städtisches
Elektrizitätswerk
Bellinzona mit 1350 PS. - Der Name Tessin,
lateinisch Ticinus, leitet sich nach
Holder von einer
keltischen Wurzel tek = «rasch fliessen» her.
italienisch
Ticino, französisch Tessin.
Kanton der schweizerischen Eidgenossenschaft, in der offiziellen Reihenfolge
der Kantone der achtzehnte.
1. Lage, Name, Grenzen und Grösse.
Der Kanton Tessin
gehört nahezu ausschliesslich der S.-Flanke der
Alpen an und bildet ein gleichschenkliges Dreieck,
dessen Grundlinie sich dem Gotthardmassiv anlehnt, während die
Spitze nahe dem S.-Ende des Comersees gleich einem Keil in
die Lombardei vorstösst. Er liegt zwischen 8° 25' und 9° 09' OL. von Greenwich, sowie zwischen und 45° 46' 45" und 46°
31' 15" NBr. Seine grösste Länge beträgt vom
Piz Valdraus (im Greinagebiet) im N. bis
Pedrinate bei
Chiasso (Grenzstein 75 A) im S. 90,7 km, seine grösste Breite (senkrecht zur Längsachse gemessen) vom
Grieshorn zum
Vogelberg
(Poncione della Parete; 2980 m) hinten über dem Calancathal 54,7 km. Die schief auf die Längsachse stehende
TransversaleGrieshorn-San Joriopass misst 67,7 km. Der Kanton und sein Name sind neuern
Ursprungs und stammen aus der
Zeit der Mediationsakte von 1803, durch welche die eidgenössischen Vogteien s. der
Alpen (die urnerische Vogtei
Livinen, die
von den drei Urkantonen abhängigen Vogteien
Blenio,
Riviera und Bellinzona,
die den 12 alten Orten unterstehenden VogteienLocarno,
Maggiathal,
Lugano und Mendrisio)
zu einem einheitlichen Kanton zusammengefasst wurden. Der Kanton Tessin
grenzt: im NW. auf eine Strecke von 18 km
an den Kanton Wallis,
im N. auf eine Strecke von 24 km an Uri,
im NO. und O. auf eine Strecke von 101 km an Graubünden,
sowie im SO.,
S. und W. auf eine Strecke von 208 km an das Königreich Italien. Die Gesamtlänge seiner Grenzlinie beträgt 351 km. Die
Grenze gegen das Wallis
folgt der Wasserscheide zwischen
Rhone und Po vom
Grieshorn (2926 m) bis zum
Wittenwasserstock (etwa 3000 m),
von wo die Grenze gegen Uri,
die weit auf die N.-Flanke des Gotthardpasses hinübergreift und so die Passhöhe
samt ihren
Seen dem Tessin
zuweist, sich bis zum
Piz Alv (2771 m)
hinzieht.
Die Grenze gegen Graubünden
reicht vom
Piz Alv (das
Val Cadlimo, das oberste Quellthal des Medelser
Rheins, dem Tessin
zuweisend) über den
Lukmanier,
denScopi, die
Greina, das den höchsten Punkt des Kantons bildende
Rheinwaldhorn (3398 m) und die Kette
zwischen der Riviera
und dem Calancathal bis zur
Cima di
Cugn (2237 m) nahe dem
San Joriopass. Von da bis zum
Langensee grenzt der Tessin
an
die Lombardei (Provinz Como) und geht die Grenzlinie über den
Monte Garzirola (2119 m), den O.-Arm des
Luganersees, den
Monte Generoso und s. hinab bis
Chiasso, um dann dem italienischen Varesotto zu folgen, in den W.-Arm des
Luganersees
zu fallen, dessen Ausfluss (der
Tresa) einige Kilometer weit zu folgen und endlich über den
Monte Paglione (1588 m) denLangensee
zu erreichen.
Diese Grenzstrecke ist durchaus künstlicher Natur, zeigt zahlreiche ein- und ausspringende
Winkel und erscheint in dem sie
fast überall bedeckenden Buschwald nur undeutlich markiert, so dass sie von den italienischen Grenzwächtern mit oder ohne
Willen und Vorsatz nur zu oft verletzt wird. Vom
Langensee bis zum
Grieshorn folgt die Grenze gegen
Piemont
(Provinz Novara), die trotz ihres Verlaufes im Bergland ebenfalls ziemlich künstlich ist und nur in ihrem n. Abschnitt,
d. h. vom
Sonnenhorn an, sich längs der wasserscheidenden Kette zwischen
Maggia und Tosa hinzieht, während sie vom
Langensee
bis zum
Sonnenhorn die obern Abschnitte der rechtsseitigen Nebenthäler der
Maggia
(Centovalli und beide
Onsernonethäler) abschneidet und Italien zuweist. Sie trägt den
Basodino (3276 m), einen der Hochgipfel des Tessin,
der nahe dem
Ursprung der nach verschiedenen Richtungen ausstrahlenden
Thäler des Tessin,
der
Maggia und der Tosa steht.
Die vom
Camoghè zum Tamaro ziehende und zwischen diesen beiden Gipfeln zum Passübergang des
Monte Ceneri
sich senkende Kette trennt den Kanton in zwei ungleich grosse Abschnitte, die auch mit Bezug auf ihre topographische Beschaffenheit,
die Volksdichte, die Sitten
und selbst den Charakter ihrer Bewohner nicht unerheblich voneinander verschieden sind: den
Sopra Ceneri
im N. und den
Sotto Ceneri im S. Der Kanton hat eine Gesamtfläche von 2800,9 km2, wovon 1870,3 (oder
66,8%) auf produktives und 930,6 (oder 33,2%) auf unproduktives Land entfallen. Er zählt 138638 Ew., wovon 67440 im
Sopra Ceneri
und 71198 im
Sotto Ceneri. Dichte der Bevölkerung für den ganzen Kanton 51, für den
Sopra¶
mehr
Ceneri 29 und für den Sotto Ceneri 166 Ew. auf 1 km2. Bezüglich der Fläche steht der Kanton Tessin
im 5., bezüglich der Einwohnerzahl
im 8. und bezüglich der Bevölkerungsdichte im 17. Rang der schweizerischen Kantone.
[G. Mariani.]
2. Bodenbeschaffenheit.
Der Kanton Tessin
unterscheidet sich vom Rest der Schweiz sowohl durch die Basse, Sitten
und Sprache seiner Bewohner, als
auch durch seine Lage an der S.-Flanke der Alpen und den daraus sich ergebenden physisch-geographischen Verhältnissen. Vom
Gotthard, dem eigentlichen Knotenpunkt der Schweizeralpen, dessen Gipfel sich über die Schneegrenze hinaufschwingen,
steigt der Kanton Tessin
bis in die Gefilde mit mediterranem Klima am Langen- und Luganersee hinab, die die tiefst
gelegene Landschaft der Schweiz darstellen. So sehen wir die ganze Stufenleiter vom warmen insubrischen Klima bis zu den arktischen
Klimaverhältnissen auf dem Gotthard vertreten und damit die Temperaturextreme innerhalb grösserer Grenzen schwanken, als
dies in der übrigen Schweiz der Fall ist. Daraus folgt wiederum eine reiche Mannigfaltigkeit im Pflanzenkleid,
das sich aus Vertretern der Polarregion, aus Arten der gemässigten Zone und aus solchen der subtropischen und tropischen
Gebiete zusammensetzt.
Hauptcharakterzug der TessinerBerge ist die ausserordentlich starke Böschung ihrer Gehänge, die von den Gipfeln und Kammrücken
ohne dazwischen sich einschaltende grössere Terrassen in einem Schwung bis in die Talsohlen hinabzustürzen
pflegen. Längs des Langen- und Luganersees tauchen diese Steilhänge unter den Wasserspiegel ein und reichen bis zur Sohle
der Seen hinunter. Dazu kommen die gewaltigen Höhenunterschiede, die oft 2000 m übertreffen. Die Kammlinien der Ketten
bleiben vom Gotthard an bis in die Gegend von Bellinzona und Locarno
verhältnismässig hoch (Poncione di Vespero
bei Airolo mit 2720 m, Il Gaggio bei Bellinzona mit 2272 m, Ghiridone bei Locarno
mit 2191 m), während sich die Thäler zwischen den
oft mächtigen Felsabstürzen immer tiefer einsenken und sehr schnell das Niveau ihrer Erosionsbasis,
den Spiegel des Langensees (197 m), erreichen.
Der Abstand der beidseitigen Kammlinien beträgt im Bedrettothal 6 km, in der Leventina 8 km und in der
Riviera 11 km. Giornico wird im W. von dem 2726 m hohen Cramosino beherrscht, was bei einer horizontalen Distanz von bloss etwa
4,5 km einen Höhenunterschied von rund 2300 m oder einen Böschungswinkel von 27° 18' ergibt. Aehnliche Höhenunterschiede
und Neigungsverhältnisse, die im Tessin
die Regel bilden, treten an der N.-Flanke der Alpen nur ausnahmsweise
gleichzeitig auf, indem hier die Thäler von meist weit ausladenden Gehängen eingefasst erscheinen und langsamer sich senken,
so dass sie, wie z. B.
das Engadin, auf lange Strecken hin eine hoch gelegene Sohle aufweisen.
Diese tief eingeschnittenen Thäler und steilen Bergflanken zeugen von einer lebhaft und ununterbrochen
tätigen Arbeit der Erosion, deren Hauptursachen in den an der ganzen S.-Flanke der Alpen fallenden Sturzregen zu suchen sind.
Die den Kanton zu beiden Seiten einfassenden italienischen Thäler von Ossola und Chiavenna weisen die selben Verhältnisse
und Eigenschaften auf. Die Austiefung nimmt in einer gewissen Entfernung von der Erosionsbasis (im Tessinthal
bei Biasca, 33 km oberhalb des Langensees, und im Maggiathal bei Bignasco, 28 km oberhalb des Langensees) ihr Ende, indem dann
die Aufschüttungsarbeit der Flüsse überwiegt, die bis zum Langensee hinunter langgestreckte Alluvialebenen geschaffen haben,
auf denen sie selbst fast überall noch unruhig hin und her pendeln und beständig gröberes und feineres
Geschiebe ablagern.
Auf längere Strecken verbaut ist einzig der Tessin,
dessen kanalisiertes Bett von Bellinzona bis zur Mündung auf eine Strecke von
14,5 km Länge von Dämmen begleitet wird, während die Maggia bloss in ihrem Delta zum Schutze von Locarno
und der Weingärten von Ascona eingedämmt ist. Schneller als die durch die Felsschwelle des Ponte Brolla aufgehaltene Maggia
erreicht die durch den Isorno aus dem Onsernonethal verstärkte Melezza aus dem Centovalli die gemeinsame Erosionsbasis.
Sie bildet die von blühenden Dörfern umsäumte hübsche Ebene von Pedemonte, die dem Reisenden als das
Hauptthal erscheint, so dass er ganz erstaunt ist, wenn er die Strasse nach Bignasco beim Ponte Brolla nach rechts abbiegen
und sich in der engen Mündungsschlucht der Maggia verlieren sieht. Die ebenfalls den Charakter eines Wildwassers tragende
Verzasca durchfliesst ein enges Thal, öffnet sich mit tiefer Schlucht zum Langensee und hat hier ebenfalls
eine Deltafläche angeschwemmt.
Das Delta der Maggia in den Langensee ist eines der charakteristischsten und typischsten und weist mit seinem regelmässigen
Bau und seiner Ausdehnung auf die grossen Geschiebemengen hin, die von diesem Fluss in den See hinaustransportiert werden.
Indem sie senkrecht auf das Seeufer ausmündet, hat die Maggia ihren Schuttkegel, dessen Rand zwischen
Ascona und Locarno einen nahezu vollständigen Halbkreis bildet, ungehindert abzulagern und in die Breite zu dehnen vermocht.
Sie schiebt ihr Delta dem gegenüber liegenden Ufer zu immer weiter in den See hinaus und wird eines Tages den obersten Abschnitt
des Langensees vom Rest des Seebeckens abschnüren. Die jetzt vor der Ueberflutung durch die Hochwasser geschützte weite
Deltafläche beginnt sich mit Kulturen verschiedener Art zu bedecken; doch wird der kiesige und mit Quarzsand überführte
Boden noch auf lange hinaus in der Hauptsache bloss Weideflächen und Pappeln tragen.
Der Sopra Ceneri ist zum grössten Teil Bergland. Der Boden besteht vorwiegend aus kristallinen Gesteinen
von gleichmässiger Textur, die wenig zur Verwitterung neigen und von den heftigen Regengüssen sauber abgewaschen werden,
so dass dieser Abschnitt der Alpen ein unwirtliches, ödes und etwas einförmiges Aussehen erhält. Eine eigentliche Humusdecke
hat sich somit auf diesen steilen Granitflächen kaum herauszubilden oder zu halten vermocht, sodass
dem Tessin,
mit Ausnahme
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