlichen Kollektaneen der Historiker Schrämli und Lohner, die in der Stadtbibliothek Thun aufbewahrt werden.