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die Regelung der Abflussverhältnisse des Luganersees, welche beiden Unternehmungen ein grosses öffentliches und technisches Interesse bieten.
Die Tessiner Alpen umschliessen weder grosse noch zahlreiche Gletscher. Erwähnenswert sind die Eis- und Firnfelder am Pizzo Lucendro, Pizzo Rotondo und Campo Tencia, einige kleinere Gletscher hinten über dem Bleniothal, sowie der Cavagnoli- und Basodinogletscher im Maggiagebiet. Dem Kanton Tessin gehören nur Teile von zweien der drei grossen oberitalienischen Seen (Verbano, Ceresio und Lario) an, nämlich im S. des Sopra Ceneri der oberste Zipfel des Langensees oder Verbano und im mittlern Sotto Ceneri der grössere Teil des Luganersees oder Ceresio, dessen Spiegel etwa 75 m höher liegt als derjenige des Verbano.
Ferner hat der Sotto Ceneri noch die kleinen Seen von Muzzano und Origlio, von denen jener an der Strasse zwischen Lugano und Agno liegt, während dieser sich 5 km n. Lugano am Weg Vezia-Cureglia-Origlio ausbreitet. In den Hochthälern des Sopra Ceneri findet man ziemlich zahlreiche kleine Alpenseen, so als grössten von allen im Val Piora den 49 m tiefen Lago Ritom (1831 m) mit seinen Nachbarseen Lago Tom, Lago di Cadagno, Lago del Stabio, Lago di Dentro und Lago Scuro; den Lago Chierra ob Faido gegenüber dem Lago Tremorgio (1828 m); im Maggiagebiet die Laghetti di Naret (2400 m) im Val Lavizzara und den Lago di Crosa im Bavonathal, sowie endlich die Gotthardseen in 2090 m. Landschaftlich hervorragende Punkte und Gegenden sind: in der Leventina der Engpass von Stalvedro bei Airolo, die grossartigen Schluchten des Monte Piottino s. Quinto und der Biaschina n. Giornico, sowie die Wasserfälle der Piumogna, des Ticinetto und von Personico;
im Bleniothal die Schlucht des Sosto zwischen Campo und Olivone und diejenige von Malvaglia;
im untern Tessinthal die Kaskaden von Santa Petronilla und von Sementina, im Maggiagebiet der Wasserfall des Soladino ob Someo, der Fall von Calneggia im Bavonathal und die Mündungsschlucht der Maggia bei Ponte Brolla;
im Verzascathal endlich die Schlucht zwischen Mergoscia und Gordola.
7. Wasserkräfte.
Der Tessin zählt zu den an Wasserkräften reichsten Kantonen der Schweiz und zeichnet sich auch dadurch aus, dass ein grosser Teil dieser Kräfte sehr leicht ausgebeutet werden kann. Nach den in jüngster Zeit angestellten Beobachtungen und Studien dürfen die gesamten Wasserkräfte des Kantons zur Zeit von Niederwasser auf etwa 148000 PS angeschlagen werden, die sich wie folgt verteilen:
PS | |
---|---|
Leventina | 50000 |
Bleniothal | 25000 |
Unteres Tessinthal | 17000 |
Verzascathal | 6000 |
Maggiathal | 43000 |
Sopra Ceneri: | 141000 |
Sotto Ceneri | 7000 |
Kanton: | 148000. |
Durch Akkumulation der Kräfte (Ritom- und Tresaprojekt) kann diese Zahl bis auf etwa 200000 PS gesteigert werden. Aus der Tabelle geht hervor, dass die weitaus grössere Menge der Wasserkräfte dem Sopra Ceneri angehören.
Das in dieser Hinsicht am reichsten ausgestattete Thal ist die Leventina, die drei Wasserkräfte ersten Ranges umschliesst, nämlich diejenigen des Lago Ritom, des Monte Piottino und der Biaschina. Die letztgenannte soll in nächster Zeit für den Betrieb von grossen industriellen Etablissementen ausgebeutet und zu einer Kraftlieferung von 25000 PS herangezogen werden. Die Kräfte des Lago Ritom und des Monte Piottino gehören heute dem Bund, der sie später zum elektrischen Betrieb der Gotthardbahn zu verwenden gedenkt.
Gegenwärtig werden benutzt:
PS | ||
---|---|---|
1) für kleinere Betriebe (Mühlen, Sägen Schmieden etc.) | 1500 | |
2) für grössere Industrien (Fabriken, Spinnereien etc.) | 600 | |
3) für elektrische Beleuchtung und Kraftabgabe | 2600 | |
In Ausführung oder projektiert sind: | ||
1) Verzascawerk | 5000 | |
2) Werk für den Betrieb der Valle Maggiabahn | 400 | |
3) Werk für die Bleniothalbahn | 1000 | |
4) Biaschinawerk | 25000 | 31400 |
Total | 36100. |
[Ing. C. Bonzanigo.]
8. Klima.
Der orographisch so mannigfach gestaltete Kanton Tessin, der von 200 m Höhe bis zur Gletscher- und Firnregion (3400 m) hinaufreicht, besitzt noch mehr als Graubünden und das Wallis ein abwechslungsreiches Klima. Während die Bezirke Locarno, Lugano, ¶
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Mendrisio und selbst noch Bellinzona eine sehr milde Temperatur und in ihren ebenen Teilen nicht selten einen fast schneefreien Winter haben, dauert in der Leventina, im obern Bleniothal und im Val Lavizzara der Winter oft genug 4-5 Monate. Das ausnahmsweise milde Klima des untern Tessin ist den Naturbeobachtern schon seit alten Zeiten aufgefallen. H. Schinz hat für die Jahre 1770-1772 die höchsten Monatsmittel und die Jahresmittel der Temperatur, sowie die Zahl der hellen und der Regentage für Locarno veröffentlicht und mit den entsprechenden Aufzeichnungen für Zürich verglichen.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts stellten die Kapuziner auf dem Gotthardhospiz während elf aufeinanderfolgenden Jahren sehr genaue Beobachtungen an, und später machten auch die Benediktiner in Bellinzona unter der Leitung der schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft während einiger Zeit Beobachtungen, die bis 1853 dauerten. 1863 richtete man dann unter der Leitung der schweizerischen Meteorologischen Kommission eine meteorologische Station in Lugano ein, die seither mit der grössten Pünktlichkeit und Regelmässigkeit gearbeitet hat. Andere Hauptstationen bestehen gegenwärtig auch in Locarno, Bellinzona, Airolo, Faido etc., ferner eine Reihe von Regenmessstationen in den verschiedenen Abschnitten des Kantons, so dass man jetzt im Stande ist, ziemlich genaue und die klimatischen Eigenarten der italienischen Schweiz sehr scharf kennzeichnende Mittelzahlen zu geben.
Jährliche Regenmengen. - Anzahl der hellen und der bedeckten Tage.
Ort | Jährliche Regenmenge mm | Anzahl der hellen Tage | Bedeckte Tage |
---|---|---|---|
Airolo | 1520 | 108 | 109 |
Faido | 1388 | 116 | 111 |
Bellinzona | 1676 | 142 | 79 |
Lugano | 1707 | 133 | 106 |
Locarno | 1872 | 130 | 78 |
Brissago | 2090 | - | - |
Die im Vergleich zu einigen Stationen im Mittelland, Jura und Wallis (Olten 1007 mm, Neuenburg 938 mm, Sitten 636 mm) enorme Regenmenge in der tiefst gelegenen Landschaft der Schweiz (Ufer des Langensees) mit über 2000 mm erinnert etwas an die tropischen Regen, während der Tessin andrerseits die grösste Anzahl heller Tage und die wenigsten Regentage zählt. Aus den 37jährigen Beobachtungen in Lugano lassen sich folgende monatlichen Mittelwerte berechnen:
Monat | Zustand des Himmels | 1864-1903 | ||||
---|---|---|---|---|---|---|
Helle Tage | Bedeckte Tage | Regentage | Neblige Tage | Regenmenge mm | % d. jährlichen Regenmenge | |
Januar | 13.3 | 8.4 | 6.8 | 0.4 | 64.7 | 3.8 |
Februar | 11.9 | 7.0 | 5.6 | 0.2 | 56.6 | 3.3 |
März | 10.4 | 9.5 | 9.2 | 0.2 | 104.2 | 6.0 |
April | 8.6 | 10.6 | 11.6 | 0.1 | 160.3 | 9.4 |
Mai | 7.6 | 13.2 | 14.2 | - | 179.6 | 10.5 |
Juni | 8.0 | 7.4 | 12.2 | - | 187.9 | 11.0 |
Juli | 12.2 | 4.5 | 11.1 | - | 163.3 | 9.6 |
August | 11.5 | 5.1 | 10.9 | - | 182.3 | 10.7 |
September | 10.5 | 6.7 | 9.5 | - | 187.6 | 11.0 |
Oktober | 8.4 | 10.6 | 11.5 | - | 211.8 | 12.4 |
November | 9.6 | 10.9 | 9.9 | 0.4 | 132.3 | 7.8 |
Dezember | 12.5 | 9.1 | 7.1 | 0.6 | 76.2 | 4.5 |
Jahr: | 124.5 | 103.0 | 119.6 | 1.9 | 1706.8 | 100.0 |
Die grösste Anzahl von Regentagen weisen im Frühjahr die Monate April und Mai, im Herbst die Monate September und Oktober auf, während Dezember und Januar, Juli und August am meisten helle Tage zählen. Man kann im Tessin im Monat Januar nicht selten 25 Sonnentage beobachten. Man zählt im Durchschnitt jährlich etwa 20 Gewitter mit starken Regengüssen, die am Regenmesser in 24 Stunden schon 160,5 mm und in 40 Minuten sogar schon 72 mm ergeben haben. Diese starken Regengüsse erklären den scheinbaren Widerspruch zwischen der grössten jährlichen Regenmenge einerseits und der geringsten Anzahl von Regentagen andrerseits.
Nebel ist nahezu unbekannt; Bellinzona, Locarno und Lugano zählen im Mittel jährlich nicht mehr als. 2 Nebeltage. Die Entstehung von Nebeln wird durch den nahezu ständig zirkulierenden Luftstrom in den Längenthälern verhindert. Sehr reichlich ist Schneefall im Bergland der Bezirke Leventina, Blenio, Riviera und Valle Maggia, während im S. (Bezirke Locarno, Lugano und Mendrisio) der Schnee in gewissen Wintern schon nach wenigen Stunden wieder verschwinden kann.
Immerhin zeigten die Jahre 1863, 1871, 1886, 1887 und besonders 1888 sehr beträchtliche Schneefälle, die grossen Lawinenschaden im Gefolge hatten. Die Höhenunterschiede bedingen beträchtliche Temperaturschwankungen: während z. B. das jährliche Temperaturmittel auf dem Gotthard -0,6 °C. beträgt, steigt es in Lugano auf 11,4 °C. und in dem noch windgeschützter gelegenen Locarno sogar auf 11,8 °C. (Mittel aus 1864-1900). Die in nebenstehender Tabelle verzeichneten Monatsmittel der Temperatur in Lugano können als Beispiel für den ganzen S.-Abschnitt des Kantons gelten; zum Vergleich fügen wir noch die Monatsmittel für den Gotthard bei.
Monatsmittel der Temperatur in °C. In Lugano und auf dem Gotthard.
Monat | Lugano 1864-1888. | Gotthard | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
7 h. Morg. | 1 h. Mitt. | 9 h. Abends | Mittel 1) | Absol. Min. | Jahr | Absol. Max. | Jahr | Mittel | |
Januar | -0,9 | 5.1 | 0.5 | 1.3 | -10,0 | 1887 | 18.2 | 1888 | -7,19 |
Februar | 1.1 | 7.9 | 2.9 | 3.7 | -9,4 | 1864 | 21.8 | 1867 | -9,43 |
März | 4.3 | 11.0 | 6.1 | 6.9 | -6,0 | 1883 | 27.0 | 1874 | -8,21 |
April | 9.2 | 15.4 | 10.6 | 11.4 | -1,0 | 1865 | 28.7 | 1867 | -3,69 |
Mai | 13.6 | 19.1 | 14.2 | 15.3 | 2.2 | 1887 | 32.9 | 1868 | 2.41 |
Juni | 17.6 | 23.1 | 17.7 | 19.1 | 5.9 | 1869 | 34.3 | 1872 | 5.83 |
Juli | 19.6 | 26.2 | 20.3 | 21.7 | 9.0 | 1888 | 37.0 | 1881 | 7.98 |
August | 18.6 | 25.3 | 19.3 | 20.6 | 7.0 | 1864 | 35.4 | 1881 | 7.92 |
September | 15.0 | 21.9 | 16.0 | 17.2 | 4.3 | 1885 | 32.3 | 1867 | 5.09 |
Oktober | 9.2 | 15.7 | 10.3 | 11.4 | -3,1 | 1869 | 25.0 | 1866 | -0,78 |
November | 4.0 | 9.9 | 5.2 | 6.1 | -5,2 | 1872 | 23.2 | 1881 | -4,70 |
Dezember | 0.6 | 5.9 | 1.6 | 2.5 | -11,0 | 1879 | 21.5 | 1873 | -6,40 |
Jahr: | 9.4 | 15.5 | 10.4 | 11.4 | -11,0 | 1879 | 37.0 | 1881 | -0,93 |
1) Mittel nach der Formel (7a + 1p + 2×9p)/4, die weit genauere Resultate ergibt als die gewöhnlich übliche Formel (7a + 1p + 9p)/3.
Die Windverhältnisse sind durch die besondere Anordnung der Bergketten bedingt. Je nach Ort und Jahreszeit wechseln N.-, NW.-, SW.- und SO.-Winde miteinander ab. Bei schönem Wetter macht sich im ganzen Kanton eine vom Gotthard herabkommende, N.-S. streichende Luftströmung bemerklich. Um Locarno, wo sie «inverna» genannt wird, biegt sie nach SW. und um Lugano unter dem Namen «breva» nach SO. ab. Zur Nachtzeit springt der Wind ¶