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und Landwirtschaft; Gesundheitswesen und Kultus). Die Grossratswahlen finden nach dem System der Proportionalvertretung und die Regierungsratswahlen nachdem System der beschränkten Stimmabgabe (jeder Wähler kann nur für 4 Kandidaten stimmen) statt. Bis 1904 wurde auch der Regierungsrat gleich dem Grossen Rat nach dem Proportionalverfahren bestellt.
Die heutige Gerichtsorganisation wird durch die Verfassungsrevision von 1892 bestimmt und durch zwei Gesetze, vom (Zivilgesetzbuch) resp. vom (Strafgesetzbuch), geregelt. Die Zivilrechtspflege besorgen die Friedensrichter (je einer auf den Verwaltungskreis), 7 Bezirksgerichte von je 3 Mitgliedern (je eines auf den Bezirk, exkl. Riviera und Bellinzona, die zusammen einen einzigen Wahlbezirk bilden) und das aus 5 Richtern bestehende Obergericht (oder Kantonsgericht).
Alle Richter werden vom Volk (beschränkte Stimmabgabe) auf eine Amtsdauer von je 6 Jahren gewählt. Die Strafrechtspflege steht bezirksweise den 3 Bezirksrichtern mit je 5 Beisitzern und für den ganzen Kanton dem aus 3 Appellationsrichtern und 9 Beisitzern bestehenden Kriminalgericht zu. Höchste Rekursinstanz ist das Kassationsgericht, das sich aus dem Präsidenten des Appellationsgerichtes und vier vom Grossen Rat ernannten Spezialrichtern zusammensetzt. Ferner amten für den Sotto Ceneri und den Sopra Ceneri je ein Staatsanwalt und ein Untersuchungsrichter.
Das Landjägerkorps umfasste auf 112 Mann (Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten), 4 Polizeiagenten und 4 Rekruten, wird aber wahrscheinlich bald auf einen Bestand von 130 Mann gebracht werden. Die Tessiner Landjäger sind bei der Gesellschaft "Zürich" gegen Unfall versichert und geniessen seit 1906 die Wohltat einer Pensions- und Alterskasse. Sie müssen in der Kaserne Bellinzona einen theoretischen und praktischen Rekrutenkurs absolvieren und sich regelmässig im Revolverschiessen üben.
Die Abteilung für Geheimpolizei besteht aus einem Chef und 7 Detektiven und hat ihr Hauptbureau in Bellinzona, sowie ein Nebenbureau in Lugano. Alle Detektive sind mit Freikarten für die Gotthardbahn, Dampfschiffe etc. versehen und haben viel zur Verminderung der Zahl der Eisenbahndiebstähle auf der Strecke Luzern-Chiasso beigetragen. Die kriminalgerichtlich Verurteilten sitzen ihre Strafe im Zuchthaus zu Bellinzona ab, während Korrektionshäuser auch noch in andern Landesteilen bestehen. Landjägerposten befinden sich in Bellinzona, Biasca, Faido, Locarno, Lugano und Mendrisio.
Verwaltungsorgane der Gemeinden sind die Gemeindeversammlung und der aus 3-11 Mitgliedern bestehende und nach dem Proportionalsystem gewählte Gemeinderat. In Gemeinden von über 5000 Ew. kann auch ein Generalrat (Grosser Stadtrat) ernannt werden, der sich zwischen die Gemeindeversammlung und den Gemeinde- oder Stadtrat einfügt. Ein solcher Generalrat besteht zur Zeit einzig in Lugano, soll aber auch in Bellinzona, Chiasso und Locarno eingeführt werden. 1905 waren in den Stimmregistern im ganzen 39800 Wähler eingeschrieben. Bei wichtigern Volksabstimmungen pflegen durchschnittlich etwa 28000 Wähler zur Urne zu gehen.
In eidgenössischer Hinsicht zerfällt der Kanton Tessin in zwei Nationalratswahlkreise (41. Kreis mit 4 und 42. Wahlkreis mit 3 Abgeordneten). Er gehört zum 4. eidg. Zollkreis mit Direktionssitz Lugano, zum 11. eidg. Postkreis mit Direktionssitz Bellinzona und zur 8. Armeedivision.
19. Militärwesen.
Der Tessin gehört zum 4. Armeekorps und zur 8. Division. Er umfasst drei Rekrutierungskreise und stellt folgende Truppen:
A. Auszug. | . | Offiziere | Unteroffiziere | Soldaten | Total |
---|---|---|---|---|---|
Infanterie | Füsiliere | 84 | 361 | 2763 | 3208 |
. | Schützen | 7 | 37 | 221 | 265 |
Kavallerie | Dragoner | - | - | - | - |
. | Guiden | 1 | 1 | 2 | 4 |
. | Mitrailleure | - | - | - | - |
Artillerie | Feldartillerie | 7 | 17 | 145 | 169 |
. | Positionsartillerie | - | - | - | - |
. | Gebirgsartillerie | - | - | - | - |
. | Festungsartillerie | - | - | - | - |
. | Linientrain | - | 2 | 36 | 38 |
Genie | Sappeure | 8 | 7 | 123 | 138 |
. | Pontonniere | - | - | - | - |
. | Pioniere | - | - | - | - |
Sanität | Divisionslazaret VIII | 3 | 10 | 24 | 37 |
. | Korpslazaret IV | - | - | - | - |
Verwaltung | Verwaltungskomp. | - | - | 2 | 2 |
Velofahrer | . | - | - | 1 | 1 |
. | Total Auszug | 110 | 435 | 3317 | 3862 |
B. Landwehr. | . | ||||
Infanterie | Füsiliere | 26 | 170 | 1568 | 1764 |
. | Schützen | 3 | 22 | 161 | 186 |
Kavallerie | . | - | - | 1 | 1 |
Artillerie | Kanoniere | 2 | 9 | 55 | 66 |
. | Train | - | 7 | 47 | 54 |
Genie | . | 2 | 17 | 132 | 151 |
Sanität | . | 5 | 3 | 38 | 46 |
Verwaltung | . | - | - | - | - |
Velofahrer | . | - | - | - | - |
. | Total Landwehr | 38 | 228 | 2002 | 2268 |
20. Finanzen und Steuern.
Trotz der durch den Strassenbau, die Schutzbauten und die Erstellung von öffentlichen Gebäuden (Schul-, Gerichts- und Krankenhäuser etc.) dem Kanton erwachsenen starken Ausgaben darf die Finanzlage des Tessin doch als eine ziemlich gute bezeichnet werden. Die Staatsschuld belief sich Ende 1904 auf Fr. 15113652 und hat im Jahr 1905 um rund 800000 Fr. zugenommen. Auf den Kopf der Bevölkerung entfallen davon nahezu 115 Fr. Die Zinsen (3½%) belaufen sich jährlich auf 550000 Fr., wozu noch eine jährliche Amortisation von 93000 Fr. kommt.
Das Budget für 1908 sieht 4362102 Fr. ordentliche Ausgaben und 3943546 Fr. Einnahmen, somit ein Defizit von 418556 Fr. vor. Auf die einzelnen Verwaltungsabteilungen verteilen sich diese Summen wie folgt:
Dazu kommen an neuen, einmaligen Ausgaben Fr. 1075000, die durch ein Anleihen gedeckt werden sollen.
Haupteinnahmequellen des Staates sind: ¶
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Vermögensund Einkommenssteuer (Fr. 1150000), Gewerbe- und Handelssteuer (Fr. 70000), Abgaben der Emissionsbanken (Fr. 36000), Erbschaftssteuern (Fr. 100000), Kanzleigebühren (Fr. 40000), Patente (Fr. 67000), Stempelsteuer (Fr. 155000), Salzregal (Fr. 325000), Bundesentschädigungen und -subventionen (Fr. 500000; ohne die Subventionen an Neubauten), Militärsteuer (Fr. 115000). Die Schulabgaben werfen bloss 15800 Fr. ab.
Die direkten Staatssteuern werden durch Gesetz vom bezw. dessen den Modus des Steuerbezuges regelnde Revision vom bestimmt. Der Staat bezieht eine Proportionalsteuer im Betrag von 2‰ vom beweglichen und unbeweglichen Vermögen, sowie eine Progressivsteuer im Betrag von 0,5-14‰ vom Einkommen (aus Vermögen und Beruf). Der Wert der Liegenschaften wird durch die Katasterkommission amtlich festgestellt. Da diese Schätzungen aber nur in ziemlich grossen Zwischenräumen vorgenommen werden können, kommt es oft vor, dass der steuerpflichtige Wert (besonders in den Städten) hinter dem tatsächlichen zurückbleibt.
Die Bestimmung von beweglichem Vermögen und Einkommen wird auf Grund der Selbsttaxation der Steuerpflichtigen vorgenommen, welche das kantonale Steueramt alljährlich revidiert. 1904 beliefen sich das steuerpflichtige Vermögen auf Fr. 210000000 und das steuerpflichtige Einkommen auf Fr. 31000000. Diese Ziffern bleiben zweifellos hinter der Wirklichkeit zurück, können aber unmöglich genau fixiert werden, da es sich in der Hauptsache um in Staatspapieren, Obligationen verschiedener Art, Sparkassen etc. angelegte Kapitalien handelt, die sich jeder Kontrolle entziehen. Ein vom Grossen Rat im November 1907 in erster Lesung angenommener Entwurf zu einem neuen Steuergesetz sieht u. a. eine Reduktion des Steuerfusses und eine Revision des Wertes der Immobilien vor.
Kapital (15000000 Fr.) und Einkommen (1231000 Fr.) der Aktiengesellschaften werden ziemlich weitherzig behandelt und haben 1904 einen Gesamtsteuerertrag von 91200 Fr. abgeworfen. Die Gemeindesteuer wird auf Grund der kantonalen Taxationen vom Vermögen und Einkommen bezogen. Um die Operationen zu erleichtern, betrachtet man das fünffache Einkommen (nach Abzug der ersten 300 Fr.) als gleich dem Vermögen. Je nach den verschiedenen Gemeinden schwankt der Steuerfuss von 1,5-15‰. Zu Beginn jedes Jahres stellt man in den Gemeinden durch Budget die laufenden Ausgaben und den zu deren Deckung notwendigen Steuerbetrag fest. Sowohl der Kanton als die einzelnen Gemeinden legen den Pflichtigen, welche unrichtige Deklarationen machen, hohe Bussen auf.
21. Erziehungswesen.
Die Organisation des Schulwesens im Kanton Tessin beruht auf dem Gesetz vom bezw. dessen Partialrevision vom Danach ist die obligatorische Elementarschule (vom 6.-14. Altersjahr) Sache der Gemeinden, denen der Staat finanziell zur Seite steht. Den Primarschulunterricht erteilen patentierte Lehrer, die von den Gemeinden gewählt und vom Departement des Erziehungswesens bestätigt werden. Den nicht obligatorischen Sekundarschulunterricht erteilen vom Staat ernannte und besoldete Lehrer.
Die Aufsicht ist 8 Kreisschulinspektoren anvertraut, die vom Staat besoldet und aus der Zahl der erfahrensten Lehrer gewählt werden. Es bestehen im Kanton 625 Primar- und 40 Sekundarschulen, denen sich noch 29 gleichfalls unter Staatsaufsicht stehende private Primarschulen beigesellen. Der völlig dem Staat zu Lasten fallende Mittelschulunterricht umfasst das Gymnasium in Lugano, die technischen Schulen in Mendrisio und Locarno, das Lyzeum in Lugano, das Lehrer- und Lehrerinnenseminar in Locarno und die kantonale Handelsschule in Bellinzona, der eine auf den Verwaltungsdienst vorbereitende Verkehrsschule angegliedert ist. Die nachfolgenden statistischen Angaben entnehmen wir dem Rechenschaftsbericht des Erziehungsdepartementes für das Jahr 1906.
Der Kanton zählt 50 Kleinkinderschulen (für Kinder unter 6 Jahren), die fast alle der Privatinitiative ihre Entstehung verdanken, aber vom Staat unterstützt werden. Sie stehen unter einer vom Staat ernannten und besoldeten Inspektorin. Geleitet werden sie von 62 Lehrerinnen und 39 Hilfslehrerinnen. Sie werden von 1174 Mädchen und 1420 Knaben, d. h. im ganzen von 2594 Schülern besucht. Die Primarschulen zeigen folgenden Bestand:
Bestand der Primarschulen für das Schuljahr 1905-1906.
Oeffentliche Schulen | Privatschulen | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Schulkreis | Knabenschulen | Mädchenschulen | Gemischte Schulen | Total | Knabenschulen | Mädchenschulen | Gemischte Schulen | Total |
1 | 30 | 31 | 25 | 86 | 1 | - | 1 | 2 |
2 | 38 | 36 | 51 | 125 | 3 | 4 | - | 7 |
3 | 20 | 20 | 31 | 71 | - | - | 1 | 1 |
4 | 25 | 25 | 22 | 72 | 4 | 2 | 1 | 7 |
5 | 13 | 13 | 36 | 62 | - | - | - | - |
6 | 26 | 26 | 35 | 87 | 2 | 3 | - | 5 |
7 | 18 | 18 | 26 | 62 | 1 | 1 | 2 | 4 |
8 | 5 | 5 | 50 | 60 | 1 | 1 | 1 | 3 |
: | 175 | 174 | 276 | 625 | 12 | 11 | 6 | 29 |
Die Unterrichtsdauer schwankt zwischen 6 und 10 Schulmonaten im Jahr. Besucht werden die Primarschulen von 9598 Knaben und 9804 Mädchen, d. h. von 19402 Schülern im Alter von 6-14 Jahren. 625 Lehrkräfte, wovon 170 Lehrer und 455 Lehrerinnen. Von den Lehrkräften sind 618 weltlichen und 7 geistlichen Standes, sowie 597 Schweizerbürger und 28 Ausländer. Die Auslagen belaufen sich im ganzen auf 348355 Fr. 21 Gemeinden liefern Lehrmittel und Schulmaterialien, 15 Gemeinden bloss die Lehrmittel und 14 Gemeinden bloss die Schulmaterialien unentgeltlich, wofür zusammen (1905) 24101 Fr. ausgegeben worden sind. Die 8 Schulinspektoren überwachen die Primarschulen, Fortbildungsschulen, Sekundarschulen (scuole maggiori) und Zeichenschulen. Die 151 Fortbildungs- oder Ergänzungsschulen für Knaben vom 14. bis zum 18. Altersjahr wurden von 2949 Schülern besucht. Die 40 Sekundarschulen (drei Jahreskurse im Anschluss an die 5. Klasse der ¶