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Primarschule; 24 für Knaben und 16 für Mädchen) schliessen den Volksschulunterricht ab und bereiten zum Eintritt in das Lehrer- und Lehrerinnenseminar in Locarno und die Handelsschulen von Bellinzona und Lugano vor. Sie werden von 29 Lehrern und 23 Lehrerinnen geleitet und von 1014 Schülern (582 Knaben und 432 Mädchen) besucht. Ein vom Erziehungsdepartement ausgearbeiteter neuer Gesetzesentwurf sieht eine vollständige Umformung dieser Schulen vor. Die 25 Zeichenschulen dienen Lehrlingen und Arbeitern, denen sie auch einige Kenntnisse in der Kunstgeschichte vermitteln sollen. Sie werden von den kantonalen Schulinspektoren und einer vom Regierungsrat ernannten besondern Kommission überwacht und zählen 40 Lehrer und 1038 Schüler. Die Rekrutenwiederholungskurse sind von 62 Lehrern geleitet und von 745 Jünglingen besucht worden.
Lehrer- und Lehrerinnenseminar in Locarno sind je 4klassig und zählten zusammen 129 Schüler (60 Knaben und 69 Mädchen). Das Lehrerseminar hat einen Direktor und 12 Lehrer, das Lehrerinnenseminar eine Vorsteherin und 8 Lehrer und Lehrerinnen. Mendrisio und Locarno haben je eine technische Schule, Lugano die Kantonsschule mit Gymnasium und Realgymnasium. Es lehren: an der technischen Schule Mendrisio 1 Direktor und 10 Professoren, an der technischen Schule Locarno 1 Direktor und 5 Professoren, an der Kantonsschule in Lugano 1 Direktor und 10 Professoren.
Der Kantonsschule ist ein Progymnasium (Lyzeum) mit 23 Schülern angegliedert. Die Gewerbeschule und Handelsschule für Mädchen in Lugano zählen zusammen 1 Direktor, 6 Lehrer und 6 Lehrerinnen und werden von 150 Zöglingen besucht. In Bellinzona besteht die kantonale Handelsschule mit 1 Direktor und 13 Lehrern; sie zählt 124 Schüler, die sich auf 5 Sektionen (worunter eine Verkehrsschule) verteilen. Mehr als 100 junge Leute pflegen alljährlich zur Fortsetzung ihrer Studien schweizerische und ausländische Universitäten und technische Hochschulen aufzusuchen.
Von privaten Erziehungs- und Unterrichtsanstalten sind zu nennen: Das theologische Institut San Carlo in Lugano mit 4 Jahreskursen und 37 Zöglingen, die Taubstummenanstalt in Locarno mit 20 männlichen und 17 weiblichen Zöglingen, das Waisenhaus Maghetti in Lugano mit 25 Knaben und das Waisenhaus Vanoni in Lugano mit 18 Mädchen.
Die Sektionen Chiasso, Lugano, Bellinzona und Locarno des schweizerischen Kaufmännischen Vereins haben für Arbeiter und Handelsangestellte Abendkurse in Sprachen und kaufmännischen Fächern eingerichtet. Die auf Gegenseitigkeit beruhende Hilfsgesellschaft der liberalen Arbeiter in Bellinzona unterhält eine Gewerbeschule für Arbeiter und Angestellte, ebenso der Circolo Operaio Educativo in Lugano eine Abendschule für Zeichnen und Elementarunterricht.
Seit 1900 unterhält Lugano eine Ferienkolonie, die alljährlich etwa 40 Elementarschüler nach Tesserete senden kann und vom Staat, der Stadt Lugano, einem Schulverein und zahlreichen Privaten finanziell unterstützt wird. Eine ähnliche Ferienkolonie hat auch die Stadt Locarno eingerichtet. Im Kanton Tessin bestehen eine Reihe von pädagogischen Vereinen und Gesellschaften, die Lehrer und Bildungsfreunde gruppieren. Staat und Gemeinden bringen dem öffentlichen Schulwesen grosse Opfer.
Das Budget des Erziehungsdepartementes erscheint mit Hinsicht auf die wirtschaftliche Lage des Kantons als ziemlich hoch. Allerdings stehen die Besoldungen der Volksschullehrer noch hinter dem Mittel der übrigen Kantone zurück, doch geht es auch in dieser Beziehung vorwärts. Für 1908 sieht das Budget des kantonalen Erziehungsdepartementes Fr. 851080 Ausgaben und Fr. 191604 (wovon Fr. 168000 Bundessubvention) Einnahmen vor. Dazu kommt eine jährliche Ausgabe von rund 400000 Fr., die den Gemeinden zur Last fällt.
Die 1904 gestiftete Pensionskasse (Cassa di Previdenza) sichert den Lehrern nach 35jährigem Schuldienst eine Ruhegehalt von 60% der Besoldung und nach früherm Ausscheiden aus dem Schuldienst infolge von Invalidität einen solchen von im Minimum 25% der Besoldung zu. Geäufnet wird die Kasse durch eine jährliche Einlage des Staates von 50000 Fr. (aus der Bundessubvention für die Primarschule) und von 12000 Fr. (zugunsten der Sekundarlehrer), sowie durch die Mitgliederbeiträge (je 3% der Besoldung Eintrittsgebühr und Jahresbeitrag).
22. Kultus.
Die Tessiner bekennen sich fast ausschliesslich zur römisch-katholischen Konfession, die auch einzig vom Staat anerkannt und finanziell unterstützt wird. Die katholische Kirche des Kantons steht unter der Leitung eines apostolischen Vikars, der in allen innern kirchlichen Angelegenheiten entscheidet. Der Staat kann nur dann einschreiten, wenn die Entscheidungen des apostolischen Vikars dem öffentlichen Interesse oder den Gesetzen zuwider laufen sollten. Er subventioniert die apostolische Verwaltung und die davon abhängigen Seminarien mit einem jährlichen Beitrag von 16000 Fr. Obwohl fast alle Pfarreien eigenes Kirchengut besitzen, steuert doch die grosse Mehrzahl der Gemeinden an die Kultuskosten einen grössern oder kleinern Betrag bei. In diesem Fall steht der Gemeinde das Recht zu, einen Teil der Mitglieder der Kirchenpflege zu ernennen.
Eine Anzahl Gemeinden hat sich von jedem Beitrag an die Kultuskosten freigemacht. Die Priester werden in folgenden zwei Seminarien auf ihren Beruf vorbereitet:
1) Philosophisches und theologisches Seminar San Carlo in Lugano und Seminar Santa Maria bei Pollegio. Die Tessiner Pfarreien gehören heute zum Bistum Basel-Lugano, nachdem sie auf Betreiben des Bundesrates, der einen fremden Einfluss auf die schweizerische Priesterschaft verhüten wollte, 1884 von den Diözesen Como und Mailand abgelöst worden sind. Erster apostolischer Vikar des Tessin war der ehemalige Bischof Lachat von Basel; ihm folgten im Amte Vincenzo Molo aus Bellinzona und Alfredo Peri Morosini, der heutige Bischof.
Die Tessiner Pfarreien sind zu 19 Vikariaten und Provikariaten gruppiert. Es bestehen im Kanton Tessin 4 Kapuzinerkloster (Lugano, Locarno, Bigorio und Faido), sowie je ein Frauenkloster der Benediktiner (Claro), der Augustiner (Locarno) und der Kapuziner (Lugano). Die Kirchengüter werden nach dem auf Grund des Gesetzes über die Freiheit der katholischen Kirche erlassenen Reglement vom von den Kirchenpflegen, den Kapiteln oder den Kirchgemeindeversammlungen unter der Oberaufsicht des in Lugano residierenden apostolischen Vikars verwaltet. Als kirchliche Güter gelten die Pfarrkirchen und die zu deren Unterhalt und Dienst bestimmten Stiftungen, Liegenschaften etc.
Sämtliche Pfarrrechnungen müssen alljährlich dem
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apostolischen Vikar und den Gemeindebehörden unterbreitet werden. Die Kirchenpflege sichert den guten Unterhalt der kirchlichen Bauten, kann aber keine ausserordentlichen Ausgaben im Betrag von über 50 Fr. verfügen, ohne zuvor von der Kirchgemeindeversammlung dazu ermächtigt worden zu sein.
Die Reformierten sind im Kanton Tessin wenig zahlreich und beziehen für ihre Kultusbedürfnisse keinerlei Staatsbeitrag. Sie schliessen sich den schweizerischen reformierten Landeskirchen an und besitzen Pfarrer und Kirchen in Bellinzona, Biasca, Novaggio, Locarno und Lugano. In Lugano besteht ferner eine anglikanische Kirche. In den Gemeinden Chiasso und Airolo wird von Zeit zu Zeit reformierter Gottesdienst gehalten.
23. Oeffentliche Wohlfahrt.
Das öffentliche Armenwesen war bis 1903 durch die Bestimmungen verschiedener Gesetze und Reglemente, besonders über das Gemeindewesen geordnet. Das Prinzip der obligatorischen öffentlichen Unterstützungspflicht zu Lasten der Heimatsgemeinde findet sich schon in der auf die Mediationsakte folgenden ersten kantonalen Verfassung von 1803 und wurde später zu wiederholten Malen von neuem bestätigt, so besonders in dem Gesetz vom das die in einer Gemeinde, in der sie nicht verbürgert sind, krank gewordenen Unterstützungsbedürftigen betrifft.
Ein neues Gesetz von hat dann den Grundsatz aufgestellt, dass die Unterstützungspflicht derjenigen Gemeinde obliege, in der der Bedürftige oder seine Familie seit einer bestimmten Zeit niedergelassen sind. Zunächst werden auch alle übrigen Punkte der so wichtigen Frage genau festgelegt und die Unterstützungspflicht gegenüber bedürftigen Ausländern dem Kanton überbunden. Während einige wenige Gemeinden über Spezialfonds zur Unterstützung von Bedürftigen verfügen, muss die grosse Mehrzahl sich mit den ordentlichen Einnahmen aus den Steuern abzufinden suchen. Es besteht fast ausschliesslich Hausarmenpflege, ausgenommen in Krankheitsfällen, wo die Bedürftigen (so weit der Platz reicht) in den Krankenhäusern von Mendrisio, Lugano, Bellinzona und Locarno untergebracht werden können. Für Geisteskranke besteht in Mendrisio seit 1895 eine staatliche Irrenheilanstalt, für deren Pfleglinge die Gemeinden täglich 1 Fr., d. h. etwa die Hälfte der Unterhaltungskosten, bezahlen.
Hinsichtlich der Krankenpflege ist der Kanton in 58 Kreise von je 1500-3000 Ew. eingeteilt, deren jedem ein fest angestellter Kreisarzt vorsteht. Diese werden von den Gemeinden ihres Kreises besoldet und erhalten noch einen staatlichen Zuschuss, sind dafür aber verpflichtet, ihre Dienste jedermann unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Der Kanton hat eine besondere Armenkasse, die auch in Fällen von ausnahmsweisem Landesunglück (Feuersbrünsten, Lawinenverheerungen, Ueberschwemmungen etc.) Unterstützungen verabfolgt.
Eine 1900 aufgestellte Statistik über die Gemeindearmenpflege hat folgende ziffernmässige Nachweise ergeben: Gemeindegüter Fr. 1322000; Ertrag derselben Fr. 51891. Ausbezahlte Unterstützungen Fr. 134566, wovon Fr. 65740 durch die Steuern, Fr. 7800 durch Bussen und Spezialgebühren und Fr. 5000 durch Beiträge der Verwandten gedeckt wurden. Der Staat hat rund 1 Mill. Fr. für die Irrenheilanstalt Mendrisio ausgegeben, deren Jahresbudget eine Ausgabe von Fr. 127000 (die Kapitalzinsen nicht mitgerechnet) aufzeigt. Die Besoldungen der Kreisärzte verursachen eine jährliche Ausgabe von etwa 150000 Fr., woran der Staat 23000 Fr. beiträgt.
Ein sehr bedeutendes Privatinstitut ist der Kantonsspital zu Mendrisio (Ospitale cantonale della Beata Vergine), dessen Stiftung der Freigebigkeit des 1808 verstorbenen italienischen Grafen und Bürgers von Mendrisio Alfonso Turconi zu verdanken ist. Er wird seit 1904 vom Staat mit einem jährlichen Beitrag von 12000 Fr. unterstützt, muss dafür aber Kranke aus allen Teilen des Kantons in Pflege nehmen. Dieser nicht sehr grosse Spital ist durchaus nach allen Anforderungen der heutigen Wissenschaft eingerichtet. Die Krankenhäuser von Lugano, Bellinzona, Locarno und Brissago sind dagegen nur für die Bürger der betr. Gemeinden unentgeltlich zugänglich.
Das öffentliche Gesundheitswesen steht unter der Leitung des kantonalen Sanitätsdirektors, dem eine aus 5 Mitgliedern bestehende kantonale Sanitätskommission beigegeben ist und die Kreisärzte unterstehen. In Lugano besteht das Kantonslaboratorium mit dem Kantonschemiker, der sich besonders mit der Nahrungs- und Genussmittelkontrolle befasst. Die Sanitätspolizei der einzelnen Gemeinden ist den Gemeindebehörden überbunden. Dank diesem wohl organisierten Sanitätsdienst sind Epidemien eine sehr seltene Erscheinung.
Alle die öffentliche Wohlfahrt betreffenden Fragen sind ausführlich behandelt in einer von Dr. Raimondo Rossi dem internationalen Kongress für staatliches Armenwesen in Genf 1896 vorgelegten Arbeit über die Assistance publique dans le canton du Tessin.
24. Soziales und geselliges Leben; Volkssitten und -charakter.
Der Geselligkeitstrieb ist im Kanton Tessin sehr scharf ausgesprochen. Zuerst entstanden patriotische Vereine, die sich aus den beiden grossen Parteien des Kantons rekrutierten, zur Verschärfung der politischen
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Gegensätze leider einen grossen Teil beitrugen und in den verschiedenen Revolutionen des vergangenen Jahrhunderts stets eine ausschlaggebende Rolle gespielt haben. Sie waren meistens zugleich Schützenvereine und pflegten auch die gegenseitige Unterstützung ihrer Mitglieder in Krankheits- und Todesfällen. Noch heute haben zahlreiche Vereine der verschiedensten Art einen mehr oder weniger stark hervortretenden politischen Hintergrund. Daneben bestehen aber glücklicherweise auch manche, an Zahl stets zunehmende Vereinigungen, die ohne Rücksicht auf die politische Zugehörigkeit ihrer Mitglieder ihre besondern Zwecke verfolgen: Armen- und Unterstützungsvereine, Schützen-, Turn-, Gesang-, Musik- und Sportvereine, Jagd- und Fischereivereine, gemeinnützige und Berufsvereine etc. Sehr bedeutend sind die kantonale Gemeinnützige Gesellschaft, der Lehrerverein, der kantonale Landwirtschaftliche Verein mit mehreren blühenden Sektionen und zahlreiche Arbeitervereine.
Man darf wohl sagen, dass der Kanton Tessin mit Bezug auf das Vereinswesen keinem andern Kanton der Schweiz nachsteht. Die 97 Schützenvereine zählen zusammen 9769 Mitglieder und stehen unter der Aufsicht einer kantonalen Schiesskommission. Die Schiessplätze erhalten dank der von der Regierung gewährten Geldbeiträge ständig Verbesserungen und werden sich in naher Zukunft denen der übrigen Kantone ebenbürtig zur Seite stellen können.
Die Tessiner Volkssitten zeichnen sich durch manche Eigentümlichkeiten aus. Sehr beachtenswert ist der Kontrast zwischen dem Geist der Solidarität, der die Tessiner - besonders im Ausland - beseelt, einerseits und dem leidenschaftlichen Hass, der zwischen den Anhängern der verschiedenen politischen Parteien besteht und sich bis auf die rein privaten und geschäftlichen Beziehungen fühlbar machen kann, andrerseits. Freilich ist zu betonen, dass sich die politischen Sitten seit der vor 15 Jahren erfolgten Einführung des Systems der Proportionalvertretung beträchtlich verfeinert haben und die Wahlkämpfe mit loyaleren Mitteln und weniger Aufregung als früher ausgefochten werden.
Der Tessiner ist im allgemeinen intelligent, nüchtern, guter Arbeiter und seiner Heimat sehr anhänglich. Der Auswanderer hegt stets die Hoffnung, dereinst wieder heimkehren zu können. Die Liebe zur angestammten Heimat beseelt die seit langen Jahren im Ausland lebenden Söhne des Kantons in nicht minderem Mass als den eben erst Ausgewanderten oder im Kanton verbliebenen Landsmann.
25. Geschichtliche Uebersicht.
Als älteste Bewohner des Landes betrachtet man die keltischen oder gallischen Lepontier, von denen die Leventina ihren Namen erhalten haben soll. Später (ums Jahr 200 v. Chr.) gehörte der Tessin zur Gallia Cisalpina. An verschiedenen Orten vorgenommene Ausgrabungen haben uns unzweifelhaft Beweise für die Römerherrschaft geliefert, und es scheint als ob Bellinzona und Stabio schon vor der Römerzeit befestigte Plätze und Militärlager gewesen seien. Nach dem Zerfall des römischen Weltreiches kam das Tessingebiet der Reihe nach unter die Herrschaft der Goten, Longobarden und Franken (770), um dann von 1100-1353 unter den Herrschern von Como und Mailand zu stehen.
Bis 1402 gehörte dann das Land ausschliesslich den Visconti von Mailand, aus welcher Zeit Bellinzona und Locarno heute noch Denkmäler besitzen. Nach 1402 begannen die Eroberungszüge der Eidgenossen. 1403 besetzten die Urner die Leventina, und 1410 kam Bellinzona an die Eidgenossen. Es folgten zahlreiche Kämpfe zwischen den Eidgenossen und Mailand, worauf das Bleniothal, die Riviera und Bellinzona 1510 endgiltig zu gemeinsamen Vogteien von Uri, Schwyz und Nidwalden, sowie Mendrisio, Lugano, Locarno und die Valle Maggia 1512 zu solchen der 12 alten Orte wurden.
Dieses oft harte Untertanenverhältnis dauerte bis 1798. Von den Versuchen der Tessiner, das Joch der Eidgenossen abzuschütteln, ist namentlich der Aufstand der Leventina von 1755 zu erwähnen, der von den Urnern mit Hilfe ihrer Verbündeten rasch unterdrückt und strenge geahndet wurde (Hinrichtung von elf der Führer der Bewegung). Die von der französischen Revolution in die Welt hinausgeworfenen freiheitlichen Ideen führten 1798 auch im Tessin zum Sturz der Herrlichkeit der eidg.
Landvögte. Sogleich entbrannten aber zwischen den Tessinern selbst heftiger Zwist, indem ein Teil den Anschluss an die Zisalpine Republik forderte und in der Nacht des 15. Februar einen Ueberfall von Lugano wagte, der jedoch von den «Freiwilligen» (Volontari) glücklich abgeschlagen werden konnte. Nun erklärten sich die Tessiner für den Anschluss an die Eidgenossenschaft, die auf ihre einstigen Hoheitsrechte verzichtete, worauf das Land, in die beiden Kantone Lugano und Bellinzona getrennt, zum integrierenden Bestandteil der helvetischen Republik ward. 1803 stellte die Mediationsakte die Autonomie des nun zu einem einzigen eidgenössischen Stand geeinten Kantons Tessin ausdrücklich fest, worauf man zum erstenmal zur Wahl eines Grossen Rates von 110 Mitgliedern und eines Kleinen Rates (als vollziehender Behörde) von 9 Mitgliedern schritt.
Die Jahrhundertfeier von 1798 und 1803 sind in Lugano 1898 und in Bellinzona 1903 mit grossem Pomp begangen worden. Die erste Kantonsverfassung von 1803 wurde 1815 durch einen weniger demokratischen Bundesvertrag und dieser wieder 1830 durch eine neue Verfassung ersetzt. Die politischen Fehden der folgenden Jahre führten zur Revolution von 1839, mit welcher die Liberalen die sog. gemässigte Regierung stürzten. Während dann die Gegenrevolution der Gemässigten vom Jahr 1841 scheiterte, hatte diejenige von 1855, die von den Konservativen im Verein mit einer Fraktion der liberalen Partei (den sog. Fusionisten) inszeniert ward, den Erfolg, dass sie
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die Verfassung des nämlichen Jahres zeitigte, die mit verschiedenen Partialrevisionen heute noch zu Recht besteht. 1803-1878 hatte der Kanton die drei Hauptorte Locarno, Lugano und Bellinzona, die sich als Sitz der Regierung alle sechs Jahre ablösten. 1878 wurde sodann Bellinzona als Regierungssitz und einziger Kantonshauptort bestimmt. Am brach eine Revolution der Radikalen gegen die seit 1877 am Ruder befindliche katholisch-konservative Regierung aus, die eine eidgenössische Intervention notwendig machte. Seither ist der Kanton dank dem Zusammenwirken und dem versöhnlichen Geist der geachtetsten Führer beider Parteien in eine Aera ruhiger Arbeit getreten, die auf den verschiedenen Gebieten des sozialen und wirtschaftlichen Lebens des Landes schon zahlreiche gute Früchte getragen hat.
[Dr Rossi und G. Mariani.]
26. Hervorragende Männer.
Der Tessin hat sich besonders auf dem Gebiet der Kunst einen weltberühmten Namen gemacht. Von Baumeistern und Architekten seien genannt: Fontana (1543-1607), der Erbauer des Obelisken auf dem Platz vor der St. Peterskirche in Rom; Trezzini, der einen hervorragenden Anteil an der Gründung von St. Petersburg nahm; Domenico Pelli, Giacomo Albertolli (1742-1841), Pietro Morettini, Simone Cantoni, Luigi Rusca, Pietro Nobile.
Maler und Baumeister: Maderni, Borromini und Serodini aus dem 17. Jahrhundert;
dann Giacomo Discepoli, P. F. Mola, C. Tencalla, Fedele Albertolli, Giuseppe Reina, P. und A. Mercoli, G. B. Gilardi, Rusca, Adamini;
Luigi Canonica, der Erbauer der Arena in Mailand;
F. Somaini, Antonio Ciseri.
Bildhauer: Lorenzo Vela (1812-1897), Professor an der Akademie in Mailand, und Vincenzo Vela († 1891), Schöpfer des «Spartacus» und des «Sterbenden Napoleon», dessen Haus in Ligornetto der Eidgenossenschaft gehört und zu einem nationalen Museum umgewandelt ist.
Komponist: Giovanni Frippo.
Theologen und Philosophen: F. Soave (1743-1806), G. B. Torricelli, G. Branca; M. Farina, Bischof von Padua; Bischof J. M. Luvini und Erzbischof G. Fraschina.
Mathematiker: C. F. Gianella († 1790).
Geograph und Statistiker: Bundesrat Stefano Franscini (1796-1857).
Naturforscher: Luigi Lavizzari († 1875), G. Stabile, A. Riva.
Geschichtsforscher und politische Schriftsteller: G. Cetti, G. A. Oldelli, Abt Vanelli, G. Curti, G. G. Nessi, A. Cattaneo, A. Baroffio.
Rechtsgelehrte und Volkswirtschafter: V. d'Alberti, Luvini-Perseghini, A. Albrizzi, C. Lurati, S. Beroldingen, G. Bernasconi, C. Cattaneo, Severino Guscetti, G. Ferrini.
Aerzte und Philanthropen: A. Carnuzio, P. und F. P. Magistretti, T. A. Rima.
Pädagogen: A. Fontana, G. Bagutti, A. Lanzoni, Balestra, G. Ghiringhelli.
Schriftsteller: Pietro Peri, Antonio Caccia, Buzzi etc.
27. Bibliographie.
Oldelli, G. A. Dizionario storico regionale degli uomini illustri del cant. Ticino. Lugano 1807. - Franscini, Stef. Statistica della Svizzera, Lugano 1827. (Deutsch von G. Hagnauer. Aarau 1829). - Franscini, Stef. La Svizzera italiana. Lugano 1837-1840. - Franscini, Steph. Der Kanton Tessin. (Gemälde der Schweiz. 18). St. Gallen und Bern 1835. - Curti, G. Storia naturale. Lugano 1846. - Curti, G. I boschi e il loco stato nelle montagne. Lugano 1874. - Lavizzari. L. Escursioni nel cant. Ticino. Lugano 1859-1863. - Lurati, C. Le sorgenti solforose di Stabio ed altre. Lugano 1858. - Isnardi. Storia della Svizzera italiana. Lugano 1840. - Nessi. Memorie storiche di Locarno fino all'anno 1660. Locarno 1854. - Pavesi. I pesci e la pesca nel cant. Ticino. Lugano 1870-73. - Peri, P. Storia della Svizzera italiana dal 1797 al 1802. - Nizola. La Società degli Amici dell'Educazione nel primo mezzo secolo d'esistenza. Lugano 1889. - Motta, E. Effemeridi Ticinesi. Bellinzona 1877. - Bollettino storico della Svizzera italiana; red. E. Motta. Bellinzona 1879 ff. -
Baroffio, A. Dell'invasione francese nella Svizzera. Lugano 1873. - Baroffio, A. Dei paesi e delle terre costituenti il cant. del Ticino fino all'anno 1798. - Lugano 1879. - Bertoni, A. Delle condizioni acquarie del Ticino. Lugano 1851. - Bianchi. Cenni storici sul Lukmanier. Lugano 1860. - Brusoni. Da Milano a Lucerna. Bellinzona 1901. - Brusoni. Guida delle Alpi centrali. Bellinzona 1898. - Brusoni. Guida delle Alpi Ossolane tra Locarno e il Sempione. Bellinzona 1901. - Hardmeyer, J. Locarno und seine Thäler. (Europ. Wanderbilder. 89/91). Zürich 1885. - Hardmeyer, J. Lugano und die Verbindungslinie zwischen den drei oberitalien. Seen. (Europ. Wanderbilder. 114/116). Zürich 1886. - Hardmeyer, J. Die Gotthardbahn. (Europ. Wanderbilder. 30/32). Zürich 1888; 6. Aufl. Zür. 1908. - Hardmeyer. J. Die Monte-Generosobahn (Europ. Wanderbilder. 180), Zürich 1890. - Rahn, J. R. I Monumenti artistici del medio evo nel cant. Ticino. Bellinzona 1894. - Rahn, J. R. I dipinti del Rinascimento nella Svizzera italiana. Bellinzona 1892. - Riva. L'ornitologo Ticinese. Lugano 1865. - Stabile. Fossiles des environs du Lac de Lugano. Lugano 1861. - Bianchi, G. Gli Artisti Ticinesi; dizionario biograf. Lugano 1900. - Balli, F. La Valle Maggia a volo d'uccello. Torino 1884. - Boniforti. Il Lago Maggiore e suoi dintorni. Milano 1858. - Spitteler, C. Der Gotthard. Frauenfeld 1897. - Atti della Società elvetica di Scienze naturali adunata in Locarno 1903. Zurigo 1904.