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und zu einem guten Teil unter geistlichen Stiften standen. Die mächtigsten Adelshäuser waren die Grafen von Buchegg, Froburg und Thierstein, sowie die Freiherren von Bechburg, Falkenstein und Göskon. Die grösste Grafschaft, der Buchsgau zwischen Aare und Passwangkette einerseits, Flumenthal und Erlinsbach andrerseits, war Eigentum des Fürstbischofs von Basel. Die weltlichen Herren sassen in ihren Schlössern und Burgen, deren das jetzige Kantonsgebiet über dreissig zählte.
Das Volk war leibeigen. Im Verlauf der Jahrhunderte fielen die Güter des verarmten oder ausgestorbenen Adels, sowie die Besitzungen des St. Ursus-Stiftes und des Fürstbischofs von Basel an die Stadt Solothurn. 1363-1669 kaufte diese um hohe Geldsummen das ganze Kantonsgebiet, mit Ausnahme von Grenchen, das sie während der Guglerkriege an sich gerissen hatte. Die Stadt behandelte die Bewohner der eroberten oder erworbenen Gebiete als Untertanen und teilte das Kantonsgebiet in elf Vogteien ein.
An der Seite des befreundeten Bern nahm Solothurn öfters teil an den Kriegen der Eidgenossen, hauptsächlich an den Burgunderschlachten. Am wurde Solothurn auf der Tagsatzung zu Stans, dank der Vermittlung des Klaus von Flüe, gleichzeitig mit Freiburg in den Schweizerbund aufgenommen. Im Schwabenkrieg fand dann auf Solothurner Boden unter Führung des Schultheissen Niklaus Konrad von Solothurn die Entscheidungsschlacht von Dornach statt.
Zur Zeit der Reformation traten fast ein Drittel der Bürgerschaft der Stadt Solothurn, sowie zahlreiche Landgemeinden zur neuen Lehre über. In dem nun ausbrechenden Zwist zwischen den beiden Konfessionen verhinderte der Schultheiss Niklaus Wengi 1533 durch seine Entschlossenheit das drohende Blutvergiessen in der Hauptstadt. In der Folgezeit kehrten die meisten Neugläubigen wieder zur alten Kirche zurück; nur der Bezirk Bucheggberg, der fast ganz vom Berner Gebiet umschlossen ist, blieb der reformierten Kirche treu und steht heute noch in kirchlichen Dingen unter der bernischen Synode.
Im Bauernkrieg 1653 zeigte sich die solothurnische Regierung versöhnlich, indem sie den Landleuten diese und jene Zugeständnisse machte. Damit nicht zufrieden, beteiligten sich auch Solothurner Bauern am unglücklichen Kampf bei Wohlenswil. Der Untervogt Adam Zeltner aus der Schälismühle zwischen Ober und Nieder Buchsiten büsste seine Teilnahme am Aufstand als friedliebender Führer seiner Landsleute nach einem Urteilsspruch des Kriegsgerichts in Zofingen, trotz der Fürsprache der Solothurner Regierung und des in Solothurn residierenden französischen Ambassadors, mit dem Tode. Die Bauern mussten 49730 Kronen bezahlen, und Olten, der Mittelpunkt der Bewegung im Solothurner Gebiet, verlor sein Stadtsigill.
Wie in Bern, Freiburg und Luzern, bildete sich auch in Solothurn im 16. und 17. Jahrhundert eine streng aristokratische Regierungsform aus, indem eine Anzahl adeliger Stadtbürgergeschlechter die ganze Regierungsgewalt an sich riss. Meist zum Schutz gegen die eigenen Untertanen wurden 1667-1727 die nach Vauban'schem System errichteten Schanzen mit gewaltigem Aufwand an Kraft und Geld um die Stadt herum gelegt, die heute bis auf wenige Reste wieder geschleift sind.
Auf die Leitung des Staates Solothurn, wie auf das bürgerliche Leben der Bewohner der Hauptstadt übten die französischen Gesandten in der Schweiz, die von 1538-1792 in Solothurn ihre Residenz hatten, einen sehr schädlichen Einfluss auf. Glänzende Feste in wilder Flucht erzeugten den Hang zum Wohlleben, zu devoter Kriecherei, zu Arbeitsverdrossenheit und leichten Sitten. Das wirkte lange nach.
Der Schanzengürtel hinderte die französischen Revolutionsarmeen nicht, am als Sieger in die Stadt Solothurn einzuziehen. Während der Mediationsperiode hatte Solothurn eine ziemlich freiheitliche Staatseinrichtung. Dann wurde aber sein Grundgesetz 1814 durch die Anhänger der Aristokratie gewaltsam gestürzt und 1815 durch eine stark rückschrittliche Verfassung ersetzt. Es begann die Zeit der Restauration (1815-1830). Die Regierungsgewalt lag wieder überwiegend in den Händen der aristokratischen Familien der Stadt Solothurn. Das Landvolk hatte - trotz seiner übergrossen Mehrheit - nur eine geringe Vertretung und war überhaupt in seinen Rechten stark eingeschränkt.
Durch Flugschriften, Gesang- und Schützenvereine geweckt, regte sich während der Restaurationszeit im Solothurner Volk je länger je mehr der Geist der Freiheit. Gebildete Männer zu Stadt und Land vereinigten sich zu einer demokratischen Volkspartei, an deren Spitze Josef Munzinger von Olten und Joh. Baptist Reinert von Oberdorf standen. Diese Partei strebte eine freiheitliche Umgestaltung des Kantons an. Die französische Julirevolution und das Beispiel anderer Kantone, die für sich auf das gleiche Ziel hin arbeiteten, ermunterten sie in ihrem Vorhaben. Da die Regierung sich den Volkswünschen gegenüber ablehnend verhielt, ja die beginnende Bewegung mit Gewaltmassregeln zu unterdrücken suchte, versammelten sich am in Olten 79 der einflussreichsten Männer der Volkspartei und forderten in einer Zuschrift an die Regierung Ausarbeitung einer neuen Verfassung durch Ausschüsse von Urversammlungen, Volksherrschaft, Vertretung der Hauptstadt und des Landes in den Behörden im Verhältnis der Bevölkerung, direkte Volkswahlen in den Bezirken und Beschränkung der bisher lebenslänglichen Amtsdauer der Behörden.
Die Regierung verweigerte die Annahme dieser Zuschrift, berief dagegen auf den 25. November den Grossen Rat zusammen. Dieser beschloss die Abänderung der Verfassung und ernannte eine Kommission zur Ausarbeitung eines neuen Grundgesetzes. Am 20. Dezember trat er zur Beratung des Entwurfes neuerdings zusammen. Mit Entrüstung erfuhr inzwischen das Volk, dass darin seine Wünsche nur zum geringsten Teil berücksichtigt waren. Daher wählten die Gemeinden Abgeordnete zu einer grossen, allgemeinen Volksversammlung, die Mittwoch den in Balsthal stattfand und an der etwa 3000 freiheitsbegeisterte Männer aus allen Gauen des Kantons teilnahmen.
Mit beredten Worten erörterte Josef Munzinger, der nachmalige Bundespräsident, von der Treppe des Gasthauses zum «Rössli» aus der im Freien tagenden Versammlung die in 17 Artikeln zusammengefassten Rechte, die das Volk sich verfassungsgemäss sichern wollte. Hier sprach er auch die durchschlagenden Worte: «Die Volkssouveränität soll ohne Rückhalt ausgesprochen werden». Am folgenden Tage überreichten 13 Abgeordnete dieser Versammlung der Regierung die Forderungen des Volkes. Der imponierende Volkstag in Balsthal und der gleichzeitig drohende Landsturm bewogen endlich die eingeschüchterten Behörden zur Nachgibigkeit. Der Grosse Rat entwarf nun eine Verfassung, in welcher die meisten Begehren der Balsthaler Versammlung Berücksichtigung fanden.
Das neue Grundgesetz wurde am vom Volke mit grosser Mehrheit angenommen. So war nun der Kanton eine demokratische Republik. Der Grosse Rat zählte 109 Mitglieder, wovon ⅓ auf die Hauptstadt und ⅔ auf das Land entfielen. Die Wahlen waren teils direkte, teils fanden sie durch Wahlmänner statt; 13 Mitglieder wählte der Grosse Rat selber. Die Amtsdauer betrug höchstens 6 Jahre. Der Kleine Rat bestand aus 17 Mitgliedern und wurde vom Grossen Rat aus seiner Mitte gewählt. Im übrigen garantierte die Verfassung die katholische und reformierte Religion, das Petitionsrecht, die Press-, Vereins-, Gewerbe- und Handelsfreiheit und jedem Kantonsbürger das Recht, bei Erfüllung der gesetzlichen Vorschriften sich in jedes Ortsbürgerrecht aufnehmen lassen zu können. Mit der Einführung dieses Grundgesetzes begann die Regeneration (1831-1848).
Da die damaligen Staatsmänner in einem gebildeten Volke die sicherste Gewähr für den Bestand der neuen Ordnung der Dinge erblickten, schufen sie 1832 ein treffliches Schulgesetz. Im folgenden Jahre wurde in Oberdorf ein Lehrerseminar gegründet und dessen Leitung dem vorzüglichen Schulmanne Jakob Roth übertragen. Schulgesetz und Lehrerseminar wurden nun die Ausgangspunkte einer gedeihlichen Entwicklung des solothurnischen Schulwesens. Dazu gesellte sich bald eine mustergiltige Zivilgesetzgebung, die hauptsächlich das Werk des schon erwähnten, nunmehrigen Regierungsrates J. B. Reinert war. ¶
Historischer Plan der Stadt Solothurn
Lief. 228.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 5° 12’ O; 47° 12’ N; 1:10000]
░ Römisches Castrum IV. Jahrh.
▒ Solothurn vom XV. bis zum ausgehenden XVIII. J.
▓ Solothurn vom Beginn des XIX. J. bis 1860
▐ Solothurn von 1860-1906
░ Ringmauer des römischen Castrum
▒ 1500-1550 erbaute Stadtmauern
▓ 1667-1727 erbaute Stadtmauern
1 Amthaus | 11 Reformierte Kirche |
2 Gemeindehaus | 12 Kantonalbank |
3 Rathaus | 13 Postgebäude |
4 St. Ursenkathedrale | 14 Spital |
5 Professorenkirche | 15 Strafanstalt |
6 Zeughaus | 16 Theater |
7 Kantonsschule | 17 Schlachthaus |
8 Lehrerseminar | 18 St. Ursenschanze |
9 Museum | 19 Buristurm |
10 Konzertsaal | 20 Zeitglockenturm |
Sch. = Schule | H = Hotel |
Attinger. sc.
HISTORISCHER PLAN DER STADT SOLOTHURN ¶
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1841 beschloss der Grosse Rat die Revision der Verfassung. Da stellte die konservative Gegenpartei verschiedene Begehren, die durch die neue Verfassung bewilligt werden sollten. Als die freisinnigen Behörden diese Forderungen abwiesen, veranstaltete sie im ganzen Kanton Gemeinde- und Bezirksversammlungen, welche ungestüm die Erfüllung ihrer Wünsche verlangten. Die Versammlungen von Mümliswil und Mariastein erliessen sogar Proklamationen an das Volk, worin dieses zur Verwerfung der neuen Verfassung aufgefordert wurde. Da infolge dessen die Regierung Unruhen befürchtete, verlegte sie unter Munzingers Leitung ihre Sitzungen in die Kaserne (alter Ambassadorenhof, jetzige Kantonsschule), wo sie mehrere Tage unausgesetzt beisammen blieb, und berief aus den treuen Bezirken Truppen in die Stadt.
Gleichzeitig liessen die Amtsgerichtspräsidenten von Solothurn, Balsthal, Olten und Dorneck die Hauptführer der konservativen Partei, besonders die Unterzeichner der Mümliswiler- und Mariasteiner-Proklamation, verhaften. Am 10. Januar gelangte sodann die mittlerweile vom Grossen Rat festgestellte Verfassung zur Volksabstimmung, in welcher sie mit einem Mehr von 2012 Stimmen angenommen ward. Nachher wurden die Inhaftierten, etwa 60 an der Zahl, aus dem Gefängnis entlassen, aber unter der Anklage, das Volk gegen die Behörden aufgereizt zu haben, solidarisch zu einer Geldbusse verurteilt.
Die neue Verfassung brachte für den ganzen Kanton, den sie in die jetzt noch geltenden Oberämter einteilte, die Wahl der Kantonsräte nach der Kopfzahl der Bevölkerung, vermehrte die direkten Wahlen, erleichterte die Wahlfähigkeit für den Kantonsrat und führte die Bezeichnungen Kantonsrat statt Grosser Rat, Regierungsrat statt Kleiner Rat, Landammann statt Präsident des Kleinen Rats ein.
Nachdem der Kanton Solothurn 1847 bei der Niederwerfung des Sonderbundes und 1848 bei der Einführung einer neuen Bundesverfassung mitgewirkt hatte, änderte er 1851 sein Grundgesetz wieder ab. Die revidierte Verfassung brachte das direkte Wahlsystem und die 5jährige Amtsdauer für alle Staatsbehörden, die Trennung der vollziehenden und richterlichen Gewalt, die Ausdehnung des Stimmrechts auf die Niedergelassenen und Aufenthalter, die Verantwortlichkeit der Beamten für ihre Amtsführung, die Gewährleistung aller christlichen Konfessionen und die freie Ausübung ihres Gottesdienstes.
Allmählig erwuchs der Regierung im fortschrittlicher gesinnten Teil der liberalen Partei eine gefährliche Gegnerschaft in der sog. «jungen Schule». Von Dr. Simon Kaiser und besonders vom energischen und feurig beredten Advokaten Wilhelm Vigier geleitet, bekämpfte diese Partei verschiedene Uebelstände im Staatshaushalte und legte ihre eigenen Verbesserungsvorschläge in dem weit durch alle Volksschichten verbreiteten «roten Büchlein» nieder. Unter heftigen Parteikämpfen setzte sie 1856 eine Totalrevision der Verfassung durch.
Infolge dessen unterlag bei den Wahlen die bisherige Regierungs- oder «graue» Partei, und es gelangte die Revisions- oder «rote» Partei ans Staatsruder. «Landammann» Vigier galt von da an bis zu seinem Tode (1886) als das geistige Haupt der Regierung. Nebst andern Verbesserungen brachte das neue Grundgesetz die Trennung der drei Staatsgewalten, erteilte dem Volk die Wahl der Amtsrichter und Gemeindebeamten, sowie das Vorschlagsrecht für die Wahl der Bezirksbeamten und Pfarrer, garantierte das Vereinsrecht und führte das Veto und die gemeindeweisen Abstimmungen ein.
Mitten unter neuen heftigen Kämpfen der «roten» und «grauen» Partei fand 1867 und 1869 je eine Partialrevision der Verfassung statt. Die erstere führte die direkte Wahl der Bezirksbeamten (Oberamtmann, Amtsschreiber und Amtsgerichtspräsident) ein, zog Erwerb und Einkommen in den Bereich der Besteuerung und machte dem Staat zur Pflicht, das Kreditwesen zu heben. Der letztern verdankte man das obligatorische Referendum, die Gesetzes-Initiative, die Wahl der Ständeräte durch das Volk, sowie das Recht des Volkes, den Kantonsrat und den Regierungsrat abzuberufen.
Infolge, von Streitigkeiten, die anfangs der siebziger Jahre zwischen den staatlichen und kirchlichen Behörden entstanden waren und zur Aufhebung des Klosters Mariastein und der Stifte St. Ursus in Solothurn und St. Leodegar in Schönenwerd geführt hatten, ward 1875 neuerdings eine Abänderung des Grundgesetzes vorgenommen. Dabei wurde die Stellung des Staates gegenüber den Ansprüchen der Kirche genauer bestimmt, den Geistlichen das Stimmrecht und den Gemeinden die Wahl der Pfarrer unter Vorbehalt staatlicher Bestätigung erteilt und endlich der Staat verpflichtet, alle Zweige der Volkswirtschaft zu fördern.
Eine Verfassungsrevision im Jahr 1887 bestimmte für alle Staats- und Gemeindebeamten eine 4jährige Amtsperiode, verlieh dem Volk die Wahl der Bezirksförster, Bezirksweibel und Zivilstandsbeamten, führte die gewerblichen Schiedsgerichte, das Institut des Erziehungsrates, die berufliche Fortbildungsschule und die Unentgeltlichkeit der Lehrmittel in der Primarschule ein und setzte für die Primarlehrer ein Besoldungsminimum von 1000 Fr. fest.
Die letzte Revision des Grundgesetzes endlich, die 1895 stattfand, brachte für die Wahl des Kantonsrates und solcher Gemeinderäte, die wenigstens 7 Mitglieder zählen, das proportionale Wahlverfahren, ferner die Verfassungsinitiative und die direkte Staatsteuer. In der Form, in der 1895 die Verfassung festgesetzt wurde, besteht sie noch heute. Dadurch, dass seit 1830 alle wichtigen Rechte, über die der Kanton verfügen kann, auf das Volk übertragen wurden, erweist sich der Stand Solothurn als ein in fortschrittlichen Bahnen wandelnder eidgenössischer Ort. Die einst am Balsthaler Volkstag geforderte Volkssouveränität ist Wahrheit geworden.
In eidgenössische Behörden hat der Kanton Solothurn treffliche Männer geschickt, so Josef Munzinger, der im ersten Bundesrat sass (1848 bis zu seinem Tode 1855) und ihn 1851 präsidierte; Oberst Berhard Hammer, der die Schweiz beim norddeutschen Bund und nach der Gründung des Reiches beim deutschen Reiche als Gesandter vertrat, 1875-1890 Bundesrat, 1879 und 1889 Bundespräsident war und 1907 in Solothurn gestorben ist. Ins Bundesgericht schickte Solothurn Bläsi und Dr. Affolter. Den Nationalrat präsidierten die Solothurner Trog 1851/52, Dr. Kaiser 186869 und 1883/84, Brosi 1892/93; den Ständerat Vigier 1862/63 und 1882/83, Oskar Munzinger 1893/94 und Cas. von Arx (1902/93).
[Nach Prof. Ferdinand von Arx].