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im ganzen Kanton um und bläst dann je nach der Landesgegend aus SO., S. oder SW. Die vom Camoghè über der Monte Ceneri zum Monte Gambarogno ziehende Kette lenkt den S.-Wind nach W. ab, sodass er dann aus O. bläst und als sog. «Muscendrin» (Monte Cenerino) im Gebiet des obern Langensees sehr heftig werden kann. Wenn der N.-Wind heiss und sehr trocken ist, wird er zum eigentlichen Föhn (favonio der Tessiner),
der immer gutes Wetter mit sich bringt. Ein anderer warmer, dafür aber feuchter Wind ist der hier «marenca» genannte Scirocco, der aus SW. kommt und zeitweise mit furchtbarer Gewalt blasen kann. Im September und Oktober wird er sehr gefürchtet, da ihn dann ausgibige Regengüsse (bis 170 mm in 24 Stunden) begleiten. Für den Oktober 1907, welcher Monat sich durch vorherrschenden warmen und feuchten SW.-Wind auszeichnete, zeigte der Regenmesser in Locarno einen wässerigen Niederschlag von 700 mm, welche Summe dem mittlern jährlichen Niederschlag verschiedener Orte im Jura und im Wallis entspricht. Auch der ausserordentlich hohe Wasserstand des Langensees in den Jahren 1868, 1872 und 1907 ist durch die «marenca» verursacht worden, die ferner das Wasser des bei Sesto Calende den See verlassenden Tessin rückstauen und so am Ausfliessen hindern kann.
[G. Mariani.]
9. Flora.
Die Vegetation des Kantons Tessin lässt zwei Bezirke unterscheiden: a) das insubrische Seengebiet und b) den alpinen Bezirk, d. h. das Gebiet über der mittlern obern Höhengrenze des Kastanienwaldes (etwa 1000 m). In der Hauptsache fällt der insubrische Bezirk mit dem S.-Tessin etwa südl. der Linie Bellinzona-Locarno, der alpine Bezirk dagegen mit dem N.-Tessin nördl. dieser Grenzlinie zusammen. Eine scharfe Abgrenzung der beiden Florenbezirke ist selbstredend nicht vorhanden.
Die grossen warmen Thäler des nördl. Kantonsteiles geben Veranlassung, dass insubrische Florenbestandteile mit Erfolg weit in das alpine Gebiet vordringen. So haben wir z. B. oberhalb Airolo im Val Bedretto bis 1320 m noch Carex nitida, einen typischen Vertreter der sonnverbrannten Walliser Felsenheide, angetroffen, vergesellschaftet mit anderen südl. Typen wie: Galium rubrum, Stachys rectus, Polygala vulgaris ssp. comosum, Galium mollugo ssp. Gerardi etc. Andrerseits beherbergen die Berglandschaften des Sotto Ceneri auch noch eine reichhaltige subalpine und alpine Flora.
Die furchtbare Steilheit vieler Gehänge, verbunden mit der grossen Feuchtigkeit, welche auch in den Tieflagen angetroffen wird, ermöglichen vielen Alpenpflanzen, bis in unmittelbare Seenähe herabzusteigen. Dagegen vermag die gewaltige Insolation auch in den Hochlagen Verhältnisse zu schaffen, welche der Ansiedelung von Thermophyten zusagen. Diese eigentümliche Mischung von Pflanzen aller Höhenlagen ist ein bezeichnender Zug der Pflanzenwelt des Tessin. Die rostblättrige Alpenrose sammeln wir am Langensee bei Vira und Gerra bei 205 m und Paradisia liliastrum bei Bignasco im Maggiathal. Hohe Standorte sind dagegen: Castanea sativa im Val Bavona bis 1300 m, Stupa pennata im Val Bavona bis 2100 m, Carex nitida am Grat zwischen Robiei und Lago Bianco (Val Bavona) bis 2200 m.
Folgendes sind die pflanzengeographisch bezeichnendsten Formationen des Kantons Tessin:
A. Wald- und Gebüschformationen.
a) Die Kastanienselven. Die zahme Kastanie ist der wichtigste Charakterbaum des Tessin und besonders in der Höhenlage von 350-700 m überall verbreitet. Alle vor dem Wind geschützten Felshänge sagen ihr besonders zu. Im Tessin meidet der Baum kalkhaltigen Boden, bevorzugt dagegen hauptsächlich im nördl. Kantonsteil und in den höheren Lagen warme, nach S. exponierte Abhänge. Gegen Kälte ist er nicht sehr empfindlich. Alte Stämme erreichen in Brusthöhe einen Umfang von bis 13,5 m (nach Christ beim Dorf Peccia im Val Lavizzara).
Neben lichten Hochwäldern, in denen sie als Fruchtbaum für breite Volksschichten von grösster Wichtigkeit ist, wird die Kastanie auch sehr viel als Niederwald gepflanzt, den man periodisch kahl schlägt. Im ersten Jahre nach dem Abtrieb entstehen oft Jahrestriebe von 2-3 m Höhe. Diese Niederwälder liefern Rebstickel und Brennholz. Die Bäume werden auch geschneitelt. Der Kastanienwald dient der Landwirtschaft ferner als mittelmässige Weide und das dürre Laub als Streue. - b) Die Eichenniederwälder. Die Eichen sind im Tessin selten als Hochstämme entwickelt. Eichenhochwälder gibt es keine, dagegen treten in wärmeren Lagen des südl. Tessin öfters Buschwälder auf, die hauptsächlich aus Eichen bestehen. Es sind Mischwaldungen aus Quercus lanuginosa und Quercus sessiliflora, zu denen sich gelegentlich auch noch die Zerreiche (Q. cerris), die Hopfenbuche (Ostrya italica) und die Mannaesche (Fraxinus ornus) beigesellen. - c) Der Buschwald findet sich an felsigen, flachgründigen Abhängen, so z. B. in schönster Ausbildung am Luganersee zwischen Gandria und Oria. Das Wachstum erfolgt so rasch, das alle sechs Jahre abgeholzt werden kann. Aus den Stockausschlägen erneuert sich immer wieder der Bestand; nie wurde aufgeforstet, so dass man von einem wirklichen Naturwald sprechen kann. Die Haupteigentümlichkeit dieser Buschwälder ist die ¶
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ausserordentlich grosse Zahl von Arten, welche sie zusammensetzen, wie auch die starke Mengung der verschiedenen Spezies. Von einer oder einigen vorherrschenden Arten kann kaum gesprochen werden. Bunt gemengt erscheinen Fraxinus ornus, Celtis australis, Cytisus laburnum, Laurus nobilis, Mespilus germanica, verwilderter Oelbaum, Feige, zahme Kastanie, Ostrya italica, Quercus lanuginosa etc. -
d) Der Auenwald. Auf den Alluvionen der Flussböden stocken oft lichte, schmale Waldstreifen von Pappeln, Weiden und Schwarzerlen, die sich nicht selten stundenweit hinziehen. Auf der Gotthardroute treten diese bezeichnenden Begleiter der grossen südl. Flussthäler schon bei Ambri auf, um dann ganz besonders von Giornico bis zur Mündung des Tessin in den Langensee grosse Flächen zu bedecken. Der anspruchslose Sanddorn (Hippophaës) und die deutsche Tamariske (Myricaria germanica) fehlen nie und bedecken zuweilen für sich allein ganze Flussinseln. Auch auf frischen Thalwiesen und Thalmatten des Sotto Ceneri finden sich oft Auenwälder. Diese bestehen hauptsächlich aus Schwarzpappeln (Populus nigra) und Birken (Betula verrucosa). Die lichte Bestockung und Belaubung der Bäume behindert den Graswuchs nur unbedeutend. Gelegentlich werden die Auenwälder geschneitelt, so z. B. im Vedeggiothal. - e) Der Birkenwald. Die Birke (Betula verrucosa) ist für den Tessin von ganz besonderer Bedeutung, da sie sich dank ihrer Genügsamkeit auf völlig kahlen, trockenen Abhängen ansiedelt, allerdings mit Vorliebe in N.-Lage. In den Tessineralpen tritt sie sehr häufig in reinen Beständen auf, welche oft unmittelbar an die Kastanienselven angrenzen. - f) Die Haselstrauchformation. Am S.-Fuss der Alpen bildet Corylus avellana an steilen Geröllhalden oft ausgedehnte Bestände, die nicht selten weit in die Fichtenregion vordringen. R. Keller schildert einen solchen grossen Haselbuschbestand vom N.- und O.-Hang der Punta di Larescia bei Olivone. Nach den sorgfältigen Untersuchungen von Keller ist der Haselbuschwald teils durch Bewirtschaftung des Menschen, teils durch die Wirkung des Weidganges entstanden und gehört somit eigentlich zu den künstlich gezogenen, zoogenen Pflanzengesellschaften. - g) Der Buchenwald gedeiht am besten in der Höhenlage von 800-1200 m. Die höchsten Standorte erreicht die Buche mit 1700 m einerseits im Verzascathal (nach Chenevard) und andrerseits im obern Val Colla (nach Freuler). Während die Buche mit wenig Ausnahmen im ganzen Sotto Ceneri den obersten Waldgürtel bildet, schiebt sie sich im N.-Tessin zwischen die Kastanien- und Fichten-, bezw. Lärchenregion ein. Der Buchenalpwald ist überall dem intensivsten Weidgang unterworfen; vielerorts ist der Wald so licht, dass man ihn ebenso gut als eine mit Buchen bestockte Weide bezeichnen könnte. Um die Alphütten stehen oft stattliche Exemplare als Schirm- und Schattenbäume. - h) Von Nadelhölzern sind besonders vertreten Fichte und Lärche, im Sotto Ceneri auch die Bergföhre (Pinus montana var. uncinata); im N.-Tessin tritt ganz vereinzelt noch die Arve (Pinus cembra) auf, und zwar nur auf der S.-Seite des Lukmanier, am Ritomsee im Piorathal, auf der Alpe Campo la Torba im Lavizzarathal und auf der Alpe di Formazzora im obern Bedrettothal.
Die Fichte bildet an den Thalhängen des nördl. Tessin ausgedehnte, zusammenhängende Waldungen; im S.-Tessin ist sie nur im Val Caneggio (auf der N.-Seite des Camoghè) spontan anzutreffen. Die Lärche ist der Charakterbaum der höheren Gebirgslagen. Während sie tiefer unten vereinzelt oder gruppenweise dem Fichtenwald eingesprengt ist, wird sie von 1400 m an häufiger, um nun in allen Thälern des nördl. Tessin über 1750 m bis zur oberen Waldgrenze fast reine Bestände zu bilden. Im S.-Tessin ist dagegen Larix decidua bestandbildend nur im Camoghègebiet anzutreffen, wo sie merkwürdigerweise mit der Buche vergesellschaftet erscheint; das Unterholz wird durch Tros (Alpenerle) und Rhododendron gebildet. Endlich muss noch auf eine Eigentümlichkeit der Tessiner Holzgewächse verwiesen werden, nämlich auf deren niedere obere Höhengrenzen. Gegenüber dem benachbarten Wallis besitzt das Tessin eine um 200-300 m tiefer gelegene Wald- bezw. Baumgrenze, worüber folgende Tabelle Auskunft gibt:
Höchste Standorte.
Tessin m | Wallis m | Graubünden m | |
---|---|---|---|
Fichte (Picea excelsa) | 2000 | 2260 | 2140 |
Lärche (Larix europaea) | 2010 | 2400 | 2280 |
Arve (Pinus cembra) | 2130 | 2470 | 2400 |
Obere Waldgrenze: | 1920 | 2150 | 2170 |
Ausschlaggebend für diesen auffallenden Unterschied in den Höhengrenzen sind die grossen Niederschläge und ganz besonders die bedeutend geringere Massenerhebung der Tessineralpen gegenüber Wallis und Graubünden.
B. Heideformationen.
Sie sind vorherrschend xerophytische Vergesellschaftungen von Pflanzen, welche meist aus Halbsträuchern oder aus kleinen derbblättrigen Zwergsträuchern bestehen und in trockener sandiger oder in humöser Erde wurzeln. Im Tessin treten folgende Heidetypen auf: a) Die Besenstrauchheide mit Sarothamnus scoparius als Leitpflanze, besonders oft als Unterholz im Kastanienwald. - b) Die eigentliche Heide (Callunetum), besonders charakteristisch für die Rundhöckerlandschaften, so z. B. in grosser Ausdehnung zwischen Losone und Ronco. - c) Die Farnheide (Pteridetum). Sie wird vom Adlerfarn gebildet und ergibt eine doppelte Nutzung als Weide für das Schmalvieh und als Streue. - d) Die Alpenrosenbestände, hauptsächlich Rhododendron ferrugineum, von etwa 1700-2300 m; doch fast nur in N.-Lage. - e) Die alpine Zwergstrauchheide von der Waldgrenze bis über 2800 m; besteht aus immergrünen, klein- und derbblättrigen, humikolen Zwergsträuchern, besonders Erikazeen.
C. Matten und Wiesen.
Geschlossene Formationen aus Stauden, Kräutern und Gräsern. a) Fettmatten. Sie werden gedüngt und treten entsprechend dem gegenüber der N.-Schweiz weniger intensiv betriebenen Wiesenbau selbst im insubrischen Bezirk hinter den Magermatten eher zurück. Die Düngung ist zudem nicht so intensiv, was vor allem im beinahe vollständigen Fehlen der Anthriscus- Wiesen deutlich zum Ausdruck kommt. Eine sehr verbreitete und bezeichnende Leitpflanze der transalpinen Fettwiesen ist das wollige Honiggras (Holcus lanatus). Oefters sind in diesen Wiesen, roten Inseln vergleichbar, Unmengen der klebrigen Pechnelke (Viscaria viscosa) eingesprengt. Der Goldhafer (Trisetum flavescens) ist ein häufiger und oft vorherrschender Bestandteil der Fettmatten, und zwar von den tiefsten Lagen bis weit in die montane Region hinauf. In dieser Höhenlage tritt dann das Agrostidetum mit dominierendem gemeinem Straussengras (Agrostis vulgaris), eine schwach gedüngte, sehr ¶